Deutschlandfunk (DLF): Länderzeit / Beitrag vom aus der muslimischen Kindertagesstätte Tulpengarten in Mannheim
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- Christa Schäfer
- vor 7 Jahren
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1 Deutschlandfunk (DLF): Länderzeit / Beitrag vom aus der muslimischen Kindertagesstätte Tulpengarten in Mannheim Islamische Werte Fördert ein muslimischer Kindergarten die Integration? Moderatorin: Warum ist das Bedürfnis bei Kindern so groß auch einfach über Gott zu reden? Knoblauch: Kinder bringen grundsätzlich alles in die Kindertageseinrichtung mit, was ihnen im täglichen Leben, in ihrer Erfahrungswelt begegnet. Das kann der Sport sein, das kann die Sprache sein, das ist aber eben sehr häufig auch die Religion. Kinder werden religiös sozialisiert, auch wenn sie aus nicht religiösen Familien stammen. Sie sehen Kirchen, sie merken, dass andere Menschen Feste feiern, sie fragen nach, sie beobachten religiöse Ausprägungen und Rituale und sie haben selbstverständlich Fragen dazu. Abgesehen davon beschäftigen sich alle Kinder mit grundsätzlichen Wertfragen, sie überlegen sich was ist gut, was ist böse, was ist sozial oder unsozial, gerecht, ungerecht. Sie fragen sich natürlich auch inwiefern das Leben endlich ist oder unendlich ist, also welche Ausblicke es gibt. Sie fragen sich, ob Gott existiert, wie er existiert. Ich stoße oft auf Fragen wie Ist der Opa jetzt im Himmel? Wenn ja, warum überfahren Flugzeuge ihn nicht, das müsste ja eigentlich passieren. Kinder konstruieren also Vorstellungen auch religiöser Art natürlich und sie bringen diese mit und sie reflektieren sie ihm Gespräch mit anderen Kindern und in ihren eigenen Überlegungen. Von daher kann man davon sprechen, dass Kinder eine gewisse grundsätzliche religiöse Kompetenz mit in die Einrichtungen bringen. Es muss darum gehen, diese religiöse Kompetenz, genauso wie alle anderen Kompetenzen, konstruktiv anzunehmen und mit diesen Kompetenzen zu arbeiten. Moderatorin: Wie sehen Sie klar muslimische Ausrichtung, müsste da nicht auch christliche und jüdische Ausrichtung dabei sein, um Vielfalt zu bieten? Knoblauch: Wenn man in den Orientierungsplan für Kindertageseinrichtungen Baden Württemberg schaut, dann findet man Ziele wie, Kinder lernen religiöse Vielfalt kennen, Kinder werden sich über ihre religiösen Wurzeln bewusst. Das sind auch Grundsätze und Ziele, die für katholische Einrichtungen gelten und genauso für muslimische Einrichtungen gelten. Wenn die verwirklicht werden, dann begrüße ich so eine Einrichtung natürlich. Interreligiosität muss hier aber immer Thema sein.
2 Es kann nicht sein, und das darf auch in katholischen oder evangelischen Einrichtungen nicht sein, dass ausschließlich der christliche Glaube gelebt und verkündet wird. Das ist nicht Ziel einer religiösen und interreligiösen Bildung im frühkindlichen Bereich. Moderatorin: Überforderung der Erzieherinnen, ist das schwierig für Erzieherinnen heutzutage auch? Knoblauch: Selbstverständlich. Das ist auch schwierig für uns, also im Glauben ist man nie, wie Sie sagen sattelfest. Glaube ist etwas sehr dynamisches, Glaube ist etwas sehr individuelles und Glaube bewegt sich ständig. Das heißt für die Ausbildung des pädagogischen Fachpersonals muss eine Reflexionsmöglichkeit geschaffen werden, also man muss über die eigene religiöse Sozialisation reflektieren können. Man muss darüber nachdenken, angeleitet in der Erzieherinnenschule oder an den Hochschulen, wo ja auch als Bachelor und Masterstudiengänge die frühe Bildung angeboten wird, inwiefern man religiös geprägt ist, wie man zur Religion und Religiosität steht, wie man zu anderen Religionen steht und da kommen wir jetzt in den fachlichen Bereich, da gehört auch unbedingt dazu, dass ich die Grundideen der abrahamitischen Religionen, also Judentum, Islam und Christentum kennen und benennen kann und dementsprechend kompetent mit Eltern kooperieren kann, indem ich ihnen zeige: Ich kenne mich, zumindest ein Stück weit, in Ihrer Religion aus. Ich kann mit Ihren Festen etwas anfangen und ich kann kompetent auf Ihre Kinder und ihre religiöse Sozialisation eingehen, gleichzeitig aber auch den Bogen schlagen zu anderen Religionen, also interreligiös kompetent arbeiten. Moderatorin: Können diese hohen Anforderungen erfüllt werden? Knoblauch: Das sind sicherlich hohe Anforderungen. Ich finde, das sind aber sehr, sehr wichtige Anforderungen, denn in dem Moment, wo ich Eltern und Kinder anderer Religionen ignorant begegne und mich eben überhaupt nicht auskenne, stoße ich die natürlich auch vor den Kopf. Also ich zeige ihnen damit auch, zumindest implizit, sie sind hier nicht wirklich willkommen, ich bin völlig überfordert und ich kann nicht wirklich hier kompetent mit ihnen und mit ihren Kindern arbeiten. Eine Grundausbildung im interreligiösen Überblick, also zu wissen, welche Feste im Islam gefeiert werden konkret, was die fünf Säulen bedeuten, welche religiösen Traditionen für Muslime wichtig sind, ich denke, das ist gar nicht so schwierig zumindest grundsätzlich einmal zu lernen.
3 Moderatorin: Inwiefern ist so eine Kita Integrationsfördernd oder hemmend? Knoblauch: Das ist sehr schwierig zu beurteilen. Ich finde das Statement von Herrn Sahin vorhin sehr passend. Er hat gesagt, es kommt nicht auf katholische oder muslimische Trägerschaft an, sondern es kommt auf die Art und Weise darauf an, wie in dieser Einrichtung gearbeitet wird. Ziel kann eigentlich nicht sein, ich habe jetzt schon sehr oft den Begriff Integration gehört hier, eine kleinere Gruppe in eine größere zu integrieren, sondern es muss eigentlich darum gehen, vorurteilsfrei Kinder in ihrer kompletten Vielfalt, und die ist ja extrem plural, anzunehmen. Es muss also um eine inklusive, nicht eine integrierende Erziehung und Bildung in der Einrichtung gehen. Einrichtungen können das sehr wohl leisten, wenn sie kooperieren, mit anderen Einrichtungen, mit dem sozialen Nahfeld, mit dem Umfeld. Wir haben gerade gehört, der Besuch von Moscheen, Synagogen, Kirchen spielt hier eine sehr wichtige Rolle, Realbegegnungen zu initiieren, also muslimische und christliche Kinder treffen sich hier in der Einrichtung und ich hole Menschen aus dem Glauben, aus der Gegend dazu, also beispielsweise einen Priester oder einem Imam, der von seinen Erfahrungen erzählt, von seiner Religion erzählt und das eben sehr authentisch tun kann. Dann können solche Einrichtungen wirklich inklusiv arbeiten, vorurteilsfrei arbeiten und auch klar machen, das kommt sehr häufig zu kurz, dass es nicht das muslimische Kind und das christliche Kind gibt, sondern, dass innerhalb der Religion natürlich auch eine sehr starke Pluralität herrscht und die Kinder sehr unterschiedlich sozialisiert sind in ihren religiösen Vorstellungen. Moderatorin: Hilflosigkeit von Erzieherinnen bei Einbeziehung von muslimischen Kindern in städtischen/ christlichen Einrichtungen? Knoblauch: Ich würde es nicht als Hilflosigkeit, ich würde es als Unsicherheit beschreiben und die kann ich auch sehr gut nachvollziehen. Man findet allerdings sehr gute Anleitungen, also die Orientierungspläne der Länder für die Kindertageseinrichtungen haben klare Ziele ausgegeben, es gibt Handreichungen dazu, die zum Thema Interreligiosität viele Informationen geben. Es muss einfach gearbeitet werden, in der Ausbildung und in der Fortbildung, dann kann man solchen Unsicherheiten begegnen, dann kann man eine inklusive interreligiöse Erziehung und Bildung, das hört sich kompliziert an, ist auch nicht einfach, aber dann kann man die tatsächlich bewerkstelligen.
4 Moderatorin: Geben Sie uns ein Beispiel dafür, wie das gut aussehen kann? Knoblauch: Ich habe jetzt häufig von muslimischen und christlichen Werten gehört, hier in der Diskussion. Die Idee, dass Judentum, Christentum und Islam, als abrahamitische Religionen, sich einen sehr großen Wertekanon teilen, ist ein guter Ausgangspunkt, um darauf einzugehen, die einzelnen Kinder zu fragen Was ist euch wichtig im Miteinander? Wie erlebt ihr Werte zu Hause? Was bringt ihr mit?, die Eltern miteinzubeziehen und dann draufzuschauen, was für Werte haben wir? Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Nächstenliebe vielleicht, das sind alles Werte, und diese Liste ist sehr lang, die sie in diesen drei Religionen, und auch den anderen Weltreligionen, wiederfinden. Das heißt von einem sehr, sehr ähnlichen, teilweise gemeinsamen Wertekanon können sie ausgehen und dann in die einzelnen Religionen schauen, wie diese gelebt werden, wie sie sich denn in bestimmten Geboten wiederfinden und da finden sie viele Gemeinsamkeiten. Diese Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und zu zeigen, wir stehen auf einer gemeinsamen Wertebasis, gleichzeitig aber auch zu sehen, es gibt klare Unterschiede zwischen den Religionen, und über die kann man nicht hinweggehen, die muss man akzeptieren können und die muss man auch aushalten können, das kann ein Beispiel für eine gute inklusive Erziehung und Bildung sein. Moderatorin: Denken Sie auch, dass eigenständiges Denken durch religiöse Bildung behindert wird? Knoblauch: Ganz im Gegenteil. Ein Grundprinzip der konstruktivistischen Pädagogik, und auf dieser baut unsere Bildungsidee ja auf, in allen Einrichtungen, Kindertageseinrichtungen wie Schulen, ist eben, dass Kinder Konstrukteure sind. Also Konstrukteure ihrer eigenen Vorstellungen und ihrer eigenen Überzeugungen. Die können nicht religiös oder religiös sein. Kinder bringen religiöse Ideen und Fragen, kritisch und unkritisch, mit in die Einrichtung. Damit ist es Aufgabe aller Bildungseinrichtungen, diesen religiösen Fragen auch zu begegnen. Also über existentielle Erfahrungen und Fragen mit den Kindern zu sprechen, über Wertvorstellungen mit ihnen zu sprechen, aus einer weltanschaulich neutralen Haltung, aber eben auch aus einer religiösen Perspektive. Das ist sicherlich etwas mehr der Fall in konfessionellen Einrichtungen und eventuell etwas weniger der Fall in kommunalen Einrichtungen. Das sollte aber, und so sieht man es auch in den Orientierungsplänen von zwölf Bundesländern in Deutschland, Thema sein. Also hier ist Religion als Thema ganz klar verortet.
5 Wenn ich jetzt höre, Bildung sollte nicht religiös geprägt sein, weil Religion durchaus für Probleme sorgen kann und durchaus zu Konfrontationen führen kann, dann könnte ich auch sagen, Bildung sollte nicht von Sprache geprägt sein. Denn Kinder bringen Sprachprobleme mit, Kinder bringen unterschiedliche Sprachen mit, nur weil das kompliziert ist, das aus der Einrichtung rauszunehmen, ist absolut nicht machbar, ist für mich auch nicht nachvollziehbar. Also auf Basis eines pädagogischen Konstruktivismus gehört Religion, gehört alles wozu Kinder sich Gedanken machen in die Bildung und Erziehung. Moderatorin: Entkonfessionalisierung der Kindertageseinrichtungen? Knoblauch: Gut, zunächst mal sind das alles Kindertageseinrichtungen. Das finde ich ganz wichtig festzuhalten, und dann haben die eine bestimmte Prägung, eine bestimmte Perspektive, und diese Perspektive nimmt die Vielfalt in der Gesellschaft auf. Also sie haben katholische Trägerschaften, evangelische Trägerschaften und auch muslimische Trägerschaften, genauso wie sie kommunale haben und eben private. Diese Vielfalt ist etwas, das wir uns bewahren sollten, denn sie gibt den Eltern und den Kindern die Möglichkeit, sich dort stärker zu engagieren und dort in die Eirichtung zu gehen, wo sie es für das beste halten. Das heißt sie können über eine konfessionelle Prägung ihrem Kind die Möglichkeit geben, einen stärkeren religiösen Bezug in der Einrichtung zu haben oder eben auch nicht, wenn sie bewusst einen anderen Anbieter nehmen. Wichtig ist aber, Religion ist im Orientierungsplan Baden Württemberg und in vielen anderen Ländern ganz klar als Bildungs und Entwicklungsziel ausgeschrieben, darf also nicht fehlen.
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