Predigt am 9. Sonntag nach Trinitatis. Predigttext 1. Könige 3,1-28

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1 Predigt am 9. Sonntag nach Trinitatis Predigttext 1. Könige 3, Und Salomo verschwägerte sich mit dem Pharao, dem König von Ägypten, und nahm eine Tochter des Pharao zur Frau und brachte sie in die Stadt Davids, bis er sein Haus und des HERRN Haus und die Mauer um Jerusalem gebaut hatte. 2 Aber das Volk opferte noch auf den Höhen; denn es war noch kein Haus gebaut dem Namen des HERRN bis auf diese Zeit. 3 Salomo aber hatte den HERRN lieb und wandelte nach den Satzungen seines Vaters David, nur dass er auf den Höhen opferte und räucherte. 4 Und der König ging hin nach Gibeon, um dort zu opfern; denn das war die bedeutendste Höhe. Und Salomo opferte dort tausend Brandopfer auf dem Altar. 5 Und der HERR erschien Salomo zu Gibeon im Traum des Nachts und Gott sprach: Bitte, was ich dir geben soll! 6 Salomo sprach: Du hast an meinem Vater David, deinem Knecht, große Barmherzigkeit getan, wie er denn vor dir gewandelt ist in Wahrheit und Gerechtigkeit und mit aufrichtigem Herzen vor dir, und hast ihm auch die große Barmherzigkeit erwiesen und ihm einen Sohn gegeben, der auf seinem Thron sitzen sollte, wie es denn jetzt ist. 7 Nun, HERR, mein Gott, du hast deinen Knecht zum König gemacht an meines Vaters David statt. Ich aber bin noch jung, weiß weder aus noch ein. 8 Und dein Knecht steht mitten in deinem Volk, das du erwählt hast, einem Volk, so groß, dass es wegen seiner Menge niemand zählen noch berechnen kann. 9 So wollest du deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, damit er dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dies dein mächtiges Volk zu richten? 10 Das gefiel dem Herrn gut, dass Salomo darum bat. 11 Und Gott sprach zu ihm: Weil du darum bittest und bittest weder um langes Leben noch um Reichtum noch um deiner Feinde Tod, sondern um Verstand, zu hören und recht zu richten, 12 siehe, so tue ich nach deinen Worten. Siehe, ich gebe dir ein weises und verständiges Herz, sodass deinesgleichen vor dir nicht gewesen ist und nach dir nicht aufkommen wird. 13 Und dazu gebe ich dir, worum du nicht gebeten hast, nämlich Reichtum und Ehre, sodass deinesgleichen keiner unter den Königen ist zu deinen Zeiten. 14 Und wenn du in meinen Wegen wandeln wirst, dass du hältst meine Satzungen und Gebote, wie dein Vater David gewandelt ist, so werde ich dir ein langes Leben geben. 15 Und als Salomo erwachte, siehe, da war es ein Traum. Und er kam nach Jerusalem und trat vor die Lade des Bundes des Herrn und opferte Brandopfer und Dankopfer und machte ein großes Festmahl für alle seine Großen. 16 Zu der Zeit kamen zwei Huren zum König und traten vor ihn. 17 Und die eine Frau sprach: Ach, mein Herr, ich und diese Frau wohnten in "einem" Hause und ich gebar bei ihr im Hause.

2 18 Und drei Tage nachdem ich geboren hatte, gebar auch sie. Und wir waren beieinander und kein Fremder war mit uns im Hause, nur wir beide. 19 Und der Sohn dieser Frau starb in der Nacht; denn sie hatte ihn im Schlaf erdrückt. 20 Und sie stand in der Nacht auf und nahm meinen Sohn von meiner Seite, als deine Magd schlief, und legte ihn in ihren Arm, und ihren toten Sohn legte sie in meinen Arm. 21 Und als ich des Morgens aufstand, um meinen Sohn zu stillen, siehe, da war er tot. Aber am Morgen sah ich ihn genau an, und siehe, es war nicht mein Sohn, den ich geboren hatte. 22 Die andere Frau sprach: Nein, mein Sohn lebt, doch dein Sohn ist tot. Jene aber sprach: Nein, dein Sohn ist tot, doch mein Sohn lebt. Und so redeten sie vor dem König. 23 Und der König sprach: Diese spricht: Mein Sohn lebt, doch dein Sohn ist tot. Jene spricht: Nein, dein Sohn ist tot, doch mein Sohn lebt. 24 Und der König sprach: Holt mir ein Schwert! Und als das Schwert vor den König gebracht wurde, 25 sprach der König: Teilt das lebendige Kind in zwei Teile und gebt dieser die Hälfte und jener die Hälfte. 26 Da sagte die Frau, deren Sohn lebte, zum König - denn ihr mütterliches Herz entbrannte in Liebe für ihren Sohn - und sprach: Ach, mein Herr, gebt ihr das Kind lebendig und tötet es nicht! Jene aber sprach: Es sei weder mein noch dein; lasst es teilen! 27 Da antwortete der König und sprach: Gebt dieser das Kind lebendig und tötet's nicht; die ist seine Mutter. 28 Und ganz Israel hörte von dem Urteil, das der König gefällt hatte, und sie fürchteten den König; denn sie sahen, dass die Weisheit Gottes in ihm war, Gericht zu halten. + Haut doch das Kind in zwei Stücke! König Salomo sitzt auf seinem Thron und winkt einen seiner Lakaien mit einem großen Schwert herzu. Spätestens jetzt machen für gewöhnlich Kinder in der Christenlehre oder dem Kindergottesdienst große Augen. Was mag das werden? fragen sie. Schlägt der Diener zu oder tut es womöglich noch der weise König Salomo selbst? Bei solch einem Urteil scheinen Weisheit und Wahnsinn in einander überzugehen. Oder ist es politisches Kalkül? Vielleicht muss politische Weisheit auch mal über Leichen gehen. Wer weiß? Zugegeben, Kinder würden sich nun solche Fragen nicht stellen. Sie würden nur gespannt dasitzen, zuhören und vielleicht Maulaffen pfeilbieten.

3 Das ist dann doch schon eher etwas für die Klatsch-Zeitschriften mit den großen Buchstaben: Verwirrter König haut vor Prostituierten einen Säugling tot. Eigenartige Geschichte. Seltsam, damals wie heute. Doch bei all den großen Lettern und den aufgerissenen Augen und Mündern der Kinder ist das Wesentliche der Geschichte doch etwas anderes. Salomo als weiser König wird darin als weise erkannt, dass er gerecht ist, dass er das von seinem Vater David erlassene Gesetz zur Regelung des Zusammenlebens in Israel klug und gerecht umsetzt. Darin besteht seine Weisheit. Meines Erachtens haben wir hier also ein Exempel für Recht und Gerechtigkeit. Und ein Erstes wird deutlich: Ein weiser Mensch wird an seinem gerechten Handeln erkannt. + realistische Selbstsicht und Gerechtigkeit Salomo ist ein junger König. Er hat sich gerade eben gegen seinen Halbbruder durchgesetzt. Nun sitzt er auf dem Thron seines legendären Vaters David. Von seinem Vater und Vorgänger erbt der junge Mann, er mag ein Teenager gewesen sein, ein für damalige Verhältnisse großes Reich, mit allerlei Herausforderungen, einer wachsenden Bevölkerung und einer starken militärischen Kraft. Bei seiner Salbung werden dem König die Gesetze übergeben. Sie umzusetzen und zu bewahren das ist hinfort seine Aufgabe. Nun haben wir mit Salomo einen der wenigen Menschen vor uns, der erstens bei aller Herausforderung, die vor ihm liegt, nicht den Mut und die Lust verliert und zweitens einen, der gerade in Anbetracht dieser Aufgaben seine eigenen Kräfte und Fähigkeiten realistisch einschätzt. Ein Teenager ist eben doch nicht reich an Erfahrungen, nicht reich an Wissen, an Urteilsvermögen um die Gesetze Israels umzusetzen. Salomo schätzt sich selbst realistisch ein. Von Hybris keine Spur. Das ist für die damaligen Verhältnisse außergewöhnlich, wurden doch zeitgenössische Könige in anderen Ländern teilweise als Götter verehrt. Salomos Weisheit beginnt mit dem realistischen Blick auf sich selbst. Und so bittet er Gott: So wollest Du Deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, damit er Dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist. Salomos Aufgabe ist das Richten, das Auslegen des Gesetzes. Deshalb wurden sie ihm zum Amtsantritt übergeben. Die Menschen kommen zu ihm, weil sie meinen,

4 dass er als Auserwählter Gottes ihnen Recht und Gerechtigkeit verschaffen würde. Um dies gut tun zu können, bittet er um ein gehorsames Herz. Das ist eine seltsame Führungsperson! Ungewöhnlich und vielleicht deshalb erfolgreich. Gott erfüllt ihm diesen außergewöhnlichen Wunsch. Um zu verstehen, was denn das Besondere an diesem Wunsch war, müssen wir einen Blick auf das Wort Gehorsam werfen. + Gehorsam und Gerechtigkeit Gehorsam was meint es hier? Die Antwort ist den Worten Gottes zu entnehmen. Gott antwortet: Siehe, ich gebe Dir ein weises und ein verständiges Herz. Das gehorsame Herz des Salomo ist ein weises und verständiges Herz. Was ist Weisheit? Weisheit konkretisiert sich im Hören auf einen Rat, im Gericht. Weise ist jener, der nicht voreilig urteilt, der sich beraten und belehren lässt, der mit seinem Wissen nicht allzu selbstsicher und selbstgerecht umgeht sondern den Worten und Meinungen anderer milde gegenüber steht. Weise ist schließlich jener, der den Worten und Satzungen Gottes gegenüber aufmerksam hörend gegenübersteht. Weisheit beginnt also mit dem Hören, Wahrnehmen und Wertschätzen eines Gegenübers. Dann spricht Gott vom verständigen Herz. Das verständige Herz des Herrschers erkennt, es schlussfolgert, es zieht Konsequenzen aus dem Gesehenen, Gehörten und Bedachten. Ein verständiges Herz ist also reich an Erkenntnis und Urteilsvermögen. Sitz aller Weisheit und Erkenntnis ist nach hebräischem Verständnis nicht der Kopf, sondern das Herz. Dort hört Salomo, dort zieht Salomo seine Schlüsse, dort empfindet Salomo, dort hofft und bangt er zugleich. Es kommt im Herzen zusammen: das Denken und Empfinden. Weisheit ist also nicht nur kognitiv, auf das Denken bezogen zu verstehen, sondern sehr wohl auch emotional und Gefühls betont. Das macht Salomo gehorsam. Es ist also etwas von sich selbst Absehendes, es ist ein sich Zeit Nehmen für einen Anderen und seine Belange, Argumente. Salomo hört und zieht daraus verständig seine Schlüsse. Dafür wird er nun berühmt.

5 + Weisheit und Verständigkeit als Gabe Gottes Das Besondere an diesem Wunsch und seiner Erfüllung wird nun anhand eines Beispiels verdeutlicht. Zwei Prostituierte liegen im Streit. Außergewöhnlich ist, dass sich tatsächlich zwei Prostituierte vor den König wagen und ihm vertrauen, dass er auch ihnen gegenüber Recht spricht. Was Salomo da macht, mag Manchem gruselig und unheimlich erscheinen. Seine Taktik wäre nicht aufgegangen, wenn beide Mütter sich schützend vor das Kind gestellt hätten, so, wie man es eigentlich erwarten würde. Eine Frau, die aber bereit ist ein Kind zu opfern nur damit eine andere Person keinen Vorteil davon trägt, ist psychisch oder seelisch krank. Vielleicht hat Salomo diese Krankheit zuvor erkannt und rechnete damit, dass seine Schock-Strategie aufgeht? Wir wissen es nicht. Eine der Frauen hat sich jedoch als Mutter würdig und liebevoll erwiesen, ungeachtet der Tatsache, ob sie nun die leibliche Mutter des Kindes war oder nicht. Gerade dieses Ergebnis ist der Weisheit des Salomo zu verdanken. Schnell wird in der Geschichte deutlich, dass Salomos verständiges und weises Herz nicht der Normalzustand eines Menschen ist. Salomo bekommt diese Weisheit, dieses Urteilsvermögen, diese Fähigkeit mit anderen Menschen umzugehen allein von Gott geschenkt. Der Zustand weise und verständig zu sein ist eine Gottesgabe. Eine Gottesgabe, die sonst nur dem Messias zugeschrieben wird. Wir finden die Redewendung weise und verständig gerade in Texten, die wir eher in die Advents- und Weihnachtszeit einordnen würden. Schnell wird klar: Salomo mit seiner Weisheit, mit seiner Fähigkeit vorurteilsfrei Menschen zuzuhören, ihre Geschichten wahrzunehmen und behutsam Schlüsse zu ziehen, dieser Salomo ist eine Ausnahme. Seine Weisheit ist eine göttliche Weisheit, die sich letztlich im Messias Jesus verwirklicht. Schnell wird auch klar: Diese Gabe kann nur erbeten werden. Sie ist nichts Erlerntes, Anerzogenes oder Provozierbares. Ich wünsche uns, dass auch uns hörende Herzen geschenkt werden. Ich wünsche Ihnen und mir ein verständiges Wahrnehmen, behutsam und liebevoll. Ich weiß wohl, dass dies in Demut zu erbitten ist und dass wohl die eigene Demut dabei die treueste Begleiterin sein wird. So stehen wir als Bittende vor Gott, dem jungen König Salomo gleich, mit einer realistischen

6 Sicht auf uns selbst. Und wir bitten um Erkenntnis, um Urteilsvermögen. Wir bitten um einen vorurteilsfreien Blick auf unseren Nächsten, egal ob er oder sie Politiker, König, Gartennachbar, Kind oder Greis, Asylbewerber, Supermarktkassierer, Krankenpfleger oder eben Prostituierte sei. Gott gebe uns das Wollen und das Vollbringen dazu. Amen.