Kurze Geschichte der linearen Algebra
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- Benjamin Steinmann
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1 Kurze Geschichte der linearen Algebra Dipl.-Inform. Wolfgang Globke Institut für Algebra und Geometrie Arbeitsgruppe Differentialgeometrie Universität Karlsruhe 1 / 20
2 Entwicklung Die Historische Entwicklung der linearen Algebra entspricht grob der umgekehrten Reihenfolge des Stoffes in der Vorlesung. Die Wurzeln der linearen Algebra: lineare Gleichungssysteme, Geometrie. 2 / 20
3 Lineare Gleichungen Ursprünge Lineare Gleichungen treten in natürlicher Weise bei vielen Problemen auf. Die Babylonier behandelten bereits um 2000 v.chr. lineare Gleichungsysteme mit zwei Unbekannten, ax + by = p, cx + dy = q. Unbekannte wie hier x, y traten nur in Form konkreter Größen (Länge, Breite, Gewicht, etc.) auf. Die meisten Probleme waren durch konkrete geometrische Fragestellungen motiviert. Keine allgemeine Lösungstheorie für LGSe. 3 / 20
4 Lineare Gleichungen Ursprünge Den chinesischen Mathematikern um 200 v.chr. waren Methoden zur Lösung von 3 3-LGSen bekannt. Sie erkannten, dass die Struktur eines LGS unabhängig von seinen Variablen ist und nur durch die numerischen Koeffizienten bestimmt ist. Dies führte sie schon auf eine matrixartige Schreibweise, a b c d e f, g h i auf das ein Verfahren ähnlich der Zeilenelimination angewandt wurde. Auch hier gab es noch keine allgemeine Lösungstheorie. 4 / 20
5 Determinanten Die erste systematische Untersuchung von LGSen wird Gottfried Wilhelm Leibniz ( ) zugeschrieben. Er kannte noch keine Matrizen, aber führte die Formeln für Determinanten direkt für 2 2 und 3 3-LGSe ein. Seine Ergebnisse wurden zu Lebzeiten nicht veröffentlicht. 5 / 20
6 Determinanten Später war es Gabriel Cramer ( ), der die nach ihm benannte allgemeine Lösungsformel für Systeme von n Gleichungen in n Unbekannten veröffentlichte. Seine Arbeit an LGSen war motiviert durch geometrische Probleme, nämlich das Bestimmen einer algebraischen Kurve, die durch gewisse vergegebene Punkte laufen sollten. 6 / 20
7 Determinanten Bis ins 18. Jhd. wurde das Studium linearer Gleichungssysteme als die Theorie der Determinanten aufgefasst. Daher wurden nur Systeme mit n Gleichungen und n Unbekannten untersucht. Unter- oder überbestimmte LGSe wurden ignoriert. 7 / 20
8 Gauß-Algorithmus Carl Friedrich Gauß ( ) betrachtete LGSe im Zusammenhang mit astronomischen Problemen entwickelte er dafür den nach ihm benannten Algorithmus. Damit gab er erstmals ein systematisches Verfahren zur Lösung von LGSen an, bei denen die Anzahl der Gleichungen und Variablen verschieden ist. 8 / 20
9 Matrizen Auch Gauß verwendete keine Matrizen für seine linearen Gleichungssysteme. Die chinesischen Mathematiker benutzten Matrizen, aber diese waren lediglich ein Kurznotation für LGSe und wurden nicht als algebraische Objekte aufgefasst. Als algebraische Objekte wurden Matrizen von Gauß eingeführt, jedoch nicht für LGSe, sondern um lineare Abbildungen x Ax zu beschreiben. Er führte auch implizit das Matrizenprodukt ein, um die Verknüpfung von linearen Abbildungen zu berechnen. 9 / 20
10 Matrizen Der erste, der Matrizen systematisch als algebraische Objekte untersuchte, war Arthur Cayley ( ). Er erkannte den Zusammenhang zwischen Matrizen als algebraischen Objekten und LGSen, und er erkannte die Ringstruktur von Matrizen über R und C (auch wenn der Begriff Ring noch nicht erfunden war). 10 / 20
11 Matrizen In der Mitte des 19. Jhd. wurde die Theorie der Matrizen weiterentwickelt. In dieser Zeit wurden verschiedene Klassifikationsresultate für Matrizen gefunden (orthogonale, unitäre, symmetrische Matrizen). Diese Klassifikationen basieren im Wesentlichen auf der Untersuchung der Eigenwerte und Eigenräume der Matrizen. 11 / 20
12 Jordansche Normalform Eine vollständige Klassifikation der komplexen Matrizen beruht auf der Jordanschen Normalform, die von Camille Jordan ( ) eingeführt wurde. Das Prinzip dieser Normalform ist es, eine vollständige Zerlegung in verallgemeinerte Eigenräume für eine Matrix zu finden. 12 / 20
13 Vektoren und Koordinaten Die geometrischen Wurzeln der linearen Algebra liegen in der klassischen Vektorrechnung. Vektoren tauchten ursprünglich in der Physik auf, um physikalische Größen zu beschreiben, die sowohl einen Betrag als auch eine Richtung besitzen (Geschwindigkeit, Kraft, Impuls, etc.). Mit der Einführung von cartesischen Koordinaten durch René Descartes ( ) war die Grundlage für die algebraische Behandlung von Vektoren gegeben. Es verging viel Zeit, bis der heutige abstrakte Vektorraumbegriff formuliert werden konnte. 13 / 20
14 Komplexe Zahlen und Quaternionen William Rowan Hamilton ( ) studierte komplexe Zahlen und Quaternionen. Er erkannte, dass ihnen eine geometrische Struktur zugrunde liegt, und dass diese geometrische Struktur eng mit ihren algebraischen Eigenschaften verknüpft ist. Die Ausformulierung dieser Strukturen war der erste Schritt zur axiomatischen Definition von Vektorräumen. 14 / 20
15 n Dimensionen Cayley und Hamilton entwickelten diese geometrisch-algebraischen Strukturen weiter. Der nächste Schritt war die Verallgemeinerung der konkreten Beispiele auf n-dimensionale Räume. Auf diesem Wege wurde auch der Begriff der Dimension zum ersten Mal relevant. 15 / 20
16 Grassmanns Ausdehnungslehre Bahnbrechende Arbeit auf diesem Gebiet wurde auch von Hermann Günter Grassmann ( ) geleistet. Er veröffentlichte 1844 eine Arbeit über Ausdehnungslehre, in der bereits alle modernen Konzepte der endlichdimensionalen Vektorräume enthalten waren. 16 / 20
17 Grassmanns Ausdehnungslehre Bei Grassmann war ein Vektorraum im Prinzip definiert als die Menge aller Linearkombinationen λ 1 b 1 + λ 2 b λ n b n, wobei eine Basis {b 1,..., b n } als gegeben vorausgesetzt wurde. Für diese Linearkombinationen sollten die bekannten Rechenregeln für Vektorräume gelten (Assoziativität, Kommutativität, Distributivgesetze, etc.). Grassmann bewies verschiedene Aussagen zur Dimension von Vektorräumen, unter anderem den Dimensionssatz dim V + dim W = dim(v + W ) + dim(v W ). 17 / 20
18 Axiomatische Definition Motiviert durch Grassmans Arbeiten gab Guiseppe Peano ( ) eine axiomatische Definition von reellen Vektorräumen, die der heutigen sehr nahe kommt. Er führte auch das in mündlichen Prüfungen sehr beliebte Axiom 0 x = 0 ein. 18 / 20
19 Axiomatische Definition Die heutige Formulierung der Vektorraumaxiome erschien 1930 zum ersten Mal in dem Buch Moderne Algebra von Bartel Leendert van der Waerden ( ), in dem er Vektorräume über beliebigen Körpern als Spezialfall von Moduln über Ringen einführte. 19 / 20
20 MacTutor History of Mathematics I. Kleiner A History of Abstract Algebra (Birkhäuser) 20 / 20
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