Kommunikation mit Angehörigen

Transkript

1 Kommunikation mit Angehörigen Interne Fortbildung

2 Einleitung Es gibt Situationen, in denen Existenz sich unmittelbar verwirklicht. Das sind letzte Situationen, die nicht verändert oder umgangen werden können, Grenzsituationen: Tod, Leiden, Kampf, Schuld. Nur in ihnen kann sich das Ganze der Existenz verwirklichen. Indem wir in eine solche Situation mit offenen Augen eintreten, werden wir ganz wir selbst. Karl Jaspers

3 Einleitung schwerst- und lebensbedrohlich Kranke Angehörige Behandlungsteam

4 Übersicht 1. Warum Angehörigen einbeziehen? 2. Schwerste Erkrankung als Krise für die Familie 3. Emotionale Probleme der Angehörigen 4. Bedürfnisse der Angehörigen 5. Belastungen des Behandlungsteams 6. Kommunikations- Hilfen

5 1. Warum Angehörige einbeziehen? 1. veränderte psychosoziale Situation der betroffenen Familie 2. Angehörige als primary caregivers (Übertragung von Hoffnung, Verzweiflung, Liebe, Mut, Ängsten, Diagnostik, Therapie-Compliance..) 3. Angehörige als Patienten zweiter Ordnung 4. Angehörige als Belastung für das Behandlungsteam

6 2. Schwerste Erkrankung als Krise für die Familie Familiäre Funktionen und Belastungen (Rait & Lederberg, 1989) soziale/ emotionale Unterstützung Pflege und Betreuung Vermittlung zwischen Patient und Betreuungsteam Träger finanzieller, beruflicher, sozialer Belastungen Rollen/Funktionen des erkrankten Familienmitgliedes übernehmen Beziehungskonflikte/ Persönlichkeitsveränderungen abfangen Familienmitglieder als Garanten der Stabilität unterliegen der Gefahr der Überforderung Verharren in Gefühlen von Ärger und Not, Aufschub wichtiger Entscheidungen ( starre Familie ), Hilflosigkeit

7 3. Emotionale Probleme der Angehörigen Gewissenskonflikte (Wunsch nach Nähe vs. Tendenz der Belastung zu entfliehen) Schuldgefühle (gesund leben Überleben des anderen vielleicht nicht möglich) emotionale Belastung (Verfall des anderen) Konfrontation (mit eigenem Tod?) Familiendynamik (Umkehr von Schutz- und Hilfenetzen) Bedrohung (Gefährdung der eigenen Existenzgrundlage) Unsicherheit (bezüglich der Kommunikation) Emotionale Steuerung (Ausleben vs. Kontrolle unbeherrschbarer Gefühle)

8 4. Bedürfnisse der Angehörigen Bedürfnisse Angehöriger an das Behandlungsteam (Huthmacher, 1991) Gewissheit einer optimalen Versorgung des Patienten offene,ehrliche (nicht widersprüchliche) Antworten erhalten in klarer, einfühlsamer einfacher Sprache über den Zustand informiert werden über Art und Durchführung von Behandlungen informiert werden auch zu Hause angerufen werden, wenn sich der Zustand ändert die Prognose wissen einen konkreten Ansprechpartner haben Hoffnung auf Heilung des Kranken

9 4. Bedürfnisse der Angehörigen Gründe für unzureichende psychosoziale Unterstützung der Angehörigen häufiger Wechsel des Krankenhauspersonals/Schichtdienst Zeitmangel von Ärzten und Pflegepersonal fehlendes Wissen/ Verständnis für psychosoziale Bedürfnisse der Angehörigen Unzufriedenheit der Angehörigen mit fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten Unzufriedenheit mit dem Zeitdruck des Teams Gefühl, dem guten Willen des Teams ausgeliefert zu sein Gefühl, keine Kontrollmöglichkeit über wichtige Bereiche zu besitzen

10 Zusammenfassung der Belastungen von Angehörigen emotional vulnerabel (verschiedene Ängste, Hilflosigkeit, depressive Reaktionen, Hoffnungslosigkeit, Ärger, Schuldgefühle, tabuisierte Reaktionen) psychosomatische Symptome Schmerz und Leid des Patienten aushalten Unsicherheit über Krankheitsverlauf körperliche Belastung durch Pflegeaufgaben veränderte Paar- und Familienbeziehung Kommunikationsprobleme mit dem Behandlungsteam

11 5. Belastungen des Behandlungsteams im Umgang mit Angehörigen

12 5. Belastungen des Behandlungsteams im Umgang mit Angehörigen Hohe Komplexität, hoher Verantwortungsgrad Starke psychische Anspannung durch permanent lebensbedrohliche Situationen (eigene Ängste, Traurigkeit, Hilflosigkeit, Wut, Überforderung) Ständige Konfrontation mit allen Belastungsgefühlen der Patienten und deren Angehörigen Diskrepanz zwischen Behandlerroutine und Angehörigenschock Fehlender Austausch, individualisierter Stressabbau Doppelte Buchführung (streng definierte medizinische Sachverhalte vs. subjektive Bedeutung für Patient/Angehörige) Hoher Anspruch der Angehörigen an Heilung, Professionalität, Information, Kommunikation Konflikte innerhalb der Klinikstrukturen/Berufsgruppen

13 6. Hilfen Hilfen sind im Ideal-Fall Angebote. Also auch meine. Hoffentlich keine Besserwisserei, sondern Angebote zur Optimierung der eigenen Kommunikation. Wenn es Ihnen zuviel wird, ich Sie zu sehr an Schule erinnere oder es langweilig wird, schalten Sie einfach ab. Wenn etwas für Sie wichtig ist, nehmen Sie auch im Schlaf mit, ich vertraue auf Ihr Unbewusstes.

14 6. Hilfen, allgemein Rahmenbedingungen der Kommunikation Vertraulichkeit ermöglichen, Störungen vermeiden Blickkontakt, Hand geben, mit Namen ansprechen Sich mit Namen vorstellen, eventuell Funktion nennen Sitzen! Nähe/Distanz regulieren, zugewandte Körperhaltung Zeitrahmen mitteilen

15 6. Hilfen, allgemein Aktiv zuhören Offen fragen (z.b. Was gu haben Sie gemerkt?) Paraverbal Rückmeldung geben (nicken, mhm, Blickkontakt halten, ja ) Paraphrasieren Rückfragen (z.b. verstehe ich richtig, dass ) Offene Körperhaltung Nicht unterbrechen, Pausen tolerieren Zusammenfassen (lassen)

16 6. Hilfen, speziell Kontakt zum Kranken gewähren, ermutigen Mitpflege (Teilhabe als Ko-Therapeuten ) Aufklärung (Vertrauen in ärztliche Maßnahmen), mehrfach wiederholen, ein bis zwei Ansprechpartner) Vorbereitung (auf eigene und Patientenreaktionen) Entlastung (Pat. 2. Ordnung!) Identifikation von Risikogruppen : stark belastete Angehörigen, bei Bedarf intensivere Betreuung: Angehörigen-Selbsthilfegruppen Einbezug Seelsorger Einbezug Psychologen

17 6. Hilfen, speziell Emotionen empathisch begleiten Emotionen beachten (verbal, nonverbal) Einfühlen Empathisch antworten (z. B. Es tut mir sehr leid für Sie. Ich kann Sie gut verstehen. Vielleicht erginge es mir guso. Es ist zutiefst gesund, mit Angst, Wut, Trauer (etc.) zu reagieren) Zeit lassen, emotionale Öffnung fördern Eigene Emotionen als Indikator nutzen

18 Zusammenfassung Schwersterkrankte lösen eine Krise für die gesamte Familie aus Die Belastungen der Angehörigen sind vielschichtig; deshalb sind sie als Patienten zweiter Ordnung zu betrachten Die Bedürfnisse der Angehörigen ans Team schließen optimale Versorgung, ehrliche Antworten, Ansprechpartner und Hoffnung auf Heilung ein Team selbst ist vielfältigen Belastungen ausgesetzt Kommunikationsschulungen für das Team sind unerlässlich, ebenso Möglichkeiten der emotionalen Entlastung