Rede Was kann die Bundesverwaltung für eine inklusive Zukunft tun?
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- Carl Müller
- vor 7 Jahren
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1 Es gilt das gesprochene Wort! Rede von Dr. Rolf Schmachtenberg, Leiter der Abteilung Teilhabe, Belange behinderter Menschen, Soziale Entschädigung, Sozialhilfe im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Rede Was kann die Bundesverwaltung für eine inklusive Zukunft tun? anlässlich des BAköV-Akademiegespräches Inklusion - Barrierefreiheit - Partizipation - der Beitrag der Bundesbehörden Berlin, 25. April 2016 Stand: :37
2 Gliederung Einführung Rückblick UN-BRK NAP und Evaluation Zum Gesetzentwurf und zum Beitrag der Bundesbehörden Behinderungsbegriff Barrierefreie Bestandsbauten Barrierefreie IT Leichte Sprache Bundesfachstelle Schlichtungsstelle Partizipationsförderung Schluss
3 Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Behinderungen gehören zum Leben von 10,2 Millionen Menschen in Deutschland. Behindernde Strukturen und behinderndes Verhalten machen Menschen mit Handicap den Alltag schwer. Sie werden behindert! Das darf nicht so bleiben! Wir wollen den Alltag so organisieren, dass Menschen mit Behinderungen von Anfang an ganz selbstverständlich mittendrin und mit dabei sind - und das überall. Das ist Inklusion. So steht es auch in der UN-Behindertenrechtskonvention. Mit der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes - kurz BGG - wollen wir hier ein großes Stück voran kommen in Richtung Teilhabe und Barrierefreiheit, die Selbstverständlichkeit einer inklusiven Gesellschaft. Die Novellierung des BGG - gerade laufen dazu die Debatten im Deutschen Bundestag - ist ein wichtiger Meilenstein: Für viele Menschen mit Behinderungen macht der Kontakt mit der öffentlichen Verwaltung sicher nur einen Teil ihres Alltags aus. Einen weitaus größeren Teil des Alltags macht in der Tat das nicht öffentlich-rechtlich geregelte Leben aus. Stand: :37-2 -
4 - 2 - Für nicht wenige Menschen mit Behinderungen, die in Verwaltungen beschäftigt sind, spielt aber Barrierefreiheit in der Verwaltung eine wesentliche Rolle. Denken Sie an zugänglich gestaltete Gebäude und eine barriefreie Informationsund Kommunikationstechnik. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir deshalb in doppelter Hinsicht ansetzen: Einerseits geht es um weitere Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen, die einen Anspruch auf einen gleichberechtigten Zugang zur Verwaltung haben. Andererseits wollen wir auch etwas erreichen für die vielen Beschäftigten in den Behörden, die auf Grund einer Behinderung oder auf Grund alterstypischer Einschränkungen auf Barrierefreiheit angewiesen sind oder damit deutlich besser und komfortabler arbeiten können. Meine Damen und Herren, bevor ich in die Details gehe, ein kurzer Rückblick: Seit dem Jahr 2002 regelt dass BGG bereits die Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr sowie in der Informationstechnik der Bundesverwaltung, außerdem den Anspruch auf zugängliche Dokumente für blinde und sehbehinderte Menschen und - 3 -
5 - 3 - die Verwendung von Gebärdensprache Es regelt außerdem die Aufgaben der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. In diese Richtung gehen wir jetzt einen merklichen Schritt weiter. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, den das Bundeskabinett im Jahr 2011 beschlossen hat, erfolgte auch eine Evaluation des BGG. Diese Evaluation liegt seit Ende 2013 vor. Sie bildete die Grundlage für unseren Gesetzentwurf. Was soll sich ändern, was wollen wir verbessern? Wir setzten zunächst einmal ganz zentral und unmittelbar bei der Frage an: Was heißt behindert? Wir wollen den ganzen Menschen in den Blick nehmen. Und nicht wie mit dem Brennglas nur auf die Defizite schauen. Das Können und Wollen, die Chancen und Potenziale zu sehen - darum geht es
6 - 4 - Dieses moderne Verständnis liegt der UN-Behindertenrechtskonvention zugrunde. Jetzt soll es auch im BGG gelten. So einfach das klingt, so wenig selbstverständlich ist es für Menschen mit Behinderungen. Zwar sind wir in den letzten Jahren schon gut vorangekommen auf dem Weg zu mehr selbstbestimmtem Leben und Teilhabe. Dennoch sind wir noch lange nicht am Ziel. Bei der Neufassung des BGG haben wir uns deshalb von der Frage leiten lassen: Wie erreichen wir, dass Menschen mit Behinderungen selbstverständlich dabei sein und mitmachen können? Und was behindert sie, welche Barrieren müssen wir beseitigen? Wir wollen endlich in den Bundesgebäuden alle noch bestehenden Barrieren abbauen. Zu enge Türen, schwer überwindbare Stufen oder andere bauliche Hindernisse sollen endlich nach und nach verschwinden. Bislang war die Barrierefreiheit nur bei Neubauten und bei Umbaumaßnahmen von über 2 Millionen Euro zu berücksichtigen
7 - 5 - Diesen finanziellen Schwellenwert für die Umbaumaßnahmen haben wir gestrichen. Künftig ist Barrierefreiheit bei allen Umbaumaßnahmen und auch bei Anmietungen zu beachten. Hiervon werden nicht nur Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen profitieren, es wird sich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Behörden und die Verwaltung selbst auszahlen! Dies geschieht zwar nicht adhoc - denn wir alle wissen, dass Bauprojekte Einiges an Zeit für Vorbereitung, Planung und Durchführung benötigen. Aber mittel- und langfristig werden wir mit dieser Regelung einen Meilenstein gesetzt haben. Auch im Bereich der Informationstechnik wollen wir Barrieren weiter abbauen. Um die Internet-Auftritte der Bundesbehörden steht es schon sehr gut. Aber das Bessere ist bekanntlich der Feind des Guten. Innerhalb der Verwaltungen gibt es noch Verbesserungspotential. Und das wollen wir heben und ausschöpfen: - 6 -
8 - 6 - Beispielsweise durch eine barrierefreie Gestaltung des Intranets und interner elektronischer Abläufe, wie der elektronischen Akte. Denn die Arbeit in der Verwaltung ist zunehmend von digitalen Abläufen geprägt. Beides soll sukkzessive barrierefrei gestaltet werden. Also insbesondere dann, wenn Tools oder Systeme neu konzipiert oder maßgeblich verändert werden. Auch mit dieser Maßnahme verbessern und erleichtern wir die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen in der Bundesverwaltung. Gleichzeitig können damit erforderliche individuelle Arbeitsplatz-Anpassungen minimiert werden. Und wir wappnen uns für die anstehenden demographischen Herausforderungen, indem wir die Informationstechnik auch für unsere älteren Kolleginnen und Kollegen barrierefrei und nutzerfreundlich gestalten. Sprache und Kommunikation sind heikle Themen, wenn es um das Verhältnis Bürger und Behörden geht. Wir alle bewegen uns täglich auf einem schmalen Grat zwischen bürgerfreundlicher, einfacher und verständlicher Sprache einerseits und verbindlicher, rechtssicherer und möglichst gerichtsfester Sprache andererseits
9 - 7 - Beides ist wichtig und nachvollziehbar und bedingt eine Spannung, die nicht in jedem, aber in vielen Fällen, zumindest gelockert werden kann. Wir wollen alle, dass Bürgerinnen und Bürger die Chance haben, Bescheide und Vordrucke zu verstehen und nicht in Schachtelsätzen versinken. Auch Bürgerinnen und Bürger mit Lern- oder geistigen Behinderungen sollen diese Chance erhalten, Informationen selbstständig zu erfassen. Doch für sie sind manchmal selbst Texte in einfacher Sprache eine Herausforderung. Wir wollen deshalb erreichen, dass auch sprachliche Barrieren fallen und der Leichten Sprache mehr Gewicht verleihen. Ziel ist, dass alle Bundesbehörden sich mit der Leichten Sprache auseinandersetzen und ein Informationsangebot, etwa mit Broschüren, aber vielleicht auch mit Vordrucken in Leichter Sprache, aufbauen
10 - 8 - Das ist ein echter Meilenstein: Menschen mit Lernund geistigen Behinderungen erhalten erstmals einen Zugang zu Informationen in Leichter Sprache und werden auf dieser Grundlage noch einmal deutlich besser ihre Entscheidungen treffen können. Darüber hinaus kann ich mir gut vorstellen, dass die Leichte Sprache auch für die vielen Menschen mit Migrationshintergrund und anfänglich nur sehr geringen Deutschkenntnissen einen guten Einstieg bieten kann. Ab dem Jahr 2018 sollen die Bundesbehörden Menschen mit Lern- oder geistigen Behinderungen dann Bescheide in einfacher, verständlicher Weise erklären. Dies gern mündlich und unkompliziert. Wenn nötig, sollen sie aber auch kostenfrei eine schriftliche Erläuterung in Leichter Sprache erhalten. Als BMAS werden wir diese Maßnahme mit einem Projekt begleiten, mit dem Ziel, Erläuterungen in Leichter Sprache online zu bündeln und für möglichst viele Behörden nutzbar zu machen. Hiermit wollen wir allen Beteiligten helfen: wir wollen helfen, Zeit und Aufwand zu sparen und Doppelarbeiten vermeiden
11 Wir als Bund nehmen uns mit dem neuen Gesetz selbst stärker in die Pflicht Dabei unterstützt uns künftig eine Bundesfachstelle für Barrierefreiheit bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Ihre Aufgabe wird es sein, den Behörden als Anlaufstelle weiterzuhelfen. Manchmal mit schnellen einfachen Tipps wie: Wo finde ich gute Gebärdendolmetscher? Wie kann ich Veranstaltungen möglichst barrierefrei planen? Oft sind Fragen der Barrierefreiheit aber nicht gleich und leicht zu beantworten, weil sie tiefes Fachwissen, zum Beispiel das eines Ingenieurs, voraussetzen und auch Rahmenbedingungen, wie den Denkmalschutz bei Gebäuden in den Blick nehmen müssen. Die Fachstelle soll dann helfen, indem sie an kompetente Ansprechpartner vermittelt, die wiederum bei der Lösungsfindung unterstützen. Die Fachstelle ist also in erster Linie Ratgeber und Mittler. Es bleibt bei der auch schon im BGG verankerten Verantwortung jeder Behörde, ihr Angebot barriere- und benachteiligungsfrei zu gestalten!
12 Herr Karnitzki von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See wird Ihnen im Laufe des Nachmittags dann Näheres zur Bundesfachstelle berichten. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir schließlich ein Schlichtungsverfahren einführen und so für jeden den Weg stärken, sein Recht geltend zu machen. Dazu werden wir bei der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen eine Schlichtungsstelle einrichten. Sie hilft, ohne Widerspruchsverfahren oder Klage (und damit auch kostenfrei) zum Recht zu kommen. Zum Beispiel, wenn angemessene Vorkehrungen verweigert werden, die die gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen, und so Menschen mit Behinderungen benachteiligt werden. Wenn beispielsweise eine Gebärden-Dolmetscherin abgelehnt wird, oder barrierefreie PDF-Dateien oder auch baulichen Veränderungen wie Rampen. Da ist die Schlichtung der beste Weg, um rasch pragmatische Lösungen zu finden. Ein letzter Punkt, der mir wichtig ist, den aber auch Frau Lösekrug-Möller bereits deutlich hervor gehoben hat: Mit dem BGG stärken und fördern wir die Selbstorganisation von Menschen mit Behinderungen in Verbänden: dieses Jahr mit einer halben Million Euro ab 2017 dann mit 1 Million Euro jährlich
13 Auch das ist ein behindertenpolitischer Meilenstein, der dazu beiträgt, das Verbände auf Augenhöhe das Leben in unserer Gesellschaft mitgestalten können. Sehr geehrte Damen und Herren, das neue Behindertengleichstellungsgesetz ist ein starkes Signal. Einerseits zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen. Andererseits nun erstmals auch ein Zeichen an die Beschäftigten der Bundesverwaltung selbst, weil die Barrierefreiheit nun auch vorausschauend für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgegriffen werden! Ich hoffe, ich konnte Ihnen dieses Vorhaben heute etwas näher bringen und Sie konnten etwas daraus für sich und für Ihre tägliche Arbeit mitnehmen. Das BGG lädt alle zum Mitmachen und Nachahmen ein. Dazu möchte ich Sie recht herzlich einladen! Ich freue mich, dass wir den Weg in die inklusive Gesellschaft zusammen gehen. Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit!
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