Kinder haben Rechte! Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes

Transkript

1 Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes Eine Einführung Fachdienstetreffen der Flüchtlingssozialarbeit Mittwoch 14. März 2007 Referentin: Iris Engelhardt

2 Die UN Kinderrechtskonvention das Grundgesetz für Kinder Die Konvention ist mehr als ein trockenes Dokument mit einigen Verhaltensregeln. Sie hat eine Vision. Sie drückt die Grundwerte im Umgang mit Kindern, ihren Schutz und ihre gesellschaftliche Beteiligung aus. (Zitat Thomas Hammarberg, schwedischer Kinderrechtsexperte) Kinder haben Rechte! ist die zentrale Aussage des Grundgesetzes für Kinder. Kinder werden in der Konvention nicht als unmündige Wesen gesehen, die noch erwachsen werden müssen, sondern sie werden als Individuum mit eigenen Rechten betrachtet. Entsprechend ihrer Reife haben Kinder das Recht ihre Interessen wahrzunehmen. Erziehungsberechtigte und auch der Staat haben die Aufgabe die Rechte der Kindern zu schützen, zu gewährleisten und zu respektieren. Wie ist die UN-Kinderrechtskonvention entstanden? Besonders die Situation von Kindern in Europa nach dem ersten Weltkrieg gab den Impuls für eine erste unverbindliche Kinderrechtserklärung 1924, welchem eine weitere Erklärung 1959 folgte. Selbstverständlich gelten alle Menschenrechtsverträge auch für Kinder und einige Bestimmungen gehen speziell auf Kinder ein. Dennoch erfordern die besonderen Bedürfnisse von Kindern eine gesonderte Vereinbarung unternahm die UN einen ernsthaften Versuch Kinderrechte verbindlich zu formulieren. Der Aushandlungsprozess zwischen den Staaten- und Organisationsvertretern, der 10 Jahre andauerte, war kontrovers und es wurde um jede Formulierung gerungen. Zum besseren Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten und vor Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie sind 2002 Zusatzabkommen in Kraft getreten. 192 Staaten sind der Konvention beigetreten. Einzige Ausnahmen sind die USA und Somalia. D.h. nicht dass alle Staaten die Artikel der Konvention befolgen würden. Viele Länder haben Vorbehalten zur Konvention erhoben. So auch Deutschland. Der Vorbehalt räumt dem Asyl- und Ausländerrecht Vorrang vor der Kinderrechtskonvention ein. Was steht in der UN-Kinderrechtskonvention? In 54 Artikeln werden in der Kinderrechtskonvention die Grundrechte von Kinder formuliert, die für einen Staat, der die Konvention unterzeichnet hat völkerrechtlich verbindlich sind. Iris Engelhardt 2

3 Die Rechte, der Konvention beruhen auf vier Grundprinzipien: Dem Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 2) D.h. kein Kind darf aufgrund irgendwelcher Merkmale z.b. Geschlecht, Herkunft, Staatsbürgerschaft, Religion benachteiligt werden. Das bedeutet z.b. das nicht-eheliche Kinder nicht schlechter gestellt werden dürfen, als eheliche. Ebenfalls dürfen ausländische Kinder nicht schlechter behandelt werden als einheimische. Dem Prinzip des besten Interesses des Kindes (Artikel 3) In der deutschen Übersetzung wird best interest of the child mit Wohl des Kindes übersetzt. Dieses Wohl bzw. beste Interesse des Kindes muss bei allem staatlichen Handeln vorrangig berücksichtigt werden. Dabei geht es nicht nur um eine Verpflichtung des Staates, Kinder zu schützen sondern auch ihre Entwicklung und Beteiligung zu fördern. Dem Recht auf Leben und persönliche Entwicklung (Artikel 6) Das grundlegendste aller Menschenrechte wird vielen Kindern auf der ganzen Welt verweigert. Kinder sterben weil sie als Mädchen geboren werden, es an Nahrung oder medizinischer Versorgung mangelt. Alle Staaten der Welt werden hier verpflichtet, die Entwicklung der Kinder in größtmöglichem Umfang zu gewährleisten. Der Achtung vor der Meinung und dem Willen des Kindes (Artikel 12) Kinder sollen entsprechend ihres Alters und ihrer Reife ernst genommen und respektiert werden. Sie dürfen ihre Meinung frei sagen und sollen gehört werden. Bei Angelegenheiten, welche die Kinder betreffen, sollen sie unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung haben. In dem Recht auf Mitwirkung zeigt sich deutlich, dass Kinder als eigene Personen und selbsthandelnde Subjekte in der Kinderrechtskonvention wahrgenommen werden. Aus den Grundprinzipien ergeben sich drei Kategorien von Rechten für Kinder, denen die weiteren Rechte zuzuordnen sind: Versorgungsrechte (Artikel 23-29,7,8) Recht auf Gesundheitsvorsorge, Bildung, angemessene Lebensbedingungen, Ernährung, Kleidung, eine menschenwürdige Wohnung und soziale Sicherheit Aber auch das Recht von Kindern auf einen Namen, eine Staatsangehörigkeit, eine Eintragung in das Geburtsregister sowie genereller formuliert, eine Identität gehören dazu. Schutzrechte (Artikel 12-17, 31) Kinder haben das Recht auf Schutz vor körperlicher oder seelischer Gewalt, Misshandlung, Vernachlässigung, Missbrauch sowie vor Ausbeutung. Besonderer Schutz wird Kindern in Kriegs- und Fluchtsituationen gewährt. Für Kinder, die straffällig geworden sind, gibt es Iris Engelhardt 3

4 gesonderte Bestimmung im Strafverfahren und auch in Bezug auf die Haftbedingungen. Unter keinen Umständen dürfen Kinder mit grausamen oder erniedrigenden Strafen, Folter, Todesstrafe oder lebenslanger Haft bestraft werden. Kinder von Minderheiten sind besonders zu schützen. Kulturelle, Informations- und Beteiligungsrechte (Artikel 12-17, 31) Kinder haben das Recht auf Freiheit der Informationen, Gedanken, des Gewissens, der Meinung sowie der Religion. Darüber hinaus haben sie das Recht auf Freizeit, Spiel, Erholung, Beteiligung am kulturellen und künstlerischem Leben. Wer setzt die Rechte der Konvention durch? Die Rechte der Kinderrechtskonvention sind verbindlich, d.h. Staaten, welche der Konvention beigetreten sind, sind auch verpflichtet die Artikel in nationales Gesetz umzusetzen. Wenn ein Staat die Kinderrechte nicht einhält, so ist es für ein Kind bzw. stellvertretend die Erziehungsberechtigten nicht möglich, diese Rechte einzuklagen. Allerdings muss jeder Vertragsstaat alle fünf Jahre einen Bericht vorlegen, wie die Rechte aus der Kinderrechtskonvention verwirklicht wurden. Der Kinderrechtsausschuss der UN prüft den Bericht und bezieht auch sogenannte Schattenberichte als nichtstaatliche Quelle mit ein. D.h. Nichtregierungsorganisationen, die oft unmittelbarer mit Betroffene arbeiten, liefern ergänzende Informationen. Der Kinderrechtsausschuss bewertet anhand dieser Berichte die Lage der Kinderrechte in einem Land und spricht Lob und Empfehlungen aus. Bei der Umsetzung der Kinderrechte spielt die Öffentlichkeit eine große Rolle, weil sie Missstände aufzeigen und Regierungen unter Druck setzen kann. Das ist zwar kein juristisches Mittel, jedoch ein äußerst wirksames, um Standards zu diskutieren und umzusetzen. Bei der Umsetzung der Konvention sind aber auch Gesellschaft, Familien, Organisationen u.a. gefordert. Schließlich gestalten auch nichtstaatliche Institutionen die Bedingungen für die bestmögliche Entwicklung von Heranwachsenden mit. Was hat die Konvention für Kinder bewirkt? Die Kinderrechtskonvention hat Standards gesetzt. So wurden weltweite Maßnahmen gegen sexuelle Ausbeutung und die schlimmsten Formen der Kinderarbeit initiiert. Verbesserungswürdig ist aber auch weiterhin die Situation in Industriestaaten. So gab die Kinderrechtskonvention auch einen wichtigen Impuls für den Erlass des Gesetzes zur Iris Engelhardt 4

5 gewaltfreien Erziehung im Jahr 2000 und die Reformierung des Kindschaftsrechts Auch die derzeitig geführte Diskussion um Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz ist ein Resultat der UN-Konvention. Innerhalb von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft wurde eine Diskussion um das Verhältnis zwischen Staat-Kind-Eltern gefördert. Die Kinderrechtskonvention in Deutschland Die UN-Kinderrechtskonvention gilt in Deutschland seit Deutschland wird immer wieder kritisiert aufgrund seines Vorbehalts gegenüber Kindern nicht-deutscher Herkunft. Es ist höchst zweifelhaft, inwiefern dieser Vorbehalt mit dem Grundprinzip der Nichtdiskriminierung vereinbar ist. Deshalb drängen Nichtregierungsorganisation z.b. die Nationale Koalition für die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland und der UN-Kinderrechtsausschuss immer wieder auf eine Rücknahme dieses Vorbehaltes. Gerade die Behandlung von Flüchtlingskindern ab 16 Jahren als Erwachsene ist ein klarer Verstoß gegen die Kinderrechte. Der UN-Kinderrechtsausschuss kritisiert darüber hinaus aber auch weitere Punkte, welche einerseits die politisch-administrative Dimension, anderseits die Lage von Kindern betrifft. Z.B. wird in der Kinderpolitik die mangelhafte Koordination zwischen Bund-Länder- Kommunen angesprochen. Ebenso fehlt eine zentrale Stelle, welche die Umsetzung der Kinderrechtskonvention überwacht. Aber auch die gewachsene Kinderarmut hat weitreichende negative Konsequenzen für Heranwachsende. Vor allem eine Chancengleichheit und eine bestmögliche Entwicklung wird diesen Kindern verweigert. Kinder sind immer noch häufig Opfer von Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung und es werden nicht genügende Ressourcen von staatlicher Seite zur Verfügung gestellt. Auch die Unterstützung von Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder ist in Deutschland immer noch nicht zufriedenstellend. In der gesellschaftlichen Diskussion werden Kinderrechte oft auf die Schutz- und Fürsorgerechte reduziert. Vorherrschend ist ebenso die Annahme von Erwachsenen zu wissen, was das Beste für das Wohl des Kindes sei. Dementsprechend werden Kinder bei vielen sie betreffenden Belangen weder gefragt noch beteiligt. Hier bedarf es ein verstärktes Bewusstsein gerade bei den Professionen, die mit Kindern arbeiten, um die vollständigen Kinderrechte einzulösen. Was hat die Soziale Arbeit mit der Kinderrechtskonvention zu tun? Sozialarbeitende haben in unterschiedlicher Weise mit den Belangen von Kindern und Iris Engelhardt 5

6 Jugendlichen zu tun. Die Mehrheit der Sozialarbeitenden sind im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Bei der Ausübung dieser Tätigkeit bietet die Kinderrechtskonvention einen Rahmen der hilft, die Situation von Kinder zu bewerten. Kinderrechte können aber auch eine Leitlinie und Legitimation für das eigene professionelle Handeln bieten. D.h. die Profession der Sozialen Arbeit kann sich auf ein Mandat beziehen, dass nicht abhängig ist vom direkten Auftrag des Staates oder des Klienten. Konkret wird auch davon gesprochen, dass Soziale Arbeit eine Menschenrechtsprofession sei. D.h. Soziale Arbeit kann auf unterschiedlichen Ebenen dazu beitragen, dass die Rechte der Konvention verwirklicht werden können. Auf der Mikroebene können sich Sozialarbeitende im Kontakt mit den Betroffenen für die Verwirklichung der Rechte unmittelbar einsetzen. Betrachtet auf der Mesoebene können Soziale Probleme auf der lokalen Ebene thematisiert werden, Netzwerke geknüpft werden u.ä. Manche Themen und Probleme betreffen eine nationale oder internationale Dimension z.b. der Sozialpolitik und sollten dementsprechend auf der Makroebene angesprochen werden z.b. in Form von Stellungnahmen. Bei den Interventionen auf den verschiedenen Ebenen wird klar, dass die Kinderrechtskonvention zwar nicht direkt einklagbar ist, aber gepaart mit dem fachlichen Wissen der Profession ein wirkungsvolles Instrument sein kann, das über bloße moralische Appelle hinaus geht. Kinderrechte und die Diakonie Das Diakonische Werk Deutschland ist Mitglied in zwei wichtigen Menschenrechtsgremien: Das Forum Menschenrecht ist ein Zusammenschluss von ca. 50 Nichtstaatlichen Organisationen mit Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen menschenrechtlichen Themen z.b. Frauenrechte, Kinderrechte, Antirassismus, Innenpolitik. Die Nationale Koalition für die Verwirklichung der Kinderrechte in Deutschland besteht aus ca. 90 Organisationen und hat sich zum Ziel gesetzt, für die Wahrung der Kinderrechte in Deutschland einzutreten. Die Diakonie hat die Möglichkeit und auch die Chance Kinderrechte verstärkt in ihre Arbeit einzubeziehen. Als Nichtstaatlicher Akteur kann sich die Diakonie kritischer mit dem Stand der Verwirklichung der Kinderrechte auseinandersetzen und für die Belange von Kindern Stellung beziehen und gegebenenfalls den Staat an seine Pflichten Iris Engelhardt 6

7 erinnern. Seine wertorientierte Haltung gibt der Diakonie den Auftrag sich für die Anliegen der Schwächsten dieser Gesellschaft einzusetzen. Die Diakonie arbeitet bereits in vielen Arbeitsfeldern mit Kindern und Jugendlichen und kann sich unmittelbar für die Verwirklichung der Kinderrechte einsetzen. Iris Engelhardt 7