Gesundheit geht jeden an?
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- Cornelius Pfaff
- vor 7 Jahren
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1 Gesundheit geht jeden an? Univ. Prof. Dr. Dr. Christian M. Köck Health Care Company und Universität Witten/Herdecke
2 Ein erstaunliche Beobachtung Wie ist es möglich, dass die Sicherung von etwas so Wesentlichem wie Gesundheit, also das Überleben, so weitgehend an andere delegiert wird? An die Sozialbürokratie An die Medizin An den einzelnen Arzt
3 Mensch und Medizin
4 Die Anfänge Die Geschichte der modernen Medizin beginnt in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit René Descartes Abhandlungen über Körper und Geist La description du corps humain Les passions de l'âme So etabliert sich eine zweigeteilte Welt res extensa res cogitans
5 Dualismus Res extensa ist alles was Ausdehnung hat, was zählbar, messbar und wägbar ist. Res cogitans, der Geist, hat keine Ausdehnung ist nicht materiell und folgt nicht den Gesetzen der Physik. Die Folge davon ist: der Körper ist dem Bereich der Naturwissenschaft der Geist der Meditation, der Religion zugeordnet.
6 Medizin, eine Erfolgsgeschichte Die Beschreibung des Menschen als Maschine, ist Ursache des Erfolges und der Probleme der Medizin. Der Mensch als Maschine braucht Ersatzteile, einfache, kausale Lösungsansätze zur Gesundung. Die Medizin kann den kranken Menschen auf Grund ihrer potenten Methoden reparieren. In diesem Modell stört ein reflektierendes, sich für sich selbst verantwortlich fühlendes Individuum.
7 Die Folge Im Laufe der Jahrhunderte entsteht eine Medizin die immer erfolgreicher ihrem Auftrag zur Reparatur und Korrektur nachgeht, ein Patient, der nicht nur an der Erkrankung leidet, sondern die Behandlung passiv erduldet, die fast vollständige Trennung von Individuum und Krankheit (Paul Feyerabend), eine Delegation der Fragen von gesund und krank, Leben und Tod an die Medizin, die Medikalisierung von Leben und Gesellschaft.
8 Das Ergebnis Patienten, die sich nicht für ihre Erkrankung verantwortlich fühlen; Ärzte die sich dazu verführen lassen, die Verantwortung für die Erkrankungen der Patienten zu übernehmen; Ein Medizinsystem, in welchem sich die Patienten oft nicht als Individuen wahrgenommen fühlen; Ärzte die dafür mit seelischen und körperlichen Schäden zahlen.
9 Ein Lösungsansatz - ein neuer Blick auf die Beziehung von Arzt und Patient Medizinische Behandlung ist ein co-produktiver Prozess. Daran sind 2 Experten beteiligt: Patient und Arzt Der Patient ist Experte für seine Biographie, seine Bedürfnisse und seine Möglichkeiten Der Arzt für medizinisches Fachwissen Kontextbedingungen müssen gemeinsame Arbeit an der Suche nach Lösungen für ein gesundheitliches Problem ermöglichen.
10 Medizin und Sozialstaat
11 Einige empirische Befunde Gesundheitsausgaben Gesundheitsausgaben Steigerung von absolut 142% oder von 8,3% auf 10,2% des BIP
12 Epidemiologischer Übergang Erkrankungen und Todesursachen haben sich radikal verändert kaum Infektionserkrankungen wesentlich weniger akute Erkrankungen, abgesehen von Unfällen wesentlich mehr chronische Erkrankungen fast die Hälfte aller Todesfälle ist verhaltensbedingt
13 Der Tod ist selbst gemacht 47% aller Todesfälle sind vom Lebensstil determiniert 26% durch Rauchen 13% durch kalorienreiche Ernährung und zu wenig Bewegung 5% Unfälle 3% durch vermeidbare Infektionen
14 Rauchen I 40,7 Prozent der Männer und 32,1 Prozent der Frauen rauchen in Österreich länger als 15 Jahre. In einer Vergleichsuntersuchung vor einigen Jahren waren es 36,2 Prozent der Männer und 20,8 Prozent der Frauen. Insgesamt rauchen 37,8 Prozent der Österreicher.
15 Rauchen II 30 % der 15-jährigen Burschen und 36 % der Mädchen in dieser Altersgruppe rauchen. 20 % der 15-jährigen Burschen und 26 % der 15-jährigen Mädchen rauchen regelmäßig.
16 Ernährung und Bewegung Zwischen 1999 und 2007 nahm der Anteil übergewichtiger Frauen in Österreich von 21,5% auf 29,1% zu gaben 76,7% aller Frauen und 68,4% aller Männer an, körperlich nicht aktiv zu sein.
17 Was ist in den letzten Jahrzehnten geschehen? Macht der Wohlfahrtsstaat krank? Verführt er uns dazu, uns nicht um die eigene Gesundheit zu kümmern? Hindert genau dieses System, welches geschaffen wurde im Falle von Krankheit zu helfen, uns daran gesund zu bleiben?
18 Vier Ansätze zur Analyse Philosophische Grundlegungen des Wohlfahrtsstaates: Positivismus und Modernismus Die Prinzipien des Wohlfahrtsstaats Die Bedeutung von staatlichen und nicht staatlichen Organisationen Die Professionalisierung und Spezialisierung der Medizin
19 Zweck des Wohlfahrtsstaats Allen Bürgerinnen und Bürgern angemessenen Zugang zu wesentlichen Ressourcen zu ermöglichen: Einkommen Bildung Arbeit Wohnung Gesundheitsversorgung
20 Privat vs. Staat Während immer mehr Erkrankungen selbst verschuldet, durch Verhalten verursacht sind, ist aber zwischen 1990 und 2007: der private Anteil der Gesundheitsausgaben von 26,6% auf 23,9% gefallen und der öffentliche Anteil von 73,4% auf 76,1% gestiegen gleichzeitig ist das BIP um 98% gestiegen
21 Drei Erklärungsversuche Das enorme Wachstumspotential des Sektors ohne wesentliche Anreize zur Kostenreduktion Das Eiserne Dreieck im Gesundheitswesen (Iron Triangle) Spezialisierung in der Medizin
22 Das Dreieck der Akteure Zahler Konsumenten Anbieter
23 The Iron Triangle
24 Das Eiserne Dreieck im Gesundheitssystem Regierung Parlamente Ärztekammer Pharmig Bürokratie ÖBIG Landesfonds Krankenkassen
25 Spezialisierung als Kostentreiber Die technologische Entwicklung der Medizin ist einer der wichtigsten Kostenfaktoren. Sie führt zu immer stärkerer Spezialisierung der Professionen und Professionalisierung gab es 70,8 Allgemeinärzte und 65,2 Fachärzte auf Einwohner 2007 waren es 153 Allgemeinärzte und 222 Fachärzte pro Einwohner Dies führt wieder zu Kostensteigerungen.
26 Zum Abschluss Durch die Delegation der Fragen der Endlichkeit des Lebens, der Gesundheit und des Schreckens von Krankheit und Tod an die Medizin, werden alle Opfer von Unfreiheit. Durch das Delegieren der Entscheidungen, was angemessene Versorgung ist an die Medizin, wird das Finanzierungssystem überfordert. Wir müssen uns der Endlichkeit als Teil der conditio humana stellen.
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