ANGEHÖRIGE DIE ABHÄNGIGEN VON ABHÄNGIGEN

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3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort 2. Für die Angehörigen von Suchtkranken 3. Suchtkrankheit 4. Merkmale der Sucht 5. Die Angehörigen 6. Erste Selbsterkenntnis 7. Die Anpassung an den Suchtkranken 8. Die Unterordnung an den Suchtkranken 9. Co-Abhängigkeit 10.Die Bereitschaft zur Co-Abhängigkeit 11. Der Weg in die Abhängigkeit vom Abhängigen 12. Die Herausforderung der Angehörigen 13. Test zur Einschätzung der persönlichen Co.Abhängigkeit 14. Hilfe, die wirkt 15. Kinder von Suchtkranken 16. Verwirrende Erfahrungen 17. Typische Verhaltensmuster der Kinder 18. Erwachsene Kinder von Suchtkranken 19. Unheilsame Verstrickungen 20. Bedachtsamer Alkoholkonsum für gefährdete Jugendliche 21. Der Rückfall 22. Weitere Rückfallsgefahren 23. Zusammenfassung: Ratschläge für Angehörige 24. Literaturempfehlungen Der Einfachheit und auch der weit überwiegenden Realität halber sind wir im vorliegenden Text von männlichen Suchtkranken und weiblichen Partnern ausgegangen. Selbstverständlich gelten die Ausführungen auch für die umgekehrten oder für gleichgeschlechtliche Partnerschaftsbeziehungen.

4 1. Vorwort Angehörige von Suchtkranken fühlen sich oft allein gelassen in ihren Sorgen um, ihren Ängsten vor und ihren leidvollen Erfahrungen mit den Abhängigen. Nicht selten sind sie Vorwürfen, Demütigungen und Gewalttätigkeiten von Seiten des Drogenkonsumenten ausgesetzt. Aber auch stille oder gar laute Schuldzuweisungen, Vorhaltungen, Abneigungen und Distanzierungen von Außenstehenden kommen allzu häufig vor. Und Angehörige erleben sich selbst hin und hergerissen zwischen der Verpflichtung zur Solidarität und Unterstützung und eigener Aufopferung einerseits sowie Wut, Hass, Depression und Verzweiflung andererseits. Sie spüren ihre Ohnmacht, wollen aber helfen und stoßen stets auf die eigene Hilflosigkeit. Diese Broschüre möchte ihnen Mut machen, die Suchtkrankheit beim Partner ungeschminkt anzuerkennen und auch die eigenen Belastungen und unheilvollen Verstrickungen kritisch wahrzunehmen. Sie möchte aber auch aufzeigen, dass alle Angehörige meist in ganz ähnlichen Konflikten und innerer Zerrissenheit stecken. Selbstvorwürfe sind also ganz unangebracht. Ja, sie will sogar auffordern, die eigenen Verhaltensweisen und Beziehungsmuster als Ausdruck einer Abhängigkeit zu sehen als Abhängigkeit vom Suchtkranken! Und sie enthält eine Reihe konkreter Maßnahmen und Empfehlungen, um aus diesem Suchtkreislauf auszusteigen. Erst dieser Schritt kann den Abhängigen dazu bringen, selbst aus seiner Sucht auszusteigen. Hier soll aber auch auf Kinder von Suchtkranken eingegangen werden, die bis in das Erwachsenenalter von diesen Belastungen und traumatischen Erlebnissen geprägt und beeinträchtigt sein können. Angehörigen kommt auch eine überaus wichtige Bedeutung zur Früherkennung einer Suchterkrankung im familiären Umfeld zu. Angehörigen kommt auch eine überaus wichtige Bedeutung zur Früherkennung einer Suchterkrankung im familiären Umfeld zu. Meist wird ein problematischer Umgang mit Suchtmitteln von ihnen viel früher wahrgenommen als von den Konsumenten selbst. Deren Missbrauch wird allerdings oft lange Zeit geduldet, geleugnet, bagatellisiert. Doch ist gerade eine frühe kritische und achtsame Haltung entscheidend, um langes Elend einer Suchterkrankung zu verhindern oder abzukürzen. Angehörige spielen somit eine zentrale Bedeutung in der Motivation und Bereitschaft für die Beratung und Behandlung der Suchtkranken. Diese Broschüre soll aber nicht zuletzt den Angehörigen eine Anleitung zur Verfügung stellen, sich auch selbst besser und entschiedener zu helfen bzw. auch selbst Unterstützung und begleitende Hilfe aufzunehmen.

5 2. Für die Angehörigen von Suchtkranken Alle, die mit einem Suchtkranken zu tun haben, brauchen Hilfe. Denn jeder, der sich einem Süchtigen zugehörig fühlt, gerät selbst mit in den Sog der Abhängigkeit. Auch Freunde und Freundinnen sowie Arbeitskollegen sind mit den Auswirkungen konfrontiert, die eine Verbindung zu einem Alkoholiker mit sich bringen. Für alle Beteiligten verändert sich das Leben. Allerdings kommen diese Veränderungen schleichend, was es erschwert, sie zu erkennen. Jeder, der sich einem Süchtigen zugehörig fühlt, gerät selbst mit in den Sog der Abhängigkeit. Alkoholismus gilt noch immer als gesellschaftliches Tabuthema. Der Betroffene wird häufig sozial und moralisch geächtet. Deshalb bemühen sie sowie deren Angehörige sich lange, dieses Problem vor sich und anderen zu verleugnen. Wer die Realität verleugnet, will sich und seine Umgebung nicht bewusst täuschen. Verleugnen verschafft einen letzten Schonraum, um sich an eine fast unerträgliche Wahrheit zu gewöhnen. (Der Einfachheit und auch der weit überwiegenden Realität halber sind wir im vorliegenden Text von männlichen Suchtkranken und weiblichen Partnern ausgegangen. Selbstverständlich gelten die Ausführungen auch für die umgekehrten oder für gleichgeschlechtliche Partnerschaftsbeziehungen.)

6 3. Die Suchtkrankheit Der Übergang vom gewohnheitsmäßigen Trinken zur Suchtkrankheit vollzieht sich schleichend und oft unmerklich. Die Suchtkrankheit selbst ist gekennzeichnet durch schwere körperliche, psychische und soziale Folgeerscheinungen. Nicht mehr der Trinker benützt das Suchtmittel, sondern das Suchtmittel hat ihn im Griff. Die Grenze zwischen normalem und abhängigem Alkoholkonsum verläuft für jeden Einzelnen unterschiedlich und differenziert. Es gibt nicht den Alkoholiker, sondern eine Vielzahl individuell ausgeprägter Abhängigkeitsprobleme, wobei sich Trinkanlässe, Trinkmengen und Trinkdauer sowie der Grad der körperlichen und psychischen Abhängigkeit erheblich unterscheiden. Sie existieren in verschiedenen Formen und Ausprägungen. Als abhängig gilt, wer auf Alkohol nicht verzichten kann, ohne dass unangenehme körperliche Symptome und seelisches Unbehagen auftreten. Oder wer immer wieder soviel Alkohol trinkt, dass er sich und anderen damit schadet. Zur zuverlässigen Beurteilung einer beginnenden Suchterkrankung bedarf es jedoch immer der selbstkritischen Beurteilung des Betroffenen. Fachleute und Angehörige können zu dieser Fragestellung allenfalls wichtige Denkanstösse und Hilfeleistungen für eine realistische und kritische Selbstwahrnehmung bieten. Die endgültige Entscheidung obliegt aber dem Konsumenten selbst. Als abhängig gilt, wer auf Alkohol nicht verzichten kann, ohne dass unangenehme körperliche Symptome und seelisches Unbehagen auftreten.

7 4. Merkmale der Sucht Drei wesentliche Kriterien bilden untrügliche Kennzeichen einer Suchterkrankung. Zum einen zwingt die körperliche Abhängigkeit aufgrund der Entwicklung von Entzugserscheinungen (Zittern, Schweißausbrüche, morgendlicher Brechreiz, innere Unruhe) den Trinker, neuerlich Alkohol zu konsumieren. Diese treten immer dann auf, wenn sich der Alkoholspiegel im Blut nach mehrstündigen bis eintägigen Abstinenzphasen senkt, also vornehmlich während der Nacht und am Morgen. Zum anderen führt die psychische Abhängigkeit zur zunehmenden gedanklichen Fixierung und zum drängenden Verlangen nach dem Suchtmittel. Und drittens kennzeichnet der Kontrollverlust die Suchtproblematik. Danach vermag ein süchtig gewordener Mensch sein Suchtmittel nicht mehr mäßig oder normal zu konsumieren, zumindest nicht über einen längeren Zeitraum. Viel mehr gleitet er trotz subjektiv ernsthafter und selbstauferlegter gemäßigter Konsumabsichten zwangsweise in einen unkontrollierbaren Suchtmittelmissbrauch. Es bleibt festzuhalten, dass zur Entstehung einer Alkoholabhängigkeit keine notwendigen und spezifischen Gründe existieren müssen. Vielmehr wirken stets mehrere Motive und Einstellungen für einen missbräuchlichen Konsum ineinander und verstärken sich wechselseitig. Im Prinzip kann jeder Mensch durch häufigen Alkoholkonsum süchtig werden. Dagegen hängt es entscheidend vom Betroffenen und seinem Umfeld ab, wie schnell und wie lange dieser Prozess abläuft. Körperliche und psychische Abhängigkeit sowie Kontrollverluste kennzeichnen die Suchterkrankung

8 5. Die Angehörigen Angehörige fühlen sich nicht selten mitschuldig an der Suchtproblematik eines Familienmitgliedes. Sie glauben, etwas falsch gemacht zu haben, nicht liebevoll oder nicht streng genug gewesen zu sein, zuwenig Zeit gehabt oder zuwenig miteinander geredet zu haben. Sie übersehen leicht, dass in jeder Partnerschaft Probleme auftauchen und Alltagssorgen oft nicht einfach zu lösen sind. Dennoch greifen viele Menschen, die in ebenso schwierigen Situationen stecken, nicht zum Alkohol. Verschiedene quälende Fragen bleiben für Mitbetroffene offen: Angehörige fühlen sich nicht selten mitschuldig an der Suchtproblematik eines Familienmitgliedes Warum hört er nicht mit dem Trinken auf? Er wird noch seine Arbeit verlieren und sich selbst langsam, aber sicher zerstören! Warum trinkt er weiter? Wir könnten es doch so schön haben! Kann er nicht mir zuliebe oder wegen der Kinder oder der Eltern aufhören? Liebt er uns denn gar nicht mehr? Bedeuten wir ihm gar nichts? Wie kann er uns das antun, sieht er nicht, wie wir darunter leiden? Meistens werden Angehörige früher als der Betroffene selbst auf die besonderen Anzeichen der Suchterkrankung aufmerksam.

9 6. Erste Selbsterkenntnis Um das Verhältnis zu einem Suchkranken sowie eine mögliche Suchterkrankung realistisch einzuschätzen, sollten sich Angehörige folgende Fragen stellen: Mache ich mir wegen des Trinkens einer nahestehenden Person oder der Folgen dieses Trinkens Sorgen? Ärgere ich mich über ihr Trinken? Werde ich durch das Trinken einer anderen Person dazu gebracht, mich anders zu verhalten als sonst? Leiden ich und auch andere Personen unter den Folgen des Trinkens wie Stimmungsschwankungen, Aggressionen, Geldmangel oder Behördenprobleme? Schäme ich mich in Situationen, in denen die betroffene Person trinkt? (nach Lambrou 2000) Sollten Angehörige mehrere dieser Fragen mit Ja beantworten, sind sie bereits in problematischen Beziehungsmustern mit einem Suchtkranken verwickelt möglicherweise ohne sich diese Krankheit des Betroffenen selbst einzugestehen oder darüber zu sprechen.

10 7. Die Anpassung an den Suchtkranken In Beziehungen mit einem Alkoholabhängigen werden vom sozialen Umfeld ständig ungewohnte Anpassungen verlangt. Ein Suchtkranker verhält sich oft unvorhersehbar, sodass das Gleichgewicht in einer Gemeinschaft täglich neu hergestellt werden muss. Außerdem verändert er sich deutlich in seinen Wesenszügen. Durch sein Trinken, Reden und Handeln stellt er unübersehbar und dauerhaft Forderungen an alle. Diese gestörte Balance kann nur auf Kosten der anderen ausgeglichen werden. Daher passen die Familienmitglieder oder Arbeitskollegen oft unbewusst ihr Leben den alltäglichen Verhaltensweisen des Suchtkranken an. Im Mittelpunkt der Beziehung oder des Familienlebens steht nicht mehr das Wohlergehen aller, sondern nur noch das Reagieren und Ausgleichen auf den Abhängigen hin. Durch sein Trinken, Reden und Handeln stellt der Suchtkranke unübersehbar und dauerhaft Forderungen an alle Angehörige bemühen sich lange Zeit mit Angeboten, die letztlich nicht helfen. Hierzu gehört der Versuch, das Trinken des Familienmitgliedes vor anderen Menschen zu verheimlichen. Sie rufen etwa am Arbeitsplatz an, um den Problemtrinker als krank zu melden, obwohl er lediglich aufgrund einer durchzechten Nacht nicht aus dem Bett kommt. Der Arbeitkollege, der in der Arbeitszeit nach Alkohol riecht, wird lange Zeit toleriert und keinesfalls darauf angesprochen. Der Suchtkranke hat die Konsequenzen seines Handelns oft selbst nicht auszubaden. Denn es ist immer wieder jemand da, der für ihn bereit ist zu lügen, ihn zu decken oder seine Erklärungen des Trinkens zu glauben. Auch im Betrieb findet sich häufig jemand, der die liegengebliebene Arbeit erledigt, ihn verteidigt und sich mit ihm solidarisiert. Das Verhalten des Alkoholikers bringt Personen in seiner Umgebung in Zugzwang. Sie müssen rasch reagieren. Für viele Angehörige erscheint im Schweigen und Verheimlichen eine erste Lösung zu liegen. Niemand soll von den Alkoholproblemen wissen. Wenn nicht darüber geredet wird kommt man auch nicht ins Gerede. So hilft das Tabu nach außen hin die Illusion aufrecht zu erhalten, als ob alles in Ordnung wäre.

11 8. Die Unterordnung an den Suchtkranken Allerdings muss der Einsatz von Angehörigen zunehmend erhöht werden. Angehörige hoffen stets auf eine Wende, bringen ihre ganze Kraft und Energie auf, um den Suchtkranken zu einer Änderung zu bewegen. Sein Verhalten wird vom Alkohol beherrscht und bestimmt ansteigend die Lebensumstände seiner sozialen Umgebung. Er nimmt weniger Rücksicht auf andere und weigert sich zunehmend Verantwortung für sein Verhalten zu tragen. Die Anforderungen an die Mitmenschen steigen kontinuierlich. Lange Zeit versuchen Angehörige, ihren Einsatz zu erhöhen, um dadurch den Suchtkranken vom Trinken abzuhalten. Nicht nur die zunehmende Erschöpfung, sondern auch die extreme Bereitschaft zur Anpassung tragen dazu bei, dass Angehörige langsam ihr eigenes Leben aus den Augen verlieren. Ihre ganze Aufmerksamkeit gilt dann nur noch der suchtkranken Person. Immer stärker dreht sich ihr Leben um Situationen, die der Alkoholkranke inszeniert. Angehörige vermeiden, ihren Ärger oder Frust, ihre Verletztheit und Wut zu zeigen, um die Beziehung nicht noch weiter zu belasten. Sie ertragen lange Zeit auch die Angst vor unberechenbaren Reaktionen im Rausch und halten die seelischen sowie oft auch körperlichen Gewalttätigkeiten aus. Oder sie schätzen sich heilfroh, dass es bei ihnen noch nicht derart schlimm ausgeartet ist, sie ja noch Glück wegen der Friedfertigkeit ihres trinkenden Partners haben... Sie ordnen sich unter, verhalten sich pflegeleicht, bemühen sich, alles Recht zu machen. Zudem übernehmen sie immer mehr Verantwortung für den Suchtkranken, machen sauber, was dieser verdreckt und vernachlässigt hat. Sie meistern die vielfältigen Erledigungen, die früher der suchtkranke Partner selbst übernommen hat, begleichen Rechnungen und Ausgaben, die durchs Trinken und seinen Folgen entstanden sind etc. Nicht nur die zunehmende Erschöpfung, sondern auch die extreme Bereitschaft zur Anpassung tragen dazu bei, dass Angehörige langsam ihr eigenes Leben aus den Augen verlieren. Aber all diese Bemühungen helfen nicht; der Suchtkranke wird mit dem Trinken nicht aufhören. Dafür bestehen zwei wesentliche Gründe: Einerseits erspart ihm diese Unterstützung die Konfrontation mit der eigenen Suchtproblematik und dessen Auswirkungen, andererseits verstärken Druck und Vorwürfe von Seiten der Angehörigen nur den Verleugnungsprozess des Abhängigen und lassen ihn nach einem Sündenbock im Angehörigen und nach einem neuerlichen Trinkanlass suchen. Scheinen der Suchtkranke nach außen hin als der Schwache und seine Angehörige als die Starken, so zeigt sich doch, dass der Alkoholiker stets seinen Willen durchsetzt. Nur wenn der Suchtkranke seinen gesamten Alltag selbst bewältigen muss, bekommt er die Chance, sein Trinken als belastend, schädigend, unnormal und unkontrollierbar zu erkennen.

12 9. Co-Abhängigkeit Ähnlich wie Suchkranke ihr Leben dem Alkohol unterordnen, arrangieren auch Angehörige ihr Leben mit einem Suchtkranken. Und obwohl ein hoher Anteil von Angehörigen unter diesen Belastungen körperlich und seelisch stark leidet, deutlich gezeichnet und auch vermehrt krankheitsanfällig sind für Depressionen, Krebs, psychosomatischen Erkrankungen sowie Burnout und Kreislaufstörungen, erleben sie sich derart mit dem Leben des Suchtkranken verstrickt, dass sie sich nicht mehr daraus zu befreien glauben. Sie sind zwar nicht vom Alkohol abhängig, haben aber ähnlich wie der Suchtkranke die Droge zunehmend nur noch einen Mittelpunkt in ihrem Leben: nämlich die alkoholabhängige Person. Sie gelten als co-abhängig und befinden sich analog dem Suchtkranken in einem Prozess der Abhängigkeit. Co-abhängiges Verhalten orientiert sich am Suchtkranken, richtet aber den größten Schaden beim Angehörigen selbst an. Es verändert das Denken, Fühlen, den Lebensalltag und langfristig die ganze Persönlichkeit. Obwohl Angehörige körperlich und seelisch stark unter dem Zusammenleben mit einem Suchtkranken leiden, fühlen sie sich außerstande aus diesem Beziehungssystem herauszutreten. Wie Abhängige die Droge, stellen Angehörige den Abhängigen im Mittelpunkt ihres Lebens Folgende Verhaltensweisen und Eigenschaften kann man bei Co-Abhängigen vermehrt beobachten: _ Verleugnen der Realität, Unehrlichkeit _ Kontrollbemühungen gegenüber dem Trinker _ Starke Außenorientierung Betonung einer unproblematischen Fassade für andere _ geringes Selbstwertgefühl _ Abhängigkeitsgefühle Angst vor Trennungen _ Ängste und/oder Depressionen _ Über- oder Unterlegenheitsgefühle, die mitunter rasch wechseln _ Verunsicherungen der eigenen Wertvorstellungen _ Verwirrung der Gefühle, Gefühllosigkeit, Gleichgültigkeit _ Perfektionismus der Glaube, es nie gut genug zu machen _ Leichtgläubigkeit _ selbst nur reden und nicht danach handeln _ eigene Abhängigkeiten wie Esssucht, Arbeits- und Beschäftigungssucht, Medikamentenabhängigkeit, Alkoholismus (siehe Lambrou 2000)

13 10. Die Bereitschaft zur Co-Abhängigkeit Zur Co-Abhängigkeit neigen nicht selten Personen meist Frauen die selbst durch rigide Verhaltensregeln erzogen wurden. Diese erschweren die Ausbildung von Selbstbewusstsein, die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse, die Formulierung persönlicher Anliegen und Ziele und die Durchsetzung eigener Ansprüche gegenüber anderen zugunsten einer Anpassung und Unterordnung an das soziale Umfeld. Möglicherweise bilden diese Unsicherheiten in der eigenen Lebensführung und Identität die ausschlaggebenden Gründe für Partner, sich in die Beziehung zu einem Suchtkranken überhaupt erst einzulassen und sich darin so lange zu verausgaben. Denn die Orientierung auf den anderen verschafft einerseits Selbstsicherheit und Überlegenheit und andererseits entlastet es vor der Auseinandersetzung mit eigenen Lebensfragen. Solche - sich oft unbewusst angeeigneten - Regeln können etwa lauten: Unsicherheiten in der eigenen Lebensführung und Identität bilden oft die ausschlaggebenden Gründe für Partner, sich in die Beziehung zu einem Suchtkranken überhaupt erst einzulassen und sich darin so lange zu verausgaben. _ Über Probleme spricht man nicht! _ Gefühle zeigt man nicht! _ Vermeide persönliche, direkte Gespräche zugunsten indirekter Kommunikation über eine dritte Person als Vermittler _ Dein Leitsatz: sei stark, gut, richtig und perfekt! _ Sei selbstlos! _ Tu, was man dir sagt! _ Mach uns keine Schande! _ Lass andere stolz auf dich sein! So neigen Menschen mit diesen Erziehungsidealen dazu, _ sich selbst in Partnerschaften aufzuopfern bzw. anzupassen, _ die Rolle des starken und helfenden Partners einzunehmen, _ für den anderen da zu sein und Verantwortung für ihn zu übernehmen, _ eigene Ansprüche und Bedürfnisse zurückzustellen, _ ganz im Dienst des anderen aufzutreten. _ es anderen Recht zu machen, _ möglichst alles gut und perfekt zu erledigen, _ Anerkennung und Wertschätzung durch Anpassung und Dienstleistung zu erhalten.

14 11. Der Weg in die Abhängigkeit vom Abhängigen Ähnlich wie der Suchtkranke selbst, durchlaufen Angehörige charakteristische Phasen in ihrem Umgang und ihrer Beziehung zum Problemtrinker. So wie der Suchtkranke selbst anfänglich seinen Alkoholkonsum bagatellisiert, verheimlicht oder nach außen hin rechtfertigt, versuchen auch Angehörige lange Zeit das Trinken vor anderen zu verleugnen, zu erklären, zu begründen bzw. zu tolerieren. Sie verschließen sich gegenüber ihrer Umwelt, meiden möglicherweise Kontakte zu Bekannten oder Nachbarn, ziehen sich vermehrt zurück, um nicht auf das Trinken des Partners angesprochen zu werden. Da diese beschützenden Bemühungen nicht wirklich helfen, meist zu keiner Besserung beitragen, sondern die Suchtkarriere eher noch fördern, beginnen Angehörige den Konsum des Trinkers zu kontrollieren. Sie suchen nach versteckten Flaschen, kippen den Inhalt weg, zählen deren Anzahl etwa im Weinkeller, machen Striche auf Flaschen, um den jeweiligen Pegel festzuhalten. Sie sprechen schon mal Drohungen aus und versuchen den Süchtigen unter Druck zu setzen. Zudem wird auf ihn eingeredet, an ihn appelliert, doch wenigstens maßvoller zu trinken. Allerdings findet der Abhängige immer ein Schlupfloch. Er weicht aus in ein heimliches Trinken, bestätigt die angebliche Unbedenklichkeit seines Konsums durch selbstauferlegte Abstinenzphasen oder wiederholte Versprechungen, mit dem Trinken aufzuhören oder zumindest zu reduzieren. Die Angehörigen glauben ihm allzu gerne und allzu lange und setzen immer wieder neue Hoffnung in ihn. Dennoch halten in der Regel weder die Versprechungen des Suchtkranken noch die zahlreichen Kontrollversuche seines sozialen Umfeldes. Irgendwann beginnen Angehörige zu resignieren, ziehen sich emotional zurück, erledigen ihre Alltagsanforderungen alleine, treffen Entscheidungen, übernehmen zunehmend die Initiative und Verantwortung. Die Partner stehen im Mittelpunkt der Familie, fühlen sich bestärkt in ihrer Rolle des Verantwortungsträgers, gleichzeitig verbrauchen sie jedoch ihre eigenen Kräfte bis zur Erschöpfung und haben wenig Zeit für ihre persönlichen Bedürfnisse. Ihre Beziehung zum Abhängigen mag sich in Anklagen, ja Hass umwandeln. Sie werden zu verbitterten und harten Menschen, die sich selbst gefangen fühlen, ohne Hoffnung und voller Verzweiflung. So wie der Abhängige selbst sich zunehmend in seiner Sucht verliert, erleben sich auch Angehörige oft als unfähig, sich aus der Verstrickung und Abhängigkeit vom Suchtkranken zu lösen.

15 12. Die Herausforderung der Angehörigen Nicht selten kommen Angehörige von Suchtkranken selbst aus Familien, deren Eltern oder Großeltern bereits Suchtsymptome aufgewiesen haben. Es fällt ihnen deshalb wirklich schwer, sich um sich selbst zu kümmern und nicht länger Verantwortung für das Leben des Alkoholikers zu übernehmen. Dennoch sind auch Angehörige gefordert umzulernen, wenn der Suchtpatient in Behandlung steht und dort auf ein abstinentes und somit selbstständigeres und wieder eigenbestimmtes Leben vorbereitet wird. Nur wenn Angehörige sich entscheiden, sich selbst als die wichtigste Person zu betrachten und den Abhängigen aus dem Mittelpunkt ihres Lebens herausnehmen, können sie dem Suchtkranken helfen. Erst deren Rückbesinnung auf ihre eigenen Wünsche und Anliegen erschwert dem suchtkranke Partner, sich selbst weiter zu belügen und in der Sucht zu verbleiben. Nur wenn Angehörige den Abhängigen aus dem Mittelpunkt ihres Lebens herausnehmen, können sie dem Suchtkranken helfen. Angehörige klammern sich an die Idee, dass der Suchtkranke irgendwann einmal sein Trinken aufgibt bzw. sich Hilfe zukommen lässt. Sie bemühen sich, ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Das Bedürfnis vieler Angehöriger, sich um den Suchtkranken immer wieder zu kümmern, ihn wenn auch vergeblich zu kontrollieren liegt im Wunsch, aktiv werden zu können und eigene Gefühle der Ohnmacht und Panik zu überwinden. Das Leben mit einem Suchtkranken ist schwierig und leidvoll. Kontrollversuche sind ein Mittel, diese Gefühle der eigenen Ohnmacht zu beschwichtigen oder zu überspielen. Oft lassen sich dahinter auch ein unbewusster Ausdruck des Grolles und Hasses auf den Suchtkranken oder eines Machtkampfes entdecken. Wesentlich für die Genesung und Hilfe für Angehörige sowie Patienten ist die Einsicht, dass solche Unterstützungsversuche sinnlos sind. Ein Alkoholiker trinkt, weil er trinken muss und selbst keinen Weg finden kann, von sich aus aufzuhören. Die Erkenntnis, der Suchtkrankheit gegenüber machtlos zu sein führt zum ersten Schritt einer Veränderung. Man hört auf, das Unkontrollierbare kontrollieren zu wollen. Sich diese Machtlosigkeit einzugestehen, bedeutet, die Wirklichkeit zu sehen wie sie ist und sich an ihr zu orientieren. Das Bemühen um die völlige Kontrolle über und die Fixierung auf den Suchtkranken, die ständigen zwanghaften Gedanken an ihn machen die Besessenheit und die eigene Süchtigkeit des Co-Abhängigen aus. Selbstfürsorge statt Selbstvernachlässigung ist noch immer die wirksamste Hilfe sowohl für sich selbst als auch für den Suchtkranken.

16 13. Test zur Einschätzung der persönlichen Co-Abhängigkeit 1. Haben Sie schon häufiger mit Ihrem Partner getrunken, damit er nicht im Lokal versackt? 2. Fühlen Sie sich stark, wenn der Abhängige sich schwach fühlt? 3. Werden Sie von der Verwandtschaft oder Nachbarschaft gelobt, weil Sie so tapfer sind? 4. Fühlen Sie sich zum Lügen und Decken von Unregelmäßigkeiten gezwungen, weil Sie Ihren Partner nicht ausliefern wollen? 5. Hängen Ihre Gefühle sehr stark von der Situation des Partners ab? 6. Kümmern Sie sich um alles, weil der Partner es nicht mehr kann? 7. Haben Sie Angst, der Abhängige könnte aggressiv werden, wenn Sie mit ihm über Alkohol (Drogen, Medikamente, Glücksspiel etc.) sprechen? 8. Vermeiden Sie es, mit anderen Leuten über das Trinkproblem Ihres Partners zu sprechen? 9. Haben Sie Ihrem Partner schon einmal mit Scheidung oder Trennung gedroht, weil er so viel trinkt? 10. Ärgern Sie sich, weil Ihr Partner Ihre Ermahnungen nicht ernst nimmt? 11. Wünschen Sie sich manchmal den Tod des Partners? 12. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie gegen den alkoholabhängigen Partner machtlos sind? 13. Haben Sie häufiger schon Drohungen, die Sie dem Betroffenen gegenüber ausgesprochen haben, nicht wahr gemacht oder vergessen? 14. Haben Sie das Gefühl, dass der Alkohol (oder Ähnliches) eine immer wichtigere Rolle in Ihrer Partnerschaft spielt? 15. Übernehmen Sie zunehmend Aufgaben, die eigentlich Ihr Partner noch ausführen könnte? 16. Nehmen die Trennungsgedanken zu oder konkrete Formen an? 17. Sind Sie in letzter Zeit häufiger deprimiert und verzweifelt, weil sich am Trinkverhalten des Partners nichts ändert? 18. Sind Sie wegen psychosomatischer Beschwerden in ärztlicher Behandlung? 19. Wissen Sie manchmal nicht, woher Sie das Geld für den Haushalt nehmen sollen? 20. Wechseln Ihre Gefühle für den Partner häufiger zwischen tiefem Hass und großer Liebe? 21. Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Partner noch tiefer abrutscht, wenn Sie ihn verlassen? 22. Wissen Sie nicht mehr, wie es weitergehen soll, weil Sie so verzweifelt sind? (Falls Sie mehr als 8 Fragen bejahen, bestehen deutliche Hinweise für ein co-abhängiges Beziehungsmuster. (nach Kolitzus, 1997)

17 14. Hilfe, die wirkt Angehörige sind nicht hilflos der Suchterkrankung ihres Partners ausgeliefert. Vielmehr existieren eine Reihe von Empfehlungen, die helfen, ihnen das eigene Alltagsleben erträglicher zu machen. Sie unterstützen aber auch den Süchtigen, sich mit der Abhängigkeit kritisch und schonungslos auseinander zusetzen und sich dadurch in die Lage zu versetzen, aus dem Krankheitsprozess möglichst bald zu auszusteigen. Loslassen Ein erster konkreter Schritt besteht im Loslassen, sich nämlich geistig und affektiv von der alkoholkranken Person zu distanzieren. Allerdings muss man erst lernen, seine Gedanken zu stoppen. Es gilt in kleinen Schritten anzufangen, wieder eingehender auf sich zu achten etwa mit einem Abendspaziergang, einem Besuch beim Friseur oder ins Kino. Informieren Wertvoll ist, sich über die Suchtkrankheit zu informieren. Es gilt, die Suchtkrankheit zu begreifen, um auch den Suchtkranken besser zu verstehen. Wenn auch von den Angehörigen oft nur schwer zu akzeptieren, sind Abhängige nicht einfach nur asoziale, rücksichtslose, ich-schwache und verantwortungslose Säufer, sondern unterliegen einem komplexen körperlichen, psychischen und sozialen Krankheitskomplex mit charakteristischen Merkmalen, in dem sie sich selbst von allen Werten und Lebenshaltungen entfernen, die ihnen einmal bedeutsam waren: Gesundheit, Selbstachtung, Sicherheit, Arbeit, Familie, Partnerschaft, Freunde, Hobbys, Anerkennung... Abgrenzen Eine weitere Veränderung liegt darin, zu akzeptieren, dass der Alkoholiker die Konsequenzen seines Trinkens selbst ausbaden muss. Angehörige sind gefordert Grenzen zu ziehen, was nicht immer leicht fällt und vielleicht nur mit Hilfe von Außenstehenden und Beratungsstellen zu bewerkstelligen ist. Transparenz Auch nach außen hin ist der Suchtkranke von Angehörigen nicht mehr in Schutz zu nehmen. Die Erkrankung soll durchaus Freunden und nahestehenden Personen mitgeteilt werden. Der Suchtkranke wird somit nicht mehr geschützt und hat auch die Folgen für sein Verhalten zu tragen.

18 Offenheit Auch in der Kommunikation erleichtert die Orientierung an bestimmte Regeln den gegenseitigen Umgang. Es geht darum, mit dem Suchtkranken ehrlich und offen zu reden, Fassaden abzubauen und Lügen zu vermeiden. Unehrlichkeit bringt längerfristig nichts; sie wirkt immer destruktiv und hilft dem Suchtkranken, sein Leugnen und seinen Konsum aufrecht zu erhalten. Sie fördert die eigene Selbsttäuschung und damit Selbstzerstörung. Auch Angehörige sind angehalten ähnlich wie der Suchtkranke selbst anzufangen, ehrlich zu sich selbst und anderen zu sein. Das bedeutet, so zu leben, wie es für einen selbst gesund ist, ohne sich oder anderen etwas vorzumachen. Sachlichkeit Weiters gilt es, gelassen und sachlich zu bleiben, keine Vorwürfe zu machen oder Drohungen auszusprechen. Darin steckt eine schwierige Herausforderung, da es in Beziehungen zu Suchtkranken oft Streit gibt, man sich gegenseitig beschimpft und beschuldigt. Allerdings bietet man dadurch dem Suchtkranken oft nur einen Grund, wieder zu trinken. Und Drohungen machen es ihm leicht, die eigenen Schuldgefühle wegzuschieben und somit die Verantwortung für sein Trinken dem anderen anzulasten. Schweigen statt zu widersprechen, sich zurückziehen statt sich in einen Streit und in Drohungen zu versteigern helfen Angehörigen, mit sich eher im Reinen zu sein. Streit gibt der Suchtkrankheit jeweils neue Nahrung. Zurückhaltung Zudem bleibt zu bedenken, auf Beschuldigungen und Streitgespräche des Suchtkranken nicht einzugehen, sie als Ausdruck einer Krankheit zu werten, sie vielmehr ins Leere laufen und verpuffen zu lassen. Dadurch bietet man dem Suchtkranken selbst keine Angriffsfläche. Ohnehin ist es sinnlos, mit einem Suchtkranken unter Alkoholeinwirkung das Gespräch zu suchen. Miteinbeziehen Alltagsprobleme oder erledigungen sind so gut wie möglich nach wie vor gemeinsam zu besprechen. Allerdings ist wichtig über anfallende Entscheidungen nicht lange zu diskutieren, sondern den Suchtkranken nur zu informieren und ihm die getroffenen Entscheidungen mitzuteilen. Der Suchtkranke soll nach wie vor in Entscheidungsprozesse und Alltagsabläufe eingeweiht sein. In der Kommunikation und im Umgang mit Suchtkranken sind ausführliche Diskussionen möglichst zu vermeiden.

19 Schutz vor Gewalt Wichtig ist, den Suchtkranken nicht zu provozieren, insbesondere wenn er zu Aggressionen neigt. Er schwankt ohnehin häufig in seinen Stimmungen; reagiert unbeherrscht, selbstbezogen, abweisend und feindselig, wenn er sich in seiner Persönlichkeit angegriffen oder bevormundet fühlt. Während seiner Wutausbrüche erweist es sich als ratsam, zu schweigen und nur kurze Antworten zu geben, so freundlich wie möglich auf ihn einzugehen. Wenn wirklich Gewalttätigkeit von einem Suchtkranken drohen kann, gilt es im Vorfeld bereits Vorkehrungen zum eigenen Schutz zu treffen. Familienangehörige, die mit einem aggressiven Suchtkranken zusammenleben, sollten stets eine Tasche mit den notwendigen Utensilien (Geld, Nachtzeug für sich und die Kinder, Kleingeld zum Telefonieren, Adressenheft mit der Telefonnummer der nächsten Polizeiwache, Notarzt, Notruf des nächsten Frauenhauses aber auch von Verwandten oder Freunden) parat halten. Auch verbale und emotionale Misshandlungen sind nicht zu dulden. Ein Alkoholiker kann eine andere Person durch Herabsetzung lächerlich machen und durch Drohungen gänzlich kontrollieren. Reden Mit dem Suchtkranken ist über die Abhängigkeit zu reden. Man wartet damit, bis er nüchtern und geistig erreichbar ist. Allerdings sollen Angehörige erst selbst die nötige Klarheit und emotionale Distanz gefunden haben, um den Abhängigen auf seine Krankheit vorwurfsfrei hinweisen zu können. Sie sind dazu erst in der Lage, wenn sie für sich selbst den eigenen Lebensweg gefunden haben und den Suchtkranken innerlich loszulassen bereit sind. In einem solchen Gespräch bleibt deutlich, aber ohne Anklage, aufzuzeigen, wie das Trinken einen selbst und andere beeinträchtigt. Es ist wichtig, dass der Suchtkranke erlebt, dass eine solche Aussprache ohne Groll und Zorn erfolgt, ohne sich verteidigen oder in Schuldgefühle fallen zu müssen. Angehörige sollten die eigene Betroffenheit und Anteilnahme deutlich machen. konsequent sein Zudem sind nur solche Konsequenzen anzukündigen, die der Angehörige auch selbst bereit ist einzuhalten. Vorwürfe und Beschuldigungen bringen nichts; sie verstärken nur das Schuldbewusstsein des Suchtkranken und treiben ihn somit neuerlich zur Flasche. Vielmehr gilt es, dem Abhängigen mitzuteilen, was man selbst wahrnimmt und wie diese Beobachtungen auf einen wirken. Nicht der Vorwurf: Du trinkst zuviel, sondern die persönliche Betroffenheit: Ich mache mir Sorgen um dich, wenn ich dich so oft betrunken erlebe.

20 15. Kinder von Suchtkranken In einer Familie mit einem Suchtkranken kann sich keiner dem Geschehen entziehen, am wenigsten die Kinder. Bereits in der Schwangerschaft wirkt sich über- und regelmäßiger Alkoholkonsum auf die körperliche und geistige Entwicklung des ungeborenen Kindes aus. Eine der häufigsten angeborenen Schädigungen an Kindern überhaupt bildet die sogenannte Alkoholembryopathie. Bezogen auf alle Lebendgeborenen sind etwa 1,3%o (1:750) davon betroffen. Viele leichte Fälle bleiben undiagnostiziert. Für Deutschland werden jährlich 2200 Neugeborene mit dieser Diagnose geschätzt. Wenn das Kind die toxischen Einflüsse eines problematischen Trinkens überhaupt überlebt, wird es untergewichtig, kleinköpfig und mit typischen Gesichtszügen und Fehlbildungen geboren. Es bleibt körperlich, geistig und seelisch ein Leben lang beeinträchtigt und läuft Gefahr, später selbst süchtig zu werden. Weniger schwere Beeinträchtigungen von Neugeborenen betreffen organische Hirnschäden mit anschließenden Verhaltensstörungen. Dafür genügen bereits gelegentliche Vollräusche oder wiederholte höhere Alkoholmengen der Mütter in der Schwangerschaft. Kinder durchlaufen beim kranken Elternteil wechselhafte Phasen fürsorglicher und liebevoller Zuwendung und aggressiver Ablehnung oder Desinteresse. Auch körperlich gesunde Kinder sind durch eine Suchtproblematik in der Familie deutlich seelisch belastet. Sie durchlaufen beim kranken Elternteil wechselhafte Phasen fürsorglicher und liebevoller Zuwendung und aggressiver Ablehnung oder Desinteresse. Häufig haben sie den Eindruck, es mit zwei unterschiedlichen Vätern oder Müttern zu tun zu haben, da deren nüchterne Reaktionen so gar nicht zusammenpassen mit denen unter Alkoholeinfluss.

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