Anleitung zum Physikpraktikum für Oberstufenlehrpersonen Resonanz (R) Herbstsemester Physik-Institut der Universität Zürich
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- Catrin Fiedler
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1 Anleitung zum Physikpraktikum für Oberstufenlehrpersonen Resonanz (R) Herbstsemester 2016 Physik-Institut der Universität Zürich
2 Inhaltsverzeichnis 4 Resonanz (R) Einleitung Ziel des Versuches Theoretischer Teil Ungedämpfte Drehschwingungen einer Scheibe Gedämpfte Schwingung Erzwungene Schwingung Experimenteller Teil Apparatur (Drehpendel nach Pohl) Durchführung Versuchsbericht
3 4 Resonanz (R) Vorlesungsabschnitt 2, Mechanik Drehimpuls, Drehmoment und Drallsatz für den Massenpunkt Drehimpuls, Drehmoment und Drallsatz für Systeme Schwingungsfähige Systeme harmonische Schwingung Gedämpfte Schwingung Erzwungene Schwingung Resonanz 4.1 Einleitung In verschiedenen Gebieten der Physik kommt es vor, dass sich gewisse Problemstellungen wiederholen. Die mathematische Beschreibung führt dann auch immer auf Gleichungen, die von der Struktur her identisch sind. Dazu gehören u.a. die Schwingungsvorgänge: In der Mechanik sind es die Schwingungen verschiedener Pendel: Mathematisches Pendel, Federpendel, Physikalisches Pendel. Elektrische Schwingkreise spielen in der Elektrotechnik eine wichtige Rolle. Schwingende Stimmgabeln, Membranen und Saiten werden in der Akustik behandelt. In der Optik sind es schwingende elektrische und magnetische Felder. Man unterscheidet ungedämpfte, gedämpfte und erzwungene Schwingungen. Ungedämpfte Schwingungen sind harmonisch, wenn eine rücktreibende Kraft wirkt, die proportional zur momentanen Auslenkung ist. Diese Voraussetzung ist für kleine Auslenkungen meistens erfüllt. Harmonische Schwingungen lassen sich durch eine Sinus- oder Cosinus-Funktion beschreiben. Ungedämpfte Schwingungen, also Schwingungen ohne Energieverlust, sind Idealisierungen. In Wirklichkeit ist jede Schwingung wegen der Reibung, die sich nie vollständig eliminieren lässt, gedämpft. Ihre Amplitude nimmt im Laufe der Zeit ab. Wirkt zusätzlich eine äussere antreibende Kraft, z.b. von einem Motor, so spricht man von erzwungener Schwingung. Hängt diese Kraft harmonisch von der Zeit ab, so ist die Schwingungsamplitude eine Funktion der Anregungsfrequenz. Es treten Resonanzerscheinungen auf Ziel des Versuches Am Beispiel der Drehschwingungen einer Scheibe werden in diesem Versuch die wesentlichen Eigenschaften schwingungsfähiger Systeme diskutiert und untersucht. Wir beschränken uns auf kleine Auslenkungen. Die dämpfende Kraft soll proportional zur Geschwindigkeit sein und die antreibende Kraft harmonisch von der Zeit abhängen. Wir untersuchen vor allem das Verhalten bei verschiedenen Dämpfungen und die Resonanzerscheinungen. Anhand von Analogien lassen sich diese Ueberlegungen ohne weiteres auf andere schwingungsfähige Systeme übertragen, was in der Vorlesung an einigen Beispielen demonstriert wird. Dabei geht es um: Schwingungsfähige Systeme Systeme mit einer Kraft proportional zur Auslenkung - harmonische Schwingungen die Dämpfung einer Schwingung erzwungene Schwingungen und Resonanz 4.1
4 4.2 Theoretischer Teil Ungedämpfte Drehschwingungen einer Scheibe Spiralfeder Scheibe ϕ Eine Metallscheibe sei durch eine Spiralfeder in einer bestimmten Ruhelage fixiert, so dass sie um diese Lage schwingen kann. Ist die Scheibe um den Winkel φ ausgelenkt, so wirkt von der Feder auf die Scheibe ein rücktreibendes Drehmoment, das für kleine Auslenkungen proportional zum Winkel φ ist: M D = k D φ (4.1) Abbildung 4.1: Drehpendel. Die auftretenden Reibungskräfte werden vernachlässigt. Der Drallsatz für die Scheibe ergibt: Hier sind: θ s = Trägheitsmoment der Scheibe k D = Federkonstante der Spiralfeder θ s d 2 φ dt 2 = k D φ (4.2) Gleichung (4.2) ist die Differentialgleichung einer harmonischen Schwingung (vgl. Vorlesung). Die Lösung lautet: φ(t) = φ 0 cos(ω 0 t δ) φ 0 = Schwingungsamplitude (4.3) kd ω 0 = θ s = Eigenfrequenz der ungedämpften Schwingung Es gilt: ω 0 = 2πν = 2π T δ = Phasenkonstante φ 0 und δ lassen sich aus den Anfangsbedingungen bestimmen. Die Amplitude φ 0 ist konstant. ϕ (t) ϕ 0 δ ω 0 t 0 T= 2π ω 0 t Bemerkung: φ(t) ist maximal, wenn cos(ω 0 t δ) = 1 ist, d.h. für (ω 0 t δ) = 0 und ±n2π. Für t = t 0 ist φ(t) = φ 0 und so gilt (siehe Figur 4.2) : ω 0 t 0 δ = 0 t 0 = δ/ω 0. Abbildung 4.2: Harmonische Schwingung. 4.2
5 Frage 1: Bestimmen Sie aus den folgenden Anfangsbedingungen die beiden Integrationskonstanten φ 0 und δ. Zur Zeit t = 0 sei φ(0) = A und dφ(0)/dt = Gedämpfte Schwingung Spiralfeder Scheibe ϕ Wirbelstrombremse Abbildung 4.3: Drehpendel mit Wirbelstrombremse. Die Schwingung werde mit Hilfe einer Wirbelstrombremse (siehe Exp. Teil) gedämpft. Das Drehmoment der Wirbelstrombremse sei proportional zur Winkelgeschwindigkeit dφ/dt der Scheibe: M W B = β dφ dt Hier ist β die Proportionalitätskonstante der Dämpfung. (4.4) Der Drallsatz führt auf: d 2 φ θ s dt 2 = k D φ β dφ (4.5) dt d 2 φ dt 2 + β dφ θ s dt + k D φ = 0 (4.6) θ s Gleichung (4.6) ist die Differentialgleichung einer gedämpften Schwingung (vgl. Vorlesung). Die Lösung hängt von der Dämpfung ab. Schwache Dämpfung Die Lösung für schwache Dämpfung lautet: φ(t) = φ 0 e αt cos(ω t δ ) (4.7) α = β 2θ s = Dämpfungskonstante φ 0 = maximale Amplitude ω = ω 2 0 α 2 = Kreisfrequenz der gedämpften Schwingung (4.8) Es ist ω < ω 0, wobei ω 0 = Kreisfrequenz der ungedämpften Schwingung δ = Phasenkonstante φ 0 und δ lassen sich wiederum aus den Anfangsbedingungen bestimmen. Die Amplitude der Schwingung nimmt exponentiell ab und geht asymptotisch gegen 0. Frage 2: Wie lange dauert es, bis die Amplitude der Schwingung auf die Hälfte des Maximalwertes abgesunken ist (Halbwertszeit)? 4.3
6 ϕ (t) τ ϕ 0 ϕ 0 e δ' ω' T'= 2π ω' t Nach der Zeit τ = α 1 ist die Amplitude φ(t) auf den e-ten Teil des Maximalwertes von φ 0 abgefallen (vgl. Versuch C). Man nennt τ die Abfallzeit. Abbildung 4.4: Schwach gedämpfte Schwingung. Kritische Dämpfung Wird die Dämpfung β vergrössert, so nimmt ω ab (vgl. Gleichung (4.8)), und es kommt schliesslich eine aperiodische Bewegung zustande. Das Pendel kehrt in seine Ruhelage zurück, ohne zu überschwingen (starke Dämpfung). Den Grenzfall, d.h. den Uebergang zwischen gedämpfter Schwingung und aperiodischer Bewegung nennt man kritische Dämpfung. ϕ schwache Dämpfung kritische Dämpfung starke Dämpfung t Kritische Dämpfungen werden z.b. bei Waagen und Stossdämpfern verwendet. Abbildung 4.5: Schwache, kritische und starke Dämpfung Erzwungene Schwingung ϕ Spiralfeder Scheibe Wirbelstrombremse Motor Ein Motor übe über eine exzentrisch montierte Stange ein zusätzliches periodisches Drehmoment auf die Scheibe aus: M M = M 0 cos ωt (4.9) Wobei hier ω die Kreisfrequenz der Anregung ist. Abbildung 4.6: Erzwungene Schwingung. 4.4
7 Der Drallsatz führt auf d 2 φ θ s dt 2 = k D φ β dφ dt + M 0 cos ωt (4.10) d 2 φ dt 2 + β dφ θ s dt + k D φ = M 0 cos ωt (4.11) θ s θ s Gleichung (4.11) ist die Differentialgleichung einer erzwungenen Schwingung (vgl. Vorlesung). Der gedämpften Eigenschwingung wird eine von aussen erzwungene Schwingung der Kreisfrequenz ω überlagert. Wir haben gesehen, dass die gedämpfte Eigenschwingung im Laufe der Zeit abklingt (Abb. 4.5). Es bleibt schliesslich nur noch die erzwungene Schwingung übrig, sofern t α 1 ist. Uns interessiert nur der erzwungene Schwingungszustand nach dem Abklingen der gedämpften Eigenschwingung. Wir suchen deshalb eine Lösung für t α 1 : Die Scheibe wird sicher mit der Anregungsfrequenz ω, aber evtl. gegen den Motor phasenverschoben schwingen. Wir machen deshalb folgenden Lösungsansatz: φ erzw (t) = A cos(ωt δ ) (4.12) Setzt man den Ansatz (4.12) in Gleichung (4.11) ein, so erhält man für die Amplitude A(ω) : A(ω) = M 0 θ s (ω 2 0 ω 2 ) 2 + β 2 ω 2 /θs 2 Die Amplitude hängt also von der Anregungsfrequenz ω ab. (4.13) A (ω) A max α 1 Das Maximum der Kurve liegt für kleine Dämpfung ungefähr bei ω res ω 0. A max 2 M 0 k D FWHM ω res ~ ω 0 2 ω1/2 α 2 α 1 < α 2 ω A max = M 0 βω 0 = M 0 2αω 0 θ s (4.14) Höhe und Lage des Maximums sowie die Breite der Kurve hängen von der Dämpfungskonstanten α ab. ω res = ω 2 0 2α 2 (4.15) Abbildung 4.7: Resonanzkurve. Für die Halbwertsbreite 2 ω 1/2 der Resonanzkurve, d.h. die Breite auf halber Höhe erhält man die Beziehung: ω 1/2 = α 3 (4.16) Aus der Halbwertsbreite der Resonanzkurve lässt sich somit α bestimmen. Frage 3: Nennen Sie drei Beispiele von Resonanzerscheinungen aus Ihrem Leben und beschreiben Sie sie kurz (evtl. mit Skizze). 4.5
8 4.3 Experimenteller Teil Apparatur (Drehpendel nach Pohl) Zeiger des schwingenden Systems Skala schwingendes System Spiralfeder Buchsen für Motorspannung Übertragungshebel Führungsschlitz zur Einstellung der Amplitude Elektromagnet Schubstange Eingangsbuchsen zur Stromversorgung der Wirbelstrombremse Antriebsrad und Excenter Technische Daten: Eigenfrequenz: Motorspannung: in Resonanznähe: ca. 0, 5 Hz V 8 V Wirbelstromdämpfung: Belastbarkeit der Spulen: V maximal 1 A (kurzzeitig!) Eingangsbuchsen zur Stromversorgung der Wirbelstrombremse Abbildung 4.8: Drehpendel nach Pohl mit Wirbelstrombremse 4.6
9 4.3.2 Durchführung Der Aufbau der Apparatur, die Funktionsweise der Wirbelstrombremse und die Bedienung der Speisegeräte werden vom Assistenten erklärt. Kritische Dämpfung Zur Beobachtung der kritischen Dämpfung steht ein zweites Speisegerät zur Verfügung. Durch verändern der Spannung kann man den notwendigen Bremsstrom einstellen. Man vergrössert den Strom der Wirbelstrombremse so lange, bis das Drehpendel nicht mehr überschwingt. Notieren Sie den Strom bei kritischer Dämpfung. Gedämpfte Schwingungen Nach Gleichung (4.7) ist φ(t) = φ 0 e αt cos(ω t δ ). Wählen wir die Zeit t = t n so, dass cos(ω t δ ) = 1 ist, dann erhält man φ(t n ) = φ 0 e αt n (4.17) wobei t n = t 0 + nt ist und T die Schwingungsdauer. Durch Logarithmieren erhalten wir oder ln φ(t n ) = ln φ 0 αt n (4.18) log φ(t n ) = log φ 0 αt n log e (4.19) Die Gleichungen (4.18) und (4.19) stellen Geraden mit den Steigungen α bzw. α log e dar. log (ϕ (t)) log (ϕ (t)) t T' t 0 t 1 t 2 t 3 t 4 t Aus der Steigung der Geraden (log φ(t n )) t (4.20) lässt sich die Dämpfungskonstante α bestimmen. Abbildung 4.9: Bestimmung der Dämpfungskonstanten α. Vorgehen 1. Stellen Sie die Dämpfung am Speisegerät so ein, dass die Abnahme der Amplitude vernünftig gemessen werden kann. 2. Bestimmen Sie mit der Stoppuhr aus 10 Schwingungen die Schwingungsdauer T. 3. Messen Sie die abnehmenden Amplituden in Funktion der Zeit. 4. Zeichnen Sie die gemessenen Amplituden im logarithmischen Massstab auf (vgl. Abb. 4.9). Dazu benützen wir logarithmisches Papier. 4.7
10 5. Legen Sie von Auge die beste Gerade durch die Messpunkte. 6. Bestimmen Sie α aus der Steigung der Geraden. 7. Berechnen Sie die Halbwertszeit der gedämpften Schwingung (vgl. auch Frage 2). 8. Der Versuch wird für 2 verschiedene Dämpfungen durchgeführt. Es wird keine Fehlerrechnung durchgeführt. Erzwungene Schwingungen (Aufnehmen der Resonanzkurven) 1. Wählen Sie die gleichen Dämpfungen wie oben. 2. Messen Sie die Amplitude der erzwungenen Schwingung als Funktion der Anregungsfrequenz. Achtung: Bevor man die Amplitude abliest, muss die gedämpfte Eigenschwingung abgeklungen sein. Während der Wartezeit misst man mit der Stoppuhr aus 10 Umdrehungen die jeweils eingestellte Motorfrequenz. In der Nähe der Resonanzstelle soll die Frequenz ω in kleinen, weit davon entfernt in grösseren Schritten verändert werden. 3. Zeichnen Sie die Resonanzkurven auf Millimeterpapier auf. Bestimmen von α aus der Halbwertsbreite der Resonanzkurven A (ω) A max A max 2 FWHM ω res ~ ω 0 ω Die Halbwertsbreite der Resonanzkurven kann direkt aus der grafischen Darstellung herausgelesen werden. Berechnen Sie daraus nach Gleichung (4.16) die Dämpfungskonstante. Eine Fehlerrechnung wird nicht durchgeführt. 2 ω1/2 Abbildung 4.10: Halbwertsbreite der Resonanzkurve. Bemerkung: Ein Vergleich der beiden Messmethoden für α ist nur möglich, wenn wirklich die gleichen Dämpfungen eingestellt wurden! 4.8
11 4.4 Versuchsbericht 1. Beantworten Sie die im Text gestellten Fragen. 2. Stellen Sie die Messwerte in übersichtlichen Tabellen zusammen. 3. Stellen Sie die grafischen Darstellungen und die daraus berechneten Grössen zusammen. Abbildung 4.11: Gemälde von Nicholas Lancret. Auch hier sind zwei Frequenzen im Spiel. Nämlich die Frequenz, mit der die Dame auf der Schaukel von sich aus schwingt, und diejenige mit der ihr Freund am Seil zieht. Stimmen die beiden Frequenzen überein, dann tritt Resonanz auf. 4.9
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