Konzepte zur Bearbeitung von Mangelernährungssituationen Erika Sirsch
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- Louisa Ursler
- vor 7 Jahren
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1 EXPERTENFORUM ES IST ANGERICHTET! - ESSEN UND TRINKEN IM HEIMALLTAG AM IM RAHMEN DER ALTENPFLEGE+PROPFLEGE 2005 Erika Sirsch Die Ursachen für Mangelernährung im Alter sind äußerst vielfältig. Infektionen, chronische Wunden oder konsumierende Erkrankungen wie Krebs erhöhen den Nährstoffbedarf. Schluck- und Kaustörungen bei Erkrankungen wie Demenz, Schlaganfall oder Morbus Parkinson können die Nahrungsaufnahme erschweren. Ernährungsleitlinien können dabei helfen, Mangelernährungssituationen zu erkennen, Interventionen einzuleiten, zu evaluieren und die Beratung zu steuern. Schnittstellen zwischen den Professionen können sich zu Nahtstellen entwickeln, wenn alle Professionen gemeinsam daran arbeiten. Beteiligte an der Leitlinienentwicklung Die prozesshafte Erstellung mit der Einbindung aller beteiligten Berufsgruppen und Betroffenen bei der Entwicklung einer Ernährungsleitlinie ist unverzichtbar. Eine sinnvolle Methode zur Erstellung von Ernährungsleitlinien ist die Qualitätszirkelarbeit. Dazu werden alle beteiligten Mitarbeitenden eingebunden. Mögliche beteiligte Gruppen: Vertreter der BewohnerInnen und Angehörige Mitarbeitende der Hauswirtschaft Mitarbeitende des Pflegedienstes Mitarbeitende der Küche Mitarbeitende des Sozialen Dienstes Ergotherapeuten und Logopäden mit Schwerpunkt in diesem Arbeitsfeld Eventuell weitere externe ExpertInnen wie: BeraterIn für enterale Ernährung VertreterIn der behandelnden Ärzte Selbsthilfegruppen z.b. Alzheimer und M. Parkinson Risikoeinschätzung In der Leitlinie werden die Assessmentinstrumente vorgestellt und Regelungen über Zeitpunkt (z.b. nach Klinikaufenthalten) und Häufigkeit deren Verwendung definiert. Für die Praxis stehen Instrumente zur Gefährdungseinschätzung zur Verfügung. Regelmäßige Gewichtskontrollen während der laufenden Betreuung sind unverzichtbar für die Einschätzung der Ernährungssituation. Exemplarisch wird hier der Body Mass Index vorgestellt. Der Body Mass Index (BMI) bildet die Grundlage der Intervention und Beratung. Wird Untergewicht oder eine Mangelernährung festgestellt, ist der Hausarzt zu informieren (MDS 2003) Der BMI gibt den Wert an, der sich aus dem Verhältnis Körperoberfläche (Körpergröße²) zum Körpergewicht ergibt.
2 Body-Mass Index = Beispiel: Körpergewicht Körpergröße X Körpergröße 69 kg 1,63m x 1,63m 69 kg 2,66 m² BMI=25,94 Der Normalbereich des BMI liegt zwischen 18,5 und 24. Bei älteren Menschen empfiehlt die WHO einen Wert zwischen 24 und 29. Ähnlich hat sich der MDS in seiner Grundsatzstellungnahme Ernährung- und Flüssigkeitsversorgung älterer Menschen geäußert. Bei einem BMI unter 20 muss von einer riskanten Ernährungslage ausgegangen werden. Dabei ist die Ernährungssituation der Betroffenen im Verlauf ihres Lebens zu berücksichtigen. Ein Blick in den Kleiderschrank zeigt, ob die Betroffenen zeit ihres Lebens eher die Kleidergröße 36 oder 52 getragen haben. Ursachen von Mangelernährung Der Ernährung wird durch äußere (extrinsische) und innere (intrinsische) Faktoren beeinflusst, wie geringerer Energiebedarf, weniger Appetit und bei Multimorbidität. Diese Faktoren nehmen Einfluss auf die Menge der aufgenommen Nahrung. Die altersbedingte herabgesetzte Verdauungsleistung (Digestion) und die verminderte Resorptionsfähigkeit von Nährstoffen aus der verdauten Nahrung bilden die intrinsischen (innere) Faktoren (Heseker 2003). Intrinsische und extrinsche Faktoren vermindern die eigentliche Nährstoffaufnahme und gefährden so die bedarfsdeckende Versorgung des Körpers. Darüber hinaus erhöhen ein schlechter Zahnstatus, erhöhter Hilfebedarf und Schluckstörungen das Risiko für eine Mangelernährung beträchtlich. Bedarfsermittlung Energie Der Bedarf an Energie und Flüssigkeit wird individuell berechnet. Der geschätzte Bedarf ist oft deutlich geringer als der individuell berechnete und kann so zu einer ungewollten Mangelernährung/ -versorgung führen. Der Energiebedarf (EB) der aktiven Muskelmasse muss gedeckt werden. Schwindet die Muskelmasse im Alter, sinkt damit auch der Energiebedarf. Der Energiebedarf (EB) berechnet sich aus Grundumsatz (GU) und Leistungsumsatz (LU) (siehe Beispiel 1). Der Bedarf an zugeführtem Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen verringert sich nicht. Er steigt eher noch an (Spieker, Bartoszek, 2004). Der Energiebedarf einer immobilen Person mit zierlicher Gestalt beträgt ca kcal pro Tag. Der einer groß gewachsenen Dame, die den ganzen Tag aktiv ist, kann bei circa 2500 kcal liegen. Nürnberg, 13. April 2005 / Erika Sirsch KK Training Beratung Weiterbildung Essen Seite 2 von 6
3 Beispiel 1 Beispielberechnung des Energiebedarfs (EB) für eine Person: 60 kg bei 1,60 m, weiblich, 70 Jahre, verrichtet leichte Arbeiten im Haushalt, BMI = 23,4 Der Grundumsatz (GU) Formel : Grundumsatz (kcal) = Körpergewicht (kg) X Zeit (h) GU pro Tag = 60 (kg) X 24 (h) = 1440 kcal Der Leistungsumsatz (LU) in Abhängigkeit von der geleisteten Arbeit: Bei Bettruhe + 10 % des GU Leichte Arbeit + 33 % des GU Mittelschere Arbeit + 66 % des GU Schwere Arbeit % des GU LU pro Tag = 1440 kcal, davon 33% = 475,20 kcal / bei leichter Arbeit Der Energiebedarf (EB): 1440 kcal + 475,2 kcal = 1915 kcal/tag Infektionen, Verletzungen und akute Erkrankungen erhöhen den Bedarf in allen Bereichen (MDS 2003; Volkert 1997). Bedarfsermittlung Flüssigkeit Eine zu geringe Trinkmenge, verursacht durch ein nachlassendes Durstgefühl im Alter und eine nicht gesicherte Versorgung bei erhöhtem Bedarf (Infektionen und sommerliche Hitzeperioden), führen zu schweren Störungen und Folgen ( Sturz, Delir und Obstipation). Zur Berechnung des Flüssigkeitsbedarfs kann folgende Methode angewendet werden (DGE et al. 2000) Flüssigkeit für die ersten 10 Kilogramm Körpergewicht 100 ml/kg für die nächsten 10 Kilogramm Körpergewicht 50 ml/kg für jedes weitere Kilogramm Körpergewicht 15 ml/kg Beispiel 2 60 kg Gewicht 10 kg x100 ml = 1000 ml 10 kg x 50 ml = 500 ml 40 kg x 15 ml = 600 ml Flüssigkeitsbedarf = 2100 ml = 2,1 Liter Diese Menge muss nicht nur durch Getränke aufgenommen werden. Obst und Gemüse (Eintöpfe und frischer Kompott) sind außergewöhnlich gute Flüssigkeitslieferanten und werden häufig gerade von alten Menschen gern gegessen. Nürnberg, 13. April 2005 / Erika Sirsch KK Training Beratung Weiterbildung Essen Seite 3 von 6
4 Zur Berechung von BMI, Flüssigkeits- und Energiebedarf können auch Kalkulationstabellen genutzt und der Dokumentation beigefügt werden. Interventionen Umgebungsgestaltung Die Nahrungsaufnahme wird stark von der Situation in der sie erfolgt beeinflusst. An einem schön gedeckten Tisch in Gesellschaft wird häufig besser gegessen und getrunken Gezielter Hilfsmitteleinsatz Griffverstärkungen ermöglichen das Greifen des Bestecks auch der durch Arthrose veränderten Hand Randbefestigungen bilden eine Barriere für die Gabel und verhindern das abrutschen der Nahrung von der Gabel geeignete Körperpositionen aller Beteiligten bei der Nahrungsaufnahme gezielte ressourcenorientierte Anleitung von Betroffenen und / oder Angehörigen gezieltes Anreichen von Speisen und Getränken Berücksichtigung der biografischen und kulturellen Gewohnheiten Fingerfood kann die verbliebenen Fähigkeiten bei Menschen mit Demenz aktivieren Dokumentation der tatsächlich aufgenommen Trink- und Nahrungsmenge Die Dokumentation an gegessenen Portionen erfolgt über folgende Angaben: Tee- oder Suppenlöffel ½ Teller / ¼ Teller / 1 ganzer Teller Oder in Milliliterangaben Essenskatalog (Fotos) Informationen über das Nahrungsangebot / Rahmenspeiseplan / Nährwerttabellen Einsatz von Sublimenten oder bilanzierter Trinknahrung (Verordnung durch den behandelnden Arzt) als Ergänzung des Speiseplans bei den o.g. Mangelzuständen. Beratung von Betroffenen und Angehörigen Achtung: Schluckstörungen erfordern wegen der große Aspirationsgefahr eine Abklärung durch Ärzte und Logopäden. Hier muss das fachgerechte Anreichen der Nahrung geschult werden. Nürnberg, 13. April 2005 / Erika Sirsch KK Training Beratung Weiterbildung Essen Seite 4 von 6
5 Evaluation durch: Gewichtskontrolle / BMI Berechnung Auswertung von Ernährungs- und/oder Trinkprotokolle Überprüfung und ggf. Anpassung der Dokumentation Überprüfung der Bewohnerzufriedenheit Eine Ernährungsleitlinie sollte Aussagen enthalten über: Ist Situation Zielgruppe Ernährungsaspekte im Alter Ursachen von Mangelernährung Zielsetzung Risikoeinschätzung der Ernährungssituation und des Trinkverhalten Ermittlung des Energie- und Flüssigkeitsbedarfes Interventionen Evaluation Literaturhinweise Nürnberg, 13. April 2005 / Erika Sirsch KK Training Beratung Weiterbildung Essen Seite 5 von 6
6 Literatur: Spieker Andreas; Bartoszek, Gabriele: Mangelernährung vorbeugen, erkennen und begegnen Pflegen Ambulant Seite 17 Ausgabe 2/2004 (März/April) Bibliomed Verlag. Bucher, Hubert Versorgungssituation von überwiegend älteren Patienten mit Ernährungssonden und Entwicklung eines Standards für heimenterale Ernährung MDK Sachsen-Anhalt 2004 DGE et.al. Referenzwerte für Nährstoffzufuhr Frankfurt 2000 Heseker, Helmut Mangeldiagnostik pdf-datei Vortragsverzeichnis Uni Paderborn März 2003 Löser, Christian Mangelernährung im Krankenhaus Prävalenz, klinische Folgen, Budgetrelevanz, Hessisches Ärzteblatt S /2002 MDS Grundsatzstellungnahme Ernährungs- und Flüssigkeitsversorgung älterer Menschen, Essen Nestle Clinical Nutrition Mini Nutritional Assessment- MNA Methode zur Bestimmung des Ernährungszustandes älterer Menschen, München Schreyer, Maria Magdalena; Bartholomeyczik, Sabine: Mangelernährung bei alten und pflegebedürftigen Menschen, Schlütersche Verlagsanstalt Hannover 2004 Sirsch, Erika: Trotz Sondenkost mangelernährt Wie kann das sein?; Pflegen ambulant Bibliomed Medizinische Verlaggesellschaft mbh Melsungen, März/April 2004 S. 11 Volkert, D. Ernährung im Alter Wiesbaden 1997 Nürnberg, 13. April 2005 / Erika Sirsch KK Training Beratung Weiterbildung Essen Seite 6 von 6
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