Prozessanalyse der Notfallversorgung bei Verkehrsunfällen. Studie zur Epidemiologie und Einsatztaktik in Bayern

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1 Prozessanalyse der Notfallversorgung bei Verkehrsunfällen Studie zur Epidemiologie und Einsatztaktik in Bayern Michael Maaz aus 2004

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3 Aus dem Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) Klinikum der Universität Innenstadt Geschäftsführender Vorstand: Univ. Prof. Dr. Christian K. Lackner Prozessanalyse der Notfallversorgung bei Verkehrsunfällen Studie zur Epidemiologie und Einsatztaktik in Bayern Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu vorgelegt von Michael Maaz aus 2004

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5 Mit Genehmigung der Medizinischen Fakultät der Universität Berichterstatter: Univ. Prof. Dr. Christian K. Lackner Mitberichterstatter: Univ. Prof. Dr. Th. Gilg Betreuung durch den promovierten Mitarbeiter: Dr. rer. nat. Stefan Groß Dekan: Univ. Prof. Dr. med. Dr. h.c. K. Peter Tag der mündlichen Prüfung:

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7 Inhaltsverzeichnis I N H A L T S V E R Z E I C H N I S I 1 Einleitung Einteilung des Unfallgeschehens nach Straßenlage und Art der Beteiligten Epidemiologie von Straßenverkehrsunfällen Altersstruktur der Unfallbeteiligten Unfallfolgen und typische Verletzungen Sozioökonomische Auswirkungen von Verkehrsunfällen Ursachen für die Reduktion der getöteten und schwerverletzten Straßenverkehrsteilnehmer Rettungsdienst in der Bundesrepublik Deutschland Rettungskette Rettungsleitstelle Hilfsfristen Notfallrettung Notarztindikationen Rettungsdienststandorte Juristische und organisatorische Rahmenbedingungen des Rettungsdienstes Fragestellung Methodik Ermittlung der soziodemographischen Gegebenheiten im Bundesland Bayern Datenbasis zur Ermittlung des bayerischen Rettungsdienstgeschehens Dokumentation der Einsatzdaten mit dem Dispositionsprogramm ARLISplus Dateneingabe in das Einsatzleitsystem ARLISplus Dokumentation des Einsatzgeschehens Datenselektion und Datentransfer Datenbearbeitung Datenüberprüfung auf Dokumentationsfehler und Datenvorbereitung Vollständigkeit von analyserelevanten Zeitangaben und logische Zeitabfolge Differenzierung von Einsatzarten Differenzierung nach Rettungsmitteltyp und Fahrzeugbesetzung mit einem Arzt...15

8 II I N H A L T S V E R Z E I C H N I S Analysen zum Rettungsdienstgeschehen bei Verkehrsunfällen Differenzierung zwischen Einsätzen und Ereignissen Erkennung der geographischen Einsatzorte Extraktion der Verkehrsunfälle mit und ohne Notarztindikation Analyse der Zeitverteilung von Unfallereignissen Ergebnisse Soziodemographie Bayerns Geographie und Demographie Bayerische Rettungsdienststrukturen Allgemeine Grundlagen des bayerischen Rettungsdienstes Rettungsdienstbereiche Rettungsdienststandorte Struktur der Krankenhäuser in Bayern Definitionen und Charakteristika der einzelnen Krankenhausversorgungsstufen Struktur der Krankenhäuser in den bayerischen Regierungsbezirken Krankenhausstruktur in den kreisfreien Städten des Bundeslandes Bayern Krankenhäuser der Grundversorgung Krankenhäuser der Regelversorgung Schwerpunkt-Krankenhäuser Krankenhäuser der Maximalversorgung und Universitätskliniken Fachkrankenhäuser Rehabilitationseinrichtungen Krankenhausstruktur in den Landkreisen des Bundeslandes Bayern Krankenhäuser der Grundversorgung Krankenhäuser der Regelversorgung Schwerpunkt-Krankenhäuser Fachkrankenhäuser Rehabilitationseinrichtungen Sonstige Krankenhäuser Analyse des Notfallaufkommens bei Verkehrsunfällen Übersicht über die Einsatzdaten aus ARLISplus Überblick über die zeitliche Verteilung der Notfallereignisse im Jahresverlauf Analyse des Notfallaufkommens nach Ereignishäufigkeit und Rettungsdienstkollektiven Analyse der Notfallereignisse ohne Notarztindikation Analyse der Notfallereignisse mit Notarztindikation Spezifische Betrachtung der Notfallereignisse auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte Anzahl der Notfallereignisse in den kreisfreien Städten Bayerns Anzahl der Notfallereignisse in den Landkreisen Bayerns Anzahl der Notfallereignisse mit Notarztindikation in den kreisfreien Städten und den Landkreisen Bayerns unter Berücksichtigung der einsatztaktischen Gruppen...104

9 I N H A L T S V E R Z E I C H N I S III 4.5 Analyse der versorgenden Kliniken von Verletzten bei Verkehrsunfällen Patientenströme vom Unfallort in die versorgenden Krankenhäuser Patientenströme beim Interhospitaltransfer Verlegungen im Fokus der abgebenden und aufnehmenden Krankenhäuser Verlegungen im Fokus der transportierenden Rettungsdienstkollektive Diskussion Relevanz der Analyse zur Notfallrettung bei Verkehrsunfällen Wechselwirkungen von Rettungsdienststrukturen und Unfallereignissen Diskussion zu Anzahl und Verteilung von Verkehrsunfallereignissen Zeitliche Unfallverteilung Regionale Unfallverteilung Diskussion der Rolle der verschiedenen Rettungsmittel an der Notfallversorgung Beurteilung der Prozessqualität in der Notfallrettung anhand der Wahl der Zielkliniken Zusammenfassung Glossar Literaturverzeichnis Anhang Krankenhäuser im Bundesland Bayern Verlegungen nach Quell- und Zielkrankenhäusern Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Danksagung Lebenslauf

10 IV I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

11 E I N L E I T U N G Einleitung Mit steigender Massenmotorisierung in der Nachkriegszeit wurden in allen hochtechnisierten Ländern der Welt zunehmende Verkehrsunfallzahlen registriert. Wegen des progressiven Anstiegs der Unfallzahlen mit tödlichen Verletzungen, bei stetig wachsender Verkehrsdichte, wurden in den 1960er und 70er Jahren umfangreiche Studien zur Problematik des Verkehrsunfalls erstellt. Damals zeigten sich jedoch auch Mängel hinsichtlich einer ausreichenden Dokumentation mit hohen Fallzahlen zum Verkehrsunfallgeschehen [40]. In den letzten Jahrzehnten wurden von der Automobilindustrie vielfältige Anstrengungen in der Verbesserung der aktiven und passiven Sicherheit der Kraftfahrzeuge unternommen, wodurch beachtliche Erfolge in der Reduktion der Unfallquoten mit tödlichen Verletzungen erzielt werden konnten. Während 1970 noch Menschen bei Verkehrsunfällen im Gebiet der alten Bundesländer getötet wurden, konnte bis 1999 ein Rückgang der Verunglückten von 59,5 % auf Verkehrstote, trotz eines mehr als fünffach höheren Kraftfahrzeugbestandes, in Deutschland verzeichnet werden [55,75,97]. Dennoch waren 1999 in der Bevölkerungsgruppe der 15- bis 45-Jährigen unfallindizierte Ursachen in der Todesstatistik vorrangig. Bei den Unfallkategorien stellten Verkehrsunfälle, neben den häuslichen Unfällen (5.592 Verstorbene), wiederum die Haupttodesursache dar [96]. Von insgesamt im Jahr 1999 im Straßenverkehr verunglückten Personen, wurden weitere Verkehrsteilnehmer leicht- und schwerverletzt. In der Bundesrepublik Deutschland wurden Verkehrsunfälle dokumentiert [97]. In Bayern, als einem der am stärksten durch Transitverkehr frequentierten Bundesländer, wurden im Jahr Straßenverkehrsunfälle registriert. Im Vergleich zum Vorjahr ergab sich eine Steigerung von 13,0 %. Seit Einführung der statistischen Unfallaufzeichnung im Jahr 1953 erreichte die Zahl der im Straßenverkehr verunglückten Menschen damit ihren Höhepunkt [97]. Im Rahmen des Unfallgeschehens wurden Personen getötet. Dies entspricht einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 4,5 %. Auf eine Million Einwohner Bayerns entfielen somit 116 Getötete durch Verkehrsunfälle [13,97]. Wiederum Personen wurden im Straßenverkehr verletzt (4,8 % Steigerung zum Vorjahr). Damit hatte Bayern 1999 gefolgt von Nordrhein- Westfalen mit Getöteten die meisten Unfallopfer zu beklagen. Mit verletzten Personen lag Nordrhein-Westfalen jedoch an erster Stelle. Werden die Getöteten in Relation zur Anzahl der Einwohner in den jeweiligen Bundesländern betrachtet, so lagen Mecklenburg-Vorpommern mit 207 getöteten Personen pro Million Einwohner und Brandenburg mit 188 Verkehrstoten an der Spitze. Die niedrigsten Kennzahlen wurden mit 25 bzw. 28 Getöteten je Million Einwohner in Bremen und Hamburg dokumentiert. Bayern lag somit in der Rangfolge der Straßenverkehrstoten bezogen auf die Anzahl der Einwohner innerhalb der 16 deutschen Bundesländer auf Rang sechs [97]. Danner [17] konstatierte 1994, dass Deutschland zwar mit der Anzahl an Verkehrstoten in Relation zu den Einwohnerzahlen im Vergleich zu anderen Ländern im Mittelfeld liege (Schweden 6,1 getötete Personen/ Einwohner, Großbritannien 6,3, Niederlande 7,6, Deutschland 10,4, Ungarn und Belgien 13,4, Frankreich 14,4 [75]), aber die Anzahl der zugelassen Kraftfahrzeuge sowie die Verkehrsdichte überdurchschnittlich hoch liege. Im Hinblick auf die Entwicklung der Unfallzahlen bis 2010 verweist Ratzenberger [80] in seinen Forschungen jedoch trotz einer weiteren Zunahme der zugelassenen Personenkraftwagen auf circa 47 Millionen und einer weiteren Zunahme der Fahrleistungen der Fahrzeuge auf einen Rückgang der im Straßenverkehr verletzten Personen um 16 %. Bei der Anzahl der getöteten Unfallopfer prognostiziert er weitere Abnahmen der Unfallzahlen von circa 40 %. Die Anzahl der Schwerverletzten wird etwa um ein Drittel zurückgehen. Ursächlich sieht er diese Tendenzen in der Zunahme der Sicherheit der Fahrzeuge, infrastruktureller Verbesserungen und verkehrserzieherischer Maßnahmen begründet. Betrachtet man die Entwicklung der Verkehrsunfallzahlen in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten fünf Jahren, wobei hier auch die aktuell vorliegenden gesicherten Unfallzahlen von 2002 hinzugezogen wurden (im Jahr 1998 wurden Verkehrsunfälle mit Verletzten und Getöteten registriert, Verkehrsunfälle mit Verletzten und Getöteten, im Jahr 2000 wurden Verkehrsunfälle mit Verletzten und Getöteten, 2001 wurden Verkehrsunfälle mit Verletzten und Getöteten und 2002 wurden Verkehrsunfälle mit Verletzten und Getöteten dokumentiert [97,98]), so kann diese Entwicklung tendenziell nachvollzogen werden. Signifikante Änderungen in der Unfallentwicklung im zweistelligen Prozentbereich sind derzeit allerdings noch nicht zu erkennen. Die vorliegende Arbeit basiert auf den dokumentierten Rettungsdienstdaten zum Verkehrsunfallgeschehen des Jahres 1999 im Bundesland Bayern. Auf Grund der Komplexität und Quantität der Daten wurden an die Bearbeitung der Datensätze durch die Leistungserbringer hohe qualitative Anforderungen gestellt. Dies erforderte wiederum personelle und zeitliche Ressourcen. Weiterhin erfolgte die Datenübermittlung gestaffelt nach Rettungsdienstbereichen, wodurch insgesamt Zeitfenster bis zu zwei Jahren berücksichtigt werden mussten, bis eine bayernweite Gesamtbetrachtung durchgeführt werden konnte. Gegenüber 1999 mit in Bayern registrierten Straßenverkehrsunfälle bei denen Verkehrsteilnehmer verletzt und getötet wurden [97],

12 E I N L E I T U N G wurden im Jahr Straßenverkehrsunfälle mit Verletzten Personen und Getöteten dokumentiert [98]. Somit findet sich die zuvor beschriebene Entwicklung der Verkehrsunfallzahlen in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren auch annähernd prozentual gleich im Bundesland Bayern wieder. Hierdurch wird ebenso deutlich, dass die Analyseergebnisse in der vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchung nahezu unmittelbar auf die derzeit bestehende Situation der Verkehrsunfälle und deren rettungsdienstliche Notfallversorgung übertragbar sind. 1.1 Einteilung des Unfallgeschehens nach Straßenlage und Art der Beteiligten Die größte Anzahl der Verkehrsunfälle ereignete sich 1999 innerorts (64 %). Zwei Drittel der Verkehrsteilnehmer verunglückten tödlich auf Landstraßen, wohingegen nur 24 % bei Unfällen in Ortschaften verstarben. Auf Autobahnen ereigneten sich nur 12 % der Todesfälle und 6,7 % der Verletzungen. Als Ursache für die schwerwiegenderen Unfallfolgen auf Landstraßen kann die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit gegenüber dem Verkehr innerorts, als auch die häufig wechselnde Straßenführung gegenüber Autobahnstrecken angesehen werden. Als Kennzahlen der Schwere von Unfällen können die Anzahl der getöteten und verletzten Personen je Verkehrsunfälle angesehen werden. Für die verschiedenen Unfallorte der 1999 in Deutschland dokumentierten Verkehrsunfälle lassen sich folgende Kennzahlen errechnen: innerhalb von Ortschaften entfielen 7 Getötete auf Verkehrsunfälle, auf Landstraßen und auf Autobahnen wurden 43 bzw. 34 Personen pro Unfallereignissen getötet [97]. Bei den verunglückten Straßenverkehrsteilnehmern können grundsätzlich vier Gruppen differenziert werden, die sich aus der Gruppe der Benutzer von Kraftfahrzeugen, den motorisierten Zweiradfahrern, der Gruppe der Radfahrer sowie der Fußgänger zusammensetzen. Bei den Kraftfahrzeugen kann wiederum eine Unterteilung in Güterkraftfahrzeuge und Personenkraftfahrzeuge getroffen werden und bei den motorisierten Zweirädern in Motorräder sowie Mofas bzw. Mopeds. Mit einem Anteil von circa zwei Dritteln sowohl bei den getöteten (60 %), als auch bei den verletzten (68 %) Unfallopfern, stellten die Pkw-Insassen den Hauptanteil der 1999 in Deutschland verunglückten Verkehrsteilnehmer. Hierin spiegelt sich die hohe Anzahl an Personenkraftwagen (bei einem Bestand von Kraftfahrzeugen 1999 waren Fahrzeuge Personenkraftwagen) im deutschen Straßenverkehr wider [50]. Jeweils 13 % der Getöteten entfielen auf die Gruppe der Fußgänger und der Motorradbenutzer. Annähernd 10 % der Verletzten, als auch der Getöteten verunglückten als Fahrradfahrer im Straßenverkehr. Weniger als 5 % der Unfallopfer wurden in Güterkraftfahrzeugen oder als Fahrer bzw. Mitfahrer von Mopeds und Mofas getötet. Bei den verletzten Verkehrsteilnehmern entfielen jeweils circa 5 % auf die Gruppe der Güterkraftfahrzeuge sowie der Motorräder und Fußgänger. Die wenigsten Verletzten traten wiederum bei der Benutzung von Mofas und Mopeds auf (circa 3 %). Ende der 90er Jahre kehrten diese Verteilungen jährlich in nahezu unveränderter Form wieder [76,97]. Als die sichersten Verkehrsmittel auf deutschen Straßen können Reisebusse angesehen werden [97,98]. So lag die Anzahl der Verkehrstoten im Reisebusverkehr in den 80er Jahren jeweils unter einem Getöteten je Milliarde Personenkilometer. Bei den Personenkraftwagen beispielsweise lagen die Zahlen dagegen etwa zwischen acht und 14 tödlich verunglückten Insassen [70]. 1.2 Epidemiologie von Straßenverkehrsunfällen Das Unfallaufkommen in Deutschland ist sowohl durch saisonale, als auch durch tageszeitliche Variationen geprägt. Die Ursachen von Straßenverkehrsunfällen gestalten sich dabei überaus vielschichtig. Typischerweise finden sich in den Sommermonaten mit vermehrtem Reise- und Freizeitverkehr erhöhte Zahlen bei den verunglückten Kraftfahrzeuginsassen, als auch bei den Radfahrern. Von April bis Oktober kann bei den motorisierten Zweiradfahrern vermehrtes Unfallaufkommen registriert werden. Hierbei korreliert die Teilnahme am Straßenverkehr deutlich mit der wärmeren Witterung in diesen Monaten. In den Wintermonaten lassen sich vor allem bei alten Menschen häufiger tödliche Fußgängerunfälle eruieren als zu anderen Jahreszeiten [97,40]. Die Betrachtung des Unfallaufkommens zu verschiedenen Tageszeiten zeigt eine prägnante Unfallhäufung in den Zeiten zwischen 15 Uhr und 18 Uhr. Das geringste Unfallaufkommen wurde in der Zeit zwischen Mitternacht und sechs Uhr registriert [97]. Somit könnte auf eine direkte Korrelation zwischen Verkehrsaufkommen durch Berufspendler und Unfallgeschehen geschlossen werden. Havemann verwies jedoch Anfang der 70er Jahre auf Untersuchungsergebnisse, die belegen, dass in der verkehrsärmsten Tagesperiode zwischen 21 Uhr und 6 Uhr etwa ein Drittel der verletzten und circa ein Viertel der getöteten Verkehrsteilnehmer verunglückten. Bei den 1999 in Deutschland dokumentierten Verkehrsunfällen konnte an den Freitagen sowohl innerorts, als auch auf Landstraßen und Autobahnen die höchsten Unfallzahlen eruiert werden. Innerhalb von Ortschaften konnten an den Samstagen circa 30 % und an den Sonntagen nahezu 50 % weniger Verkehrsunfälle registriert werden [97]. Ursächlich dürfte hier vor allem der Wegfall der Berufspendler an den Wochenenden und die geschlossenen

13 E I N L E I T U N G Geschäfte an den Sonntagen im Zusammenhang gesehen werden. Verkehrsunfälle mit Kindern ereignen sich vor allem nachmittags in der Zeit zwischen 15 und 17 Uhr (30 %), da sich die Kinder in dieser Zeit häufig zum Spielen im Freien aufhalten [107]. Ein deutliches Gefahrenpotential besteht ebenso für Kinder auf dem Schulweg [39]. Als Hauptursache von Verkehrsunfällen werden vor allem menschliches Versagen oder Fehlverhaltensweisen bei den Verkehrsteilnehmern diskutiert. Witterungsbedingte Ursachen wie eingeschränkte Sichtverhältnisse durch Nebel, starken Regen oder Schneefall, ebenso wie Straßenglätte spielen bei der Entstehung von Verkehrsunfälle mit Personenschäden eine untergeordnete Rolle [40,55,97]. Bei 10 % der 1999 in Deutschland dokumentierten Unfälle wurden widrige Witterungsverhältnisse als Unfallauslöser verantwortlich gemacht. Technische Defekte konnten nur bei sieben von Unfallfahrzeugen registriert werden. Sie sind daher als Unfallursachen zu vernachlässigen. Menschliches Versagen gestaltet sich bei der Entstehung von Verkehrsunfällen vielschichtig. Seit vielen Jahren wird unverändert überhöhte bzw. nicht angepasste Geschwindigkeit vorrangig als Unfallursache erwähnt [40,97]. In der deutschen Verkehrsunfallstatistik wurde 1999 bei 19 % der Unfälle mit Personenschäden nicht angepasste Geschwindigkeit als Ursache dokumentiert. Weitere 14 % der Unfälle erfolgten auf Grund von Vorfahrtsmissachtung. In etwa 12 % fand sich ein zu geringer Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug und bei circa 8 % Fehler beim Abbiegen. Alkoholeinfluss konnte bei circa 5 % der Unfallursachen festgestellt werden [97]. Typischerweise ereignen sich alkoholbedingte Unfälle auf Grund des Konsumverhaltens vor allem in den Abend- und Nachtstunden, wobei auch hier überhöhte Geschwindigkeiten oft in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen stehen [35,53]. Unter Alkoholeinfluss steigt das Risiko, einen Unfall mit letalem Ausgang zu erleiden, um das Zwei- bis Dreifache. Schwere Verletzungen werden drei- bis viermal häufiger als bei nüchternen Verkehrsteilnehmern beobachtet [26]. In den letzten Jahren werden auch zunehmend Verkehrsunfälle nach Drogenkonsum diskutiert, wobei der Anteil der drogenbedingten Verkehrsunfälle im Vergleich zu anderen Unfallursachen eher gering ist [94]. Suizide oder plötzlicher Tod am Steuer müssen weiterhin als mögliche Unfallursachen erwähnt werden, sie spielen aber bei der Gesamtzahl der verunglückten Personen eine unbedeutende Rolle [65]. Erfahrung, Alter und Geschlecht der verunglückten Verkehrsteilnehmer müssen ebenso bei der Analyse des Unfallgeschehens berücksichtigt werden. Während junge Erwachsene häufiger auf Grund überhöhter Geschwindigkeit, Übermüdung oder nach Genuss von alkoholischen Getränken verunglücken, zeigt sich bei älteren Fahrern oft eine situative Überforderung, die beispielsweise zu Unfällen durch Vorfahrtsverletzungen führen [44,62]. Männer verunglücken deutlich häufiger im Straßenverkehr als Frauen. Der Anteil der getöteten männlichen Verkehrsteilnehmer lag 1999 in Deutschland bei 73 %. Bei den Verletzten fiel der Frauenanteil mit 43 % ebenfalls wesentlich geringer aus. Die Dominanz der Männer unter den Fahrern motorisierter Zweiräder sowie die hohe Risikobereitschaft junger männlicher Motorradfahrer [73,87,106] zeigt sich in dem geringen Anteil von weiblichen Verkehrstoten bei Unfällen mit Krafträdern, der 1999 nur bei 8 % lag [97]. Die zunehmende Teilnahme von Frauen als Fahrzeuglenkerinnen in den letzten Jahrzehnten zeigt sich in einem Anteil von circa 30 % als Hauptunfallverursacher in den 1990er Jahren gegenüber etwa 10 % in den 1970er Jahren [40,97]. 1.3 Altersstruktur der Unfallbeteiligten Das größte Risikopotential im Straßenverkehr zu verunglücken liegt bei der Gruppe der jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren [44]. Bei den 1999 in Deutschland dokumentierten Verkehrsunfällen entstammten jeweils 22 % der getöteten und verletzten Unfallopfer dieser Altersgruppe [97]. Besonders negativ wirken sich hier die Verkettung von Unerfahrenheit (oft erst kurzer Besitz der Fahrerlaubnis) mit hoher Risikobereitschaft und Selbstüberschätzung aus [44,79,91]. Bis zum Alter von 55 Jahren nimmt die Unfallbeteiligung in Abständen von jeweils fünf Jahren annähernd linear ab. Ältere Menschen über 65 Jahren sind hingegen wieder überdurchschnittlich in das Verkehrsunfallgeschehen involviert lag der Anteil der im Straßenverkehr getöteten Personen im Alter über 65 Jahren bei 17 %. Dabei verunglückten sie hauptsächlich als Fußgänger oder Radfahrer. Getötete Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre waren 1999 in 317 Fällen zu beklagen. Dies entspricht einem Anteil von 4 % bei den getöteten Straßenverkehrsopfern. Seit 1970 ist allerdings auch bei den tödlichen Unfällen im Kindesalter eine rückläufige Tendenz zu verzeichnen [75]. In der Altersgruppe der 15- bis 18-Jährigen verunglückten 391 Jugendliche tödlich (5 % der getöteten Verkehrsteilnehmer) [97]. Hierin spiegelt sich die zunehmende Teilnahme der Jugendlichen mit motorisierten Zweirädern am Straßenverkehr wider.

14 E I N L E I T U N G Unfallfolgen und typische Verletzungen Mit der Einführung der Gurtpflicht am und der zunehmenden Anzahl an PKW, die mit Airbags ausgestattet sind, nahm zwar die Unfallzahl nicht ab, dafür aber die Schwere der Unfälle. Martin [61] beschreibt beispielsweise eine Verminderung der tödlichen Verkehrsunfälle in den USA durch Airbags um 30 %. Auffallend ist, dass etwa 30 % aller 1999 in Deutschland getöteten Fahrzeuginsassen nicht angeschnallt waren [97]. Von den jährlich etwa 200 tödlich verunglückten Kindern waren dreiviertel überhaupt nicht gesichert [17]. Die Verletzungen, die sich die Verkehrsteilnehmer bei Unfällen zuziehen, zeigen ein bestimmtes Muster. So beschrieb Ziegenfuß [108] 1998, dass bei 80 % der vorwiegend durch Verkehrsunfälle polytraumatisierten Patienten die Extremitäten und das Becken betroffen sind, 60 % erleiden ein Schädelhirntrauma, 25 % bis 50 % ziehen sich Verletzungen im Thoraxbereich zu, das Abdomen ist in 12 % bis 40 % mitbetroffen. Beteiligungen der Wirbelsäule konnten in 6 % bis 10 % der Fälle eruiert werden. Die Zahlen, die von Rösch [85] im Jahre 2000 in Ulm ermittelt wurden, sind ähnlich, sie unterscheiden sich nur in der Anzahl der Wirbelsäulenverletzten erheblich (31 %). Auch 70 % aller Gesichtsschädelverletzungen sind ursächlich Verkehrsunfällen zuzuschreiben [103]. Gefäßverletzungen spielen zwar bei Verkehrsunfällen nur eine untergeordnete Rolle, wegen der schwierigen Diagnostizierbarkeit und dem sofortigen Handlungsbedarf müssen diese aber unbedingt mit berücksichtigt werden [74]. Die Verkehrsunfälle, die sich außerorts ereignen, sind auf Grund der meist deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen häufig mit schweren bis schwersten Verletzungen verbunden [40]. Auch Dischinger [21], USA, beschreibt, dass bei einer Geschwindigkeit von über 30 mph die Komplikationsrate bei den verunglückten Patienten deutlich steigt. Auf Grund der oft sehr schweren Verletzungen, die sich bei Verkehrsunfällen ergeben, ist eine kompetente Erstversorgung mit einer anschließenden Verlegung in entsprechende Kliniken unverzichtbar. Bei polytraumatisierten Patienten, bei Verdacht auf Gefäßverletzungen und/oder Gesichtsschädelverletzungen, bei neurologischen Besonderheiten, bei Verbrennungsopfern und bei Unfällen mit Kindern sollte deswegen ein schnellstmöglicher Transport in Spezialkliniken oder in Kliniken der Maximalversorgung stattfinden. Auch der Einsatz von Rettungshubschraubern ist in diesen Fällen vorrangig, vor allem wenn die entsprechenden Kliniken nicht in weniger als 15 Minuten zu erreichen sind [1,9,18,60,74,,75,82]. Leider werden immer noch zu wenige der Patienten mit schweren Verletzungen in Häuser der Maximalversorgung eingeliefert [11], es muss berücksichtigt werden, dass das primär angesteuerte Krankenhaus auch die Endversorgung gewährleisten können soll. In Häusern der Grundversorgung ist oftmals nur eine Primärbehandlung möglich [34]. Die definitive Versorgung kann dann erst nach der Verlegung in ein Krankenhaus der Maximalversorgung erfolgen. Die typischen Todesursachen der bei Verkehrsunfällen verletzten Patienten sind Schädelhirntraumata, Multiorganversagen, Sepsen, Pneumonien und Lungenembolien [11]. Für die Unfallchirurgie ist es von großem Interesse, welche Verletzungen durch welche Bewegungsabläufe und durch welche Konstruktionselemente verursacht werden um die posttraumatische Versorgung zu optimieren. Die von Havemann [40] 1972 geforderten Unfallsimulationen mit Dummies sind daher bereits seit vielen Jahren fester Bestandteil in der Sicherheitsförderung von Fahrzeugen und in der Aufklärung von möglichen Verletzungsmustern. Dramatische Folgen für die Schwerverletzten haben auch die Versorgungsengpässe in vielen Kliniken. Immer wieder müssen Notärzte mit ihren Patienten regelrecht hausieren gehen, bis eine stationäre Aufnahme möglich ist. Ein Notarzt muss zwar die Kapazitäten der Kliniken respektieren, aber dennoch sind die Krankenhäuser verpflichtet, bei drohender Lebensgefahr entsprechende Flexibilität zu zeigen [36,58]. Dieses Phänomen wird auch von Dresing [23] beschrieben, der dazu rät, dass sich Notärzte über die Ablehnung zur Patientenaufnahme hinwegsetzen müssen, damit die Erfolge in der Primärversorgung dadurch nicht untergraben werden. 1.5 Sozioökonomische Auswirkungen von Verkehrsunfällen Abgesehen von den teilweise dramatischen finanziellen Folgen für die Hinterbliebenen von Verunglückten verursachen Verkehrsunfälle erhebliche Kosten für die Allgemeinheit. Die Behandlung von polytraumatisierten und schwerverletzten Unfallopfern erfordert oft wochenlange Aufenthalte in Traumazentren mit hohem technischen und personellen Aufwand. In der Folge stehen Rehabilitationsphasen, die nicht in allen Fällen eine uneingeschränkte Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess gewährleisten können. Haas [34] veröffentlichte 1997 eine Studie, in der er den jährlichen Verlust für die Volkswirtschaft durch Unfallfolgen mit

15 E I N L E I T U N G Lebensjahren bzw Arbeitsjahren bezifferte. Nach seinen Berechnungen belaufen sich die Behandlungskosten eines Unfallverletzten auf durchschnittlich DM. Die Behandlungskosten von polytraumatisierten Patienten werden zwischen circa DM [86] und DM bis DM angegeben [34]. Mit maximal DM wurde am Universitätsklinikum Ulm der höchste Behandlungsbetrag ermittelt [85]. Weitere Kostensteigerungen bis zu einer halben Million DM ergeben sich, wenn Unfallverletzungen zu lebenslangen Behinderungen führen [34] bzw. bis zu einer Million DM bei Unfällen mit letalem Ausgang [85]. Während sich die volkswirtschaftlichen Kosten durch Verkehrsunfälle 1994 in Deutschland auf 40 Milliarden DM (1,2 % des Bruttosozialprodukts) beliefen [25], wurden 1998 die Personen- und Sachschäden durch Verkehrsunfälle mit 68 Milliarden DM angegeben. Dabei entfielen etwa 44 % der Kosten auf Sachschäden sowie jeweils annähernd ein Viertel auf Schwerverletzte und Getötete. Die geringsten Kosten wurden durch leichtverletzte Personen verursacht [6]. Im internationalen Vergleich werden wiederum in den 90er Jahren jährliche Kostensteigerungen von etwa sechs Prozent genannt [102]. 1.6 Ursachen für die Reduktion der getöteten und schwerverletzten Straßenverkehrsteilnehmer Erfreulicherweise kann ein markanter Rückgang der schwerverletzten und der getöteten Straßenverkehrsteilnehmer beobachtet werden. Danner [17] beschreibt einen jährlichen Rückgang der Verkehrstoten um drei bis vier Prozent. Vor allem unter den 18- bis 20-jährigen Autofahrern konnte sogar ein Rückgang um 40 % in den Jahren 1997 bis 2000 konstatiert werden (alle 18- bis 20-jährigen Verkehrsteilnehmer: Rückgang um 10 %). Ratzenberger [80] prognostiziert sogar für die Jahre 1997 bis 2010 einen Rückgang aller Getöteten um 42 % und der Schwerverletzten um 34 %. Auch Rösch [85] stellt einen Letalitätsrückgang der polytraumatisierten Patienten von 1972 von 40 % auf 10 % im Jahr 2000 fest. Diese positiven Ergebnisse haben mehrere Ursachen. Auf der einen Seite spielt die deutlich bessere Ausstattung der Fahrzeuge eine große Rolle. Hierbei müssen vor allem Gurte, sehr häufig vorhandene Airbags und bessere Knautschzonen erwähnt werden [77]. Andererseits ist ein wesentlicher Faktor des verbesserten Outcomes nach schweren Verkehrsunfällen das Rettungswesen. In den letzten 25 Jahren hat sich das deutsche Rettungsdienstsystem in eine professionelle Organisation mit bundesweiten Standorten verwandelt [67]. In Deutschland wird abhängig vom Meldebild ein arztbesetztes Rettungsmittel zum Unfallort disponiert. Nach dem Motto treat and run wird der Patient stabilisiert und dann schnellstmöglich transportiert. Früher handelte man nach dem stay and play -Prinzip, durch die lange präklinische Verweildauer war die Letalität aber höher [9]. Vergleichsstudien mit den USA haben ergeben, dass beim dortigen Prinzip des scoop and run, allerdings bei fehlender ärztlicher Besetzung der Rettungsmittel, ein deutlich schlechteres Ergebnis als in Deutschland erzielt wurde [11,19]. Durch eine Hilfsfrist, die in Bayern mit 12 bis 15 Minuten definiert ist [47] (vgl ), was einen Kompromiss zwischen notfallmedizinischer Notwendigkeit und ökonomisch Machbarem darstellt, kann die golden hour [108] optimal genutzt werden. Zur Einhaltung dieser golden-hour können in ganz Deutschland auch Rettungshubschrauber (RTH) eingesetzt werden. Durch 51 RTH-Zentren in Deutschland ist das gesamte Bundesgebiet nahezu flächendeckend versorgt [34]. Seit dem Einsatz von RTH konnte die Sterbezahl nach Verkehrsunfällen deutlich gesenkt werden [101,75]. Der hohe Standart des deutschen Rettungswesens wird zwar als eines der weltbesten beschrieben [4,11], dennoch könnte bei einer verbesserten Ersthilfe ein qualifiziertes Überleben auf 30 bis 40 % ansteigen [92]. 1.7 Rettungsdienst in der Bundesrepublik Deutschland Rettungskette Dass nicht der Patient zum Arzt, sondern in bestimmten Situationen der Arzt zum Patienten kommen sollte, drückte 1938 Kirschner zum ersten Mal aus. Es dauerte aber noch bis 1957, dass das Clinomobil, ein mobiler OP-Wagen eingesetzt werden konnte [59]. Dies waren die ersten Schritte einer grundlegenden Veränderung der Versorgung von Notfallpatienten, die bereits am Unfallort beginnen konnte. Die Rettungskette verdeutlicht den Gedanken, den Patienten erst zu versorgen, zu stabilisieren, um ihn dann in ein geeignetes Krankenhaus transportieren zu können. Der LaienhelferÁ als erstes Glied dieser Kette, leistet erste Hilfe am Unfallort und meldet den Unfall an die Rettungsleitstelle. Diese disponiert, abhängig vom Meldebild, das entsprechende Rettungsmittel, das bei dem Verdacht auf schwere Verletzungen arztbesetzt ist. Das nun eingetroffene Fachpersonal erweitert die Sofortmaßnahmen, stellt gegebenenfalls die Vitalfunktionen wieder her und sorgt für die Transportfähigkeit des Patienten. Nach dem Transport wird der Patient von den Ärzten und dem Pflegepersonal der angefahrenen Klinik übernommen und weiter behandelt.

16 E I N L E I T U N G Rettungsleitstelle Es wird unterschieden zwischen Rettungsleitstellen, die nur den öffentlich-rechtlichen Rettungsdienst disponieren und den integrierten Leitstellen, die sowohl Lenkungsfunktionen für den öffentl.-rechtl. Rettungsdienst (Notfallrettung und qualifizierter Krankentransport) als auch die Feuerwehr (Brandschutz und technische Hilfeleistung) wahrnehmen und zugleich Lenkungsinstrumente im Katastrophenfall nach den Landes- Katastrophenschutzgesetzen sind. Die Aufgabe des Leitstellenpersonals ist die Entgegennahme von Hilfeersuchen, die Einsatzveranlassung, die Einsatzkoordination und die Einsatzlenkung. Weiter wird Fachkompetenz, soziale Kompetenz sowie Kenntnisse der regionalen Strukturen erwartet [57]. In Bayern gibt es mit der Durchsetzung des Konzeptes der integrierten Leitstellen noch Probleme, da mit Ausnahme von 25 Rettungsleitstellen ca. 130 Alarmierungsstellen für den Brand- und Katastrophenschutz gegenüberstehen. Insgesamt hat sich die Hälfte der Bundesländer auch Bayern - gesetzlich für das Modell der integrierten Leitstelle entschieden [104] Hilfsfristen Die sogenannte Hilfsfrist stellt einen Kompromiss dar zwischen notfallmedizinisch Notwendigem und ökonomisch Machbarem. Sie wird im Bayerischen Rettungsdienstgesetz ( 1,2. AVBayRDG) definiert als das Zeitintervall zwischen dem Ausrücken des Rettungsmittels und der Ankunft am Unfallort, also der reinen Fahrzeit. Diese Zeitspanne ist in Bayern mit zwölf bis maximal 15 Minuten festgelegt [7,47]. Das heißt, dass jeder an einer Straße gelegene Einsatzort in der Regel von einem Rettungsmittel innerhalb einer Fahrzeit von zwölf Minuten erreicht werden muss. In dünn besiedelten Gebieten mit schwachem Verkehr kann ausnahmsweise eine Hilfsfrist bis zu 15 Minuten in Kauf genommen werden [7]. Die Hilfsfrist kann nur von qualifizierten Rettungsmitteln eingehalten werden. Dies sind im Sinne des BayRDG neben Rettungswagen (RTW) auch Krankentransportwagen (KTW), Notarztwagen (NAW), Notarzt-Einsatzfahrzeuge (NEF) sowie die luftgestützten Rettungsmittel. Für den Patienten zählt natürlich weniger die planerische Hilfsfrist als das therapiefreie Intervall zwischen Eintritt des Notfalls und Therapiebeginn durch das medizinische Team, die sogenannte Reaktionszeit [2,88] Notfallrettung Die Notfallrettung ist eine primär ärztliche Aufgabe, die sowohl die medizinische Versorgung als auch einen eventuellen Transport beinhaltet. Während in ländlichen Gebieten die Notfallrettung und der Krankentransport auch gemeinsam organisiert werden müssen (Ein-Fahrzeugwachen), kann in Ballungsräumen eine funktionelle Trennung erfolgen. Die Leistungen des Rettungsdienstes werden grundsätzlich durch den bodengebundenen Rettungsdienst sichergestellt, dieser wird durch die Luftrettung ergänzt. Der Notfallrettung werden auch interhospitale Transfers klinisch erstversorgter Patienten zugerechnet, sofern es sich um zeitkritische und indisponible Einsätze handelt. Eine notärztliche Aufgabenstellung liegt vor, wenn akute Lebensgefahr bereits vorhanden ist oder unmittelbar droht. Die notärztliche Versorgung erfolgt mit Mitteln der präklinischen Intensivmedizin. Dann ist der Einsatz von NAW, RTH oder NEF mit RTW obligatorisch. Während des Transportes muss eine Patientenbetreuung durch einen Rettungsassistenten gewährleistet sein. Der Bürger hat bei entsprechender Verletzungsschwere einen rechtlichen Anspruch auf eine flächendeckende, hilfsfristorientierte, qualifizierte notärztliche Hilfe, die rund um die Uhr und an jedem erdenklichen Ort sicherzustellen ist. Soweit Notfallpatienten ärztlicher Behandlung bedürfen, ist dies Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Notärzte müssen über besondere notfallmedizinische Kenntnisse verfügen. Dies ist von der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und den Rettungszweckverbänden zu gewährleisten [3,7] Notarztindikationen In der Leitstelle wird abhängig vom Meldebild (Symptome, Situation, ev. Diagnose) entschieden, ob ein arztbesetztes Rettungsmittel zu einem Notfall disponiert werden muss. Unterschieden wird zwischen primären Alarmierungen, bei denen sofort ein Notarzt zum Unfallort gesandt wird und den sekundären Alarmierungen durch das bereits am Notfallort anwesende Team, das Rettungsmittel und Personal nachfordern kann. Der Indikationskatalog für Notfälle in Bayern berücksichtigt nicht nur die rein medizinischen Komponenten, sondern auch die Begleitumstände des Notfalls. Im Falle eines Unfalls sind das erkennbar Schwerverletzte oder mehrere Verletzte, offene Körperhöhlen (Schädel, Brustkorb, Bauchraum), Frakturen des Oberschenkels, des Beckens, der Wirbelsäule, des Brustkorbes und alle offenen Frakturen, sowie Stich-, Schuss- und Hiebverletzungen. Des

17 E I N L E I T U N G Weiteren sind auch Schockzustände, Bewusstlosigkeit (nicht erweckbar auch auf starke Reize), starke Blutungen, Verbrennungen und eingeklemmte Personen beschrieben [7,56,67] Rettungsdienststandorte Deutschlandweit decken 51 RTH-Zentren das gesamte Bundesgebiet flächendeckend ab, hinzu kommen allein in Bayern 25 Rettungsleitstellen, zuzüglich der Integrierten Leitstelle (ILSt) der Berufsfeuerwehr. Die Rettungsdienststandorte sind derart loziert, dass in der Regel innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsfristen jeder beliebige Notfallort erreicht werden kann. Für das Bundesland Bayern ist dies in der Zweiten Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Gesetzes für den Rettungsdienst (2. AVBayRDG) festgelegt. Der Einsatzbereich, der von einem nicht-arztbesetzten Rettungsmittel abgedeckt werden muss, wird Wachbereich genannt. Wachbereiche und Notarzt-Wachbereiche müssen nicht identisch sein, da oft ein Notarzt-Wachbereich mehrere Wachbereiche umfasst. Die Standorte, von welchen aus die Rettungsmittel ausrücken, sind meist die Rettungswachen oder in geringerer Anzahl auch Stellplätze. Stellplätze dienen nach 1 Abs. 2 der 2. AV BayRDG neben Rettungswachen der Sicherstellung der Versorgung von Notfallpatienten, so dass in besonderen Fällen Rettungsmittel auch außerhalb von Rettungswachen stationiert werden können. Das Fahrzeug und das Rettungsdienstpersonal eines Stellplatzes sind jedoch immer einer Rettungswache als Organisationseinheit zugeordnet. Um Rettungsdienststandorte richtig planen zu können, sind Kenntnisse über die Durchschnittsgeschwindigkeit der Rettungsmittel, der Verkehrssituation und der Infrastruktur im Rettungsdienstbereich nötig [7,34,104]. In der Regel ist bei einem RTW von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometer auszugehen. Entsprechend den Vorgaben durch die Hilfsfristen lassen sich näherungsweise für einen Rettungswagen ein maximaler Einsatzradius von zwölf Kilometern, in dünn besiedelten Gebieten von fünfzehn Kilometern angeben. Die Größe und Geometrie von Wachbereichen kann jedoch deutlich differieren, da die mögliche Geschwindigkeit der Rettungsmittel vom Straßentyp, der Verkehrssituation und des Höhenprofils des Einsatzgebietes maßgeblich bestimmt wird. Zusätzlich wird die Fahrzeit der Rettungsmittel durch Jahreszeit und Witterung beeinflusst Juristische und organisatorische Rahmenbedingungen des Rettungsdienstes Die Organisation und Durchführung des Rettungsdienstes fallen gemäß Artikel 30 und 70 GG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Träger des Rettungsdienstes sind die Länder, soweit sie diese Aufgabe nicht auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen. Leistungserbringer sind durch die Träger beauftragte Hilfsorganisationen, Feuerwehren oder private Anbieter. Diese haben die in den Rettungsdienstgesetzen festgeschriebenen Leistungen zu erbringen. In Bayern gilt das Bayerische Gesetz zur Regelung von Notfallrettung, Krankentransport und Rettungsdienst (BayRDG) vom 10. August 1990, zuletzt geändert durch das Gesetz vom in der Fassung der Bekanntmachung vom Der Rettungsdienst hat nach dem BayRDG die Aufgabe der Notfallrettung und des Transportes Hilfsbedürftiger. Diese hoheitliche Aufgabe hat das Bayerische Staatsministerium des Innern den Landkreisen bzw. kreisfreien Gemeinden übertragen. Zu diesem Zweck wurde Bayern in 26 Rettungsdienstbereiche aufgeteilt, in denen die Rettungszweckverbände für die korrekte Durchführung des Rettungsdienstes zuständig sind. Die Rettungszweckverbände müssen auch die rettungsdienstlichen Einrichtungen vorhalten [3,7].

18 E I N L E I T U N G 8 1.7

19 F R A G E S T E L L U N G Fragestellung In der vorliegenden Arbeit gilt das Interesse der Auswertung von Verkehrsunfällen mit Personenschäden, die sich im Bundesland Bayern ereigneten und der daraus notwendigen Versorgung durch den Rettungsdienst sowie die Struktur der aufnehmenden Krankenhäuser. Die Möglichkeit einer detaillierten wissenschaftlichen Untersuchung hinsichtlich der Verflechtung präklinischer und klinischer Strukturen des bayerischen Gesundheitssystems war in der Vergangenheit auf Grund des Fehlens umfassender Realdaten nicht gegeben. Dies wurde erst durch eine umfangreiche Datenerhebung im Rahmen gutachterlicher Trend- und Strukturanalysen zum Rettungsdienst in Bayern, die zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Sozialversicherungsträger und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern als Auftraggeber und dem Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM), Klinikum der Universität Innenstadt als Auftragnehmer zum Jahresbeginn 1999 vereinbart wurden, möglich. Die durch die Anzahl an verletzten Personen resultierenden Anforderungen an die öffentlich-rechtliche Vorhaltung im bayerischen Rettungswesen als auch die daraus resultierende Bereitstellung klinischer Ressourcen stellten die Basis zur wissenschaftlichen Erörterung. Dabei wurde die Versorgung durch die bayerischen Rettungsdienste nach dem folgendem Flussdiagramm (Abbildung 1) gegliedert. Verkehrsunfälle Ohne Notarzt (Kollektiv 1) Mit Notarzt (Kollektiv 2) Bodengebunden Luftgestützt Bodengebunden und Luftgestützt Zielkliniken Abbildung 1: Dargestellt werden die unterschiedlichen Versorgungsvarianten von Verletzten bei Verkehrsunfällen Aus der dargestellten Verflechtung von Notfällen mit Rettungsdienst und Kliniken ergaben sich für jede der drei Ebenen unterschiedliche Analysekriterien und Fragestellungen. 1. Verkehrsunfälle Zunächst stellte sich die Frage nach der zeitlichen Verteilung von Verkehrsunfällen mit Personenschäden, untergliedert nach Tageszeit und Wochentagen, um die Auswirkungen des Berufs- bzw. Freizeitverkehrs analysieren zu können. Auch saisonale Unterschiede wie Veränderungen im Verkehrsaufkommen in der Urlaubsund Ferienzeit oder jahreszeitliche Faktoren und ihre Auswirkungen auf die Verkehrsunfallzahlen waren von Interesse. Weiterhin sollte die Analyse regionale Unterschiede und Besonderheiten klären, wie Differenzen in der Inzidenzverteilung von Verkehrsunfällen zwischen Landkreisen und Städten sowie den Inzidenzen pro Einwohner auf Gemeindeebene und mögliche Ursachen dafür anhand von Pendlerströmen eruieren.

20 F R A G E S T E L L U N G Rettungsdienst Das Hauptkriterium bei der Analyse von Notfalleinsätzen, die zu Verkehrsunfällen disponiert wurden, war die Beteiligung eines Notarztes, wobei es hier nochmals einer Untergliederung in bodengebundene oder luftgestützte Notarzteinsätze bedurfte. Das Ziel der Untersuchung bestand in der Klärung der Frage, in welchem Umfang die Luftrettungsmittel in den verschiedenen Rettungsdienstbereichen bzw. Landkreisen an der Unfallversorgung beteiligt waren. Ein weiteres Analysekriterium stellten wiederum saisonale Auswirkungen auf die Luftrettung dar. Nachdem die Dispositionszeiten von Luftrettungsmitteln, von wenigen Ausnahmen abgesehen, an die Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang gebunden sind, wirken sich jahreszeitliche Unterschiede unmittelbar auf die Dauer der Verfügbarkeit der Rettungsmittel aus. 3. Zielkliniken Da das präklinische Notfallsystem ohne klinische Strukturen undenkbar wäre, bildeten die Zielkliniken ebenfalls die Grundlage für eine eingehende analytische Betrachtung. Hierbei ergab sich folgende Fragestellung: - Unterscheiden sich die Versorgungsstufen der Zielkliniken bei Verkehrsunfällen mit Notarztbeteiligung hinsichtlich luftgestützter und bodengebundener Versorgung? - Ergeben sich dabei tageszeitliche Unterschiede, da nachts meist nur bodengebunden transportiert werden kann, d. h. werden nachts durch den bodengebundenen Transport andere Kliniken angefahren? - Wie groß sind die Einzugsradien von Schwerpunkt-Krankenhäusern (Versorgungsstufe III) und Kliniken der Maximalversorgung (Versorgungsstufe IV)? - Unterscheiden sich diese bezüglich bodengebundenem bzw. luftgestützten Transport? - Wie differiert die Transportdauer zwischen den beiden Transportarten und wirken sich Transporte am Tage oder in der Nacht auf die Transportzeit aus?

21 M E T H O D I K Methodik 3.1 Ermittlung der soziodemographischen Gegebenheiten im Bundesland Bayern Die soziodemographischen Charakteristika lassen sich anhand geographischer Parameter sowie Daten zur Gebietsverteilung der bayerischen Bevölkerung eruieren. Die Grenzen der 26 bayerischen Rettungsdienstbereiche orientieren sich an den Grenzen der Gebietskörperschaften (Landkreis- und Stadtgrenzen der kreisfreien Gemeinden). Das Bundesland Bayern wird in 71 Landkreise und 25 kreisfreie Städte untergliedert. Zur Analyse dieser Strukturmerkmale wurde auf Zahlen der infasgeodaten GmbH, LOCAL Demographie (Stand: 1999) zugegriffen und es wurden die Daten zur Anzahl der Einwohner, der Fläche und der Bevölkerungsdichte (Einwohner pro Quadratkilometer) in den Landkreisen und kreisfreien Städten extrahiert und den einzelnen Rettungsdienstbereichen zugeordnet. Auf die Analyse von Daten zu Tourismus- und Transitverkehr, als auch Berufspendlern musste verzichtet werden, da diese Parameter letztmalig 1987 bei der Volkszählung ermittelt wurden und auf Grund dieser langen Zeitspanne von erheblichen Veränderungen auszugehen ist. 3.2 Datenbasis zur Ermittlung des bayerischen Rettungsdienstgeschehens Die Analysen basieren auf den im Zeitraum Januar bis Dezember 1999 mit dem Leitstellendispositionsprogramm ARLISplus dokumentierten Einsätzen von Rettungsmitteln in Bayern. Anhand der dokumentierten Einsatzgründe wurden die im Datenkollektiv der traumatologischen Notfälle enthaltenen Verkehrsunfallereignisse extrahiert und nach den versorgenden Rettungsmitteln untergliedert. Dabei galten die Analysekriterien der Unterscheidung von bodengebundenen und luftgestützten Rettungsmitteln. Die bodengebundenen Rettungsmittel wurden weiterhin auf die Besetzung mit einem Notarzt hin untersucht Dokumentation der Einsatzdaten mit dem Dispositionsprogramm ARLISplus Die Disposition der Einsätze in der Notfallrettung und im Krankentransport erfolgt in Bayern durch die Rettungsleitstellen der einzelnen Rettungsdienstbereiche. Um eine bedarfsgerechte und zeitnahe Durchführung der Einsätze zu ermöglichen steht den Leitstellen das Dispositionsprogramm ARLISplus der Firma Wesser Informatik zur Verfügung. Einzige Ausnahme hiervon bildet die Integrierte Leitstelle, in welcher das Einsatzleitsystem ELDIS der Firma Eurofunk Kappacher zur Anwendung kommt. Die durch das Leitstellenprogramm ELDIS dokumentierten Einsatzdaten der Rettungsmittel des RDB wiesen deutliche Disparitäten zu den in ARLISplus dokumentierten Einsatzdaten der übrigen 25 Rettungsdienstbereiche Bayerns auf, so dass für den Beobachtungszeitraum des Jahres 1999 keine Auswertungsroutinen für die ELDIS-Daten erstellt werden konnten. Hierzu waren Adaptationen bei der Dokumentation der Einsatzdaten notwendig, die erst in der Zukunft eine umfassende Auswertung des Münchner Rettungsdienstgeschehens erlauben werden Dateneingabe in das Einsatzleitsystem ARLISplus Um die Einsatzdaten des Rettungsdienstes zu dokumentieren, werden in ARLISplus alle Rettungsdiensteinsätze erfasst und gespeichert. Es stehen bis zu 176 Informations- und Datenfelder für jeden Einsatz zur Verfügung. Der Leitstellenmitarbeiter kann diese Felder auf mehreren Bildschirmmasken, teilweise auch kombiniert, aufrufen. Des Weiteren stehen noch zusätzliche Textfelder zur Verfügung, in welche der Disponent Begleitinformationen eintragen kann. Die Dokumentation des Einsatzgeschehens erfolgt kombiniert durch manuelle und auch automatische Dateneingabe. Manuelle Dateneingabe in ARLISplus Der Hauptanteil der Daten wird von den Leitstellendisponenten manuell eingegeben. Die Daten werden entweder direkt über die Computertastatur eingetippt (z. B. der Name der anrufenden Person) oder es werden Daten aus dem Stammdatensatz des Leitstellenprogramms über Zahlen- oder Buchstabencodes mit den Einsatzdaten verknüpft (z. B. die Adresse des Einsatzziels). Automatische Datenerfassung durch ARLISplus Ergänzend zur Datendokumentation durch die Leitstellenmitarbeiter werden Datenfelder während des Einsatzgeschehens automatisch von ARLISplus generiert. Dies betrifft vor allem die Zeitdokumentation innerhalb des

22 M E T H O D I K Einsatzgeschehens (z. B. den Zeitpunkt des Eingangs der Notfallmeldung bei der Rettungsleitstelle). Von den Rettungsmitteln werden über das Funkmeldesystem (FMS) Statusmeldungen mit Zeitangaben übermittelt, die ebenfalls automatisch in die Datenbank übernommen werden (z. B. der Zeitpunkt, zu dem das Rettungsmittel die Wache verlässt). Statusübermittlung durch die Besatzungen der Rettungsdienstfahrzeuge Zur zeitlichen Dokumentation des Einsatzgeschehens ist die Übermittlung des jeweiliges Status der Fahrzeuge notwendig, d. h. zum Beispiel die Meldung der Fahrzeugbesatzung an die Rettungsleitstelle, wann das Fahrzeug aus der Rettungswache ausrückt, wann das Fahrzeug am Einsatzort ankommt, wann die Patienten in das Rettungsmittel aufgenommen werden usw. Diese Zeitstempel werden als Status bezeichnet und je nach Ausstattung der Rettungsmittel bzw. der Leitstelle über Funk in verbaler Form oder über das Funkmeldesystem (FMS) an die Leitstelle gesendet. Statusübermittlung per Funkmeldesystem (FMS) Verfügt das Rettungsmittel über ein FMS, können die Statusmeldungen über eine Tastatur im Fahrzeug an die Rettungsleitstelle übermittelt werden. In der Leitstelle wird der Zeitpunkt der eintreffenden Statusmeldung automatisch im entsprechenden Statusfeld in ARLISplus dokumentiert. Alle gesendeten FMS-Daten werden vom Einsatzleitsystem gespeichert und stehen für die Auswertungen über das Rettungsdienstgeschehen damit zur Verfügung. Verbale Statusmeldung über Funk Verfügt das Rettungsmittel über kein Funkmeldesystem, so muss die Rettungsmittelbesatzung den Status des Fahrzeugs in verbaler Form über Funk an die Rettungsleitstelle mitteilen. Die Statusmeldung wird von einem Leitstellenmitarbeiter in der Regel über Funk bestätigt. Anschließend erfolgt die Zeitdokumentation manuell in die jeweilige Einsatzmaske von ARLISplus. Kategorien der Datenfelder In ARLISplus werden zwei Datenfeldkategorien unterschieden: Pflichtfelder und optionale Felder Pflichtfelder: Einige Datenfelder erfordern im normalen Einsatzbetrieb grundsätzlich während oder spätestens zum Abschluss eines Einsatzes eine Eingabe durch das Leitstellenpersonal. Beispiele hierfür sind die Felder TRANSPORTZIEL oder PATIENT. In Ausnahmefällen kann die Dateneingabe in die Pflichtfelder in außergewöhnlichen Notfallsituationen bei der Rettungsmitteldisposition übergangen werden. Dies kann beispielsweise der Fall bei Einsätzen sein, bei welchen Rettungsmittel während eines vorbestellten Einsatzes akut zu einem Notfall umdisponiert werden müssen. Die Eingabe der Einsatzdaten in die Pflichtfelder kann vom Disponenten dann zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden. Optionale Felder: Die Gruppe der optionalen Felder verfügt über eine freiwillige Dateneingabe, d. h. den Leitstellenmitarbeitern ist die Eingabe von zusätzlichen Einsatzinformationen nicht zwingend vorgeschrieben. Diese Felder, wie z. B. das zusätzliche Informationsfeld zum Einsatzgrund, sind deshalb auch nach abgeschlossenem Einsatz oft unbelegt Dokumentation des Einsatzgeschehens Erfolgt auf Grund eines Anrufs bei der Rettungsleitstelle die Indikation zur Disposition eines Rettungsmittels, öffnet der Leitstellendisponent eine Einsatzmaske in ARLISplus und beginnt mit der Eingabe der notwendigen Daten zur Einsatzabwicklung. Dabei werden bei Notfalleinsätzen die Parameter des Einsatzziels mit Angabe des Orts und der Straße eingegeben sowie optionale Informationen wie die Personalien des Meldenden, das Meldebild oder eine Rückrufnummer. Charakteristischerweise gliedert sich das Meldebild in Angaben zum Einsatzgrund, wobei hier eindeutige Unterscheidungen von Einsatzarten, z. B. 60 VU für einen Notarzteinsatz bei einem Verkehrsunfall oder 20 VU für einen Notfalleinsatz ohne Notarztindikation (nach Codiervorgabe des ARLISplus Handbuchs), getroffen werden können, als auch in weiterführende Informationen wie diagnostische Einsatzkriterien. In der