Psychosomatische Behandlung von schulvermeidendem. Verhalten im stationären Kontext. Psychosomatik 1, Dipl.-Psych. Walther Stamm 2013
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- Bernd Klein
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1 Psychosomatische Behandlung von schulvermeidendem Verhalten im stationären Kontext
2 Inhalte Prozentualer Anteil der Patienten? Behandlungsanlässe? Warum psychosomatisch? Warum stationär? Diagnostik Behandlung
3 Statistik Schultyp Jahr der Aufnahme Grundschule Hauptschule Realschule Gymnasium Geschlecht w m w m w m w M Gesamt 0 % 2,8 % 0 % 5,5 % 8,3 % 5,6 % 5,5 % 2,8 % 30,5 % 0 % 0 % 5,6 % 11,1 % 0 % 2,8 % 5,6 % 8,3 % 33,4 % 0 % 0 % 8,3 % 8,3 % 2,8 % 11,1 % 0 % 5,6 % 36,1 % Gesamt nach 0 % 2,8 % 13,9 % 24,9 % 11,1 % 19,5 % 11,1 % 16,7 100 % Geschlecht % Gesamt 2,8 % 38,8 % 30,6 % 27,8 % 100 % Hoher Anteil von Schulvermeidern an den stationär behandelten Patienten.
4 Behandlungsanlässe In fast allen Fällen standen bei den schulvermeidenden Patienten körperliche Beschwerden im Vordergrund der Problembeschreibungen. Ursachen und aufrechterhaltende Faktoren der Beschwerden liegen in einem komplexen Geflecht von körperlichen, seelischen und sozialen (Familie, Freunde, Schule) Belastungsfaktoren.
5 Warum psychosomatisch? Schulvermeidendes Verhalten stellt ein unspezifisches Symptom dar. Seine Ursachen, Auslöser und aufrechterhaltende Faktoren können körperlicher, seelischer und sozialer Natur sein
6 Warum psychosomatisch? Schulvermeidendes Verhalten legt daher ein biopsycho-soziales Krankheitsmodell nahe. Seine Diagnostik und Behandlung verlangt folgerichtig eine interdisziplinäre Kooperation Bio Psycho Sozial Organmedizin Psychiatrie, Psychologie Familientherapie, Pädagogik, Sozialarbeit die in der Psychosomatik traditionell angelegt ist.
7 Interdisziplinäres Team Bereich Chefarzt Oberärztin Therapeuten Pflege- und Erziehungsdienst Fachtherapien Beratungsdienste Disziplinen FA für Pädiatrie, Neuropädiatrie und Psychotherapie FÄ für Pädiatrie, Psychiatrie und Psychosomatik Psychologe, Systemischer Familientherapeut Kinder- und jugendpsychiatrische AssistenzärztInnen Pädiatrische AssistenzärztInnen ErzieherInnen, HeilerzieherInnen, Kinderkrankenschwestern und -pfleger, PädagogInnen, SozialpädagogInnen Arbeitstherapie, Ergotherapie (einzeln und Gruppe), Entspannungstherapie, Erlebnistherapie, Heilpädagogik, Kunsttherapie, Motopädagogik, Musiktherapie, Physiotherapie, Reittherapie, Sozialkompetenz-Training, Tanztherapie Sozialdienst, Rehabilitationsberatung
8 Warum stationär? Herausnahme aus einem belastenden Umfeld Unterbrechung von sich selbst verstärkenden Rückkopplungsschleifen Schulvermeidung Lern- bzw. Integrationsdefizite Angstund Stress- Symptome Stressbelastung
9 Warum stationär? Scheitern oder zu langsame Fortschritte von ambulanten Interventionen bzw. Therapien aufgrund zu geringer Intensität massiver Chronifizierung fehlender Ressourcen fehlender Mitarbeit des Patienten mangelnder Synergie oder Interferenzen zwischen den Interventionen innerhalb oder zwischen den Helfersystemen
10 Warum stationär? Möglichkeit des kontrollierten Neustarts des Schulbesuches (Reset-Charakter) Akute Krisen oder massiver Druck aus der Umgebung (z. B. drohender Schulausschluss, Suizidalität, traumatisierende Hilflosigkeit der Eltern)
11 Diagnostik Die Diagnostik erfolgt analog zu unserem Krankheitsmodell auf 3 Ebenen: Bio-Ebene Psycho-Ebene Soziale Ebene
12 Bio -Diagnostik Diagnostik bei der Aufnahme oder im Verlauf Sichtung der Vorbefunde bzw. Anforderung der Befunde Entwicklungs- und Krankheitsanamnese (inkl. Mutterpass und Untersuchungsheft) Familiäre Krankheitsanamnese Vollständige pädiatrische Untersuchung EKG, EEG, HNO, Augenarzt Erkenntnisziele Ausschluss einer bisher unerkannten organischen Grunderkrankung bzw. Einschätzung des Krankheitsprozesses von bekannten organischen Erkrankungen Einschätzung der Stärke der körperlichen Beschwerden als Basis der Beuteilung der Beschulbarkeit Einschätzung der Notwendigkeit einer organmedizinischen Behandlung der Beschwerden Ggfs. weitere fachärztliche Untersuchungen
13 Psycho -Diagnostik Diagnostik bei der Aufnahme oder im Verlauf Sichtung oder Anforderung von psychologischen, psychotherapeutischen oder kinder- und jugendpsychiatrischen Vorbefunde Störungsanamnese: Seit wann? Wie begonnen? Wann am stärksten? Symptomfreie Zeiten? Schulanamnese: Sichtung aller Zeugnisse Kontaktaufnahme mit der Herkunftsschule Testpsychologie: Persönlichkeitsdiagnostik (z. B. FPI, PFK9-14) (Teil-)Leistungsdiagnostik (z. B. HAWIK, CPT) Störungsspezifische Diagnostik (z. B. DIKJ, AFS, PHOKI, SPAIK, SESSKO, ) Fragebogen zu Schul- und Trennungssituationen Erkenntnisziele Was ist bisher schon mit welchem Erfolg versucht worden? Ursachen, Auslöser, verstärkende und aufrechterhaltende Bedingungen? Schuleignung, Teilleistungsstörungen, Konzentrationsdefizite, Leistungsverhalten, soziale Integration, Mobbing. Hinweise auf zugrundeliegende Einstellungen, Bewertungsmuster Falsche Beschulung, Teilleistungsstörungen Depressivität, Sozialängste, Schulängste, Leistungsängste und Phobien, Selbstwertprobleme Hinweise auf Auslöser
14 Sozio -Diagnostik Diagnostik bei der Aufnahme oder im Verlauf Familienanamnese insbesondere bzgl. Kritische Lebensereignisse Erkrankungen anderer Familienmitglieder Erkenntnisziele Belastende Lebensumstände Familiärer Umgang mit Erkrankungen bzw. Beschwerden bzw. familiäre Ängste Soziale Störungsanamnese: Wer reagiert wie bei schulvermeidendem Verhalten? Hinweise auf verstärkende und aufrechterhaltende Reaktionsmuster? (z. B. Prinzenrolle bei Krankheit) Bisherige familiäre Lösungsversuche: Was wurde bisher mit welchem Erfolg versucht? Ansatzpunkte für Interventionen Hinweise auf Do Nots Systemische Diagnostik: Familienbrett Familienkarte Zirkuläre Fragen Hinweise auf verstärkende und aufrechterhaltende Bedingungen in der Familiendynamik
15 Behandlung Die Behandlung erfolgt analog zu unserem Krankheitsmodell auf 3 Ebenen: Bio-Ebene Psycho-Ebene Soziale Ebene
16 Behandlung auf der Bio -Ebene Intervention Bei Beschwerden immer zum Arzt! Ziele Beschwerden werden ernst genommen! Der Fachmann für körperliche Beschwerden beurteilt die Schulfähigkeit Bei Beschwerden selbst überlegen lassen, was helfen könnte! Selbstverantwortung und Eigeninitiative statt passive Krankenrolle Beschwerden sind beeinflussbar! Soweit erforderlich Behandlung einer Grunderkrankung oder ihrer Symptome Langweilige oder mühsame Verschreibungen Ganztägiges Ausruhen im Zimmer Rollkur bei Magenschmerzen Verhinderung oder Abbau von Überforderung Wiederherstellung einer schulisch/beruflichen Perspektive trotz Erkrankung Abbau des sekundären Krankheitsgewinns ( Prinzenrolle ) Mobilisierung der Motivation des Patienten, wieder gesund zu werden bzw. gesund zu bleiben.
17 Behandlung auf der Psycho -Ebene Stufenplan zur schulischen Wiedereingliederung I 1. Stufe Beschäftigung mit Schulstoff auf der Station (Dauer: 1-2 Wochen) 2. Stufe Besuch der Klasse für Kranke (2-4stündige Beschulung) Dauer: 2-4 Wochen (je nach Symptomatik) 3. Stufe Steigerung der Belastung in der Klasse für Kranke durch Hausaufgaben, Lernaufgaben, Referate etc. Dauer: 1-2 Wochen 4. Stufe Kontaktaufnahme mit der Herkunftschule durch Anruf des Schülers beim Klassenlehrer, Brief an die Herkunftsklasse etc. 5. Stufe Selbständige Vorbereitung des Besuches der Heimatschule Beschaffung des Stundenplanes Heraussuchen von ÖVPN-Verbindungen Abfahren des Schulweges mit Betreuer Abfahren des Schulweges ohne Betreuer Wecker beschaffen Information der Schule bzgl. Termin der Rückkehr an die Schule
18 Behandlung auf der Psycho -Ebene Stufenplan zur schulischen Wiedereingliederung II 6. Stufe Selbständiger, kontinuierlicher Besuch der Heimatschule von Station aus (Dauer: 1-2 Wochen) Schulweg-Begleitung durch Betreuer falls erforderlich Überprüfung des Leistungsstandes und der sozialen Integration Veränderung der Beschulung erforderlich? Zusätzliche Hindernisse für den Schulbesuch ersichtlich? 7. Stufe Selbständiger, ununterbrochener Besuch der Heimatschule von Daheim aus (Dauer: 1-2 Wochen) Nach der Schule jeweils auf Station (tagesklinische Behandlung) dadurch Erhöhung der Stressbelastung und Überprüfung, ob die Schwelle für den Schulbesuch von daheim aus zu hoch ist 8. Stufe Entlassung auf Probe Dauer: 1-2 Wochen
19 Behandlung auf der Psycho -Ebene Begleitend zur gestuften Wiedereingliederung: Übungs- und Expositionsbehandlung bzgl. spezifischer Defizite oder Ängste vermittels Therapeutische Aufgaben: z. B. shame-attack, Fachtherapien: z. B. Sozialkompetenz-Training Milieutherapie Klärung der Schul-/Ausbildungsperspektive Will ich an dieser Schule bleiben? Welchen Abschluss will ich? Was gibt es für Alternativen?
20 Behandlung auf den Sozio -Ebenen Elternebene Regelmäßige Elterngespräche Bearbeitung der erlernten Hilflosigkeit der Eltern Wiederherstellung der elterlichen Handlungsfähigkeit: Was kann ich tun, wenn man Kind morgens nicht in die Schule geht? durch Herstellung elterlicher Autorität nach dem Modell der elterlichen Präsenz von Haim Homer Herstellung elterlicher Autorität Abbau der Geheimhaltung Aufbau von Unterstützungssystemen Verselbständigung des Schulbesuches bzgl. Wecken und Aufstehen Schulweg Lernen und Hausaufgaben Abbau der Prinzenrolle Förderung altersgemäßer Freizeitbeschäftigungen innerhalb und außerhalb der Familie Psychosomatik1, Dipl.-Psych. Walther Stamm 2013
21 Behandlung auf den Sozio -Ebenen Schulische bzw. Berufliche Ebene Informierende und koordinierende Gespräche mit der Herkunftsschule Absprachen bzgl. des Vorgehens bei Nicht-Erscheinen bzw. Verlassen der Schule vor Unterrichtsende Äußerung von körperlichen Beschwerden gestufter Wiedereingliederung (z. B. Verschieben oder Ersetzen von Leistungsnachweisen) Sozialdienst, Beratungslehrer, Schulpsychologische Beratungsstelle, Schulamt Arbeitstherapie, Arbeitsamt, Berufsinformationszentrum Klärung der schulischen Perspektive durch Schulischen Nachteilsausgleich bei längerer Krankheit Schullaufbahnberatung Unterstützung bei der Suche nach passenden Beschulungsformen Klärung der beruflichen Zukunftsperspektiven Unterstützung bei der Suche nach Praktikumsplätzen Unterstützung bei der Suche nach Ausbildungsalternativen
22 Ausblicke Zukunftsperspektiven für die Behandlung von Schulvermeidendem Verhalten
23 Was uns (noch) fehlt! Eine Schulvermeidungs-Ambulanz für eine möglichst zeitnahe ambulante Vor- und Nachsorge Die Vernetzung in einem Arbeitskreis Schulvermeidung mit Jugendämtern Schulen, Schulsozialarbeitern, Schul- Projekten, schulpsychologischen Beratungsstellen Gesundheitsämtern (Schulärztlicher Dienst)
24 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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