FAKTEN. Migräne. von Stefan Evers. 1. Auflage. Thieme Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN

Transkript

1 FAKTEN. Migräne von Stefan Evers 1. Auflage Thieme 2006 Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

2 78 7 Besondere Situationen! schmerzen scheinbar verstärken können, wirkt eine aktive Multiple Sklerose anscheinend protektiv. Hinweis: Auch eine fortgeschrittene HIV-Infektion scheint das Auftreten von Migräneattacken einzudämmen. Neurologische Erkrankungen Eine Überlappung, nicht jedoch eine echte Komorbidität besteht für Epilepsie und die Migräne. Visuelle Auren der Migräne und epileptische Anfälle des Okzipitallappens können symptomatisch manchmal nicht voneinander unterschieden werden. Ein epileptischer Anfall kann Kopfschmerzen auslösen, die unter Umständen nicht von einer Migräne zu unterscheiden sind. Formal handelt es sich dann um sog. symptomatische Kopfschmerzen (S. 23).! Hinweis: Es ist bis heute nicht belegt, dass Patienten mit Epilepsie auch unabhängig von epileptischen Anfällen häufiger Migräneattacken haben. Weitere Erkrankungen Für folgende weitere Erkrankungen bzw. Syndrome sind Studien publiziert worden, die eine signifikante Assoziation mit der Migräne zeigen konnten, ohne dass diese Ergebnisse in anderen Studien repliziert werden konnten. In anderen Studien sind die methodischen Mängel so erheblich, dass die Aussage nicht als gesichert anerkannt werden kann: Narkolepsie. Morbus Behçet. Sneddon-Syndrom. Gilles-de-la-Tourette-Syndrom. Schlaf-Apnoe-Syndrom. Systemischer Lupus erythematodes. Fibromyalgie. Grundlagen Während der Schwangerschaft kommt es durch den stetigen Anstieg des Östrogenspiegels häufig zu einem Nachlassen der Migräne in Frequenz und Intensität.

3 Durch den Abfall des Östrogenspiegels in den ersten Wochen nach der Geburt kommt es häufig zu heftigen Exazerbationen der Migräne. Medikamentöse Migränetherapie in Schwangerschaft und Stillzeit! Beachte: In der Schwangerschaft und Stillzeit gilt es, vor der medikamentösen Therapie zuerst alle nicht-medikamentösen Maßnahmen (z. B. Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken, Lymphdrainge, S. 67) auszuschöpfen. Medikamentöse Akuttherapie (Präparate, siehe Tab. 7.1). Paracetamol ist das Präparat der ersten Wahl während der Schwangerschaft und in der Stillzeit. Als Antiemetika während Schwangerschaft und Stillzeit eignen sich Domperidon oder Dimenhydrinat. 7 Tabelle 7.1 Empfehlungen für Medikamente in der Akuttherapie von Kopfschmerzen während der Schwangerschaft und Stillzeit Substanz Schwangerschaft Stillzeit Acetylsalicylsäure C/D 1 nein Andere NSAR B/D 1 unklar Dimenhydrinat B unklar Domperidon B unklar Ergotaminpräparate D nein Ibuprofen B/D 1 ja Metamizol B/D 1 nein Metoclopramid B nein Paracetamol B ja Triptane C unklar A: Kein erhöhtes Risiko in kontrollierten Studien nachgewiesen B: Kein Hinweis für ein erhöhtes Risiko, aber keine kontrollierten Studien vorhanden C: Erhöhtes Risiko kann nicht ausgeschlossen werden (z. B. keine Tierstudien vorhanden oder in Tierstudien teratogene Hinweise) D: Positive Hinweise für ein erhöhtes Risiko ( 1 = Empfehlung D im letzen Trimenon)

4 80 7 Besondere Situationen NSAR: Gefahr des vorzeitigen Verschlusses des Ductus Botalli in der Spätphase der Schwangerschaft und erhöhte Blutungs- und Ulkusneigung bei einigen Präparaten. Triptane: Es liegen noch keine gesicherten Daten über den Einsatz von Triptanen während der Schwangerschaft und in der Stillzeit vor. Derzeit werden weltweite Register erstellt (das größte existiert für Sumatriptan). Hinweise für eine erhöhte Teratogenität beim Menschen gibt es bislang nicht. Medikamentöse Prophylaxe (Präparate, siehe Tab. 7.2): Metoprolol ist das Präparat der ersten Wahl während der Schwangerschaft und in der Stillzeit. Andere Betablocker sollten nicht eingesetzt werden. Tabelle 7.2 Empfehlungen für Medikamente in der Prophylaxe von Kopfschmerzen während der Schwangerschaft und Stillzeit Substanz Schwangerschaft Stillzeit Acetylsalicylsäure C/D 1 nein Amitriptylin C unklar Andere Betablocker (außer Metoprolol) Flunarizin C ja Fluoxetin 2 B ja Magnesium B ja Metoprolol B ja C Mutterkraut B unklar Pestwurz B unklar Topiramat C nein Valproat D ja A: Kein erhöhtes Risiko in kontrollierten Studien nachgewiesen B: Kein Hinweis für ein erhöhtes Risiko, aber keine kontrollierten Studien vorhanden C: Erhöhtes Risiko kann nicht ausgeschlossen werden (z. B. keine Tierstudien vorhanden oder in Tierstudien teratogene Hinweise) D: Positive Hinweise für ein erhöhtes Risiko ( 1 = Empfehlung D im letzen Trimenon) 2 Keine direkte Wirksamkeit (S. 64) ja

5 Magnesium eignet sich ebenfalls während der Schwangerschaft zur Migräneprophylaxe (Dosierung: mind. 3 2 Kapseln, entsprechend 3 10mval). Der Einsatz von Magnesium auch bei anderen Indikationen während der Schwangerschaft rechtfertigt seinen Einsatz, auch wenn widersprüchliche Daten über die migräneprophylaktische Wirkung vorliegen. Der Selektive Serotonin-Aufnahmehemmer Fluoxetin ist v. a. dann indiziert, wenn gleichzeitig eine Depression vorliegt. Eine direkte prophylaktische Wirkung bei Migräne ist nicht nachgewiesen worden. Die Distanzierung kann aber hilfreich sein. 81 Was muss ich während einer Schwangerschaft beachten? Bei vielen Patientinnen kommt es während der Schwangerschaft durch den Anstieg des Östrogenspiegels zu einem Nachlassen der Heftigkeit und Häufigkeit der Migränekopfschmerzen. Allerdings muss damit gerechnet werden, dass die Migräne nach der Geburt durch den abrupten Östrogenabfall erneut einsetzt. Unbedingt geachtet werden muss auf die zur Schmerzbekämpfung eingesetzten Medikamente (Medikamente zur Akuttherapie siehe Tab, Medikamente zur Prophylaxe, siehe Tab. 6.7). Ähnliches gilt für die Zeit des Stillen (s. u.). FAQ12 Stillzeit Das Hauptproblem ist der Übertritt vieler Substanzen in die Muttermilch. Analgetika: In der Stillzeit sollten ausschließlich Paracetamol oder alternativ Ibuprofen eingenommen werden. In seltenen Fällen kann es hilfreich sein, direkt nach dem Stillen ein Triptan mit kürzerer Halbwertszeit (z. B. Rizatriptan oder Zolmitriptan, siehe Tab. 6.5, S. 60) einzunehmen und erst nach mehreren Stunden erneut zu stillen.! Hinweis: Da die Migräne schon während der Stillzeit in sehr starker Intensität wiederkehren kann (s. o.), kann in seltenen Fällen ein Abstillen indiziert sein, um die Lebensqualität der Mutter nicht zu beeinträchtigen.