1 Die Bibel. 1.1 Die Bücher der Bibel. Das Alte Testament:

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1 1 Die Bibel Ist die Bibel glaubwürdig? Und ist das, was wir als Bibel lesen wirklich zuverlässig das, was z.b. Mose geschrieben hat? Und was ist mit den anderen alten Texten? Warum zählen sie nicht zur Bibel? 1.1 Die Bücher der Bibel Der Begriff "Bibel" kommt aus dem Griechischen. "biblia" bedeutet "Bücher" im Plural. Später wurde der Begriff ins Lateinische übernommen und als Singular verwendet: "biblia" = "Buch". Die Bibel besteht aus 66 Büchern - 39 bilden das AT und 27 das NT. Verfasst wurden sie von über 40 Autoren über einen Zeitraum von ca Jahren. Das Alte Testament: Geschichtsbücher 5 Bücher Mose Genesis (= die Entstehung von der Schöpfung bis Joseph in Ägypten) Exodus (= der Auszug von Mose bis zum Berg Sinai) Levitikus (die Opfervorschriften für die Priester und Leviten) Numeri (= die Zahlen; nach dem Zählen des Volkes am Anfang des Buches die Wüstenwanderung) Deuteronomium (= das zweite/ wiederholte Gesetz bis zum Tod Moses) Josua (vom Einzug in Kanaan bis zur Landverteilung, Tod Josuas) Richter (die Zeit der Richter) Ruth (eine Episode aus der Zeit der Richter) Samuel (vom Prophet Samuel bis zum Tod Davids) Könige (die Geschichte der Könige von Salomo an) Chronik (parallel zu den Königen) Esra (Aufbau des Tempels nach dem Exil) Nehemia (Aufbau der Stadt nach dem Exil) Esther (eine Episode aus dem Exil) Poetische Bücher Hiob (vermutlich aus der Frühzeit der Menschen) Psalmen (5 Bücher der Lieder, entsprechend 5 Bücher Mose) Sprüche (vor allem von Salomo) Prediger (Salomo) das Hohelied (Liebesgedicht) Propheten Jesaja Hosea Jeremia Joel Klagelieder Jeremias Amos Hesekiel Obadja Daniel Jona Seite 1

2 Micha Nahum Habakuk Zephanja Haggai Sacharja Maleachi Im Judentum werden die Bücher des AT anders angeordnet als in unserer Bibel. 1. Tora ( Weisung ) 5 Bücher Mose (der Begriff Tora wird aber oft fälschlicherweise für das ganze AT verwendet) 2. Nebiim ( Propheten ) frühe Propheten späte Propheten Josua Jesaja Richter Jeremia Samuel Hesekiel Könige 12-Propheten-Buch (kleine Propheten) 3. Ketubim oder Haggadah ( Schriften ) Psalmen Klagelieder Hiob Esther Sprüche Daniel Rut Esra Hoheslied Nehemia Prediger Chronik Die Anfangsbuchstaben der drei Abteilungen ergibt dann das Wort Tanach (oder Tanakh ), das für das AT steht. Auf diese Dreiteilung bezieht sich z.b. Jesus in Lk 24:44; meist spricht er aber pauschal von Gesetz und Propheten. Das Neue Testament Die Bücher des NT werden im Wesentlichen folgendermaßen angeordnet: 3 synoptische Evangelien + Johannes, Apostelgeschichte, Briefe. Bei den Briefen kommen zuerst die des Paulus, wobei sie der Länge nach angeordnet sind, danach Johannes und Petrus, Jakobus, Judas und zum Schluss das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung. Evangelien Matthäus, Markus, Lukas, Johannes Apostelgeschichte (Lukas) Briefe Römerbrief Titusbrief Korintherbrief Philemonbrief Galaterbrief Hebräerbrief Epheserbrief Petrusbrief Philipperbrief Johannesbrief Kolosserbrief Jakobusbrief Thessalonicherbrief Judasbrief Timotheusbrief Offenbarung des Johannes Seite 2

3 Altes und Neues Testament werden durchaus schon in der Bibel selbst unterschieden. Der Begriff "Testament" kommt aus dem Lateinischen - "testamentum" = "Bündnis", "Bund". Jer 31: Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und [sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. 2.Kor 3:14 - Aber ihre Sinne wurden verstockt. Denn bis auf den heutigen Tag bleibt diese Decke unaufgedeckt über dem Alten Testament, wenn sie es lesen, weil sie nur in Christus abgetan wird. Kapitel und Verse Unsere heutige Kapiteleinteilung stammt aus dem Jahr 1238 und wurde vom Erzbischof von Canterbury, Stefan Langton, vorgenommen. Die Verszählung stammt von einem Pariser Buchhändler, Robert Stefanus, aus dem Jahr Der biblische Kanon Die Bücher der Bibel bezeichnen wir als Kanon (dieser Begriff wird allgemein für verbindliche Büchersammlungen verwendet). Wer aber traf die Auswahl, was zur Bibel gehört und was nicht? Oder nach welchen Kriterien kann man Bibel von Nichtbibel unterscheiden? Die Auswahl, welche Bücher zur Bibel gehören und welche nicht, trafen allerdings nicht irgendwelche Bischöfe oder Rabbiner. Vielmehr legten sie schriftlich nieder, was die Juden bzw. Christen schon lange vorher so gehandhabt hatten. Sie erkannten letztlich an, welche Bücher sich als göttlichen Ursprungs bewiesen hatten durch die Kraft und den Trost, der von ihnen ausgeht. Für das NT war immer wichtig, dass die Autoren Augenzeugen der Ereignisse bzw. von der Gemeinde als autorisierte Schreiber anerkannt waren. Anonyme Schreiben gibt es bis auf den Hebräerbrief nicht. Das AT Ca. 200 v.chr. übersetzten jüdische Rabbiner das AT in Ägypten ins Griechische. Der Legende nach waren sie 70 Mann, die dieses Unternehmen in 70 Tagen bewältigten daher der Name dieser Übersetzung: Septuaginta (= siebzig, LXX geschrieben). Die Septuaginta umfasst neben den Büchern des AT auch einige Apokryphen. Nach dem zweiten Krieg der Juden gegen Rom (135 n.chr.), der mit der völligen Auflösung des jüdischen Reiches einherging, zogen die Schriftgelehrten aus Jerusalem nach Jamnia, wo sie sich ganz dem Studium der Thora widmeten. Sie stellten einen neuen Kanon zusammen, der 39 Bücher umfasste und sich bewusst von den Christen, die die LXX nutzten, absetzen sollte. Dies sind unsere heutigen Bücher des AT. Ca. 500 n.chr. überarbeiteten die so genannten Masoreten die Texte aus Jamnia. Sie kopierten die Texte peinlich genau und erfassten jede Abweichung oder Unklarheit. Daher der Name "Masoreten", von "Masora" = "Randbemerkung". Die ältesten Texte des AT stammten aus dem Jahr 1008 und wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch Funde aus den Höhlen von Qumran ergänzt, die den korrekten Wortlaut der Texte bestätigten. Das NT Die ältesten Handschriften des NT stammen vermutlich aus der Zeit des Jüdischen Krieges, also ca. 68/70 n.chr. und sind damit äußerst nah am Zeitpunkt der Abfassung. Dies betrifft jedoch nur kleine Fragmente, die zudem nicht unumstritten sind. Erste Versuche, einen Kanon zusammenzustellen waren eine Reaktion auf einen Irrlehrer, Marcion, der große Teile des NT als jüdisch ablehnte. Damals, ca. 140 n. Chr., wurden erstmals die 4 Evangelien und die Apostelgeschichte in unserer heutigen Form zusammengestellt. Seite 3

4 Gegen 110/150 n. Chr. finden wir in einem Brief des Polykarp von Smyrna die fast vollständige Liste der Paulusbriefe. Diese waren demnach schon damals als Sammlung im Umlauf. Ca. 200 n. Chr. wird in Rom der so genannte Kanon Muratori zusammengestellt, der die meisten der Bücher des NT beinhaltet. 367 n. Chr. stellt Bischof Athanasius von Alexandria in einem Osterbrief erstmals unseren heute noch gültigen Kanon der Öffentlichkeit vor. Als ca. 400 n. Chr. Hieronymus die Bibel ins Lateinische übersetzt, unterscheidet er schon zwischen den Büchern des AT und den Apokryphen. Eine Synode in Rom legt 382 den Kanon verbindlich fest. Die Apokryphen Unter Apokryphen (von griechisch apokryphos = verborgen ) versteht man Bücher, die nicht zur Bibel gehören, aber den Anspruch erheben, biblisch zu sein. Katholische Bibeln umfassen im AT ein paar apokryphe Bücher, da auf sie wesentliche Lehren der Katholischen Kirche aufgebaut werden (z.b. das Fegefeuer). In der katholischen Bibel finden sich: Buch Judith Makkabäer Buch der Weisheit Zusatz zum Buch Esther Buch Tobit/ Tobias Zusatz zum Buch Daniel Jesus Sirach Gebet des Manasse Baruch Auch zum NT gibt es zahlreiche Apokryphen, die aber meist schlichten Unsinn oder massive Irrlehren beinhalten: Petrusevangelium (entdeckt 1886) Thomasevangelium (entdeckt 1945) Judasevangelium Jakobusevangelium geheimes Markusevangelium (entdeckt Kindheit Jesu nach Thomas 1958) zweites Matthäusevangelium Philippusevangelium Bartholomäusevangelium Evangelium der Maria verschiedene Apokalypsen und Briefe (Barnabasbrief) und viele weitere Bei den meisten Apokryphen wird zudem schon beim ersten Lesen deutlich, worin sie sich von echten Büchern der Bibel unterscheiden. das Petrusevangelium entdeckt 1886 in Ägypten Das Fragment enthält einen verkürzten Passionsbericht mit Petrus als Ich-Erzähler. Er beginnt mit dem Händewaschen des Pilatus und weist Herodes und den Juden die Alleinschuld an Jesu Tod zu. Jesu Auferstehung aus dem Grab geschieht hier vor vielen Zeugen und mit phantastischen Zügen. Nach der Rückkehr der Jünger nach Galiläa begegnet Jesus den drei erstberufenen Jüngern Petrus, Andreas und Levi am See Genezareth (vgl. Joh 21). das Thomasevangelium der gesamte Text wurde erst 1945 in Nag Hammadi gefunden Das Thomasevangelium ist eine Sammlung von Jesus von Nazaret zugeschriebenen Worten, kurzen Dialogen und Szenen, die in einem Jesuswort gipfeln. Es enthält keine Passions- und Auferstehungsgeschichten. Die Aussagen Jesu sind etwas anders formuliert entsprechend der Gnosis; deshalb wird das Thomasevangelium heute gerne in esoterischen Kreisen zitiert. das Kindheitsevangelium nach Thomas, angeblich von Thomas geschrieben, schildert die Kindheit Jesu und vor allem die Wunder dieser Zeit. So soll Jesus als fünfjähriger am Sabbat zwölf Spatzen aus Lehm geformt und sie zum Leben erweckt haben. Ein andermal soll Jesus in einem Wutanfall den Sohn des Annas wie einen Baum verdorren haben lassen, weil der Junge ihn beim Spielen störte. Ungehalten über die Taten des kleinen Jesus entschließt sich Josef, den Knaben zu dem Gelehrten Zachäus zu geben. Dieser versucht vergeblich, Jesus zu belehren, wird von diesem beschämt und resigniert schließlich: So Seite 4

5 bitte ich dich denn, Bruder Joseph, bring dieses Kind zurück in dein Haus. Denn dieser ist etwas Großes, ein Gott oder ein Engel, dass ich nicht weiß wie ich's sagen soll. Die Rolle der Apokryphen Der Hirte des Hermas betont z.b. die Buße als Sakrament. Die Didache betont die Ethik (das richtige Verhalten als Christ). So wird die Entwicklung der Kirche und vor allem der kirchlichen Hierarchie vielfach (nur) auf die Apokryphen aufgebaut. Für die Entwicklung der katholischen Lehre sind ebenfalls Apokryphen wichtig Hinweise auf das Fegefeuer finden sich z.b. im Buch Tobit, Gebet für die Toten in 2.Makkabäer 12. Unterscheidung zwischen Apokryphen und echten Büchern der Bibel Die Unterscheidung bzw. Auswahl fällt meist leicht. Schon bei der ersten Lektüre erkennt man das oft magische Denken dahinter (Tobit, Bel zu Babel) oder auch einen regelrecht anderen Geist (Kindheitsevangelium des Thomas). Andere sind schwerer auszusondern. Zwischen den Makkabäerbüchern, reinen Geschichtswerken, und dem Buch Esther, in dem der Begriff Gott nicht ein einziges Mal vorkommt, mag auf den ersten Blick kein großer Unterschied sein. Hier hilft die Rezeption weiter ob und seit wann die Juden oder später die Christen diese Bücher gelesen und als trost- und hilfreich empfunden haben. Die Abfassungszeit der Bücher das AT Buch Zeit Verfasser 5 Bücher Mose ca v.chr. Mose selbst (bis auf Schluss- Josua?) Josua teilweise Wir -Form = Josua, teilweise spätere Einfügungen Hiob ca v.chr.? Richter ca v.chr.? Ruth ca v.chr.? Samuel ca. 930 v.chr.? Hoheslied ca. 930 v.chr. Salomo Prediger ca. 900 v.chr. Salomo Obadja ca.840 v.chr. Obadja Joel ca. 830 v.chr. Joel Jona ca. 760 v.chr. Jona Amos ca. 760 v.chr. Amos Hosea ca. 750 v.chr. Hosea Micha ca. 730 v.chr. Micha Sprüche ca. 700 v.chr. Jesaja ca. 680 v.chr. Jesaja Nahum ca. 650 v.chr. Nahum Zefanja ca. 630 v.chr. Zefanja Habakuk ca. 610 v.chr. Habakuk Jeremia ca. 600 v.chr. Jeremia Klagelieder ca. 590 v.chr. Jeremia Könige ca. 590 v.chr.? Hesekiel ca. 570 v.chr. Hesekiel Daniel ca. 530 v.chr. Daniel Seite 5

6 Chronik ca. 530 v.chr. Esra? Haggai ca. 520 v.chr. Haggai Sacharja ca. 518 v.chr. Sacharja Psalmen von ca (Mose Ps 90) bis ca. 500 v.chr. Esra ca. 457 v.chr. Esra Nehemia ca. 430 v.chr. Nehemia Maleachi ca. 430 v.chr. Maleachi Esther spätestens 330 v.chr. Die Bücher des NT wurden alle zwischen 60 n.chr. und 90 n.chr. geschrieben. 1.2 Die biblischen Sprachen Die Bibel wurde in vermutlich drei verschiedenen Sprachen geschrieben - Hebräisch, Aramäisch und Griechisch. Was uns vorliegt sind im wesentlichen Texte auf Hebräisch (AT) und Griechisch (NT). AT - Hebräisch Der größte Teil des AT wurde in Hebräisch verfasst. Hebräisch war bis zur Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar II. im Jahr 587 v.chr. die Umgangssprache in Israel. Nach dem Exil verdrängte Aramäisch das Hebräische als Umgangssprache. Zwar galt Hebräisch weiterhin als die Sprache des Gottesdienstes, aber nach und nach drangen mehr und mehr aramäische Elemente in die Sprache ein. Im AT finden wir z.b. folgende aramäische Textfragmente: Genesis 31:47, Jeremia 10:11, Daniel 2:4b-7:28, Esra 4:8-6:16 Auch im NT finden sich aramäische Fragmente: Markus 7:37 und 14:36. Hebräisch, das von rechts nach links geschrieben wird, funktioniert als Schrift ganz anders als die uns bekannten Sprachen/ Schriften. Wir benutzen Schrift, um eine Nachricht zu übermitteln, die der Empfänger nicht kennt, oder um etwas festzuhalten, das spätere Leser nicht wissen können. Entsprechend transportiert unsere Schrift selbständig Inhalte und kann von jedem gelesen und verstanden werden, der lesen kann. Schrift ist ein selbständiger Bedeutungsträger. Das Hebräische ist mehr eine Gedankenstütze als eine eigenständige Schrift. Hebräische Schriften dienten einem Boten als Gedächtnisstütze, nicht jedoch als selbständiges Transportmittel. Reste davon finden sich im Hebräischen selbst. So bedeutet "qarah" (hrq) zugleich "lesen" und "rufen" oder "nennen". Tatsächlich las man die gesamte Antike hindurch ausschließlich laut! Das stumme Lesen setzte sich erst im 4. Jhd. n.chr. durch. Wohl daher hat das Hebräische nur Konsonanten (Mitlaute), nicht jedoch Vokale (Selbstlaute). Die Vokale wurden erst in nachbiblischer Zeit, also lange nach dem Verfassen der Texte, als Punkte unter bzw. über die Konsonanten gesetzt. Zur Verdeutlichung: Das deutsche "Hund" würde demnach "HND" geschrieben und könnte genau so gut "Hand" oder auch "Hände" oder "Hunde" meinen. Das die Vokalisierung durch die so genannten Masoreten nicht ohne Irrtümer abging, sehen wir an dem Wort "Jehova", auf dem die Zeugen Jehovas bis heute beharren. Dem hebräischen "Jahwe" entsprechen die Konsonanten JHW (hwhy), die Vokale freilich fehlen. Die Masoreten nun, im Bestreben, den heiligen Namen Gottes zu vermeiden, setzten die Vokale des Wortes Seite 6

7 "Adonai" = "Herr" (ynwda) darunter - und so las man lange "Jehova" - einen Namen, den es nie gab. Und es gibt kaum Vergleichstexte. Die Bibel ist eines der ganz wenigen Werke in alter hebräischer Sprache. Viele Begriffe, die nur einmal im AT vorkommen, sind so nicht wirklich zu identifizieren und übersetzen. Hebräisch hat nur wenige Vokabeln und nur zwei Zeitformen. Es gibt eigentlich nur die Vergangenheit und die Zukunft. Unser Präsens fehlt ganz. Und statt mit einer Fülle von differenzierten Begriffen wird mit einer komplexen Grammatik gearbeitet. Statt zwischen "töten" und "morden" in Begriffen zu unterscheiden, wird mit einer Vorsilbe das Verb "töten" zum "morden" verstärkt. Um nun korrekte Aussagen zu machen, benötigt man im Hebräischen viele Worte. Das alte Hebräisch ist eine orientalische Sprache, die langes Erzählen voraussetzt und an vielen Stellen bewusst unklar bleibt. Man kann keine Aussage mit einem einzigen präzisen Satz treffen - auf Hebräisch kann man aber wunderbar Geschichten erzählen. (Nicht umsonst besteht das AT fast ausschließlich aus Geschichten!) Das häufigste Wort im AT ist die Vokabel und. Es wird in aller Regel additiv erzählt. Ein Satz gibt den anderen. Nacheinander wird berichtet, in einfachen Sätzen, die mit und verbunden werden. Die Kunst liegt in den Wortspielen, nicht in komplizierten grammatikalischen Gebilden. Zum Schluss eine weitere Eigenart des Hebräischen. Um aus der Fülle von Vor- und Nachsilben den Kern herauszufinden, muss man die Wortstämme kennen, von denen es nicht allzu viele gibt. Diese Wortstämme bestehen zudem fast immer aus drei Buchstaben/ Konsonanten. Ein Beispiel: "ISCH" (vya) ist der "Mann", "ISCHAH" (hva) die "Frau". Nun besteht ISCH eigentlich nur aus einem einzigen notwendigen Konsonanten - dem SCH (v). Dennoch werden zwei Lückenfüller eingefügt - ein nicht gesprochenes "Aleph" (a) und ein nicht gesprochener Platzhalter (y) für das "i". So ergeben sich drei Konsonanten. Die weibliche Form entsteht durch Anhängen eines "H" (h); gesprochen als "AH". Damit wird der Platzhalter für das "i" überflüssig und entfällt - wieder hat das Wort drei Konsonanten. Zudem hat jeder Buchstabe einen Zahlwert und einen hohen symbolischen Wert. Buchstaben (Konsonanten!) haben einen Wert an sich! Sie sind nicht nur Silbenträger sondern durchaus selbständige Bedeutungsträger. NT - Griechisch Mit Alexander d.gr. wurde Griechisch die Weltsprache der Antike. So wurden auch die Schriften des NT im damals üblichen Koine-Griechisch verfasst. Das Koine ist gegenüber dem klassischen Griechisch eine vereinfachte Umgangssprache. Anders als das Hebräische ist das Griechische eine "moderne" Sprache mit einer komplexen Grammatik und einer Fülle von Vokabeln. Im Griechischen kann man, noch besser als im Deutschen, mit einem Satz präzise Aussagen treffen. Für den Leser der Bibel ergibt sich das Problem, dass im ursprünglichen Text keine Satzzeichen zu finden waren, diese aber wesentlich sein können für das Verständnis (siehe 1.Korinther 11). Ansonsten kennt das Griechische gegenüber dem Deutschen eher mehr als weniger Vokabeln und eine komplexere Grammatik. Dadurch wird es möglich, mit wenigen Worten eine Fülle von Nuancen auszudrücken. Dennoch finden wir im NT hinter der komplexen griechischen Sprache meist ein einfaches hebräisches Denken. 1.3 Schreibmaterialien Die ältesten Schriften wurden in Ton geritzt oder in Stein gemeißelt (siehe die Tafeln, die Gott Mose gab!). Das Eindrücken eines Griffels in Ton formte die babylonische Keilschrift. Seite 7

8 Die Ägypter legten zwei Lagen des Markes der Papyrusstauden kreuzweise übereinander und rieben sie zusammen. So entstand das erste "Papier" - die "Papyri", auf die mit Tinte aus Ruß und Gummi geschrieben wurde. Damit wurden Bilderschriften möglich, die Hieroglyphen. Weil Ägypten sich weigerte (ca. 150 v.chr.), der Stadt Pergamon, die eine Bibliothek wie in Alexandria aufbauen wollte, Papyrus zu liefern, entwickelte man dort die Technik, auf dünn geschabte Tierhäute zu schreiben - auf Pergament. Da dieses Material sehr teuer war, wurde es gerne beidseitig beschrieben und nicht mehr benötigte Schriftstücke wurden abgekratzt und das Leder neu beschrieben. Solche Pergamente nennt man "Palimpseste". Pergamente und zunächst auch Pergamente wurden aneinander genäht und auf Stäbe aufgewickelt zu Buchrollen, die bis zu 40 m lang sein konnten. An den Griffen der Rollen, die in Regalen lagen oder in Krügen standen, wurden Zettel angebracht, die Autor und Inhalt des Werkes angaben, vergleichbar unseren Buchrücken (siehe die Überschriften z.b. der Evangelien). Die massive Verbreitung von Schriften durch die Christen förderte die Verbreitung einer besser zu handhabenden Form der Blättersammlung - den Codex, vergleichbar unserem heutigen Buch. Das Kopieren der Texte des AT Die Juden waren gegenüber den heiligen Texten so ehrfurchtsvoll, dass sie selbst eine unbrauchbar gewordene Schriftrolle niemals fortwarfen oder verbrannten sondern in eigenen Räumen regelrecht bestatteten. Diese Räume nennt man Genizah. Zum Lesen wurden bis in unsere Zeit oft silberne Lesehilfen benutzt die Rolle zu befingern, war sie viel zu wertvoll! Das Abschreiben wurde entsprechend sorgfältig vorgenommen. Nach der Zerstörung des Tempels durch die Römer (70 n.chr.) steigerten die Juden ihre Sorgfalt nochmals. Nach dem Abschreiben einer Zeile wurden jetzt die Worte und Buchstaben gezählt und mit der Vorlage verglichen. Fehler führten dazu, dass der Text nicht korrigiert sondern komplett in die Genizah gebracht wurde und der Schreiber von vorn beginnen konnte! Abweichungen, Erklärungen und Zählergebnisse wurden an den Rand geschrieben. Dank dieser strikten Regeln finden sich in den vielen Handschriften zwar auch viele Unstimmigkeiten und Fehler, aber insgesamt doch eine überwältigende Texttreue. Konnte Jesus schreiben? Zu Jesu Zeiten konnte im Römischen Reich nur eine kleine Elite lesen und schreiben. Die Juden waren insofern Ausnahmen, als sie fast jeden Jungen zur Schule schickten, wo die Kinder zumindest lesen lernten. Für umfangreiche oder spezielle Briefe (Behördenschreiben etc.) reichte es meist nicht; dafür gab es die Schriftgelehrten, die nicht nur Schreiber sondern auch Juristen waren. In Joh 8, wo die Pharisäer eine Frau beim Ehebruch erwischt hatten und zu Jesus bringen, wird zweimal betont, Seite 8

9 dass Jesus sich bückte und in den Sand schrieb. Konnte Paulus schreiben? Gal 6,11: Seht, mit wie großen Buchstaben ich euch schreibe mit eigener Hand! Kol 4,18: Mein Gruß mit meiner, des Paulus, Hand. Gedenket meiner Fesseln! Die Gnade sei mit euch! 2.Thess 3,17: Der Gruß mit meiner, des Paulus, Hand. Das ist das Zeichen in allen Briefen; so schreibe ich. Phlm 19: Ich, Paulus, schreibe es mit eigener Hand: Ich will's bezahlen; ich schweige davon, dass du dich selbst mir schuldig bist. Demnach konnte Paulus schreiben; evtl. wegen einer Augenkrankheit aber nur schlecht sehen (siehe Gal 6,11). In aller Regel hatte er Sekretäre, die für ihn schrieben. Den Philemonbrief hat er vielleicht sogar ganz selbst geschrieben. 1.4 Die biblischen Texte Die Bibel behauptet von sich selbst, Gottes Wort zu sein. Diese Aussagen beziehen sich natürlich auf die Original-Texte. Diese Originale sind jedoch in keinem einzigen Fall erhalten. Vielmehr liegen uns heute als älteste Schriften Abschriften von Abschriften vor. Und diese Abschriften enthalten verschiedene Varianten oder "Lesarten". Von ca erhaltenen Varianten haben etwa 400 Varianten etwas mit dem Sinn der Texte zu tun. Davon wiederum sind nur 50 bedeutungsvoll. Von diesen 50 verändert keine einzige ethische oder dogmatische Aussagen der Bibel. Im NT sind tatsächlich nur 1/1.000 des Textes dergestalt von Varianten betroffen, dass man gründlicher nachschauen muss. Anders gesagt - 99,9% des Textes des NT ist unumstritten. Dennoch es bleiben kleine Nuancen, die uns davor bewahren, einander wegen Kommas zu bekämpfen. Wir haben kein Heiliges Buch, das diktiert und damit absolut wäre sondern ein Buch, das wahr und sicher ist, aber nicht die Beziehung zu Jesus selbst ersetzen kann. Die Bibel ist absolut verlässliche Information über Gott. Aber sie ist nicht Gott und ersetzt auch nie die persönliche Begegnung mit Gott. Handschriften des AT Die ältesten kompletten Handschriften des AT stammen aus dem Mittelalter, also viele Jahrhunderte nach ihrer Abfassung. Die älteste vollständige Handschrift des AT ist der Codex Leningradensis von ca n.chr wurde ein kleines Papyrus-Fragment aus dem 2. Jahrhundert v.chr. gefunden, das 2.Mose 20,2-7 und 5.Mose 6,1-5 enthält Im 19. Jahrhundert wurden in Kairo in einer Genizah über uralte Bibel- Handschriften gefunden. In jeder großen Synagoge gab es eine Genizah, einen Raum, in dem unbrauchbare Bibelhandschriften quasi bestattet wurden. Auch nur einen kleinen Teil einer Bibel wegzuwerfen ist für gläubige Juden undenkbar! 1947 fand ein Beduinenjunge beim Suchen nach verlaufenen Ziegen bei Qumran in Israel Höhlen, in denen in Krügen über Schriftrollen, darunter über 200 Bibeltexte. Die Texte waren auf Papyrus, Leder oder sogar Kupfer geschrieben. Die berühmteste Rolle ist die 7 Meter lange Jesaja-Rolle von ca. 175 v.chr.. Seite 9

10 Die Untersuchung der Texte ergab nur wenige und bedeutungslose Abweichungen zu den bisher bekannten Texten. Die jüdischen Schreiber arbeiteten äußerst präzise! Der älteste Fund aus Qumran stammt von ca. 250 v.chr. und beinhaltet einen Text aus 2. Mose wurde in Jerusalem in einem Grab eine winzig kleine Schriftrolle aus Silber aus dem 7. Jhd. v. Chr. gefunden, auf der der Text aus 4.Mose 6,24-26 steht. Es dauerte 2 Jahre, bis die Schriftrolle geöffnet und entziffert war! Handschriften des NT 1844 und 1859 fand Konstantin von Tischendorf im Katharinenkloster auf dem Sinai, dem wohl ältesten Kloser der Welt aus dem 6. Jahrhundert zahlreiche Schriftrollen, die sich als äußerst alt und wertvoll herausstellten. Die wertvollsten Funde rettete Tischendorf aus dem Abfall; die Mönche hatten die Handschriften zum Feuer anzünden verwendet! Erst 1975 wurden in einem vergessenen und zugemauerten Raum des Klosters weitere Handschriften gefunden. Auch in Oxyrynchus in Ägypten war der Müll die Rettung. Auf einer antikgen Müllhalde wurden hier von 1897 bis 1937 Fragmente zu sämtlichen Büchern des NT gefunden. Insgesamt über ! 1931 wurden auf einem koptischen Friedhof bei Kairo in einem Krug 12 Schriftrollen gefunden. Darunter Texte des NT aus dem 2. Jhd wurde in Ägypten Papyrus P 52 entdeckt. Nicht einmal handgroß stammt er vermutlich von n.chr. und ist damit eine der ersten Abschriften des Johannes- Evangeliums! Das Fragment, das auf der Vorderseite Joh 18,31-37a und auf der Rückseite Joh 18,37b- 19,3 enthält, stammt nicht von einer Rolle sondern aus einem Codex! Unter den berühmten Bodmer- Papyri (der Schweizer Bodmer sammelte alte Handschriften) ist der P 66 einer der wertvollsten ein fast vollständiges Johannes-Evangelium aus dem 2. Jhd.. Aus der gleichen Zeit Seite 10

11 stammt P 72, der die Petrusbriefe enthält. Zum Vergleich vom NT haben wir ca Abschriften, was einen guten Vergleich der Genauigkeit der Abschriften ermöglicht. Die ersten umfassenden Texte (außer Fragmenten siehe oben) des NT sind ca. 250 bis 300 Jahre jünger als die Originale. Autor wann geschrieben/ Lebenszeit des Autors früheste erhaltene Abschrift Zeitspanne Anzahl der erhaltenen Abschriften Sophokles (7 Tragödien) v.chr Jahre 100 Euripides v.ch Jahre 9 Herodot (Geschichte) v.chr Jahre 8 Thukydides (Geschichte des Peloponnesischen Krieges) v.chr Jahre 8 Aristophanus v.chr Jahre 10 Plato (Tetralogien) v.chr Jahre 7 Aristoteles v.chr Jahre 5 Demosthenes v.chr Jahre 200 Caesar (Gallischer Krieg) v.chr Jahre 10 Lukrez ca. 55 v.chr Jahre 2 Livius (schrieb 142 Bücher - nur 35 sind bekannt!) 59 v.chr n.chr Jahre (betrifft nur 1 Buch!) Catullus 54 v. Chr Jahre 3 Sueton (Kaiser-Biografien) n.chr Jahre 8 Tacitus (Annalen) 100 n.chr Jahre 20 Plinius der Jüngere (Geschichte) 100 n.chr Jahre 7 Neues Testament n.chr Jahre Johannes-Evangelium ca. 90 n.chr Jahre 20 Fazit: Es gibt aus der gesamten Antike keine Texte, von denen wir so viele Abschriften haben, die zudem so nah an der Abfassungszeit liegen und keine, die so wenige Abweichungen zwischen den Texten aufweisen. Die Bibel ist das am besten überlieferte Buch der gesamten Antike! Seite 11