Gefährdungsbeurteilung physischer und psychischer Belastung(en) Werftentagung in Kiel, 08. bis 10. Juni 2016
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1 Gefährdungsbeurteilung physischer und psychischer Belastung(en) Werftentagung in Kiel, 08. bis 10. Juni 2016 Werftentagung Kiel, Juni 2016
2 Agenda Gesellschaftlicher Rahmen gesetzliches und untergesetzliches Regelwerk Kampagnen und Programme Grundverständnis zur Gefährdungsbeurteilung physischer und psychischer Belastung originärer und integraler Bestandteil des Arbeitsschutzes PDCA-Zyklus arbeitswissenschaftliches Fundament: Belastungs-und Beanspruchungsmodell und Arbeitssystemgestaltung Gefährdungsbeurteilung physischer Belastung Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung Seite 2
3 Jede(r) hat Anspruch auf physische und psychische Gesundheit bei der Arbeit 4 ArbSchG - Allgemeine Grundsätze (1) Die Arbeit ist so zu gestalten, das eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. 5 ArbSchG - Beurteilung der Arbeitsbedingungen (3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch [ ] psychische Belastungen bei der Arbeit. meint nicht: Beanspruchung meint nicht: aus dem Privatleben Seite 3
4 Gesetzliches und untergesetzliches Regelwerk Arbeitsschutzgesetz Betriebssicherheitsverordnung DGUV Vorschrift 1 Grundsätze der Prävention TRBS 1151 Gefährdungen an der Schnittstelle Mensch Arbeitsmittel Ergonomische und menschliche Faktoren, Arbeitssystem DIN EN ISO Seite 4
5 Kampagnen und Programme Programme der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie ( ) GDA MSE Prävention macht stark - auch Deinen Rücken GDA Psyche Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung DGUV - Präventionskampagne "Denk an mich. Dein Rücken ( ) Seite 5
6 Grundverständnis zur Gefährdungsbeurteilung physischer und psychischer Belastung Integration physischer und psychischer Faktoren in die Analyse, Beurteilung und Gestaltung von Arbeitsplätzen (Perspektive: kein losgelöste Vorgehensweise) qualifizierte betriebliche und überbetriebliche Akteure (Führungskräfte, Planer, Arbeitsschutzexperten,...) Vermeidung bzw. Minimierung von Fehlbeanspruchungen und Belastungen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten Gestaltung des Arbeitssystems (Elemente & Wechselwirkungen) Seite 6
7 Prozess der Gefährdungsbeurteilung (PDCA) Vorgeschaltete Bestandsaufnahme Wahl des Verfahrens Schritt 1*: Schritt 2*: Schritt 3*: Schritt 4*: Schritt 5*: Festlegung gleichartiger Tätigkeiten / Arbeitsplätze Erfassung der psychischen Belastungsfaktoren (kritische Merkmale vorhanden / nicht vorhanden) Bewertung der psychischen Belastungsfaktoren (Risikoeinschätzung: Akzeptabel / Besorgnis / Gefahr) Ableitung und Durchführung von Maßnahmen Prüfung der Wirksamkeit (durchgeführt / dauerhaft wirksam / Nebenwirkungen) Mitbestimmung des Betriebsrates Dokumentation ( 6 ArbSchG) Fortschreibung * ) Schritte streng trennen Seite 7
8 Grafiken: Cliparts Gestaltungsziele menschengerechter Arbeitsgestaltung ausführbar Grundvoraussetzung schaffen (Körpermaße, Sinnesorgane, Biomechanik) schädigungslos Gesundheitsschäden vermeiden (Verschleiß, Unfälle, Berufskrankheiten) beeinträchtigungsfrei Befindlichkeitsstörungen vermeiden (Stress, psychische Ermüdung, Monotonie, Konflikte) persönlichkeitsfördernd Potentiale und Kompetenzen entfalten und fördern (Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten, Handlungs- und Entscheidungsspielräume, ganzheitliche Arbeit) Seite 8
9 Gefährdungsbeurteilung physischer Belastung Seite 9
10 Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung Seite 10
11 Teil-Agenda Grundverständnis psychische Gesundheit Handlungsfelder zum Schutz und der Stärkung psychischer Gesundheit im Betrieb Vorgehensweisen, Methoden und Instrumente zur Integration psychischer Belastung in die Gefährdungsbeurteilung Handlungshilfen Seite 11
12 Psyche Psyche (umgangssprachlich definiert) Denken Handeln Fühlen Verhalten Seite 12
13 Psychische Gesundheit - Definition Psychische Gesundheit ermöglicht das Leben zu genießen und gleichzeitig Schmerzen, Enttäuschungen und Unglück zu überwinden. Sie ist eine positive Lebenskraft und ein tiefer Glaube an unsere eigene Würde und unseren Selbstwert. (Definition Psychische Gesundheit, British Heart Foundation) Seite 13
14 Modell Psychische Gesundheit Vorbedingungen genetische Faktoren Schwangerschafts- und Geburtsfaktoren frühe Kindheitserfahrungen Familienumfeld Soziale Bedingungen physikalisches Umfeld Erziehung Beschäftigung Arbeitsbedingungen Wohnbedingungen Gesellschaft & Kultur Aktuelle Einflussfaktoren z. B. Lebensereignisse Psychische Gesundheit Individuelle Ressourcen Aktueller sozialer Kontext z. B. soziale Unterstützung Gesellschaft & Kultur Ergebnisse Niveau des Wohlergehens körperliche Gesundheit Wissen & Qualifikation Symptome Beziehungsqualität Sexuelle Befriedigung öffentliche Sicherheit Produktivität Teilhabe Seite 14
15 Grafik: Cliparts Erweitertes Belastungs-Beanspruchungs-Modell Betriebl. Ressourcen soziale Unterstützung Folgen beim Menschen Folgen im Betrieb Belastungen Arbeitsaufgabe Arbeitsablauf / -organisation Arbeitsplatz / -mittel / -umgebung Soziale Beziehungen Arbeitsplatz(un-) sicherheit Private Belastungen Adäquate Beanspruchung Beanspruchung Über- / Unterforderung Individ. Ressourcen insbes. Qualifikation, Erfahrung, Gesundheit Kurzfristig positiv, z.b. Aufwärmeffekt Kurzfristig negativ, z.b. vermindertes Wohlbefinden: Ärger, Frust verminderte Leistungsfähigkeit: Fehler, psychische Ermüdung ermüdungsähnliche Zustände (Monotonie ) Stress Langfristig positiv, z.b. Motivation Gesundheit Langfristig negativ, z.b. sozialer Rückzug körperl. Erkrankung: Rückenschmerzen, Bluthochdruck, psych. Erkrankung: Sucht, Burnout, Fehlzeiten Tendenz zu: Produktivität Qualität Reibungslose Abläufe Tendenz zu: Fehlerzunahme Erhöhter Unfallgefahr Mitarbeiterausfall Planungs-/Terminschwierigkeiten Mehrarbeit/ Überstunden Mehrkosten Kundenreklamationen Pos. / neg. Rückkopplung Seite 15
16 BB-Modell und die Erkrankungspyramide * körperlich / psychisch Grafik: Cliparts Seite 16
17 Das Modell und die Handlungsfelder 2 Betriebliche Ressourcen stärken 1 Belastungen / Stressoren erkennen und anpassen Handlungsfeld II: Früherkennung Eignung/Befähigung Grafik: Cliparts Handlungsfeld I: Gefährdungsbeurteilung 3 Individuelle Ressourcen stärken Handlungsfeld III: Wiedereingliederung Rückfallverhinderung Seite 17
18 Handlungsfeld I: Gefährdungsbeurteilung Ziele, Strategien und Ansätze Ziele Rechtssicherheit Minimierung der Gefährdung (Sicherheit und Gesundheit) (& Förderung des Wohlbefindens der Mitarbeiter) Strategien und Ansätze Gefährdungsbeurteilung inklusive psychischer Belastung Auseinandersetzung mit auffälligen Faktoren durch differenziertere Analyse, Beseitigung bzw. Reduktion krankmachender Faktoren und den Ausbau gesunderhaltender Faktoren Seite 18
19 Problembeschreibung multikausaler Ursachen Wirkungszusammenhang intra- und interindividuelle Unterschiede Vielzahl von psychisch wirkenden Faktoren am Arbeitsplatz Wechselseitige Abhängigkeiten parallel wirkender Faktoren unterschiedliche zeitliche Stabilität psychischer Faktoren fehlende Angaben von Grenz- bzw. Richtwerten für eine Vielzahl psychisch wirkender Faktoren und deren Kombinationen Seite 19
20 Anforderung einer Gefährdungsbeurteilung Analyse / Identifikation aller systematischen / wesentlichen Gefährdungs- und Belastungsfaktoren Bewertung der Faktoren (Einflüsse) hinsichtlich ihres Risikos für Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter Maßnahmen entwickeln und umsetzen für riskante Faktoren Wirksamkeitskontrolle Dokumentation der Ergebnisse (Mitbestimmungsrechte des BR) Seite 20
21 Methodenauswahl nach Analysetiefe Grobanalyse (Orientierende Verfahren) Zweck: Belastungsschwerpunkte finden, anschließend deren Ursachenanalyse z.b. Standardisierte schriftliche Mitarbeiterbefragungen z.b. Moderierte Analyseworkshops für ungeschulte Nutzer Grundsätzlich ist sinnvoll, orientierend zu beginnen und Ressourcen eher in Maßnahmen zu investieren Vertiefende Verfahren (Screening-Verfahren) für geschulte Nutzer Expertenverfahren größte Analysetiefe für ausgebildete Experten (häufig Arbeitspsychologen) Seite 21
22 Kompendium Unfallverhütungsvorschrift DGUV Vorschrift 1 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen, Dokumentation, Auskunftspflichten 10. Psychische Faktoren 10.1 Ungenügend gestaltete Arbeitsaufgabe (z. B. überwiegende Routineaufgaben, Über- / Unterforderung) 10.2 Ungenügend gestaltete Arbeitsorganisation (z. B. Arbeiten unter hohem Zeitdruck, wechselnde und/oder lange Arbeitszeiten, häufige Nachtarbeit, kein durchdachter Arbeitsablauf) 10.3 Ungenügend gestaltete soziale Bedingungen (z. B. fehlende soziale Kontakte, ungünstiges Führungsverhalten, Konflikte) 10.4 Ungenügend gestaltete Arbeitsplatz- und Umgebungsbedingungen (z. B. Lärm, Klima, räumliche Enge, unzureichende Wahrnehmung von Signalen und Prozessmerkmalen, unzureichende Softwaregestaltung) 10.5 Seite 22
23 Wesentliche Merkmalsbereiche Wesentliche Merkmalsbereiche psychischer Belastung in der Gefährdungsbeurteilung Arbeitsinhalt / Arbeitsaufgabe Soziale Beziehungen Arbeitsorganisation Arbeitsumgebung Neue Formen der Arbeit Vollständigkeit Handlungsspielraum Variabilität Information Verantwortung Qualifikation Emotionale Inanspruchnahme Arbeitszeit Arbeitsintensität Störungen / Unterbrechungen Kommunikation / Kooperation zu den Kolleginnen und Kollegen zu den Vorgesetzten physikalische u. chemische Faktoren physische Faktoren Arbeitsplatz- und Informationsgestaltung Arbeitsmittel räumliche Mobilität atypische Arbeitsverhältnisse zeitliche Flexibilisierung Seite 23
24 Bewertung der Gefährdungen Möglichkeiten der Beurteilung: verfahrensinterne Kriterien oder Referenzwerte für kritische Ausprägungen (z.b. kritische Merkmalskombinationen) externe empirische Vergleichswerte (z.b. Vergleichszahlen zur betrachteten Berufsgruppe) Beurteilung im Workshop Seite 24
25 Die höchsten arbeitsplatzbezogenen Risiken für psychische Gesundheit Arbeitsplatzunsicherheit Entgrenzung der Arbeitszeit Arbeitsintensivierung Zunahme psychosozialer Anforderungen Mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf (European Agency for Safety and Health at Work 2007) Seite 25
26 Kritische Merkmalsausprägungen in Gefährdungsbeurteilung Hohe Arbeitsintensität Arbeitsplatzunsicherheit Gratifikationskrisen (Ungleichgewicht zw. Verausgabung und Belohnung) Überstunden Schichtarbeit (Abend- und Nachtschichten) geringe soziale Unterstützung Rollenstress aggressives Verhalten am Arbeitsplatz Arbeitsplatzunsicherheit wirken verstärkt in Kombination Quelle: Rau, R.; Burken, D.: Der aktuelle Kenntnisstand über Erkrankungsrisiken durch psychische Arbeitsbelastungen. (Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 59, 2015, ) weiter verstärkt in Kombination mit geringer sozialer Unterstützung Seite 26
27 Präventionsmaßnahmen psychischer Belastung Vorrangig: verhältnispräventive Maßnahmen zur Arbeitsgestaltung Stellschraube 1: Belastungen / Stressoren anpassen Stellschraube 2: Betriebliche Ressourcen stärken Eignungsdiskussion Resilienz-Training zur Verbesserung der psychischen Leistungsvoraussetzung Stellschraube 3: Individuelle Ressourcen stärken Einbeziehung der Beschäftigten verhaltenspräventive Maßnahmen zum Umgang mit psychischen Fehlbeanspruchungsfolgen Stellschraube 3: Individuelle Ressourcen stärken Seite 27
28 Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung mögliche Anlässe für Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung: Veränderung der Arbeitsbedingungen (z.b. Restrukturierung, Anschaffung neuer Maschinen) auffällige Häufungen von bspw. Fluktuation, Beschwerden, Gesundheitsbeeinträchtigungen, die auf eine negative Belastungssituation hindeuten neue arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse oder Arbeitsschutzvorschriften Seite 28
29 Handlungshilfen Entwicklung und Verbreitung von Handlungshilfen und weiteren Unterstützungsangeboten für Betriebe und Beschäftigte Vielzahl von Handlungshilfen bei den UVT BGHM Handlungshilfen, Impulsprojekte und Seminare (GEPB10) GDA- Handlungshilfen inklusive Erklärfilm GDA-Seite Seite 29
30 Handlungsfeld 2: Früherkennung, Eignung / Befähigung Ziele, Strategien und Ansätze Ziele Arbeitssicherheit & Gesundheitsschutz durch die Auswahl befähigter / geeigneter Mitarbeiter Strategien und Ansätze psychische Tätigkeitsanforderungen reflektieren Eignungs- / Befähigungsmerkmale definieren Mitarbeiterverhalten wahrnehmen und ggf. intervenieren Seite 30
31 Handlungsfeld 3: Wiedereingliederung/Rückfallverhinderung Ziele, Strategien und Ansätze Ziele Beschäftigungsfähige Mitarbeiter im Unternehmen bis zum Rentenalter Strategien und Ansätze Eingliederungsmanagement Rückfallverhinderung Ganzheitliche Suchtprävention Aufbau eines überbetrieblichen Netzwerkes Befähigung der Führungskräfte Seite 31
32 Ausblick Identifikation von Faktoren (Ausprägungen) mit hohem Risiko für Gesundheitsgefährdung - Kommunikation Auswirkungen auf das Präventions- und Aufsichtshandeln weiterführend Qualifizierung betrieblicher Akteure Übersicht / Datenbank zu Instrumenten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung fortführend: Aufbauqualifizierung Aufsichtspersonal Verstärkung Zweitrevision Seite 32
33 Welche Fragen kann ich beantworten? Seite 33
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