Akustische Meßmethoden im Streichinstrumentenbau Simone Regina Zopf
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- Alke Kappel
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1 Akustische Meßmethoden im Streichinstrumentenbau Simone Regina Zopf Die Erforschung des Wesens gut klingender Instrumente hat früh schon die Akustiker bewogen, Versuche mit Musikinstrumenten durchzuführen und ein Teil dieser Methoden wird oder wurde auch von Instrumentenbauer in ihre Arbeitsweise eingegliedert. In diesem Artikel soll ein Überblick über die derzeit gebräuchlichen Methoden gegeben werden, die auch von mir getestet wurden und ihre Vor- und Nachteile besprochen werden. Ebenso sollen auch Fachbegriffe erklärt werden, die Interessierten das Lesen der Originalliteratur erleichtern. Überblick Fast allen sind aus dem Physikunterricht die Chladnischen Klangfiguren bekannt, mit denen F.X. Chladni die Schwingungen von Platten und Membranen erstmals beschreiben konnte: er bestäubte eine Messingplatte mit feinem Bärlappulver und strich an einer Kante mit einem kolophoniertem Geigenbogen darüber: feine, symmetrische Bilder erschienen Schwingungskonten und Bäuche. Gemeinsam mit dem Geigenbauer Savart wurde diese Methode auch bei Geigenplatten verwendet und über Carleen Hutchins und der Catgut Society fand diese Methode Eingang in viele Werkstätten. Eine andere einfache optische Methode ist das Moiree-Gitter, dass bereits in der Heilkunde angewandt wurde und die Verkrümmungen des Rückgrates anzeigt. Feine Linien bilden mit ihrem Eigenschatten Muster: auf diese Weise kann man Wölbungsverlauf und Höhe erkennen. Abbildung 1 Chladnische Klangfiguren auf Messingplatten, nach der Reihenfolge ihres Auftretens benannt. (Mode 1-6) Darstellung mit Laserholographie
2 Die Schwingungen des Instruments könne auch mit Hilfe der Laserholografie aufgezeichnet werden und geben dann zusätzlich die Information, wie das Instrument schwingt. Die Analyse dieser Schwingungsmuster nennt man Modalanalyse: es wird festgestellt, auf welche Art und Weise (Modus) ein System (in dem Fall ein Instrument, es könnte auch ein Flugzeug oder eine Turbine sein) schwingt. Martin Schleske, ein Geigenbauer in München hat eine eigene Art der Modalanalyse entwickelt: er klopft das Instrument an vielen Punkten mit einem Hammer ab und misst an anderen Stellen die Antwort, gibt die Daten in ein Programm ein und erhält daher die Information über die Lage der Knotenlinien (wenig Schwingung) und Knotenbäuche (viel Schwingung) und kann dann Karten erstellen, welche den Verlauf der Linien für jede Eigenfrequenz angeben. Sinn der Sache ist es, ein besonders hervorragendes Instrument so zu vermessen und dann eine Kopie zu erstellen, indem er solange an den Platten des Instruments arbeite, bis sich die selben Bilder = Schwingungen ergeben, daher das Instrument auch eine Klangliche Kopie des Originals darstellt. Genereller Aufbau von Methoden Hier können drei Gruppen unterschieden werden: Anregung durch den Spieler Anregung durch die Streichmaschine Anregung auf elektro-mechanischem Weg Abbildung 2 Knotenlinien von M. Schleske, Asymmetrische Bodenmode Die Resultate werden dann mit Mikrophon, Beschleunigungsaufnehmern (messen die Beschleunigung eines bestimmten Punktes) oder optischen Sensoren gemessen 1. die Anregung durch den Spieler ist eine einfache und kostengünstige Methode, hat aber den Nachteil, daß der Spieler einerseits an ein bestimmtes Instrument gewöhnt ist, andrerseits, Mängel des Instruments intuitiv ausgleichen kann und die persönliches Vorlieben die Spielweise beeinflussen. Dennoch kann der Mensch viel mehr fühlen und erahnen als jede Maschine: aber allein eine objektive Sprache über Klang- und Spielgefühl stellt eine Herausforderung dar die Anregung durch eine Streichmaschine wurde schon von dem indischen Physiker Raman zu beginn des vorigen Jahrhunderts verwendet und wird heute besonders in der Saitenforschung-Thomastik) verwendet. Die Aussage über die Qualität des Instruments ist aber sehr schwierig, weil nur leere Saiten gespielt werden können, oder andere Lösungen sehr aufwendig sind. 3. Die Anregung auf elekro-mechanischem Weg wird in vielen Methoden gewählt, weil sie einfach und kostengünstig ist. Sei kann mittels Lautsprecher erfolgen, oder mittels eines shakers: hier wird auf eine Membran einfach ein Stiftchen geklebt und damit Schwingung direkt z.b. auf den Steg übertragen. Andere wählen die scheinbar brutale Methode des Impulshammers: ein Hämmerchen schlägt seitlich mit genau bestimmter
3 Kraft auf den Steg: der Vorteil: ein Impuls enthält in kürzester Zeit alle Frequenzen auf einmal, die Messung ist also in wenigen Sekunden fertig. 4. Die Daten werden aufgenommen und dann per Computer verarbeitet, nun sind die Schwingungseigenschaften des Instruments hoffentlich objektiv aufgezeichnet und können für Analysen verwendet werden Abbildung 3 Versuch, die Haltung des Spielers während der Messung zu simulieren Richtcharakteristik Ein Problem haben alle Methoden gemeinsam: Saiteninstrumente haben die für Akustiker unangenehme Eigenschaft, nicht gleichmäßig in alle Richtungen abzustrahlen. Besonders bei Streichinstrumenten ist die Aufzeichnung von Schall auch bei normalen Aufnahmen sehr schwierig, je nach Position des Instruments klingt die Aufnahme anders, Abhilfe schaffen in der Forschung dann entweder Hallräume, die alle Schwingungen wieder verfließen lassen, oder kreisende Mikrophone, die dann zusammengeschaltet werden. Der technische Aufwand solcher Messungen ist also sehr groß und ist in der Regel für einen Instrumentenbau im alltäglichen Werkstättenbetrieb nicht anwendbar.
4 Angewandte Methoden: Chladnische Klangfiguren Wer ein wenig in die Literatur hineinstöbert, wird sofort auf die unzähligen Artikel Carleen Hutchins stoßen, die seit den 70igern die Verwendung der chladni pattern im Geigenbau forcierten. Grundaussage ist: Durch die Dokumentation von Decken und Böden bei Reparaturen namhafter Instrumente haben sich bestimmte Gesetzmäßigkeiten herausgestellt: zum einem sind die Moden besonders ebenmäßig ausgebildet, zum anderen stehen sie noch in bestimmten Intervallverhältnissen. Durch Versuche haben sich folgende Kriterien herausgebildet: die Mode 2 soll zwischen Hz liegen: darüber oder darunter sind die Platte zu dick oder zu leicht. Die Mode 2 und 5 sollen in der Decke im Oktavabstand liegen und die Mode 1 eventuell eine Oktave darunter.die Mode 2 sollte in Decke und Boden nur 1.4 % auseinanderliegen. Abbildung 4 Entstehung einer Mode 2 über einem Lautsprecher Wie werden diese Moden nun erzeugt? Die außen fertig ausgearbeitete Platte wird zum Beispie auf eine Lautsprecherbox gelegt, die mindestes 8 groß sein soll. Mit Hilfe eines Sinustongenerators werden die Eigenfrequenzen der Platte gesucht. Man kann zuvor die Platte schon abklopfen und hört die Eigenresonanzen bereits - auf diese Art sollen die Altvorderen diese Methode auch benutzt haben. Findet man den richtigen Ton, bilden sich auf der Platte, die mit Sand oder in meinem Fall mit Maisgries bestreut wurde, mehr oder weniger regelmäßige Bilder, die über die Stärkenverteilung und Elastizität der Decke Aufschluss geben. Die Bilder werden notiert und mit der Ziehklinge werden an den Knotenbäuchen der Bilder Material entfernt, bis die Bilder ebenmäßig sind und in bestimmten Intervallen zu finden sind. Meine Erfahrung mit dieser Methode ergab, dass bei der Verwendung von gutem Holz und traditionellen Modellen und Stärkenausarbeitung die Moden fast von selbst schön geformt und im grünen Bereich lagen. Allein die geforderte Oktavenabstände der Mode 2 zur Mode 5 ließ sich fast nie erzielen oder hätten verrückt dünne Stellen ergeben, die ich mit meinem instrumentenbauerischem Instinkt nicht vereinbaren konnte. So adaptiert ich die Methode, um in einem Schnellcheck zu prüfen, ob die Moden wohlgeformt waren und dünne, scharfe Linien ergaben (Dies spricht dafür, dass die Mode sehr aktiv ist) oder bei Nachbearbeitungen älterer Instrumente die Stärken zu korrigieren. Auch die Höhe des Baßbalkens kann ich so bestimme: solange der Balken zu hoch für diese bestimmte Decke ist, kann die Mode 5 zum Beispiel keinen Ring bilden.
5 Abbildung 5 Mode 2 in ursprünglichem Zustand. Knotenlinien sind zu breit Abbildung 6 Decke nach der Abstimmung. Knotenlinien fein und stärkere Amplituden Auch in Experimente mit fremden Hölzern mit einem brasilianischem Lauten-und Gambenbauer, leisten die chladni pattern gute Dienste: ich veränderte die Stärkenverteilung solange, bis die Moden jener von Fichte glichen. Die unbedingte Einhaltung aller Kriterien ist mir aber nie gelungen, dennoch oder deswegen waren die Ergebnisse passabel. Im Prinzip verwende ich aber die Abstimmung freier Platten nur als objektivere Dokumentationsmethode als das Gehör, da Klänge nur schwer zu merken sind. Andere Verfahren: Durch meine Arbeit am Institut für Wiener Klangstil konnte ich an der Entwicklung eines Messgerätes teilhaben, dass vorerst auf Violinen ausgerichtet war, das VIAS system. Prinzip dieses Verfahrens ist folgendes: Um die Problematik der Richtcharakteristik von Violinen zu umgehen wurde ein System entwickelt, dass nicht den abgestrahlten Schall, sondern die Admittanz eines Instrumentes aufzeichnet. Was ist die Admittanz? Sei kann als der Kehrwert der Impedanz, des Widerstandes gesehen werden; einfacher: die Admittanz gibt die Schwingungswilligkeit eines Systems an. Ist die Admittanz groß, finden wir an dieser Stelle eine starke Resonanz des Instruments. Die Messung erfolgt durch eine Messnadel, die seitlich am Steg mit geringem Druck angelegt wird. Diese Nadel befindet sich in einem Magnetfeld und schickt nun Sinusschwingungen von 100 bis Hz über den Steg an das Instrument. Treffen diese auf eine Resonanz des Instruments, bewegt sich der Steg heftiger und diese Antwort wird von einem Laserstrahl, der die anliegende Nadel beobachtet aufgezeichnet. Die Daten aus der hineingeschickten und der erhaltenen Energie ergeben die Admittanz.
6 Der Vorteil dieser Messtechnik liegt an der Unabhängigkeit eines speziellen Raumes und teurer Mikrophone und der einfachen und schnellen Handhabung. Geringste Veränderungen, die allein durch die veränderte Luftfeuchtigkeit entstehen, werden registriert. Allerdings auch, ob der Nachbar im Nebenhaus Tuba übt. Auf diese Art wurden viele Violinen vermessen, um über einen gleichzeitige Erhebung der subjektiven Klangqualität dieser Hinweise über das ideale Instrument zu finden. Eines vorneweg: das ideale Instrument konnte noch nicht vermessen werden. Auch besonders hochqualitative Violinen zeichnen sich durch eine große Vielfalt aus. Gemeinsame Merkmale aller waren starke Resonanzen unter 700 Hz, nicht zuviel Energie um 1000 Hz (der Nasalbereich) und ein rascher Anstieg auf 2000 Hz. Abbildung 7 VIAS mit Meßkopf Möglichkeiten der Verwendung Für den Instrumentenbauer stellt sich die Frage inwiefern man dieses System auch einsetzten kann. Zum einen ist es nützlich hervorragende Instrumente (eigene wie fremde) zu dokumentieren und damit vielleicht Hinweise zu sammeln, die zu einem herausragende Instrument führen können. Dazu kommt auch die Möglichkeit, die eigene Arbeittechnik zu überprüfen und Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber auch in Bereich wertvoller Restaurierungen scheint mit der Einsatz sinnvoll: die akustische Dokumentation des Vorher- Nacher ist auch für den Kunden interessant.
7 Abbildung 8 Zwei Graphen: die x-achse zeigt die Frequenz, die y-achse die Admittanz. Schwarz ist der Urzustand der Violine, blau der Zustand nach dem Abstimmen nach Hutchins. Viele Admittanzen liegen nun tiefer. Das Instrument klang kräftiger und strahlender (Steigerung im Bereich über 2000 Hz) Die Spielbarkeit war schwieriger geworden. Abbildung 9 VIASGraphen derselben Geige: schwarz ist der abgestimmte Zustand, blau sind die Änderungen, die durch Steg und Stimmstock erzielt werden konnten. Nun klang die Violine voll, ausgeglichen und war gut spielbar. Zusammenfassung Die Akustiker versuchen schon seit langem, die Funktion und die Qualität bestimmter Instrumente zu verstehen und haben mittlerweile einige brauchbare Methoden entwickelt, die kein kompliziertes Labor oder langwierige Studien erfordern. Einige dieser Methoden können sinnvoll eingesetzt werden, wenn sie auf ihre Werkstättentauglichkeit hin überprüft wurden. Manche wie das Abstimmen nach Carleen Hutchins haben durchaus ihre Berechtigung, können aber nicht den Anspruch erfüllen, den Schlüssel zur Herstellung eines hervorragenden Instrumentes zu besitzen. Trotzdem kann sie helfen, innerhalb der traditionell überlieferten Stärkenverteilungen bei problematischen Hölzern oder ungewöhnlichen Formen die richtigen Stärken zu finden. Meßmethoden wie das VIAS können zur intensiven Analyse besonderer Instrumente verwendet werden und helfen, die eigene Entwicklung objektiver zu überprüfen. Dennoch gibt es weiterhin keine Anzeichen, die Rezeptur für das Instrument gefunden zu haben. Noch immer ist die Wirklichkeit komplexer, als es in Daten und Formeln fassbar ist.
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