Rede Volkstrauertag 2013
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- Elisabeth Fiedler
- vor 7 Jahren
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1 Rede Volkstrauertag 2013 Braucht es einen Volkstrauertag noch? Ich gestehe, dass mir diese Frage jedes Mal durch den Kopf geht, wenn ich mich an die Vorbereitung meiner Rede mache. Doch bei den ersten Überlegungen, welche Themen ich ansprechen könnte, merke ich sehr schnell: ja, es braucht einen Tag, an dem ein Volk, an dem die Menschen in sich gehen und sich erinnern, was zur Generation unserer Eltern und Großeltern geschah, um sich zu vergegenwärtigen, was heute auf der Welt an Krieg, Unrecht und Verfolgung geschieht und für sich zu klären, welche Konsequenzen man daraus für das eigene Handeln zieht. Gesten waren sie wieder unterwegs in Wunsiedel: die Ewiggestrigen, die eine ganz eigene Version der Geschichte der NS-Diktatur erzählen, die Täter und Opfer vertauschen, die aufrechnen und verharmlosen. Auch wenn es nur 150 laut Zeitungsberichten waren, täuschen wir uns nicht: die Gefahr ist ernst zu nehmen und sie ist quasi um die Ecke. Im sogenannten Nationalen Zentrum in Oberprex werden Veranstaltungen durchgeführt, in denen gezielt Geschichtsklitterung betrieben wird. So heißt im Internet über eine Veranstaltung: An zahlreichen historischen Beispielen wurde dargelegt, wie das Deutsche Reich durch interessierte Kreise im Ausland in den Zweiten Weltkrieg hineingezwungen wurde. Es werden Gäste aus der Reichshauptstadt begrüßt und man hetzt gegen Zuwanderung, prangert selbst die
2 Steigerung von Studenten aus dem Ausland an deutschen Hochschulen an. Es scheint, als wäre unsere Demokratie stark genug und gäbe es genügend Demokraten, die sich diesem Gedankengut widersetzen. Doch die Nagelproben kommen immer wieder: die aktuell stark steigenden Asylbewerberzahlen werden politisches Futter bringen und die Ressentiments gegen die sogenannte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme sind ohnehin schon bis weit in die Mitte der Gesellschaft vorhanden. Die gute wirtschaftliche Lage entschärft die Diskussion zwar etwas, aber was passiert, wenn sich das mal ändert? Denn eine Differenzierung über die Herkunftsländer der Asylbewerber findet ja wie immer nicht statt. Wussten Sie, dass die meisten Asylbewerber 2013 aus Russland und Syrien kommen? Syrien, ein Land in dem ein brutaler Bürgerkrieg herrscht, bei dem Menschen aus Angst um ihr Leben flüchten kommt uns das nicht bekannt vor? Flucht, Vertreibung? Wie wäre eine angemessene Reaktion eines zivilisierten Landes, eine angeblich so christlichhumanistischen Europas? Schotten dicht? Europa streitet um die Verteilung der Flüchtlinge wie um Viehtransporte, aber nicht wie um Menschen, Frauen, Kinder, Einzelschicksale, die uns dann bewegen, wenn sie im Fernsehen persönlich vorgestellt werden, die uns aber kalt lassen, wenn sie in einer anonymen Zahl von mehr als Asylanträgen im Jahr vorkommen.
3 Und es interessiert uns auch nicht, dass der Anteil der abgelehnten Anträge - bei wie gesagt insgesamt steigenden Zahlen zurückgeht. D.h. mehr Menschen, die Anträge stellen, erfüllen auch die strengen Kriterien. Waren es 2010 bis 2012 noch über 50 %, die abgelehnt wurden, so sind es bis Oktober 2013 noch 38,5 %. Die meisten kommen nicht ohne Grund zu uns. Wenn wir heute also zu Recht um die Opfer von Flucht und Vertreibung im und nach dem 2. Weltkrieg trauern, dann sollte diese Trauer nicht die einzige Reaktion sein. Ihr muss die klare Botschaft folgen, dass wir helfen, wenn Menschen in diese Situation kommen. Nach dem 2. Weltkrieg war die Armut in diesem Land riesig, jeder hatte große eigene Probleme und dennoch gelang es, die enormen Flüchtlingsströme zu integrieren. Natürlich kommt bei der heutigen Zuwanderung das Sprach- und Kulturproblem dazu: deshalb müssen wir hier ansetzen. Die Menschen müssen die Möglichkeit bekommen, unsere Sprache zu lernen, damit Integration, damit Verständnis überhaupt möglich ist. Kasernierung oder Auslagerung in abgelegene Dörfer ohne Bezug zur Außenwelt führt dazu, dass sie sich als Fremdkörper fühlen. Gestatten Sie mir heute noch ein zweites Thema anzusprechen, bei dem Erschütterung und Handeln sich gegenseitig bedingen müssten und bei dem es auch Trauer geht.
4 Die unsagbare Katastrophe auf den Philippinen macht uns alle sprachlos. Und wenn mich mein Sohn bei Fernsehbildern fragt, wieso wir da nicht helfen, nichts machen können, dann macht mich das betroffen. Wir können helfen, jeder, heute, sofort: mit einer Spende. Und dennoch bekämpfen wir damit in einem ersten Schritt nur die Folge, nicht die Ursache: den Klimawandel. Wie konsequent geht die Welt damit um? Die größte Ungerechtigkeit am Klimawandel ist, dass die Verursacher, nämlich die industrialisierte Welt, die Folgen kaum spüren und die Unschuldigen dafür umso dramatischer. Wir können also auch die Ursachen bekämpfen. Wenn heute bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin die Energiewende in Frage gestellt wird, dann machen wir uns an zukünftigen klimabedingten Katastrophen mitschuldig. Und die westliche Welt wird sich in 50 oder 100 Jahren, wenn ganze Inseln verschwunden sein werden, wenn Taifune wie auf den Philippinen häufiger werden, von ihren Kindern fragen lassen müssen: warum habt ihr nichts getan! Wollen wir dann antworten: weil uns die 10 EUR mehr Strom im Monat zu viel waren sarkastisch? Sicher, sehr provozierend, aber ich hoffe nachdenkenswert. Meine Damen und Herren, das Wesen des Volkstrauertages war und ist für mich immer, es nicht bei der Trauer zu belassen, sondern aus der Trauer Konsequenzen zu ziehen, um dafür zu sorgen, dass weniger Menschen auf dieser Welt Trauer und Verzweiflung erleben müssen. Und mir
5 ging und geht es darum, diesen Tag immer wieder auch mit Aktualität zu versehen. In diesem Sinne danke ich Ihnen Allen für Ihr Kommen und danke den Mitwirkenden für ihre Unterstützung.
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