Fachtagung Suchterkrankung in der Adoleszenz
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- Christina Kuntz
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1 Fachtagung Suchterkrankung in der Adoleszenz Augustine Gasser Neurologie und Psychiatrie für Kinder und Jugendliche LKH Klagenfurt 30.Mai 2008
2 Was nützt in der Primärprävention? Zur Früherfassung von Risikokindern
3 Inhalt Ätiologie und Pathogenese Risikofaktoren Kinder substanzabhängiger Eltern Komorbide Störungen Schutzfaktoren
4 Ziele der Primärprävention Identifizierung und Definition von Risikopersonen Reduktion der Anzahl von Personen mit Substanzmissbrauch Förderung solchen Verhaltens, das die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung eines Substanzmissbrauchs herabsetzt
5 Ätiologie und Pathogenese Multifaktorielles Ätiologiemodell Suchtstörung entsteht vor dem Hintergrund eines komplexen Bedingungsgeflechtes: Spezifische Substanzwirkung Individuelle Prädisposition Soziale und kulturelle Faktoren
6 Ätiologiemodell nach Edwards Proximal ansetzende modifizierende Variablen Substanzspezifische Wirksamkeitserwartungen Aktualbelastungen Life skills Verfügbarkeit von Substanzen Substanzkonsum unter Peers Soziale Vulnerabilität Gesellschaft Familie Soziales Netz Einstellungen Werte Normen Bildungsvariablen Substanzmissbrauch Personale/ familiale Vulnerabilität Persönlichkeit Temperament Genetische Vulnerabilität Familiäre Faktoren Frühe psychische Störungen
7 Risikofaktoren für Substanzmissbrauch und -abhängigkeit Biologische Faktoren Genetische Prädisposition Neuropharmakologische Faktoren Psychologische F. Drogen als primärer Verstärker Psychische Störungen als Vorläufer/Komorbidität Prädisponierende Persönlichkeitsfaktoren Soziale Faktoren Gebrauch/Billigung von Drogen Psychische Störungen der Eltern Familiäre Konflikte Beziehungsstörungen Defizite der sozialen Bindung Sozialer Kontext/Gesetze, Normen
8 Entwicklungspsychologisches Modell/1 Substanzgebrauch wird beeinflusst vor allem durch soziale Erfahrungen in der Jugendzeit Dominierende Rolle psychischer und psychopathologischer Merkmale bei fortgesetztem Substanzmissbrauch Problematische Formen des Alkohol- und Drogengebrauchs werden mit Übernahme von Erwachsenenrollen beendet, wenn keine psychischen und sozialen Beeinträchtigungen vorliegen Anhaltende Belastung durch Alkohol- und Drogengebrauch bei Zusammentreffen lebensgeschichtlich früher Risikofaktoren mit problematischen Formen des Substanzkonsums im Jugendalter Adolescence-limited life-course-persistend Silbereisen 1995;1999
9 life-course-persistend Etwa 10% der Population weisen lebensgeschichtlich anhaltende Anpassungsstörungen mit Alkohol- und Drogenmissbrauch auf. Eskalierendes Problemverhalten ist bis in die Kindheit zurückzuverfolgen. Es ist gekennzeichnet durch Aggressivität Aufmerksamkeitsstörungen Impulsivität Frustrationsintoleranz
10 Entwicklungspsychologisches Modell/2 Aus der Sicht der Bindungstheorie geht eine unsichere Bindung allgemein einher mit: Problemen der Regulation der eigenen Affekte höherer psychischer Instabilität höheren Neigung zu Drogenmissbrauch Überwiegend anklammernde und ängstlich-vermeidende Bindungsstile bei adoleszenten Drogenabhängigen Fonagy 1996;Schindler 2001
11 Bindungsmuster bei psychisch kranken Müttern Erkrankung der Mutter schwere Depression leichte Depression bipolare Depression Alkoholmissbrauch Drogenmissbrauch Anteil unsicherer Bindung bei Kindern 47% 24% 79% 52% (davon 35% ambivalent) 85% (davon 75% ambivalent) Cicchetti et al., 1995)
12 Familiäre/soziale Risikofaktoren/1 Geringe Einflussnahme/mangelnde Unterstützung Inkonsequenter Erziehungsstil Überprotektiver Erziehungsstil Gleichgültigkeit/Verständnislosigkeit für Belange des Kindes familiäre Konflikte Trennung/Scheidung der Eltern Früher Verlust eines Elternteils Gestörte Eltern/Kind-Beziehung/geringe Bindung
13 Familiäre/soziale Risikofaktoren/2 Alkohol-Drogenmissbrauch Eltern/Geschwister Antisoziales Verhalten der Eltern/Geschwister Sexuelle Missbrauchserfahrungen Zeugenschaft von Gewalt/Posttraumatische Belastungsstörungen Psychische Störungen der Eltern Fehlende soziale Kontrolle Substanzgebrauch durch Freunde Sozialer Kontext: Verfügbarkeit von Drogen, Gesetze und Normen
14 Individuumbezogene Risikofaktoren Geringes Selbstwertgefühl Mangel an Problemlösefähigkeiten Emotionale Labilität, Impulsivität, geringe Frustrationstoleranz Psychische Störungen als Vorläufer Frühes Einstiegsalter in Substanzkonsum Individuelle Einstellungen: Nonkonformität, Rebellion
15 Risikogruppen für die Entwicklung von Substanzmissbrauchsstörungen Kinder substanzabhängiger Eltern Dissoziale Jugendliche Jugendliche mit psychischen Störungen Misshandelte/vernachlässigte Kinder und Jugendliche Kinder und Jugendliche mit traumatisierenden Erfahrungen Ökonomisch benachteiligte Kinder und Jugendliche Schulverweigerer Jugendliche mit spezifischen Lernstörungen
16 Kinder substanzabhängiger Eltern Schädigung erfolgt genetisch: gemeinsames Erbmaterial teratogenetisch: aufgrund der intrauterinen Exposition während der Schwangerschaft peristatisch: durch das Zusammenleben mit suchtkranken Eltern Wechselspiel von elterlichen und kindlichen Risikofaktoren
17 Kinder substanzabhängiger Eltern Elterliche Risikofaktoren Kriminalität Psychische Störungen, Beziehungsbelastungen Körperliche Krankheit Geringe Erziehungskompetenz Nebenwirkungen der Drogen Gewalt in der Familie Kindliche Risikofaktoren Frühgeburt Frühe Trennung Bindungsstörung Entzugssyndrom Beziehungsbelastung Bindungsstörung Verhaltensauffälligkeiten Entwicklugsverzögerungen
18 Kinder- und jugendpsychiatrische Erkrankungen Gehen häufig den substanzbezogenen Störungen voraus Sie begünstigen das Auftreten und beeinflussen den Verlauf eines Drogenmissbrauchs.
19 Komorbide Störungen 28% - 62% Störungen des Sozialverhaltens 16% - 61% Depressive Störungen 15% - 30% Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung Angststörungen Sozialphobische Störungen Beginnende Persönlichkeitsstörung deutlich niedriger, Suizidalität, selbstverletzendes Verhalten aber im Vergleich Schizophrene Psychosen signifikant erhöht Essstörungen (v.a. Bulimie Thomasius 1996
20 Komorbide Störungen 12% - 38% Komorbides Bestehen aller drei Diagnosen: Substanzmissbrauch Verhaltensstörung Affektive Störung Mehr als 60% komorbide psychische Störungen insgesamt bei Adolsezenten im stationären Drogenentzug Thomasius 1996
21 Störungen des Sozialverhaltens mit Beginn in der Kindheit/1 Symptomatik beginnt vor dem 10.LJ Es überwiegt das männliche Geschlecht Die Kinder zeigen häufig anderen gegenüber körperliche Aggressionen Sie haben gestörte Beziehungen zu Gleichaltrigen In der frühen Kindheit findet sich gehäuft eine Störung mit oppositionellem Trotzverhalten
22 Störungen des Sozialverhaltens mit Beginn in der Kindheit Hohe Persistenz der Symptomatik Entwickeln als Erwachsenen eher eine antisoziale Persönlichkeitsstörung Hohes Risiko für Alkohol- und Substanzmissbrauch
23 Hyperkinetische Störung Unaufmerksamkeit Hyperaktivität Impulsivität
24 Prognose des ADHS im Kindesalter (USA) = Epidemiologie im Erwachsenenalter 20-30% zeigen keine weiteren Symptome als Erwachsene 60-70% zeigen zumindest eine Beeinträchtigung als junge Erwachsene 30% erfüllen die Kriterien für ein ADHS nach dem 18ten Lebensjahr 20-30% entwickeln ernsthafte psychopathologische Auffälligkeiten wie Drogenmissbrauch und dissoziale Persönlichkeitsstörung
25 ADHS und Nikotinabhängigkeit Nikotin fördert den Ausstrom von Dopamin ADHS Risikofaktor für frühen Beginn von Zigarettenkonsum bei Kindern Elterliches Rauchen ist Risikofaktor
26 Epidemiologie/Verlauf ADHS im Kindesalter Häufigkeit 3-10 % M : W = 4 : Lebensjahr ADHS 40% 26. Lebensjahr ADHS 11% Dissoziale Störung 27% Dissoziale Störung 18% Abhängigkeit (ohne Alkohol) 16% Abhängigkeit (ohne Alkohol) 16% Manuzza Montreal Studie
27 Schutzfaktoren für Substanzmissbrauch und abhängigkeit/1 Soziale und umweltbezogene Faktoren Gutes Verhältnis zu den Eltern (Vertauen, Unterstützung in schwierigen Situationen) Freundschaft zu Gleichaltrigen (Vertauen, emotionale Unterstützung, positive Modelle) Geringe Belastungen/Stress durch die schulische Umwelt (gutes schul- und Klassenklima, vertrauensvolle Beziehungen zu den Lehrern)
28 Schutzfaktoren für Substanzmissbrauch und abhängigkeit/2 Individuumbezogene Faktoren Hohes Maß an Selbstwertgefühl (Sich so annehmen, wie man ist) Hohes Maß an Eigenaktivität (sich selber beschäftigen können) Realistische Selbsteinschätzung (positive Seiten und Grenzen erkennen) Verfügbarkeit eines flexiblen Bewältigungsrepertoires (Stress- und Alltagssituationen) Gute Beziehungs- und Konfliktfähigkeit
29 Risikoprävention Steigerung protektiver Faktoren Maßnahmen zur Förderung von Lebenskompetenzen Maßnahmen zur Steigerung des Gesundheitsbewusstseins Identifikation und Reduktion der Risikofaktoren Erfassen der Risikokinder und Risikofamilien Frühzeitige und umfassende kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik und Behandlung der psychiatrischen Störungen Konstruktive Zusammenarbeit zwischen Gesundheitswesen, Jugendwohlfahrt, Bildungswesen und Justiz
30 Fazit Kinder und Jugendliche mit psychischen Störungen gekoppelt mit familiären und/oder sozialen Risikofaktoren stellen eine Hochrisikopopulation für die Suchtprävention dar. Die komplexen Zusammenhänge zwischen dem Substanzmissbrauch und den komorbiden psychischen Störungen sind für das Jugendalter weitgehend unerforscht. Die Frage, ob komorbide Störungen dem Substanzmissbrauch voraus gehen und dessen Auftreten begünstigen oder ob ein dritter Faktor für beide Störungen verantwortlich ist, lässt sich nicht sicher beantworten.
31 Fazit Kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik kann Hochrisikopopulationen identifizieren Es bedarf einer frühzeitigen und umfassenden kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik und Behandlung der psychiatrischen Störungen
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