Übergewicht, Anorexia nervosa und Veränderung der motorischen Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland
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- Lars Kappel
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1 Übergewicht, Anorexia nervosa und Veränderung der motorischen Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen Begriffsbestimmung Die Begriffe Übergewicht und Adipositas werden oftmals synonym verwendet. Streng genommen bezeichnen sie aber zwei unterschiedliche Schweregrade des Übergewichtes. Man spricht von Übergewicht, wenn im Vergleich zur Körpergröße ein zu hohes Körpergewicht vorliegt. Eine Adipositas liegt vor, wenn der Körperfettanteil gemessen an der Gesamtkörpermasse zu hoch ist. Eine Adipositas liegt vor, wenn der Körperfettanteil bei Frauen über 30% und bei Männern über 20% liegt (Herold, 1999) oder ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30. Eine weniger aufwendige Messung als die Messung des Körperfettanteils ist die BMI = Körpergewicht (in kg) Körpergröße (in m)² Messung des sogenannten Body-Mass-Index. Der BMI wird nach folgender Formel berechnet: BMI und Körperfettanteil korrelieren zwischen 0,6 und 0,8. Daher kann der BMI ebenfalls zur Einstufung der verschiedenen Schweregrade des Übergewichtes verwendet werden (Daniels et al. 1997). Berechnung im Internet: Die Einstufungen in Untergewicht, Normalgewicht, Übergewicht und die verschiedenen Grade der Adipositas sind folgende: Tabelle 1: Klassifikation der Adipositas nach Body-Mass-Index bei Erwachsenen (nach WHO, 2000). Klassifikation BMI = kg/m 2 Untergewicht <18,5 Normalgewicht 18,5-24,9 Übergewicht Präadipositas Adipositas Grad I Adipositas Grad II Adipositas Grad III , , ,9 40,0 1
2 Da der BMI bei Kindern und Jugendlichen alters- und geschlechtsspezifischen Schwankungen unterworfen ist, sollte der BMI mit den Werten einer Referenzgruppe gleichen Geschlechts und Alters verglichen werden. Als Referenzgruppe eignen sich die Daten von Kromeyer-Hauschild, et al. (2001). Perzentile für den Body Mass Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben. Monatsschrift Kinderheilkunde;149: Die Diagramme zeigen die sogenannten Perzentilkurven. P75 (= Perzentil 75) bedeutet beispielsweise, dass 25% der Kinder einen höheren und 75% einen niedrigeren BMI haben. 2
3 Abbildung 1: Abbildung 2: BMI-Perzentilkurven für Mädchen BMI-Perzentilkurven für Jungen Die Deutsche Adipositasgesellschaft (2008) empfiehlt als Grenzwerte für das Vorliegen von Übergewicht bzw. Adipositas im Kindesalter das 90. Perzentil (ca. 1 Standardabweichung vom Mittelwert) bzw. das 97. Perzentil (ca. 2 Standardabweichungen vom Mittelwert). Mit dieser Festlegung ist ein nahezu kontinuierlicher Übergang zu den entsprechenden Grenzwerten im Erwachsenenalter gegeben (vgl. - Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA); Kromeyer-Hauschild, et al., 2001). Häufigkeit von und Jugendlichen Nach aktuellen Ergebnissen des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KIGGS), für welches rund Kinder und Jugendliche untersucht wurden, sind 15% der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland übergewichtig (BMI oberhalb der 90. Perzentile). Von diesen 15% sind 6,3% sogar adipös (BMI oberhalb der 97. Perzentile). In absoluten Zahlen sind das etwa 1,9 Millionen übergewichtige Kinder und Jugendliche, davon sind sogar adipös (Kurth, Schaffrath-Rosario, 2007). Abbildung 3: Prozentuale Verteilung von Unter-, Normal-, und Jugendlichen in Deutschland (nach Kurth et al., 2007). Eine weitere wichtige Entwicklung bei den übergewichtigen Kindern und Jugendlichen ist folgende: je älter die Kinder werden umso größer ist der Anteil der übergewichtigen und adipösen Kinder innerhalb der Altersspanne von 3-17 Jahren. 3
4 Abbildung 4: Prozentualer Anteil von und Jugendlichen in den Altersklassen (nach Kurth et al., 2007). Bei den 3-6jährigen sind 9% der Kinder übergewichtig bis adipös, bei den 7-10jährigen sind es schon 15%, bei den 11-13jährigen steigt dieser Anteil auf 18,6% und bei den 14-17jährigen beträgt der Anteil von übergewichtigen und adipösen schließlich 17%. Es lässt sich damit auf eine gewisse Progredienz des Übergewichtes im Kindesund Jugendalter schließen. Insgesamt hat sich der Anteil an übergewichtigen und adipösen Kindern und Jugendlichen zur Referenzpopulation aus den 80er und 90er Jahren nahezu verdoppelt (Kurth, Schaffrath- Rosario, 2007). Auswirkungen von Übergewicht und Adipositas auf die motorische Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen Laut Hebestreit et al bringt Adipositas eine Einschränkung der Lebensqualität mit sich und betroffene Kinder sind einem hohem psychischem Leidensdruck ausgesetzt, werden oft stigmatisiert und ausgegrenzt. Ihre Sportsozialisation ist begleitet von einem Leidensweg an sportlichen Misserfolgen, geringen Bewegungserfahrungen und fehlenden Erfolgserlebnissen. (Hebestreit et al., 2002). Die direkten Auswirkungen von Übergewicht und Adipositas auf die körperliche Leistungsfähigkeit konnten Bös et al. (2009) empirisch nachweisen und quantifizieren. In dem Motorik Modul der KIGGS Studie zeigten Bös et al. erwartungsgemäß einen deutlichen negativen Zusammenhang zwischen Übergewicht, anhand des BMI, und körperlicher Leistungsfähigkeit, anhand sieben motorischer Testaufgaben, bei Jungen und Mädchen im Alter von 4 bis 17 Jahren auf. Insbesondere bei motorischen Testaufgaben bei denen das eigene Körpergewicht getragen werden musste (Ausdauer, Kraft, Koordination) schnitten Kinder mit einem erhöhtem BMI signifikant schlechter ab. Im Durchschnitt erreichten normalgewichtige Jungen und Mädchen eine zwischen 9% und 19% bessere Leistung als übergewichtige und adipöse Geschlechtsgenossen und Genossinnen. In einzelnen Testaufgaben betrugen die Differenzen zwischen normalgewichtigen und übergewichtigen bis zu 26%. Konsequenzen Anhand der dargestellten Befunde wird deutlich, dass Übergewicht und Adipositas schon im Kleinkindalter auftreten und im Altersverlauf die Häufigkeit zunimmt. Dies macht eine gezielte Prävention und Therapie schon im Kindergarten nötig. Nach Korsten-Reck (2007) können mit Programmen zur Prävention und Therapie von Übergewicht und Adipositas die besten Ergebnisse erzielt werden wenn die Bausteine körperliches Training, Ernährungsschulung und der Einbezug der Eltern gleichzeitig enthalten sind. Die motorischen Fähigkeiten der Kinder sollen gezielt geschult werden, ein körperlich aktiv gestalteter Alltag mit viel Bewegungszeit und Spielen im Freien sollte angestrebt werden. 4
5 Darüber hinaus sollte eine Änderung des Ernährungsverhaltens und die Schulung der Eltern mit einbezogen werden (Korsten-Reck, 2007). 5
6 Literatur Deutsche Adipositas Gesellschaft (2008). Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Zugriff am unter: Bös, K., Worth, A., Opper, E., Oberger, J., Romahn, N., Wagner, M., Jekauc, D., Mess, P., Woll, A. (2009). Motorik Modul: Eine Studie zur motorischen Leistungsfähigkeit und körperlich-sportlichen Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Baden Baden: Normos Verlag. Daniels, S.R., Khoury, P.R., Morrison, J.A. (1997). The utility of body mass Index as a measure of body fatness in children and adolescents: differences by race and gender. Pediatrics, 99, Hebestreit, H., Ferrari, R., Meyer-Holz, J., Lawrenz, W. & Jüngst, B.-K. (Hrsg.) (2002). Kinder- und Jugendsportmedizin. Stuttgart: Thieme. Herold, G. (1999). Innere Medizin. Köln: Verlag Arzt und Information. Korsten-Reck (2007). Sport zur Prävention und Therapie von Übergewicht bei Kindern. Deutsches Ärzteblatt, 104, (1-2), S Kromeyer-Hauschild, K., Wabitsch, M., Kunze D. (2001). Perzentile für den Body Mass Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben. Monatsschrift Kinderheilkunde,149, Kurth, B.-M. & Schaffrath-Rosario, A. (2007). Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnissedes bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung -Gesundheitsschutz, 5/6. WHO Consultation of Obesity (2000). Obesity. Preventing and managing the global epidemic. Weltgesundheitsorganisation, Genf 6
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