Information. Aktuelle Rechtsprechung zur Zeitarbeit. Stand: August 2013
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- Jonas Wolf
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1 Information Aktuelle Rechtsprechung zur Zeitarbeit Stand: August
2 Vorwort X Vorwort Die Zeitarbeit wird als Flexibilitätsinstrument zunehmend eingeschränkt Mit der Umsetzung der europäischen Leiharbeitsrichtlinie traten wesentliche gesetzliche Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zum Schutz der Zeitarbeitnehmer in Kraft. Doch auch die Rechtsprechung hat in den letzten Monaten wesentliche Neuerungen gebracht, die Unternehmen bei der Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern vor neue Herausforderungen stellen. Insbesondere bei der praktischen Umsetzung herrscht noch große Unsicherheit. Nach den gesetzlichen Restriktionen wird die Zeitarbeit jetzt auch durch die Arbeitsgerichte als Flexibilisierungsinstrument zurückgedrängt. Die Einschränkung der Zeitarbeit gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Wir geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung mit Hinweisen für die Umsetzung in der Praxis. Bertram Brossardt 09. August 2013
3 Inhalt X Inhalt 1 Schwellenwerte Zeitarbeiter wählen und zählen Betriebsänderungen Größe des Betriebsrats Unternehmensmitbestimmung Kündigungsschutz im Entleiherbetrieb: Zeitarbeiter zählen mit Vorübergehend Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei dauerhafter Einstellung von Zeitarbeitnehmern Tendenzen in der Rechtsprechung Fazit... 6 Ansprechpartner... 7 Impressum... 7
4 Schwellenwerte 1 1 Schwellenwerte Zunehmend müssen Zeitarbeiter bei Schwellenwerten berücksichtigt werden. 1.1 Zeitarbeiter wählen und zählen Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) belegen die seit einiger Zeit erkennbare Tendenz zur Einbeziehung von Zeitarbeitnehmern bei der Berechnung von Schwellenwerten im Entleiherbetrieb. Das BAG hatte es bislang abgelehnt, langfristig eingesetzte Zeitarbeitnehmer bei der Berechnung der betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerte zu berücksichtigen. Es galt der Grundsatz Zeitarbeitnehmer wählen, zählen aber nicht. Wie die jüngsten Urteile zeigen, gilt dies inzwischen als überholt Betriebsänderungen Das BAG hat am 18. Oktober entschieden, dass Zeitarbeitnehmer bei Betriebsänderungen im Sinne des 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) als wahlberechtigte Arbeitnehmer des Kunden mitzählen. Unmittelbare Auswirkungen hat das Urteil für Entleiherbetriebe, die einschließlich der eingesetzten Zeitarbeitnehmer mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen. Diese sind künftig verpflichtet, vor Betriebsänderungen ihren Betriebsrat zu beteiligen, sofern die eingesetzten Zeitarbeitnehmer in der Regel als Arbeitnehmer des Kundenunternehmens anzusehen sind, das heißt länger als sechs Monate innerhalb eines Jahres im Entleiherbetrieb eingesetzt werden und wahlberechtigt sind, das heißt ihr Einsatz im Kundenbetrieb für mehr als drei Monate am Stück geplant ist Größe des Betriebsrats Im März 2013 entschied das BAG 2, dass im Betrieb eingesetzte Zeitarbeitnehmer nicht nur wahlberechtigt, sondern auch für die Größe des zu wählenden Betriebsrats im Entleiherbetrieb von Bedeutung sind. Zeitarbeitnehmer seien bei der Größe des Betriebsrats grundsätzlich mitzuzählen, wenn ihre Beschäftigung bei einer wertenden Gesamtbetrachtung keine Ausnahmesituation darstelle, sondern im Allgemeinen für den Be- 1 Az. 1 AZR 335/10 2 BAG, Beschluss vom Az. 7 ABR 69/11
5 Schwellenwerte 2 trieb kennzeichnend sei. Das BAG stellt ausschließlich auf den regelmäßigen Personenbedarf im Kundenbetrieb ab. Von wem dieser abgedeckt wird, spiele dabei keine Rolle. Aus dem Zweck des 9 BetrVG folge: Je mehr Arbeit im Betriebsrat anfalle, desto mehr Mitglieder solle er haben. 1.2 Unternehmensmitbestimmung Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) 3 beschloss, dass Zeitarbeitnehmer auch bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl gemäß 9 Abs. 1 Mitbestimmungsgesetz mitzählen: Der Schwellenwert von Arbeitnehmern entscheidet über die Frage, ob die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in unmittelbarer Wahl oder aber in einer Delegiertenwahl gewählt werden. 1.3 Kündigungsschutz im Entleiherbetrieb: Zeitarbeiter zählen mit Grundsätzlich gilt das Kündigungsschutzgesetz nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Zu den Arbeitnehmern im Entleiherbetrieb zählten bisher nicht die dort beschäftigten Zeitarbeitnehmer, da diese nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen. Im Januar 2013 hat das BAG 4 allerdings entschieden: Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Zeitarbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem in der Regel vorhandenen Personalbedarf beruht. Es komme dabei nicht entscheidend darauf an, für welche Dauer der jeweils einzelne Zeitarbeitnehmer im Betrieb eingesetzt ist. Auch dann, wenn auf einem Arbeitsplatz ständig wechselnde Zeitarbeitnehmer eingesetzt werden, ist dieser, soweit er die regelmäßige Belegschaftsstärke kennzeichnet, zu berücksichtigen. 3 Beschluss vom , 9 Ta BV 308/12, Rechtsbeschwerde eingelegt beim BAG unter dem Az. 7 ABR 42/13 4 BAG, Urteil vom Az. 2 AZR 140/12
6 Vorübergehend 3 2 Vorübergehend Interpretation des Begriffes durch die Gerichte Gemäß 1 Absatz 1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) erfolgt die Arbeitnehmerüberlassung vorübergehend. Der Begriff wurde mit Wirkung zum 01. Dezember 2011 in das AÜG eingefügt und sollte nach der Gesetzesbegründung lediglich der Klarstellung dienen. Ihm kommt keine zeitliche, sondern nur eine modale Bedeutung zu: Er beschreibt, was dem Wesen der Zeitarbeit ohnehin immanent ist. 2.1 Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei dauerhafter Einstellung von Zeitarbeitnehmern Das BAG 5 beschäftigte sich am 10. Juli 2013 erstmals mit dem Begriff vorübergehend. Nach Auffassung des BAG kann der Betriebsrat des Entleiherbetriebes seine Zustimmung zu einer Einstellung eines Zeitarbeitnehmers verweigern, wenn dieser nicht nur vorübergehend eingesetzt werden soll. 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG enthalte nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz, sondern untersage die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. Sie diene zum einen dem Schutz der Zeitarbeitnehmer. Zum anderen soll sie auch die dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft des Entleiherbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindern. In dem vom BAG entschiedenen Fall wollte der Arbeitgeber frei werdende Arbeitsplätze zukünftig ausschließlich und unbefristet mit Zeitarbeitskräften besetzen. Der Betriebsrat verweigerte daraufhin seine Zustimmung zu den entsprechenden Einstellungen gemäß 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Das BAG gab dem Betriebsrat Recht: Die dauerhafte Einstellung von Zeitarbeitnehmern stelle einen Gesetzesverstoß dar und rechtfertige deshalb die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats. Das Gericht ließ die Frage offen, welchen Zeitraum der Begriff "vorübergehend" umfasst. Jedenfalls nicht mehr vorübergehend sei es, wenn der Arbeitgeber beabsichtige, Zeitarbeiter ohne jegliche zeitliche Begrenzung statt einer Stammkraft einzusetzen. 5 Az. 7 ABR 91/11, bisher liegt nur die Pressemitteilung vor.
7 Vorübergehend 4 Praxishinweise Zwar liegen die Entscheidungsgründe noch nicht vor, folgende Vorkehrungen sollten in der Praxis bereits jetzt getroffen werden: - Der Zeitarbeitseinsatz muss auch formal zeitlich begrenzt erfolgen. - Vorsorglich sollte die nicht dauerhafte Natur des konkreten Zeitarbeitseinsatzes anhand eines Sachgrunds belegt werden (entsprechend den Sachgründen in 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz). - Soweit es möglich ist, sollte der Betriebsrat im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach 99 BetrVG darauf hingewiesen werden, dass die Zeitarbeitnehmer nicht an Stelle von Stammarbeitskräften im Betrieb eingesetzt, sondern beispielsweise zur Abdeckung von Auftragsspitzen oder zur Abwicklung von Sonderaufträgen benötigt werden. Das LAG Niedersachsen 6 stellte klar, dass Zweifel des Betriebsrats, ob die Einstellung eines Zeitarbeitnehmers tatsächlich nur vorübergehend erfolgt, kein Zustimmungsverweigerungsrecht begründen. Im Streitfall hat sich der Arbeitgeber nicht offensiv dazu bekannt, alle neu zu besetzenden Stellen nur noch mit Zeitarbeitern zu besetzen. Angesichts der weiterhin bei der Arbeitgeberin direkt erfolgenden Einstellungen, könne nicht davon ausgegangen werden, dass mittel- und langfristig die Stammbelegschaft vollständig durch Zeitarbeitnehmer verdrängt werde. 2.2 Tendenzen in der Rechtsprechung Anfang 2013 hat das LAG Berlin-Brandenburg 7 entschieden, dass ein Unternehmen, das dauerhaft Zeitarbeitnehmer beschäftigt, diese nach längerem Einsatz als eigene Arbeitnehmer übernehmen muss. Ein nicht vorübergehender Verleih sei von der Überlassungserlaubnis nicht gedeckt und führe nach 10 Absatz 1 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Zeitarbeitnehmer. Es stelle einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar, wenn die Beauftragung des Verleihunternehmens nur dazu diene, Lohnkosten zu senken oder kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen. Auch das LAG Baden-Württemberg entschied Ende , dass im Falle nicht vorübergehender Überlassung die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher die Rechtsfolge unzulässiger Arbeitnehmerüberlassung sei. 6 Beschluss v Az. 2 TaBV 62/12 7 Urteil v Az. 15 Sa 1635/12 8 Urteil v Az. 11 Sa 84/12, Revision anhängig unter Az. 9 AZR 51/13
8 Vorübergehend 5 Demgegenüber hatte eine andere Kammer des LAG Berlin-Brandenburg das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Zeitarbeitnehmer verneint 9. Der Gesetzgeber habe eine solche Rechtsfolge nicht vorgesehen. In diesem Fall und gegen das Urteil des LAG Baden-Württemberg wurde Revision eingelegt. Mit einer Entscheidung ist in den nächsten Monaten zu rechnen. Wichtiger Hinweis Das BAG hat sich bisher noch nicht dazu geäußert, welche Sanktionen drohen, wenn sich die Arbeitnehmerüberlassung als nicht vorübergehend herausstellt. Der Pressemitteilung ist zu entnehmen, dass ein nicht mehr vorübergehender Einsatz nach Auffassung des BAG einen Gesetzesverstoß darstelle. Konsequenterweise wäre eine nicht mehr vorübergehende Überlassung von Zeitarbeitskräften sodann nicht mehr von der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gedeckt. Folge: Die Zeitarbeitnehmer werden automatisch und rückwirkend mit allen rechtlichen Konsequenzen Arbeitnehmer des Entleihers! Eine abschließende Bewertung der Entscheidung des BAG ist erst möglich, wenn die Gründe veröffentlicht worden sind. 9 Urteil v Az. 7 Sa 1182/12, Revision anhängig unter Az. 10 AZR 111/13
9 Fazit 6 3 Fazit Einschränkung der Zeitarbeit als Flexibilitätsinstrument In der Rechtsprechung sind klare Tendenzen festzustellen: Einerseits wird die Zeitarbeit als vorübergehendes Flexibiltitätsinstrument entwertet. Andererseits wird zumindest aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht die Stellung der Zeitarbeiter immer mehr an die der Stammarbeitskräfte im Entleiherbetrieb angeglichen.
10 Ansprechpartner / Impressum 7 Ansprechpartner Karolina Groll Grundsatzabteilung Telefon Telefax karolina.groll@baymevbm.de Impressum Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher Form verzichtet. Herausgeber: bayme Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e. V. vbm Verband der Bayerischen Metallund Elektro-Industrie e. V. Max-Joseph-Straße München bayme vbm August 2013
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