Johannes Neuhauser (Hrsg.) Wie Liebe gelingt. Die Paartherapie Bert Hellingers. Carl-Auer-Systeme Verlag

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1 Johannes Neuhauser (Hrsg.) Wie Liebe gelingt Die Paartherapie Bert Hellingers Carl-Auer-Systeme Verlag

2 Über alle Rechte der deutschen Ausgabe verfügt Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg, Fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages Satz: Hans-Joachim Reinecke und Monika Hendlmeier, Regensburg Diagramme: Bert Hellinger, erstellt mit FAMDraw von Reinecke Expertensysteme GmbH, Regensburg, Umschlaggestaltung: Rudolf Mitter Fotos: Milly Orthen und Harald Hohnen Druck und Bindung: Druckerei Kösel, Kempten Printed in Germany 2002 Dritte, korr. Auflage, 2002 Die Deutsche Bibliothek CIP-Einheitsaufnahme Wie Liebe gelingt : Die Paartherapie Bert Hellingers / Johannes Neuhauser (Hrsg.) 3., korr. Aufl. Heidelberg : Carl-Auer-Systeme Verl., 2002 ISBN X

3 3. Untreue und Treue Der Ehebruch Während einer Paartherapie mann Das Problem ist, daß ich vor einem dreiviertel Jahr einen Ehebruch begangen habe. bert hellinger Was ist denn das? mann Ich hatte eine Beziehung zu einer anderen Frau. bert hellinger Der Begriff des Ehebruchs ist gefährlich. Deswegen habe ich dich hier konfrontiert. Also, du hast eine Beziehung gehabt zu einer anderen Frau. Diese Beschreibung ist ohne Wertung. Ehebruch ist gewertet, und wir wissen nicht, ob das angebracht ist. Wenn wir ohne diese Wertungen vorgehen, können wir leichter zu einer Lösung finden. bert hellinger zur Frau Was sagst denn du dazu? frau Mir ging es sehr schlecht, als ich da draufgekommen bin. In der Folgezeit hat sich aber gezeigt, daß sich zwischen uns vieles verändert und aufgelöst hat und daß das, was zwischen uns läuft, mehr geworden ist. bert hellinger Genau. Vielleicht war das notwendig für die Förderung der Beziehung. Wenn man es losgelöst von den moralischen Urteilen betrachtet und nur auf die Wirkungen schaut, dann hat das oft eine ganz andere Bedeutung. So gehe ich an diese Dinge heran ohne moralisches Urteil. Treue muß sich aus Liebe ergeben Was ist denn so schlimm, wenn jemand eine andere Beziehung hat? Was wird eigentlich dabei verletzt? Der Unschuldige verhält sich dann manchmal, als hätte er ein Recht, den anderen immer für sich zu behalten. Das ist eine Anmaßung. Statt daß er versucht, den anderen durch Liebe für sich zu gewinnen, verfolgt er ihn. Und dann soll der andere noch mal zurückkommen? Das kann der dann nicht mehr. Wenn sich der Unschuldige über die Maßen gerächt hat, kann der Schuldige nicht mehr zu ihm zurück. Also, ich plädiere für das Menschlichere und für das Maß. Ich habe einen hohen Respekt vor der Treue, aber nicht vor einer solchen. Sie muß sich aus der Liebe ergeben. Vielfach wird der 203

4 Anspruch erhoben: Ich bin der einzige Mensch, der für dich bedeutsam sein kann. Doch oft kommt jemand in eine Situation, in der er auch anderen wichtigen Menschen begegnet. Der andere Partner hat dann kein Recht, ihn deswegen zu verfolgen. Er muß es achten, wie es ist, dann gibt es vielleicht eine gute Lösung für alle. Diese gute Wendung gibt es aber nur über die Liebe. Die Angst, verlassen zu werden Wenn ein Partner den anderen verlassen will, kommt es oft zu einer merkwürdigen Reaktion, die man sich nicht so recht erklären kann. Jener Partner, der verlassen wird, bekommt oft Todesängste. Er hat ein Gefühl, als würde er mit dem Partner auch sein Leben verlieren. Das ist genau jene Situation, in die ein kleines Kind kommt, wenn es plötzlich von der Mutter verlassen wird. Es bekommt große Angst und Panik. Wenn man den Gesichtsausdruck von verlassenen Erwachsenen beobachtet, dann kann man daran ablesen, ob diese Personen jetzt in einem Kindergefühl sind und wie alt sie darin sind. Sind sie zum Beispiel zwei Jahre oder vier Jahre alt? Ist jemand hingegen im Erwachsenengefühl, dann ist er nie ganz ausgeliefert. Er weiß, daß sein Leben nicht davon abhängt, ob der Partner bleibt oder geht. Wenn ein Partner sehr stark und oft im Kindergefühl ist, dann ist dies eine Gefährdung für die Beziehung. Manchmal sagt ein Partner dem anderen: Wenn du mich verläßt, dann bringe ich mich um, denn dann hat das Leben für mich keinen Sinn mehr! Dadurch kommt der andere Partner in die Rolle der Mutter, die für das Überleben des Kindes sorgen muß. Dadurch ist er kein Partner mehr, und es gibt für ihn keine andere Lösung, als aus der Beziehung auszusteigen. Der Kampf des einen Partners um den anderen bezieht seine Energie oft aus der Angst des Kindes, die Mutter zu verlieren. Die Forderung nach Treue richtet sich dann nicht so sehr an den Partner, sondern an die Mutter. Auch die bedingungslose Treue eines Partners, besonders wenn sie aufopfernd ist, ist die Übertragung der Treue des Kindes zu seiner Mutter auf den Partner oder die Partnerin. Sie hat dann etwas Unwirkliches an sich. 204

5 Für das Gelingen einer Beziehung ist es wichtig, daß jeder im anderen einen Partner und nicht eine Mutter sucht. Beim Vollzug der sexuellen Liebe ist es wichtig, daß man sich gegenseitig in die Augen schaut. Dann hat man einen Mann oder eine Frau vor sich. Hingegen wenn man die Augen schließt, können andere Bilder hochkommen. Das Beichten von außerehelichen Beziehungen Wenn sich einer etwas zuschulden kommen läßt und er beichtet es dem anderen, dann muß der andere die Folgen tragen. Er verschiebt sie sozusagen auf den anderen. Die sogenannte Offenheit zerstört die Beziehung. Geheimnisse müssen gewahrt bleiben, auch jene von Fehltritten. Die Lösung besteht darin, daß man es selber in Ordnung bringt und die Folgen selber trägt. Dadurch ist der andere entlastet. Wenn ich ausgleichen will, damit es wieder gut wird, kann ich dem anderen heimlich etwas Gutes tun, ohne daß ich beichte. Das ist viel besser, als wenn ich vorher beichte und es einen großen Krach gibt. Das Verzeihen von außerehelichen Beziehungen Wenn ich den Partner um Verzeihung bitte, schiebe ich ihm damit die Verantwortung dafür zu, daß es wieder gut wird. Alles hängt jetzt sozusagen vom Partner ab. Deswegen wird mir der, den ich um Verzeihung bitte, in der Regel böse. Er fühlt sich mißbraucht. Es ist ähnlich wie bei dem Beichten. Plötzlich muß der andere, der eigentlich gar nichts mit der Sache zu tun hat, tätig werden, während ich passiv bleibe. Besser wäre es, wenn er sagen würde: Ich habe dir Unrecht getan. Ich trage die Folgen. Der Schmerz, den ich dir damit zugefügt habe, tut mir sehr leid. Durch diese Aussagen bleibt er bei sich und ist sofort handlungsfähig. Und der Partner ist geachtet. Wer verzeiht, ist in der überlegenen Position Wenn ein Partner verzeiht, zum Beispiel einen Fehltritt des Partners, dann macht er damit den anderen klein. Dadurch muß der, dem verziehen wurde, den Partner vielleicht verlassen. Das schuldet er sei- 205

6 ner Würde. Das sogenannte Verzeihen hat eine schlimme Wirkung. Hingegen wenn der Schuldige sagt: Es tut mir leid, kann der andere ihm von sich aus entgegenkommen. teilnehmer Wenn nun derjenige, zu dem ich sage, daß es mir leid tut, diesen Satz nicht annimmt und die Schuld bei mir läßt, muß ich diese Schuld dann tragen? bert hellinger Ja. Ich trage die Schuld, aber indem ich dem Partner gesagt habe, daß es mir leid tut, habe ich ihn geachtet. Mehr ist dann nicht in meiner Macht. teilnehmer Ich wollte gar nicht beichten, aber meine Partnerin spürte, daß etwas nicht in Ordnung ist. Sie bohrte daraufhin so lange mit einer sehr wirksamen Bohrmaschine, bis ich schließlich doch beichtete. Obwohl ich die Folgen genau kommen sah, konnte ich es nicht verhindern. bert hellinger Manche, die etwas auf dem Kerbholz haben, verspüren in sich das geheime Bedürfnis, dafür zu sühnen. Sie schaffen es dann auch, daß alle Geheimnisse rauskommen. Es geht jedoch um die zentrale Frage: Wie stehe ich zu meiner eigenen Schuld? Will ich sie jetzt loswerden, oder sage ich zu mir, daß ich sie bis an mein Lebensende behalte? Wenn ich sie behalte, bin ich zwar nicht unschuldig, aber ich habe eine Kraft, die ich ohne Schuld nicht hätte. Ich bin dann auch bescheidener und sehr menschlich. Versöhnung und Neubeginn Versöhnung ist ein Wert, Verzeihen nicht. Außer die Partner verzeihen sich gegenseitig. Wenn ein Paar sich gegenseitig etwas angetan hat und sie später zueinander sagen: Wir verzeihen uns das gegenseitig, dann ist keiner überlegen. Man kann auch sagen: Wir versöhnen uns. Das würde dann heißen: Wir gestatten uns einen neuen Anfang. Dazu gehört, daß man auf das Frühere nicht mehr zurückkommt. Das muß dann vorbei sein. Es ist wie ein Neubeginn. Das ist dann die eigentliche Versöhnung. 206