Psychosomatische Medizin Depression U. Engelbach
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- Christoph Hase
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1 Psychosomatische Medizin Depression U. Engelbach
2 Depression (ICD 10 F32.x)
3 Somatisches Syndrom Zu diagnostizieren, wenn mindestens vier der folgenden Symptome eindeutig feststellbar sind: 1. Interessenverlust oder Verlust der Freude an normalerweise angenehmen Aktivitäten 2. Mangelnde Fähigkeit, auf eine freundliche Umgebung oder freudige Ereignisse emotional zu reagieren 3. Frühmorgendliches Erwachen über 2 Stunden 4. Morgentief 5. Der objektive Befund einer psychomotorischen Hemmung oder Agitiertheit 6. Deutlicher Appetitverlust 7. Gewichtsverlust, häufig mehr als 5% des Körpergewichtes im vergangenen Monat 8. Deutlicher Libidoverlust
4 Epidemiologie Prävalenz: 20% Lebenszeit, Tendenz steigend (Beesdo&Wittchen 2006) Punktprävalenz 5-10% der deutschen Bevölkerung Rezidivierend ca 80%, chronisch 12%, Dauer Episode: ca 6 Monate (unbehandelt, Angaben streuen) Verhältnis M:F 1:2-3 Unterschicht Junge Erwachsene Unterschiede Kultur/Länder (Taiwan 2%, Beirut 19%) 3. Häufigste Störung in der Bevölkerung 2. Häufigste Störung in der Allgemeinmedizin vs. diagn Defizit: nur 54% von Primärärzten erkannt
5 Verlauf der Major Depression (Keller & Boland, 1998) Rezidivierender Verlauf 40% Rezidiv nach 2 J. 60% nach 5 J. 75% nach 10 J. 87% nach 15 J. Lebenszeitrisiko nach Erstmanifestation MDE: 4 Episoden Dauer: 4-5 Mo. %
6 Murray & Lopez 1997
7 Bei der akuten Depression PTH und AD etwa gleich wirksam. Ebenso alle wissenschaftlich begründeten Therapieverfahren. Kein sicherer Vorteil für primäre Kombinationsbehandlung (AD+PTH) Beste Ergebnisse für sequentielle Strategien: bei leichten und mittelschweren Depressionen erst Psychotherapie und bei Nichtwirksamkeit nach 6-8 Wochen zusätzlich AD Indikation für Medikation: - schwere Symptome (Angst, Schlafstörung etc.) - längere Depressivität unter Psychotherapie - Chronische D., höheres Alter - evtl. Prophylaxe bei rezidiv. depressiven Episoden
8 AWMF-Leitlinien Bei einer leichten depressiven Episode kann, wenn anzunehmen ist, dass die Symptomatik auch ohne aktive Behandlung abklingt, im Sinne einer aktivabwartenden Begleitung zunächst von einer depressionsspezifischen Behandlung abgesehen werden. Hält die Symptomatik nach einer Kontrolle nach spätestens 14 Tagen noch an oder hat sie sich verschlechtert, soll mit dem Patienten über die Einleitung einer spezifischen Therapie entschieden werden. Zur Behandlung akuter leichter- bis mittelschwerer depressiver Episoden soll eine Psychotherapie angeboten werden.
9 AWMF-Leitlinien Bei akuten schweren Depressionen soll eine Kombinationsbehandlung mit medikamentöser Therapie und Psychotherapie angeboten werden. Wenn ein alleiniges Behandlungsverfahren in Betracht gezogen wird, soll bei ambulant behandelbaren Patienten mit akuten mittelschweren- bis schweren depressiven Episoden eine alleinige Psychotherapie gleichwertig zu einer alleinigen medikamentösen Therapie angeboten werden. Depressive Patienten mit psychotischen Merkmalen sollten in jedem Falle eine medikamentöse Therapie erhalten.
10 Psychotherapeutische Ansätze Psychodynamische Therapie Verhaltenstherapie (interpersonelle Therapie) (Psychoanalyse)
11 Melancholie ist eine tiefe schmerzliche Verstimmung, die gepaart ist mit Aufhebung des Interesses für die Außenwelt, [...] Verlust der Liebesfähigkeit, [...] Hemmung von Leistung und Herabsetzung des Selbstgefühls, die sich in Selbstvorwürfen und Selbstbeschimpfungen äußert Störung des Selbstgefühls, Selbstbeschimpfungen, die sich bis zu wahnhafter Erwartung von Strafe, großartige Ichverarmung Melancholie ist auf einen dem Bewusstsein entzogenen Objektverlust zu beziehen, zum Unterschied von der Trauer, bei welcher nichts an dem Verluste unbewusst ist Bei der Trauer ist die Welt arm und leer geworden, bei der Melancholie ist es das Ich selbst Freud 1917
12 Depression ist verbunden mit einer unerfüllbare(n) Sehnsuchtsbesetzung Freud 1926, S.205 Gemeinsamer Faktor bei jedem phänomenologischen Stresstypus: Zustand der Hilflosigkeit und Machtlosigkeit bei der Erfüllung zentraler Wünsche des Individuums Bibring 1953
13 ZBKT Die Versuche, anderen nahe zu sein und verstanden zu werden, scheitern. Die Objekte gehen nicht auf diese Bedürfnisse ein, sind stattdessen kontrollierend, dominant und/oder weisen zurück. Die Antworten auf diese Zurückweisung sind Gefühle von Hilflosigkeit (Deserno et al. 1998, S. 291) Depression vom Burnout-Typ/Bad Nauheim / U.Engelbach
14 ZBKT Vanheule et al 2006, S.182
15 Bindungsforschung "Bedeutsam für die Entwicklung von emotionalen Störungen ist die Intensität der Gefühle im Zusammenhang mit der Art und Weise, wie sich Beziehungen zwischen dem gebundenen Individuum und seinen Bindungspersonen entwickeln. Verlaufen sie gut, dann sind sie begleitet von Freude und Gefühlen der Sicherheit; werden sie indessen unterbrochen, werden häufig Trauer und Depressionen erlebt. Die Organisation des Bindungsverhaltens im späteren Leben ist in hohem Maße abhängig von den Bindungserfahrungen, die in der Ursprungsfamilie gemacht wurden" [Bowlby 1988, S. 4]
16 Bindungsforschung Unsicherer Bindungsstil bei depressiven Erwachsenen (Bakermans-Kraneneburg & van Ijzendoorn, 2009) Vermeidendes Bindungsmuster Betonung von Autonomie, oft wenig biographische Erinnerungen, teilw. inkohärente Schilderung von Beziehungserfahrungen (z. B. Idealisierung), Bagatellisierung und Rationalisierung von Trennungserfahrung, Affektarmut, weniger Empathie. Habituelle Desaktivierung des Bindungssystems. Ambivalentes (ängstliches) Bindungsmuster Verstrickte Beziehungen mit Hinweisen auf übermäßige Abhängigkeit und Verlustangst, oft widersprüchliche Schilderungen vergangener Bindungen, wenig objektiv, oft anklagend, affektgeladen (Angst und Ärger). Habituelle Hyperaktivierung des Bindungssystems.
17 Morley & Moran 2011
18 Rudolf 2003, S369
19 Verarbeitungsformen des depressiven Grundkonflikts Ziel: Abwehr der Depression, aber... die Lösung wird zum Problem Dependente Persönlichkeit - Willfährigkeit - Passivität - Suchtverhalten Dekompensation: Verlusterlebnisse wenn ich mich unterordne, werden andere sich um mich kümmern Altruistisch überfürsorglich ( Helfersyndrom ) - Selbstaufopferung - Verleugnung von Aggression - Anspruch auf Wiedergutmachung Dekompensation: Verluste, Erschöpfung, körperl. Krankheit wenn ich mich für andere aufopfere, verdiene ich mir, dass andere sich kümmern
20 Verarbeitungsformen des depressiven Grundkonflikts Ziel: Abwehr der Depression, aber... die Lösung wird zum Problem Narzisstische Persönlichkeit -Verleugnung von Bedürftigkeit - narz. Kompensation -Entwertung Anderer -Selbstzweifel -Kränkbarkeit Dekompensation: Kränkungen, Krankheit, Lebenskrisen, Alter wenn ich mich als großartig erweise, merken die anderen, dass sie mich brauchen Schizoide Persönlichkeit - Distanz - Misstrauen - Vermeidung von Emotionalität Dekompensation: Schwellensituationen, Näheerlebnisse wenn ich mich von anderen abschotte, tut ihr Deisinteresse nicht mehr weh
21 Modell zur Erklärung depressiven Erlebens traumatische Erfahrungen (z.b. Verluste, Gewalt, Missbrauch, schwere Enttäuschung) unsichere Bindung (z.b. Erleben von Leere, Verlassenheit und Einsamkeit) unsicheres Selbstwertgefühl, überstarke Bedürftigkeit nach Zuwendung oder Bestätigung durch idealen Anderen, Vorstellungen bzw. Streben nach eigener Größe und Perfektion Depressiver Grundkonflikt Wünsche nach Zuwendung, Anerkennung, Gesehenwerden Angst vor Alleingelassensein Unmöglichkeit/Verbot etwas (z.b. Zuwendung) offen einzufordern Enttäuschung und wütende Impulse gegenüber Anderen und/oder gegen sich Selbst ungünstige Beziehungsgestaltung Verstrickung in Beziehung/Abhängigkeit: Vermeidung von Beziehung/Abhängigkeit: hohe Selbstanforderung hohe Selbstanforderung Ambivalenz Kränkbarkeit Selbstentwertung Entwertung Anderer Ärger und Distanzierung als Reaktion bei Anderen/z.T. Rückzug wachsende Bedürftigkeit/Depressivität
22 Psychodynamik der Depression Im Zentrum steht nicht nur der Verlust der Unterstützung durch äußere Objekte, sondern Depression ist auch Folge einer pathologischen Internalisierung früher Objektbeziehungen und der Rolle, die sie bei der dysfunktionalen Regulation des Selbstwerts spielen sowie bei der Bestärkung eines Selbstbildes durch die internalisierten Wertsysteme, die im Über-Ich und im Ich-Ideal repräsentiert sind. Kernberg 2009
23 Entstehungspfade der Depression Bleichmar 2013, S. 85
24 Was heißt das für die psychodynamische Therapie depressiver Patienten? Psychodynamik des interpersonellen Verhaltens, d.h. die dysfunfktionalen Beziehungen bzw. die unsicheren Bindungen Strukturelle Vulnerabilitäten: Affektwahrnehmung und -toleranz Frustrationsintoleranz und Kränkbarkeit Verzerrte Objektwahrnehmungen Fehlende Selbstbehauptung Rudolf 2003
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