Grundzüge des Rechts, Teil B Sommersemester Übungsveranstaltung. Prüfungsaufbau im Gutachtenstil 1. Schritt: Bildung des Obersatzes
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1 1 Grundzüge des Rechts, Teil B Sommersemester Übungsveranstaltung Prüfungsaufbau im Gutachtenstil 1. Schritt: Bildung des Obersatzes 2. Schritt: Feststellung der notwendigen rechtlichen Voraussetzungen 3. Schritt: Subsumtion Übungsfall 1 4. Schritt: Ergebnis, Schlussfolgerung Der 17-jährige K kauft im Geschäft des V ein Fernsehgerät für 350. V und K vereinbaren, dass K einen Betrag i.h.v. 150 anzahlt; der Rest soll ab 1. Juli 2006 in vier Raten zu je 50 monatlich abgezahlt werden. V übergibt dem K den Fernseher nach Erhalt der Anzahlung i.h.v Diesen Betrag hatte K sich in den Monaten zuvor von seinem Taschengeld erspart. Einige Tage später erfährt V vom Alter des K; daraufhin bittet er die Eltern des K um Zustimmung zu dem Geschäft. Nachdem die Eltern des K drei Wochen später gegenüber V noch nicht reagiert haben, fragt sich V, ob er von K Zahlung der noch ausstehenden Restkaufraten verlangen kann.
2 2 Lösungsvorschlag zu Übungsfall 1 1. Stufe: Bildung des Obersatzes V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung der noch ausstehenden Restkaufpreisraten aufgrund eines Kaufvertrages gem. 433 Abs. 2 BGB haben. Dann müsste der Anspruch zunächst entstanden sein. Dies setzt einen wirksamen Kaufvertrag i.s.d. 433 BGB zwischen den Parteien voraus. Ein Kaufvertrag besteht aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen, Angebot und Annahme. Ein Angebot ist eine auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung. Dieses Angebot muss alle wesentlichen Vertragsbedingungen enthält, so dass durch bloße Annahme des Angebots der Vertrag zustande kommt. Ein Angebot setzt demnach auch voraus, dass der Antragende sich mit seiner Erklärung rechtlich binden will; vgl. 145 BGB. Annahme ist eine Willenserklärung, mit der der Empfänger des Angebots sein Einverständnis mit dem Angebot erklärt, so dass Vertrag entsteht. Eine Annahme kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen. Hier bestehen im Hinblick auf die Einigung zwischen V und K zum Abschluss des Kaufvertrages keine Bedenken. V und K haben sich ausdrücklich über den Kauf eines Fernsehgerätes zum Preis von 350 geeinigt.
3 3 Angebot und Annahme zum Abschluss eines Kaufvertrages liegen demnach vor. Die Einigung zwischen K und V müsste auch wirksam sein. Die Einigung zwischen K und V könnte vorliegend wegen Geschäftsunfähigkeit des K gem. 104 Nr. 1, 105 Abs. 1 BGB nichtig sein. Danach sind Willenserklärungen von Geschäftsunfähigen nichtig. Geschäftunfähig ist, wer das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet hat. K war zum Zeitpunkt des Kaufs bereits 17 Jahre alt und damit nicht geschäftsunfähig. Vielmehr war K bereits beschränkt geschäftsfähig i.s.d. 106 BGB. Eine Nichtigkeit der Willenserklärung gem. 105 Abs. 1 BGB scheidet demnach aus. Fraglich ist, ob die Einigung von K und V wegen der beschränkten Geschäftsfähigkeit des K unwirksam ist. Aus den 107 ff. BGB ergibt sich, dass die Willenserklärung eines beschränkt Geschäftsfähigen nicht automatisch nichtig oder unwirksam ist. Die Einigung mit einem beschränkt Geschäftsfähigen führt vielmehr zu einem schwebend unwirksamen Vertrag.
4 4 Da K mit 17 Jahren beschränkt geschäftsfähig ist, seine Willenserklärungen mithin nicht automatisch endgültig unwirksam sind, liegt grds. eine Einigung zwischen K und V vor. Es besteht damit zunächst ein Kaufvertrag zwischen V und K. Dieser ist jedoch schwebend unwirksam. Der Vertrag könnte trotz beschränkter Geschäftsfähigkeit wirksam sein. Dies ist dann der Fall, wenn die zum Vertragsschluss führende Willenserklärung des Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist oder die Einigung des K mit V von einer Einwilligung des gesetzlichen Vertreters gedeckt ist, 107 BGB. Im Übrigen hängt die Wirksamkeit des Vertrages von der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters ab. Fraglich ist also zunächst, ob der Vertrag für K lediglich rechtlich vorteilhaft ist, 107 BGB. Abzustellen ist dabei auf die rechtlichen Folgen des Geschäfts. Auf eine wirtschaftliche Betrachtung kommt es nicht an. Verpflichtet sich ein Minderjähriger innerhalb eines gegenseitigen Vertrages, erlangt er nicht nur einen rechtlichen Vorteil, sondern verpflichtet sich seinerseits.
5 5 K hat sich durch den Ratenkaufvertrag auch verpflichtet, den Kaufpreis in monatlichen Raten zu zahlen. Damit erlangt er nicht nur ggf. Besitz und Eigentum an dem Fernsehgerät, vielmehr ist er auch mit der Kaufpreiszahlungsverpflichtung belastet. Das Geschäft ist also nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung könnte sich jedoch aus 110 BGB (sog. Taschengeldparagraph) ergeben. Danach ist der Vertrag eines Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wirksam, wenn der Minderjährige die gesamte Leistung mit Mitteln erfüllt hat, die ihm zur freien Verfügung überlassen worden sind. 110 BGB beinhaltet eine stillschweigende Einwilligung. Zwar handelt es sich bei Taschengeld um Mittel, die dem Minderjährigen zur freien Verfügung überlassen worden sind. K hat die Kaufpreisrate auch mit seinem Taschengeld bezahlt, also auch mit Mitteln i.s.d. 110 BGB bewirkt. Die Leistung muss aber auch tatsächlich vollständig erfüllt sein. Dies ist bei einem Ratenkauf gerade nicht der Fall. K hat bislang lediglich einen Teil des Kaufpreises beglichen. Eine andere Beurteilung der rechtlichen Lage kann beim Ratenkauf allenfalls dann erfolgen, wenn der Minderjährige die letzte Rate geleistet hat und demnach die gesamte Leistung erfüllt hat. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
6 6 Mangels vollständigen Bewirkens der vertragsgemäßen Leistung bleibt es bei der grds. Erforderlichkeit einer Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Fraglich ist damit, ob eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Willenserklärung des Minderjährigen vorliegt. Einwilligung ist gem. 183 S. 1 BGB die vorherige Zustimmung. Gesetzliche Vertreter des K sind gem. der 1629, 1626 BGB die Eltern des K. Diese müsste dem Kaufvertrag vor Abschluss zugestimmt haben. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Mangels Einwilligung der Eltern des K in den Vertragsschluss und mangels Eingreifen einer Ausnahmeregelung ist der Kaufvertrag zwischen K und V schwebend unwirksam. Um eine Wirksamkeit des Vertrages herbeizuführen, müssten die Eltern des K als gesetzliche Vertreter eine Genehmigung i.s.d. 108 BGB erteilt haben.
7 Eine Genehmigung liegt hier jedoch nicht vor. Auf die Aufforderung des V zur Genehmigung des Kaufvertrages haben diese drei Wochen nicht reagiert. Gem. 108 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach die Genehmigung nur innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung erklärt werden kann, gilt diese damit als verweigert. / Ergebnis Mangels Wirksamkeit der Einigung zwischen V und K ist der Kaufvertrag damit endgültig unwirksam. Ein Anspruch des V ist demnach nicht entstanden. Folglich hat V gegen K keinen Anspruch auf Zahlung der Restkaufpreisraten gem. 433 Abs. 2 BGB. 7 Übungsfall 2 Der Ehemann E der erfolgreichen Geschäftsfrau F arbeitet in deren Büro als Sekretär. Während F in Saus und Braus leben kann, bedenkt sie ihren Mann lediglich mit einem allzu mageren Monatssalär. Der unzufriedene E ersinnt deshalb einen Plan. In der täglich vorzulegenden und Geschäftspost enthaltenden Unterschriftenmappe versteckt er zwischen den üblichen Schriftstücken eine eigens auf dem Firmenpapier der F gefertigte Bestellung bzgl. einer teuren Rolex-Uhr für 5.000, die er sich bei Zusendung einverleiben will. F bemerkt nichts und unterschreibt das Schriftstück, das später den Juwelier J erreicht. Nach der Uhrenzusendung durch J fliegt der Schwindel auf. F erklärt gegenüber J, sie habe sich über den Inhalt des an ihn gesendeten Schreibens geirrt und wolle deshalb nicht am Vertrag festhalten. Hat J gegen F einen Zahlungsanspruch?
8 8 Lösungsvorschlag zu Übungsfall 2 1. Stufe: Bildung des Obersatzes J könnte gegen F einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung aufgrund eines Kaufvertrages gem. 433 Abs. 2 BGB haben. Dann müsste der Anspruch zunächst entstanden sein. Dies setzt einen wirksamen Kaufvertrag i.s.d. 433 BGB zwischen den Parteien voraus. Ein Kaufvertrag besteht aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen, Angebot und Annahme. Ein Angebot ist eine auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung. Dieses Angebot muss alle wesentlichen Vertragsbedingungen enthält, so dass durch bloße Annahme des Angebots der Vertrag zustande kommt. Ein Angebot setzt demnach auch voraus, dass der Antragende sich mit seiner Erklärung rechtlich binden will; vgl. 145 BGB. Fraglich ist, ob F dem J ein Angebot unterbreitet hat. Das Angebot als Willenserklärung besteht sowohl aus einem äußeren Tatbestand, der äußerlich erkennbaren Bekundung eines rechtlich relevanten Willens, als auch aus einem inneren Tatbestand, nämlich Handlungswille, Rechtsbindungswille und Geschäftswille. Vorliegend ist fraglich, ob seitens F diese Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind.
9 9 Ein Angebot der F scheitert nicht schon am mangelnden äußeren Tatbestand der Willenserklärung. Von außen betrachtet lässt das Unterschreiben der Bestellung durch F aus der Sicht eines objektiven Beobachters (also ausgehend vom Empfängerhorizont) auf ein Kaufangebot schließen. Fraglich ist jedoch, wie es sich auswirkt, dass F nicht wusste, dass sie eine Bestellung für eine Rolex-Uhr unterschreibt. Vielmehr ging sie davon aus, ihre Geschäftspost zu unterschreiben. Es könnte damit an einem Merkmal des inneren Tatbestandes fehlen. Beim Unterschreiben des Schriftstücks hatte F grds. das Bewusstsein zu handeln. Sie besaß demnach Handlungswille. Auch hatte F als Geschäftsfrau beim Unterschreibend der Geschäftspost das Bewusstsein, hierdurch etwas Rechtserhebliches zu erklären. Sie handelte demnach auch mit Erklärungswille. Fraglich ist jedoch ein konkreter Geschäftswille, also ein Wille, der darauf gerichtet ist, einen bestimmten Rechtserfolg herbeizuführen. Ein konkreter Geschäftswille kann seitens F nicht angenommen werden. Jedoch ist dieser zur Bejahung der Willenserklärung nicht erforderlich. Ein Angebot der F liegt demnach vor. Dieses Angebot müsste J auch angenommen haben.
10 10 Annahme ist eine Willenserklärung, mit der der Empfänger des Angebots sein Einverständnis mit dem Angebot erklärt, so dass Vertrag entsteht. Spätestens in der Zusendung der Uhr an die Adresse der F liegt die Annahmeerklärung des J. Zwischen F und J besteht demnach ein Kaufvertrag i.s.d. 433 BGB. F könnte jedoch ihre zum Vertragsschluss führende Willenserklärung wirksam angefochten haben. Gem. 142 Abs. 1 BGB wäre die Willenserklärung dann als von Anfang an nichtig anzusehen. Fraglich ist, ob ein Anfechtungsgrund gegeben ist. In Betracht kommt vorliegend eine Anfechtung der Willenserklärung der F (also des Angebots) gem. 119 Abs. 1 BGB wegen eines Inhaltsirrtums. F hat objektiv erklärt, sie wolle die Uhr kaufen. Tatsächlich wollte sie zwar eine geschäftlich Erklärung abgeben, handelte also demnach mit Erklärungswille. Allerdings wollte sie keine Erklärung des Inhalts abgeben, wonach sie bei J eine teure Rolex- Uhr bestellen wollte. Insofern fallen Erklärtes und Gewolltes auseinander.
11 11 Damit lag seitens F ein Inhaltsirrtum und damit ein Anfechtungsgrund i.s.d. 119 Abs. 1 BGB vor. Die F als Anfechtende müsste zudem auch eine Anfechtungserklärung gem. 143 Abs. 1 BGB abgegeben haben. F hat gegenüber J die Anfechtung erklärt indem sie ihm mitteilte, dass sie sich über den Inhalt des Schreibens geirrt habe und daher nicht am Vertrag festhalten wolle. Eine Anfechtungserklärung nach 143 Abs. 1 BGB liegt vor. Schließlich müsste die Anfechtung auch fristgemäß erfolgt sein. Gem. 121 Abs. 1 S. 1 BGB muss die Anfechtung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von den Gründen Kenntnis erlangt hat, die ihn zur Anfechtung berechtigen. Vorliegend hat F die Anfechtung unmittelbar nach Auffliegen des Schwindels und damit unverzüglich i.s.d. Vorschrift erklärt. Ein Ausschluss der Anfechtung ist nicht ersichtlich.
12 12 / Ergebnis Da alle Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung vorliegen, ist die Willenserklärung der F gem. 142 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Mithin fehlt es an einer der beiden für den Vertragsabschluss erforderlichen Willenserklärungen, nämlich an dem Angebot der F. Damit besteht zwischen F und J kein wirksamer Kaufvertrag. Der Zahlungsanspruch des J ist somit nicht entstanden. J hat gegen F keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gem. 433 Abs. 2 BGB.
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