Es gilt das gesprochene Wort

Transkript

1 Rede OB in Susanne Lippmann anlässlich eines Festaktes zum 65-jährigen Bestehen der Europa-Union, Kreisverband Hameln, am Samstag, 5. Mai 2012, in der Aula des AEG Es gilt das gesprochene Wort

2 Anrede, 65 Jahre Europa-Union in Hameln das ist ein besonderes Datum. Ich darf Ihnen dazu im Namen der Stadt Hameln ganz herzlich gratulieren! Doch haben wir wirklich Grund zu feiern? Zweifel sind erlaubt. Ich möchte nicht den Europa-Skeptikern das Wort reden, aber wir alle wissen, dass die Zeiten sehr schwierig sind. Ich erinnere nur an die Zuspitzung der Situation in Spanien. 2 Und auch ein Festakt zum Geburtstag der Europa-Union Hameln kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gemeinschaftsprojekt Europa vor einer Zerreißprobe steht.

3 3 Europa durchlebt wegen der anhaltenden Schuldenproblematik die schwerste Vertrauenskrise seiner Geschichte. Das gesamte europäische Integrationswerk ist gefährdet. Zwar geht es Deutschland so gut wie lange nicht mehr. Doch anderen Ländern steht das Wasser längst bis zum Hals. Also kann auch Deutschland auf Dauer davon nicht unberührt bleiben. Ich warne jedoch war einer D-Mark-Nostalgie und einer übersteigerten Europaskepsis. Das wäre das falsche Signal. Denn kein EU-Mitgliedsland hat mehr zu verlieren als Deutschland, das mit seiner Wirtschaftskraft und seiner geographischen Lage wie kaum ein anderes Land auf die europäische Einigung angewiesen ist.

4 4 Wir dürfen daher Europa nicht aufs Spiel setzen. Europa darf nicht auf die Schuldenkrise und die Debatte um den Euroaustritt Griechenlands reduziert werden. Europa ist viel mehr. Europa ist auch eine Werte- und eine Friedensgemeinschaft. Und dafür lohnt es sich zu kämpfen. Ich bin sicher: Wenn es die Europa-Union nicht schon gäbe, müsste man sie jetzt in der Krise erfinden. Wenn ich sehe, wie derzeit von bestimmter Seite antieuropäische Stimmung gemacht wird, dann ist die Europa-Union ein geradazu erfrischendes Alternativangebot.

5 5 Ohne Idealismus geht es dabei nicht. Das ist heute nicht anders als vor 65 Jahren. Die Umstände waren damals mehr als bedrückend, die Perspektiven düster. Ein Blick in die Hannoversche Presse vom 16. Mai 1947 belegt das eindrucksvoll. Die einzige Lokalseite der in Hameln erscheinenden Zeitung zeugt schon äußerlich von größter Not und ärgstem Mangel. Oben auf der Seite findet sich die Nachricht, dass im Kreiswirtschaftsamt keine Bezugsscheine mehr zur Verfügung stehen; unten ist ein Hinweis zu lesen, dass in Emmerthal eine Gemüse-Sammelstelle für die hungernde Stadtbevölkerung eingerichtet wird. Dazwischen dann mit dicker Überschrift folgende Meldung: Europa-Union auch in Hameln.

6 Strahlkraft besaß die Europa-Union wohl schon von Beginn an. Ich kann heute nur den Mut der Gründungsmitglieder bewundern, die schon damals nach vorn geschaut und an die gemeinsame Zukunft Europas geglaubt haben. 6 Und die Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten gibt ihnen recht: die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament, der Beitritt vieler weiterer Mitgliedstaaten, der Vertrag von Maastricht und besonders auch die Einführung des Euro Davon hätten die Gründungsmitglieder wohl nicht einmal zu träumen gewagt.

7 7 Anrede, auch in Hameln gibt es viele Beispiele für Europa- Engagement. Europa-Flaggen wehen am Europa-Platz, Europa-Bäume wachsen in den Himmel das sind alles nur äußere Zeichen, die aber auch dafür stehen, dass sich im Bewusstsein der Menschen etwas getan hat. Dazu beigetragen hat eine kontinuierliche, solide und kompetente Aufklärungs- und Informationsarbeit der Europa-Union Hameln mit unzähligen Vortragsveranstaltungen und Seminaren. Dazu beigetragen haben sicher auch die Aktivitäten rund um den Europäischen Wettbewerb.

8 Anrede, 8 eine große Zahl von Projekten in Hameln und in der Region ist nur möglich geworden, weil es Unterstützung aus Brüssel gab. Ich erinnere an unsere neue Fußgängerzone, für die wir sehr viel Lob und Zustimmung erhalten; ich denke an den Weserradweg und die neuen Kanuanleger; ich verweise auf Projekte wie die Schillathöhle, die Burg Coppenbrügge und das Kloster Fischbeck. Europa ist dadurch überall in unserer Region präsent, es prägt unseren Alltag. Hameln ist eine Stadt, in der der europäische Gedanke groß geschrieben wird, und das ist maßgeblich den Anstrengungen der Europa-Union zu verdanken.

9 Die europäische Idee braucht Menschen, die sie mit Herz und Fantasie gestalten. Hier in der Europa-Union sind solche Menschen versammelt. Ich wünsche Ihnen die Kraft, sich auch weiterhin und gerade jetzt mit Mut und Ehrgeiz für die europäische Idee einzusetzen. 9 Denn die Schuldenkrise und die aktuelle Europa-Skepsis zeigen uns, dass Europa noch längst kein Selbstläufer ist. Wir müssen weiter hart arbeiten. Auf die Europa-Union können wir nicht verzichten. Daher meine Bitte: Machen Sie weiter, hier vor Ort. Europa lebt mit und von den Menschen an der Basis. Hier wächst Europa zusammen. Ich danke Ihnen!