SOZIALGERICHT CHEMNITZ URTEIL
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- Christina Weiß
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1 S 27 AS 3206/07 Ausfertigung SOZIALGERICHT CHEMNITZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Rechtsstreit Annerose Aurich, Juri-Gagarin-Straße 2, Lugau, - Klägerin - g e g e n ARGE Landkreis Stollberg, vertreten durch die Geschäftsführerin, Schlachthofstraße 5, Stollberg, - Beklagte - hat die 27. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2008 in Chemnitz durch den Richter am Sozialgericht Lindner, die ehrenamtliche Richterin Horvath-Zechner und den ehrenamtlichen Richter Stengel für Recht erkannt: I. Die Beklagte wird unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungs entscheidungen verurteilt, der Klägerin die Betriebskostennachzahlung in Höhe von 66,28 zu bewilligen. II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten S 27 AS 3206/07
2 Tatbestand: Die Klägerin begehrt die Übernahme einer von ihr an den Vermieter zu erstattenden Betriebskostennachzahlung im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung. Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte die Bewilligung der Übernahme einer Betriebskostennachzahlung für das Jahr 2006 in Höhe von 66,28 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie trotz ihrer sparsamen Lebensweise erhöhte Nebenkosten für Unterkunft und Heizung habe bezahlen müssen, obwohl sie schon eine der Größe nach angemessene 48,72 m 2 große Plattenbauwohnung der Wohnungsbaugenossenschaft Oelsnitz bewohne. Die Beklagte zahle für ihre Wohnung 269,00 als Obergrenze. Die Klägerin habe sich auch in Lugau um eine Wohnung bemüht und festgestellt, dass es dort keine preisgünstigeren Wohnungen für einen Einpersonenhaushalt gebe. Es existiere in der Stadt auch kein Mietspiegel, der grundsicherungsrelevant sei. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müsse demnach von der Wohngeldtabelle ausgegangen werden. Mit einem 10-prozentigen Zuschlag und unter Berücksichtung ihres sparsamen Umgangs mit den Heizkosten würde dieklägerin keine erhöhten Kosten für einen Einpersonenhaushalt verursachen. Mit Widerspruchsbescheid vom wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den Richtlinien des Landkreises Stollberg liege der Höchstbetrag für die angemessenen Unterkunftskosten für einen Einpersonenhaushalt bei 230,00. Damit müsse die Klägerin ihre monatliche Kaltmiete sowie die so genannten kalten Nebenkosten abdecken. Die tatsächlichen Unterkunftskosten der Klägerin überstiegen jedoch vorliegend diese Höchstbetragsgrenze. Aus diesem Grund seien die tatsächlichen Unterkunftskosten nur für einen Übergangszeitraum von 6 Monaten ab Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld II in der Zeit vom bis zum zu zahlen gewesen. Da der Klägerin in der Zeit vom bis bereits der Höchstbetrag gewährt worden sei, bestehe kein weitergehender Anspruch. Am hat die Klägerin Klage erhoben. Sie verfolgt ihr Begehren weiter und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen zu verurteilen, ihr die Betriebskostennachzahlung für den Zeitraum vom bis zum in Höhe von 66,28 zu bewilligen. In der mündlichen Verhandlung vom hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die Klägerin auf den Bescheid vom durchaus Bemühungen unternommen habe, eine anderweitige Wohnung in Lugau zu finden. Allerdings habe sie sich die behaupteten preisintensiveren Wohnungsangebote nicht schriftlich bestätigen lassen und auch sonst kein schriftliches Angebot eingereicht. Allerdings mangele es insoweit an einer ordnungsgemäßen Belehrung. -3-
3 - 3 - S 27 AS 3206/07 Hierauf hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass im Bescheid vom eine ordnungsgemäße Belehrung enthalten sei und die Klägerin auch ausreichende Sachkunde auf diesem Gebiet habe. Außerdem sei sie darauf zu verweisen, dass sowohl im ländlichen Raum als auch in Stollberg günstigerer Wohnraum anzumieten wäre. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Behördenakte (l Heftung) verwiesen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Nachzahlung der Betriebskosten für den Zeitraum vom bis zum in Höhe von 66,28 gegenüber der Beklagten. Der Bescheid vom und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Gemäß 22 Abs. l Satz l SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Bei der Beurteilung, ob der Aufwand für die Unterkunft einen angemessenen Umfang hat, ist von der tatsächlich entrichteten Miete sowie den Heizkosten auszugehen und eine den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht werdende Betrachtung anzustellen (BVerwGE 97, 110; 75, 168). Danach entscheidet sich die Frage der Angemessenheit der Aufwendungen der Unterkunft und Heizung nicht nach festen Regeln. Neben den konkreten Verhältnissen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt sind die persönlichen Lebensumstände der Hilfebedürftigen in die Prüfung einzubeziehen. Da die Betriebskosten den Kosten der Unterkunft zugeordnet sind, gehört auch eine Betriebskostennachzahlung, wie eine Betriebskostenerstattung zu den Kosten der Unterkunft und ist entsprechend zu bewilligen bzw. bei einer Erstattung in Ansatz zu bringen. Es kann offen bleiben, ob die Richtlinien des Landkreises Stollberg zur Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung (Amtsblatt Landkreis Stollberg vom , , und ) tauglich sind, einen zuverlässigen Anhaltspunkt für tatsächlich anzumietende Wohnungen im Landkreis Stollberg bieten. Im vorliegenden Fall kommen für die Klägerin allenfalls kostengünstigere Wohnungen Bereich Lugau und Oelsnitz in Betracht, da diese beiden Orte fast ineinander verschmelzen
4 - 4 - S 27 AS 3206/07 Die Klägerin ist hier in das gesellschaftliche Leben eingebunden und betreut ehrenamtlich die Stollberger Tafel in Oelsnitz. Selbst wenn die Richtlinien für den gesamten Landkreis Stollberg Anwendung finden könnten, was nach dem Vortrag der Klägerin sehr fraglich erscheint, so ist sie jedenfalls nicht ordnungsgemäß in den ihr gegenüber erlassenen Bescheiden, insbesondere im Bescheid vom , darüber belehrt worden, wie sie sich um Wohnraum zu welchem Preis in welchem räumlichen Bereich anderweitig bemühen soll. Als räumlichen Vergleichsmaßstab nimmt die Kammer, wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom (AZ.: 7 b AS 10/06 R) im Einzelnen dargelegt hat, in erster Linie den Wohnort des Hilfebedürftigen als räumlichen Bereich für die Wohnungssuche an. Ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit der Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, kann vom Hilfebedürftigen im Regelfall nicht verlangt werden. Es wird zwar nicht verlangt, dass der räumliche Vergleichsmaßstab strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der Gemeinde" nach dem jeweiligen landesrechtlichen Kommunalrecht eingegrenzt ist. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabes kann es -insbesondere im ländlichen Raum - geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen. Unter diesen Maßgaben hat die Beklagte die Klägerin aber nicht ausreichend belehrt, wie sie nach der Struktur des Wohnungsmarktes in Lugau oder im Landkreis Stollberg tatsächlich die konkrete Möglichkeit hat, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem Wohnungsmarkt anzündeten. Besteht nämlich eine solche konkrete Unterkunftsalternative nicht, sind die Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft als konkret angemessen anzusehen. Die Belehrung im Bescheid vom , nach der die Klägerin darauf hingewiesen wird, dass in ihrem Falle die Kosten der Unterkunft den laut Richtlinien des Landkreises Stollberg zur Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach 22 SGB II sowie zur Gewährung einmaliger Leistungen nach 23 Abs. 3 SGB II, angemessenen Umfang übersteigen und daher höchstens für 6 Monate Berücksichtigung finden können" ist zu unbestimmt. Denn die Klägerin wurde nicht darüber belehrt, wie hoch die Miete für einen Einpersonenhaushalt sein darf, geschweige denn wurde eine Unterscheidung zwischen Kaltmiete, Bruttokaltmiete und Heizkosten dargelegt. Der Klägerin war nicht klar, dass die Beklagte bei höherwertigerem und daher teurerem Wohnraum Einsparungen an Heizkosten nicht zu Gunsten des Betroffenen bei einer etwas höheren Bruttokaltmiete berücksichtigt. Zudem war der Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung nicht klar, in welchem Bereich sie sich denn eine Wohnung suchen muss. Die Beklagte hat dabei die persönliche Situation der Klägerin überhaupt nicht in Betracht gezogen. Die Klägerin ist in Lugau eng in das gesellschaftliche Leben verwurzelt und insbesondere als Mitglied der Wohnungsbaugenossenschaft im Vorstand im Interesse der Genossen und Mieter tätig. Des Weiteren betreut die Klägerin ehrenamtlich die Stollberger Tafel in Oelsnitz, einem Ort, der direkt an Lugau angrenzt. Die Kostenentscheidung folgt aus 193 SGG. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen war die Berufung nicht zuzulassen. -5-
5 - 5 - S 27 AS 3206/07 Rechtsmittelbelehrung Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung 'angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen ist und vom Sozialgericht nicht zugelassen wurde. Die Nichtzulassung der Berufung kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht, Parkstraße 28, Chemnitz, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. D. Vorsitzende der 27. Kammer gez. Lindner Richter am Sozialgericht Ausgefertigt - Beglaubigt Sozialgericht Chemnitz Chemnitz 25. FEB 2008 ^ / (/ sr*t-^> als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Hinweise: 1. Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Betei ligten beigefügt werden. 2. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
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