Laubsauger. Hat die F-GmbH gegen die I-GmbH einen Anspruch auf Übereignung der 50 Geräte Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises?
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- Curt Glöckner
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Laubsauger G ist alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der I-GmbH, einem Fachgeschäft für Gartenartikel. Er hat eine geschäftstüchtige Telefonistin T, die sich angewöhnt hat, eingehende Bestellungen nicht mehr an den zuständigen Angestellten weiterzuleiten, sondern die Bestellungen selbst entgegen zu nehmen. Eines Tages bestätigt sie eine Großbestellung des P, der Prokurist der F-GmbH, einer großen Landschaftsgärtnerei, ist. P hat schon häufiger über T bei der I-GmbH bestellt und ordert diesmal 50 Laubsauger Modell Mistral Forte. G, dem das eigenmächtige Handeln der T schon länger missfällt, der es aber nie wirksam unterbunden hat, ist beunruhigt, da er das gewünschte Modell schon lange aus dem Sortiment genommen hat. Hat die F-GmbH gegen die I-GmbH einen Anspruch auf Übereignung der 50 Geräte Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises?
2 2 Lösungsvorschlag: Die F-GmbH könnte einen Anspruch gegen die I-GmbH auf Übereignung der Geräte Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises aus 433 Abs. I BGB haben. I. Anspruch entstanden Die F-GmbH und die I-GmbH müssten einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. Hierzu bedarf es einer Einigung durch zwei übereinstimmende WE. 1. Angebot Anm. (gehört nicht in die Klausurlösung!): Eine GmbH ist eine juristische Person, daher zwar rechtsaber nicht handlungsfähig. Deswegen kann eine GmbH keine WE abgeben. Wohl aber kann sie Rechtsgeschäfte durch ihre Vertretungsorgane tätigen. Vertretungsorgan der GmbH ist gem. 35 I GmbHG der Geschäftsführer. Mit dem Anruf des P könnte ein wirksames Angebot der F-GmbH vorliegen. Dazu ist jedoch erforderlich, dass P bei seiner Bestellung die F-GmbH wirksam gem. 164 I BGB vertreten hat. Eine wirksame Vertretung gem. 164 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung im Namen des Vertretenen innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht abgegeben hat. a. Eigene WE im Namen des Vertretenen Laut Sachverhalt hat P eine eigene WE im Namen der F-GmbH abgegeben. Fraglich ist, ob er dabei innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht gehandelt hat. b. Vertretungsmacht des P aa. Gesetzliche Vertretungsmacht Laut Sachverhalt hat P keine gesetzliche Vertretungsmacht für die F-GmbH. bb. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht Da P Prokurist der F-GmbH ist, ist ihm rechtsgeschäftlich Vertretungsmacht gem. 48 HGB eingeräumt worden. Der Umfang der Prokura ermächtigt gem. 49 I HGB zu allen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Als Prokurist einer großen Landschaftsgärtnerei hat P bei der Bestellung von 50 Laubsaugern innerhalb seiner Vertretungsmacht gehandelt. Zwischenergebnis: Ein wirksames Angebot der F-GmbH liegt vor. 2. Annahme Die I-GmbH müsste das Angebot angenommen haben. Als Annahmeerklärung kommt einzig das Handeln der T in Frage. Um der F-GmbH rechtsgeschäftlich verpflichtet zu sein, müsste die I-GmbH durch T wirksam gem. 164 Abs.1 BGB vertreten worden sein. a. Eigene WE des Vertreters T hat laut Sachverhalt eine eigene WE abgegeben. Seite 2 von 6
3 3 b. Im Namen des Vertretenen Fraglich ist, ob T diese Erklärung auch im Namen der I-GmbH abgab. Gem. 164 Abs. 1 S. 2 BGB reicht es aus, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Erklärung im Namen des Vertretenen abgegeben wird. Vorliegend wollte die T erkennbar nicht sich selbst, sondern die I-GmbH verpflichten. Alternative (wird in der Klausur nicht erwartet): Die Rspr. hat für Verträge, die erkennbar für ein bestimmtes Unternehmen geschlossen werden, die Auslegungsregel des unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfts entwickelt. Sie besagt, dass Rechtsgeschäfte, die erkennbar i.r.e. Unternehmens abgeschlossen werden, im Zweifel den Inhaber des Unternehmens (Anm.: also den Unternehmensträger, z.b. eine GmbH) verpflichten. Das Handeln in fremdem Namen ist bei unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften also der vermutete Regelfall. Da T nicht zu erkennen gab, sich selbst verpflichten zu wollen, darf hier vermutet werden, dass sie die I-GmbH verpflichten wollte. c. Vertretungsmacht der T Ferner müsste T mit Vertretungsmacht für die I-GmbH gehandelt haben. aa. Gesetzliche Vertretungsmacht T hat keine gesetzlich eingeräumte Vertretungsmacht für die I-GmbH. bb. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht G könnte der T rechtsgeschäftlich Vertretungsmacht eingeräumt haben. G ist als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer als Vertretungsorgan der GmbH zwar befugt, alleine rechtsgeschäftliche Vertreter zu bevollmächtigen, hat dies aber im Falle der T laut Sachverhalt aber nicht getan. cc. Rechtsscheinsvollmacht T könnte Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins, eine sog. Rechtsscheinsvollmacht haben. 1 In Frage kommt vorliegend eine Duldungsvollmacht. (1) Rechtsschein Dies setzt einen entsprechenden Rechtsschein voraus, der im Falle der Duldungsvollmacht bei regelmäßigem Auftreten des Unbefugten ohne Vollmacht für den Geschäftsherrn angenommen wird. Laut Sachverhalt hat P schon öfter (also über 3mal, nach a.a. genügt bereits 1 mal) für die F-GmbH bei T bestellt, wobei T keine Vertretungsmacht hatte. Durch dieses Verhalten wurde nach außen hin ein Rechtsschein gesetzt. (2) Zurechenbarkeit Dieser Rechtsschein müsste der I-GmbH auch zurechenbar sein. Da G als gesetzlicher Vertreter der I-GmbH von Ts Wirken wusste, es aber obwohl er als ihr Chef die Möglichkeit dazu hatte nicht unterbunden hat, ist ihm und damit der I-GmbH das Setzen des Rechtsscheins auch zurechenbar. 1 GmbH-Geschäftsführer können (in vertretungsberechtigter Zahl) sowohl Duldungs- als auch Anscheinsvollmachten für die GmbH begründen, Baumbach/Hueck / Zöllner/Noak, GmbH-Gesetz, 35, Rn. 70. Seite 3 von 6
4 4 (3) Gutgläubigkeit des Geschäftspartners Zudem muss der Geschäftspartner gem. 173 BGB (analog) 2 gutgläubig sein. P wusste vorliegnd nichts von der mangelnden Vertretungsmacht der T, er war also gutgläubig. T handelte kraft des der I-GmbH nach der Rechtsfigur der Duldungsvollmacht zurechenbaren Rechtsscheins mit Vertretungsmacht für die I-GmbH. Somit wurde die I- GmbH bei der Annahme des Angebots der F-GmbH wirksam gem. 164 I BGB durch T vertreten. Zwischenergebnis: Ein Kaufvertrag zwischen der I-GmbH und der F-GmbH kam zustande. Ergebnis: Die F-GmbH hat gegen die I-GmbH einen Anspruch auf Übereignung der 50 Laubsauger gem. 433 I BGB, Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises. 2 Palandt/Heinrichs, 172, Rn. 9. Seite 4 von 6
5 5 Abwandlung Angenommen, G hätte von Ts Bestellungsannahmen nichts gewusst, weil er seinen Betrieb nachlässig führte. Hätte die F-GmbH dann einen Anspruch auf Übereignung der Laubsauger? 1. Angebot S.o. Ein wirksames Angebot der F-GmbH liegt vor. 2. Annahme Die I-GmbH müsste das Angebot angenommen haben. Als Annahmeerklärung kommt einzig das Handeln der T in Frage. Die I-GmbH könnte bei Annahme des Angebots durch T wirksam gem. 164 Abs.1 BGB vertreten worden sein. Hierfür müsste a. Eigene WE T eine eigene WE abgegeben haben (+) b. Im Namen des Vertretenen T die Annahmeerkl. zumindest aus d. Umständen erkennbar ( 164 I S. 2 BGB) im Namen der I-GmbH abgegeben haben, (+) c. Mit Vertretungsmacht T mit Vertretungsmacht für die I-GmbH gehandelt haben aa. Gesetzliche Vertretungsmacht T hat keine gesetzlich eingeräumte Vertretungsmacht für die I-GmbH. bb. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht G könnte der T rechtsgeschäftlich Vertretungsmacht eingeräumt haben. G ist als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und somit als Vertretungsorgan der GmbH zwar befugt, alleine rechtsgeschäftliche Vertreter zu bevollmächtigen, hat dies im Falle der T aber nicht getan. cc. Rechtsscheinsvollmacht T könnte Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins, eine sog. Rechtsscheinsvollmacht haben. (1) Duldungsvollmacht In Frage kommt vorliegend eine Duldungsvollmacht. Diese setzt neben dem hier gegebenen Rechtsschein (s.o.) eine Zurechenbarkeit dahingehend voraus, dass der Geschäftsherr (bzw. sein (gesetzlicher) Vertreter, hier G) vom Handeln des vermeintlichen Vertreters (hier T) wusste. G wusste vorliegend nicht von den Auftragsannahmen der T. Daher liegt mangels Zurechenbarkeit keine Duldungsvollmacht vor. (2) Anscheinsvollmacht T könnte aber eine andere Rechtsscheinsvollmacht, eine sog. Anscheinsvollmacht haben. Seite 5 von 6
6 6 (a) Rechtsschein Dies setzt zunächst einen entspr. Rechtsschein, in Form eines regelmäßigen Auftretens (mindestens 3mal) des Unbefugten für den Geschäftsherrn ohne Vollmacht voraus. T hat schon öfter (also über 3mal) Aufträge des P für die F-GmbH entgegengenommen, wobei T keine Vertretungsmacht hatte. Durch dieses Verhalten wurde nach außen hin ein Rechtsschein gesetzt. (b) Zurechenbarkeit Dieser Rechtsschein müsste der I-GmbH auch zurechenbar sein. G, der gesetzlicher Vertreter der I-GmbH, wusste nichts von Ts Wirken. Jedoch lag dies daran, dass er seinen Betrieb nachlässig führte. Die h.m. bejaht nach der Rechtsfigur der Anscheinsvollmacht im Handelsverkehr eine Zurechnung des Rechtsscheins aufgrund der Fahrlässigkeit des Vertretenen, entscheidend ist das Kennenmüssen bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung. D.h., dass die I-GmbH hier deshalb als wirksam durch T vertreten gelten könnte, weil ihr organschaftlicher Vertreter G hätte wissen müssen und verhindern können, dass T für das Unternehmen Bestellungen entgegen nimmt. Bei gewöhnlicher Sorgfalt hätte G die Geschäftsabläufe soweit überwacht, dass ihm das Handeln der T als Vertreterin bekannt gewesen wäre. Nur infolge seiner Nachlässigkeit war ihm deren Auftreten als Vertreterin unbekannt. Daher ist dem G und somit der I-GmbH das Setzen des Rechtsscheins nach der Rechtsfigur der Anscheinsvollmacht auch zurechenbar. (c) Gutgläubigkeit Zudem hätte P gutgläubig sein müssen, 173 BGB (analog). P wusste (auch hier) nichts von der mangelnden Vertretungsmacht der T, er war also gutgläubig. T handelte kraft des der I-GmbH nach der Rechtsfigur der Anscheins- vollmacht zurechenbaren Rechtsscheins mit Vertretungsmacht für die I-GmbH. Somit wurde die I- GmbH bei der Annahme des Angebots der F-GmbH wirksam gem. 164 I BGB durch T vertreten. Zwischenergebnis: Ein Kaufvertrag zwischen der I-GmbH und der F-GmbH kam zustande. Ergebnis: Die F-GmbH hat gegen die I-GmbH einen Anspruch auf Übereignung der 50 Laubsauger gem. 433 I BGB Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises. Seite 6 von 6
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