Wellness Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)

Transkript

1 Seite 1 von 6 Wellness Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) steht in Deutschland für Akupunktur. Die asiatische Heilkunst umfasst jedoch eine große Palette an Therapien von Arzneien über Taiji bis zur Schröpfkopfbehandlung. Die TCM unterscheidet sich von der Schulmedizin vor allem dadurch, dass sie eine ganzheitliche Heilmethode ist. Dem chinesischen Arzt geht es nicht nur darum, Krankheiten zu entdecken und zu heilen, sondern auch Störungen aufzuspüren, die sich beim Patienten noch nicht bemerkbar gemacht haben. So dient TCM vor allem der Vorbeugung und bietet sich als ergänzende Behandlung zum Beispiel von chronischen Erkrankungen wie Rheuma an. FOCUS hat in Zusammenarbeit mit Dr. Carl-Hermann Hempen die Grundprinzipien der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zusammengestellt und beantwortet wichtige Fragen: Was ist TCM? Welche Heilverfahren gibt es? Was kann TCM bei Erkrankungen leisten? Wie hoch liegen die Behandlungskosten? 1 Der Experte à Dr. Carl-Hermann Hempen ist niedergelassener Internist mit dem Schwerpunkt Naturheilverfahren und leitet eine große Praxisgemeinschaft in München, die sich auf Traditionelle Chinesische Medizin spezialisiert hat. Er war zirka 20 Jahre Präsident der Internationalen Gesellschaft für Chinesische Medizin/SMS und hat zahlreiche Schriften veröffentlicht, darunter Die Medizin der Chinesen, Goldmann Verlag, und den dtv-atlas Akupunktur, ferner Fachliteratur zu den Themen Arzneitherapie und Diätetik. Was ist TCM? Die zirka 3000 Jahre alte Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) versteht den menschlichen Organismus als komplexes System von miteinander verbundenen Funktionseinheiten. Nach der Vorstellung chinesischer Ärzte durchfließt den Menschen Lebensenergie, Qi genannt. Der Fluss des Qi sollte im Körper erhalten werden. Kommt es im menschlichen Organismus zu Stauungen, kann das Qi nicht mehr fließen, und der Mensch wird krank. Der Arzt hat die Aufgabe, solche Stauungen zu lösen. Bei der TCM handelt es sich um eine Ganzheitsmedizin, die somatische (den Körper betreffende), psychische und geistige Faktoren berücksichtigt. Ferner stehen die Vorstellung von Yin und Yang und die Lehre von den Fünf Wandlungsphasen im Zentrum der TCM. Nach der Lehre von Yin und Yang ist das Universum in duale Strukturen geordnet, die sich in Gegensätzen wie männlich und weiblich, Tag und Nacht, Sonne und Mond, Sommer und Winter wiederfinden. Die Fünf-Phasen-Lehre geht davon aus, dass alles in

2 TCM Seite 2 von 6 fünf Kategorien (Feuer, Wasser, Holz, Metall und Erde) aufgeteilt werden kann, die gegenseitig in Wechselwirkung zueinander stehen. Diese Prinzipien finden sich in der TCM wieder, was das Verständnis von Körper und Heilung anbelangt. Wenn Yin und Yang im Gleichgewicht sind, spricht man von einem ausgewogenen Gesundheitszustand. Diesen Gesundheitszustand zu erhalten ist das Ziel des Arztes. Wird einer der beiden Pole stärker als der andere, muss er mit entsprechenden Maßnahmen eingedämmt werden. Die Fünf-Phasen-Lehre ordnet den fünf Elementen Körperbereiche zu. So stehen etwa die Nieren für Wasser und das Herz für Feuer. Im menschlichen Körper muss alles im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Daher ist und bleibt gesund, wer das richtige Maß gefunden hat beim Essen, Trinken, bei der Bewegung und dem Ausruhen, selbst bei Emotionen. Welche Heilmethoden existieren? Um einen aus dem Gleichgewicht gekommenen menschlichen Körper wieder in Balance zu bringen, kennt die TCM verschiedene Methoden, darunter Arzneien, Akupunktur, Atem- und körperliche Übungen (zum Beispiel Taiji oder Qi Gong) sowie eine bestimmte Ernährung. Arzneimittel Die wichtigste Heilmethode der TCM ist die Verwendung von Arzneien. Die insgesamt mehr als 3000 Arzneien der TCM bestehen aus mineralischen, pflanzlichen oder tierischen Stoffen. Sie werden für einen Patienten individuell zusammengestellt und dosiert. 2 Manche chinesische Arzneimittel sind auch in Europa zu bekommen, jedoch sollten Sie sie nicht ohne vorherige Beratung eines Arztes zu sich nehmen, denn auch die richtige Dosierung ist für Europäer schwierig. Generell ist Vorsicht geboten; so ist zum Beispiel die Wirkung der zahlreichen Substanzen untereinander schwer einzuschätzen und vor allem in Kombination mit modernen Pharmaka fraglich. In Deutschland kommen hauptsächlich pflanzliche Arzneimittel zum Einsatz. Die Medikamente werden überwiegend gekocht und als Absud oder Tee getrunken. Die Arzneikunde hat sich in China im Wesentlichen als reine Erfahrungsmedizin entwickelt, die erst im 12. Jahrhundert in Zusammenhang mit dem Neokonfuzianismus theoretisch gestützt wurde. Ärzte bemühten sich, die Wirkung von Arzneien mit Naturgesetzen zu erklären und dem System von Yin und Yang entsprechend festzulegen, welche Substanzen bei welchen Krankheiten in welchen Körperteilen verwendet werden sollten. Akupunktur Die im Westen bekannteste Methode der TCM ist die Akupunktur. Sie geht davon aus, dass der Mensch von Leitbahnen (Energiebahnen des Körpers) durchzogen ist, die die Lebensenergie transportieren. Die Leitbahnen sind nach traditioneller chinesischer Vorstellung mit den Organen verbunden. Kommt das Qi aus irgendeinem Grund ins Stocken, soll die Akupunktur durch Stimulieren der Akupunkturpunkte auf den Leitbahnen Stauungen auflösen. Akupunktur nutzt man zur Regulation, deshalb ist sie besonders wirksam bei funktionellen und chronischen Störungen. Sie hilft zum Beispiel bei Gelenkerkrankungen, Asthma, Kopf-

3 TCM Seite 3 von 6 schmerzen, neurologischen, psychischen und Magen-Darm- sowie Herzerkrankungen, indem sie Gefäße und Organe aktiviert, Muskeln entspannt und das Immunsystem stärkt. Auch in der Schmerztherapie und in der Suchtbehandlung kommt Akupunktur zum Einsatz und soll dort gute Wirkungen zeigen. Generell bietet sich Akupunktur ergänzend zur Schulmedizin an. Welche Akupunkturpunkte bei welchen Erkrankungen wie zu stimulieren sind, ist vielfältig überliefert und basiert auf den Erfahrungen des jeweiligen Arztes. Daraus ergeben sich unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Aussagen, die aber auch daraus resultieren, dass verschiedene Theorien zu Grunde liegen. Chinesische Ärzte gehen davon aus, dass sie gezielt auf das Qi einwirken können. Westliche Wissenschaftler können Qi aber mit üblichen Messmethoden nicht nachweisen, daher gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Die Ergebnisse der Nadeltherapie zeigen aber, dass sie wirkt. Es konnte nachgewiesen werden, dass Akupunkturpunkte nicht nur elektrische Eigenschaften aufweisen, sondern sich unter diesen Punkten Gefäß-Nervenbündel befinden. 3 Ein TCM-Arzt sollte eine entsprechende Ausbildung in Akupunktur und ausreichend Übung im Setzen der Nadeln haben. Die Atmosphäre im Behandlungsraum sollte angenehm sein, der Patient sich wohl fühlen und auf einer harten, rutschfesten Unterlage liegen. Der Einstich der Nadeln sollte möglichst wenig Schmerzen verursachen. Akupunkturbehandlungen sollten nicht länger als drei Wochen dauern und nicht häufiger als zweimal am Tag vorgenommen werden. Nach drei Wochen regelmäßiger Behandlung empfiehlt es sich, eine Pause von drei Wochen einzulegen. Für Kinder unter zwölf Jahren und Schwangere ist Akupunktur nicht zu empfehlen; ferner sollten Patienten, die längere Röntgenbestrahlungen auf sich nehmen mussten, keine Nadeltherapie erhalten. Nach Kneipp- oder Bäderkuren sollte eine akupunkturfreie Zeit eingehalten werden. Es gibt besondere Formen der Akupunktur, die sich auf bestimmte Körperregionen beschränken; am bekanntesten ist die Ohrakupunktur. Es wird angenommen, dass im Ohr der komplette menschliche Organismus abgebildet ist. Die Ohrakupunktur kommt vor allem in der Schmerzund Suchttherapie zum Einsatz. Es gibt noch weitere Stimulationsarten wie Behandlungen mit elektrischen Methoden oder per Laser. Mit der Elektroakupunktur kann ein Arzt Krankheiten diagnostizieren. Die bioelektrische Methode misst die Leitfähigkeit des Gewebes der Akupunkturpunkte, so dass über die Akupunkturpunkte auf die Erkrankung eines bestimmten Organs geschlossen werden kann. Soft- oder Midlaser dringen bei der Laserakupunktur in das Gewebe ein und bewirken eine so genannte Biostimulation. Diese Methode ist bei kosmetischen Behandlungen beliebt, vor allem aber setzen Sport- und Unfallmediziner sie gern ein. Moxibustion Die Moxibustion ist neben dem Stechen mit Nadeln eine Methode, bei der die Akupunkturpunkte gereizt werden, indem Moxakraut (Beifuß) verbrannt wird. Häufig kommt dabei die so genannte Moxazigarre zum Einsatz: Beifußkraut wird mit Papier umwickelt und der dadurch

4 TCM Seite 4 von 6 entstehende Stift mit dem brennenden Ende an den Akupunkturpunkt herangeführt. Sobald der Patient die Hitze als unangenehm empfindet, entfernt der Arzt die Moxazigarre. Moxibustion kommt vor allem bei Schmerzen im Kopf- und Wirbelsäulenbereich zum Einsatz sowie bei Asthma und Bronchitis. Qi Gong Diese traditionelle chinesische Heilgymnastik, die wörtlich mit Arbeiten am Qi übersetzt werden kann, besteht aus Atmung, Bewegung und Meditation. Auch hier spielen die Leitbahnen, die den menschlichen Körper durchziehen, eine große Rolle. Mit Hilfe einer bestimmten Atemtechnik und speziellen Bewegungen soll der Fluss der Lebensenergie Qi, der die Leitbahnen durchströmt, angeregt werden. Mit dieser Methode soll vor allem Krankheiten vorgebeugt, Beschwerden sollen gelindert werden. Heilen kann Qi Gong nicht, es soll aber beruhigend auf das vegetative Nervensystem wirken, Verspannungen lösen und Gelassenheit fördern. Qi Gong wird auch ergänzend zur Akupunktur eingesetzt. Taiji 4 Die oft als Schattenboxen bezeichnete alte chinesische Kampfkunst ist ein gesundheitsförderndes meditatives Bewegungssystem. Tai-Chi-Übungen sollen die Lebensenergie Qi aktivieren: Langsame, fließende Bewegungen, die vorgegeben sind, erhöhen nach traditioneller chinesischer Auffassung den Fluss des Qi in den Leitbahnen und fördern dadurch die Gesundheit. Auch geht es darum, das vermehrte Qi im Körper, das für mehr Energie sorgt, bewusst zu steuern. Die Form entspricht der Vorstellung von Yin und Yang, indem jeder Bewegung eine Gegenbewegung folgt. Taiji fördert nicht nur die Energie, sondern löst auch Verspannungen und sorgt für mehr Ausgeglichenheit. Ferner wird die Muskulatur, besonders die des Rückens, gestärkt. Tuina-Massage Bei dieser Massagetechnik stehen die Akupunkturpunkte und die Leitbahnen im Zentrum, die der Arzt mittels Tasten, Drücken, Reiben, Massieren entsprechend der vorliegenden Beschwerden behandelt. Diese Heildisziplin ist darauf ausgerichtet, Störungen zu beseitigen, die den Fluss des Qi behindern, sie hilft bei Spannungen, Steife und Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparats. Sie soll aber auch bei Magenschmerzen, grippalen Infekten und Migräne Erfolge zeigen sowie vorbeugend gegen Herzerkrankungen wirken. Schröpfkopfbehandlung Bei der Schröpfkopfbehandlung erzeugt der Arzt in kleinen Glaskugeln durch Erhitzen Unterdruck und appliziert die Kugeln auf die Haut des Patienten, auf der sie haften bleiben. Ziel der Therapie ist es, den Blut- und Qi-Fluss anzuregen. Die Behandlung kann zum Beispiel bei Rheumaerkrankungen oder Bewegungsstörungen angewendet werden.

5 TCM Seite 5 von 6 Ernährungstherapie (Diätetik) Wie Arzneien beeinflusst nach traditioneller chinesischer Auffassung auch Nahrung das Qi. Eine ausgewogene Ernährung fördert demnach die Gesundheit und sorgt dafür, dass die Kräfte im Körper im Gleichgewicht sind. Lebensmittel besitzen ihrerseits ein Qi, welches in den Organismus eingreifen kann, und werden nach Temperatur und Geschmack eingeteilt sowie nach dem Bereich, in dem sie wirken. So bewirkt scharfes Essen etwa eine Beschleunigung der Prozesse im menschlichen Körper. Auf diese Weise kann Nahrung gezielt therapeutisch eingesetzt werden, vor allem im Kontext mit weiteren Behandlungsmethoden der Traditionellen Chinesischen Medizin. Welche Diagnostik kennt TCM? Hören, Sehen, Fühlen und Fragen sind die vier klassischen Methoden der TCM-Diagnostik. Die Traditionelle Chinesische Medizin bedient sich heute aber auch westlicher Diagnosemethoden (allgemeine klinische Diagnostik). Für die Diagnose nimmt sich ein TCM-Arzt bis zu einer Stunde Zeit, er befragt seinen Patienten ausführlich zu Essens-, Schlafens- und Lebensgewohnheiten, beurteilt die Stimme, die Zunge (Geruch, Aussehen), das Ohr (soll Aufschluss über eine eventuell vorhandene Krankheit geben) und den Puls. 5 Die TCM geht davon aus, dass sich das Körperinnere auf der Zunge spiegelt. So wird bei der Zungendiagnose, ausgehend von der Farbe und dem Aussehen des Belags, die entsprechende Störung abgeleitet. Bei der so genannten Pulsdiagnose ist ein erfahrener Arzt in der Lage, anhand der Art des Pulses festzustellen, unter welchen Beschwerden sein Patient leidet. Es gibt rund 30 verschiedene Pulsarten, darunter den erschöpften, rauen, tiefen oder schlüpfrigen Puls. Alle Beobachtungen zusammengefasst ergeben für den Arzt ein Bild, anhand dessen er Störungen, Veränderungen und Schwachstellen ablesen kann. Die anschließende Therapie wird sich gezielt auf diese Erkenntnisse stützen. Wie wird TCM in Deutschland praktizier t? Wichtig bei der Beurteilung eines guten TCM-Arztes ist die Ausbildung. Er sollte sie bei einem anerkannten Ausbildungsinstitut absolviert haben. Wochenendseminare reichen nicht aus, um das komplexe Wissen der Traditionellen Chinesischen Medizin zu vermitteln. Für die Behandlung mit Akupunktur verlangt die Ärztekammer etwa eine Ausbildung von 350 Stunden. Bei der Societas Medicinae Sinensis (SMS/Internationale Gesellschaft für Chinesische Medizin e. V.) gibt es ein Ausbildungsangebot von zirka 1000 Stunden, das den Arzt mit allen Bereichen der TCM vertraut macht. Werden Arztkosten erstattet? Einige gesetzliche Krankenkassen zahlen die Behandlung beim TCM-Arzt. Sie sollten sich bei

6 TCM Seite 6 von 6 Ihrer Krankenkasse erkundigen, in welcher Höhe sie für welche Behandlungen Kosten übernimmt. Wenn Sie daran interessiert sind, sich von einem TCM-Arzt behandeln zu lassen, sollten Sie sich überlegen, die Krankenkasse zu wechseln, wenn Ihre derzeitige nicht für die Kosten aufkommt. Auch privat Versicherte sollten sich individuell bei ihrem Versicherungsträger über die Übernahme der Kosten informieren. Einige Krankenkassen übernehmen die Kosten für schmerzstillende Akupunktur. Eine Liste der günstigsten Kassen erhalten Sie per Faxabruf unter der Nummer 01 90/ Die erste Sitzung beim TCM-Arzt kostet zirka ab 70 Euro, darauf folgende zirka ab 50 Euro. 6 Beachten Sie: Dieses Dokument ist nach bestem Wissen erstellt worden. Trotzdem können wir keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Ausführungen und Formulierungen übernehmen. Für verbindliche Auskünfte wenden Sie sich an einen Arzt. Impressum: FOCUS Magazin Verlag GmbH, Arabellastraße 23, München Postfach , München, Telefon: 0 89/ , Fax: 0 89/ Chefredakteur: Helmut Markwort Stellvertreter des Chefredakteurs: Uli Baur Stellvertretender Chefredakteur: Stephan Paetow Art Director: Manfred Neussl Layout: Wolfgang Buß Chefs vom Dienst: Reiner Lanninger, Michael Klonovsky, Ulrich Schmidla Redaktion: FOCUS-Daten (Tel.: 0 89/ , Fax: 0 89/ ): Karl-Richard Eberle; Marc Langner, Klaus Patzak, Gudula Pollmann, Anna-Maria Stellmann Dokumentation/Schlussredaktion: Dr. Martin Seidl, Petra Kerkermeier daten@focus-r.de Dieses Dokument ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet. Jetzt testen: 5 Wochen FOCUS für 5 Euro abo@focus.de, FOCUS-Line: 08 00/ , Fax: 07 81/ , Aktionsnummer: M