2.2 Wichtige Ursachen im Überblick
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- Margarethe Hoch
- vor 7 Jahren
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1 2.2 Wichtige Ursachen im Überblick Süchtiges Verhalten lässt sich nicht auf eine Ursache zurückführen. Vielmehr liegt ihm ein komplexes Bedingungsgefüge individuell verschiedener Faktoren zugrunde. Generell lässt sich Drogenkonsum als Bewältigungsversuch von Lebensschwierigkeiten beschreiben. Sucht kann dann mit den Begriffen Flucht oder Selbstheilungsversuch übersetzt werden. Konsum und Missbrauch haben dann oft damit zu tun: die Anforderungen des Alltags zu bewältigen oder ihnen zu entweichen Gefühle zu verdrängen oder psychische Störungen erträglicher zu machen Leere und Langeweile nicht ertragen zu können traumatische Erlebnisse und Krisen nicht oder nicht angemessen verarbeiten zu können Die Ursachen des Suchtmittelmissbrauchs liegen in dem multikausalen Ursachengeflecht von Persönlichkeit - Umwelt - Droge PERSÖNLICHKEIT Depression/Angst Frustrationstoleranz Risikobereitschaft Selbstwert Geschlecht genetische Faktoren... UMWELT / GESELLSCHAFT Drogenorientierung Leistungsorientierung negativer Einfluss der peer-group ungünstige Familien- bedingungen... SUCHTMITTEL / DROGE Art und Wirkung Verfügbarkeit - Griffnähe Dosis Dauer und Art der Einnahme... 13
2 In der wissenschaftlichen Diskussion der Suchtursachen der letzten Jahre werden den genetischen und neuro-biologischen Faktoren wachsende Bedeutung zugemessen. Man kann davon ausgehen, dass das Risiko einer Suchterkrankung in Abhängigkeit von den biologischen Faktoren wächst. Vereinfacht lässt sich das folgendermaßen darstellen: Umwelt Persönlichkeit Biologie (Menge + Häufigkeit) = Risiko von Abhängigkeit Der Sachverhalt wird auch verdeutlicht im Dispositions-Expositionsmodell des Mannheimer Suchtforschers Prof. Dr. Karl Mann vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit: 14
3 Bei Menschen mit einer hohen Disposition genügt schon eine niedrige Exposition, z. B. eine kurze Zeitdauer des Suchtmittelkonsums, damit eine Abhängigkeit entsteht, Bei Menschen mit einer niedrigen Disposition kann die Exposition höher sein bis eine Abhängigkeit eintritt. Vergleicht man die Drogen Alkohol und Heroin ergibt sich folgendes Bild: Beim Heroin genügt eine niedrigere Exposition bei gleicher Disposition, um eine Suchterkrankung zu entwickeln, oder anderes ausgedrückt, bereits nach kurzer Zeit des Heroinkonsums wird eine Abhängigkeit eintreten, beim Alkohol dauert dies länger. Vom kontrollierten Konsum zur Sucht Zwischen kontrolliertem Konsum eines Suchtmittels und dem Kontrollverlust gibt es eine sensible Phase, in der das Gehirn lernt, die gewünschte Wirkung einer Droge mit der Situation der Drogeneinnahme (gekennzeichnet durch äußere Reize) zu koppeln. (Siehe hierzu das Schaubild auf der nächsten Seite.) Sucht entsteht dann, wenn das Gerhirn Drogenverlangen und damit verknüpfte Wirkungserwartungen hat, dies aber nicht erfüllt wird. 15
4 Suchtursachen im Jugendalter Was den Drogenkonsum anbelangt, lassen sich für die Lebensphase Jugendalter über diese allgemeinen Suchtursachen hinaus noch eine Reihe psychosozialer Funktionen identifizieren. Alles menschliche Verhalten, auch das gesundheitsrelevante Verhalten, ist im sozialen und ökologischen Kontext erlerntes und lebensgeschichtlich erworbenes Verhalten.Das individuelle Bewältigungsverhalten ist deshalb auch mit den Interaktions- und Sozialstrukturen der Lebenswelt und den Macht- und Ungleichheitsstrukturen der Gesellschaft auf das Engste verwoben. Der je individuelle Verarbeitungs- und Bewältigungsstil spiegelt die konkreten Möglichkeiten und Restriktionen zum jeweiligen sozialen und historischen Zeitpunkt. Der Konsum von Drogen - legalen wie illegalen - muss in diesem Sinn als eine spezifische, problematische Form der Lebensbewältigung interpretiert werden. Problematisch deshalb, weil das Verhalten immer durch das Risiko von Abhängigkeit und Sucht gekennzeichnet ist, und auch deshalb, weil es schnell zu einer unproduktiven, eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit blockierenden Form der Lebensbewältigung werden kann. Es gibt viele Wege, die zum Drogengebrauch führen; aber letztlich ist jeder Drogenkonsum ein Versuch, sich alltäglichen Lebensproblemen und -herausforderungen zu stellen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und eine Form der Bewältigung zu finden, und dabei liegen taugliche und untaugliche, produktive und unproduktive Formen dicht beieinander. 16
5 Drogenkonsum trägt zur Befriedigung vielfältiger alters- und entwicklungsbezogener sowie ereignis- und lebenslagenspezifischer Bedürfnisse von Jugendlichen und Erwachsenen bei. Bezogen auf das Jugendalter lassen sich z. B. folgende psychosoziale Funktionen identifizieren: Drogenkonsum kann der demonstrativen Vorwegnahme des Erwachsenenverhaltens dienen; kann eine bewusste Verletzung von elterlichen Kontrollvorstellungen zum Ausdruck bringen; kann Ausdrucksmittel für sozialen Protest und gesellschaftliche Wertkritik sein; kann ein "Instrument" bei der Suche nach grenzüberschreitenden, bewusstseinserweiternden Erfahrungen und Erlebnissen sein; kann jugendtypischer Ausdruck des Mangels an Selbstkontrolle sein; kann dem Versuch dienen, sich auf einfache Weise Entspannung durch Genuss zuzufügen; kann eine Zugangsmöglichkeit zu Freundesgruppen eröffnen; kann die Teilhabe an subkulturellen Lebensstilen symbolisieren; kann eine Ohnmachtsreaktion sein, wenn Konflikte und Spannungen im sozialen Nahraum überhandnehmen; kann ein Mittel der Lösung von frustrierendem Leistungsversagen sein; kann eine Notfallreaktion auf heftige psychische und soziale Entwicklungsstörungen sein. (Prof. Klaus Hurrelmann, Drogenkonsum als problematische Form der Lebensbewältigung im Jugendalter, in: Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Stuttgart (Hrsg.), Informationsdienst zur Suchtprävention Nr. 3/1991, S. 5/6) 17
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