Interview. Das beste Gesamtkonzept gewinnt
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- Edmund Beck
- vor 7 Jahren
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1 Das beste Gesamtkonzept gewinnt Schlagworte wie Industrie 4.0 oder 4. Industrielle Revolution stehen für die Bedeutung der Digitalisierung in der Industrie. Deutschland besitzt einen sehr hohen Anteil an industrieller Produktion. Das Thema rangiert daher in der Politik und bei Industrieunternehmen, Automobilherstellern und deren Zulieferern ganz oben auf der Agenda. So auch bei Dr. Jürgen Sturm, CIO der ZF Friedrichshafen AG: Sein Ziel ist es, die Mobilität der Zukunft mit richtungsweisenden Technologien sicher, effizient und nachhaltig machen. Interview 234 Detecon International GmbH
2 Das beste Gesamtkonzept gewinnt Frage: Welche Bedeutung misst die ZF der Digitalisierung zu und welche Rolle spielt der IT-Bereich von ZF in diesem Zusammenhang? Dr. J. Sturm: Die Digitalisierung gehört neben der zunehmenden Urbanisierung und dem Klimawandel zu den bestimmenden Megatrends, denen wir uns als ein weltweit führender Technologiekonzern stellen müssen. Insofern spielt das Thema in unserer Konzernstrategie eine gewichtige Rolle. Das betrifft unsere Aktivitäten innerhalb der Forschung und Entwicklung, aber selbstverständlich mit steigender Intensität auch die IT. Hierbei ist die Digitalisierung sowohl in unseren Produkten und Dienstleistungen als auch in unseren Geschäftsprozessen ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Beides ergänzt sich hervorragend. Denn intelligente Produkte werden zunehmend in übergeordnete Steuerungssysteme eingebettet. Frage: Welche durch die Digitalisierung und Vernetzung bedingten Megatrends sehen Sie für die Automobilindustrie? Dr. J. Sturm: Unser klares Ziel lautet: Wir wollen die Mobilität der Zukunft mit richtungsweisenden Technologien sicher, effizient und nachhaltig machen. Der Fokus unserer unternehmerischen Anstrengungen liegt von daher auf den Themen autonomes Fahren, Sicherheit und Effizienz. Als Systemanbieter bieten wir unseren Kunden ein umfassendes Portfolio aus eben diesen Bereichen. Wir schaffen durch die intelligente Verknüpfung von Mechanik, Elektronik, Software und Digitalisierung einen für den Kunden erfahrbaren Mehrwert in unseren Produkten und Dienstleistungen. Konkret sind das zum Beispiel intelligente Getriebe, die unter anderem im Nutzfahrzeugbereich signifikant Treibstoff sparen. Dies wird durch die Vernetzung von Geländeinformationen auf Basis von Geo-Daten im Zusammenspiel mit Fahrzeugzustandsdaten und einer gesamtheitlich optimierten Vernetzung von Motorsteuerung, Getriebe und Antriebsstrang ermöglicht. Frage: Wie verändert die Digitalisierung die internen Produktionsprozesse bei ZF? Stehen diese Neuerungen ausschließlich im Zusammenhang mit Effizienzgewinnen? Dr. J. Sturm: Die Digitalisierung verändert die industrielle Welt in erheblich größerem Maße und auch weit umfassender, als dies lediglich mit Effizienzgewinnen für bestehende Prozesse zu beschreiben wäre. Das gilt für die Kernprozesse der Entwicklung ebenso wie im Service oder in der Produktion. Zusätzlich werden Managementprozesse sowie Finanz-, Governance- und Support-Prozesse dadurch Detecon International GmbH 235
3 Interview beeinflusst. Bei ZF entwickelt sich die IT schnell weiter: mit der Virtualisierung der Prozesse, mit global vernetzten Kommunikations- und Steuerungssystemen und dem Einzug der Industrie 4.0 im Servicegeschäft. In der Entwicklung eröffnen Digitaler Musterbau und Virtuelle Erprobung neben der Verkürzung der Entwicklungszeiten grundsätzlich neue Ansätze und Perspektiven. Und der Wandel hat längst auch unsere Produktionshallen erreicht: Dank eines Prozessleit- und Assistenzsystems, das auf Basis von Industrie-4.0-Ansätzen entwickelt wurde, arbeiten Mensch und Maschine beispielsweise in der Produktion in Friedrichshafen, Passau und Sorocaba zusammen. Das System leitet die dort beschäftigten Mitarbeiter an und steuert die eingesetzten smarten Werkzeuge und Maschinen zielsicher durch die Arbeitsprozesse selbst bei individueller Einzelfertigung in Losgröße 1. Die Arbeitsabläufe lassen sich so einfach anpassen, dass dies in der Produktion selbst erledigt werden kann. Frage: Welchen Einfluss haben Digitalisierung und Vernetzung auf die Produkte und Services von ZF? Ergeben sich hieraus neue Geschäftsmodelle und verändern sich dadurch möglicherweise etablierten Kundenbeziehungen? Dr. J. Sturm: Der Schlüssel für unseren Erfolg in der Zukunft liegt in der intelligenten Kombination von Mechanik und Elektronik. Basis ist die Mechanik und diese machen wir jetzt intelligenter denn je. Dabei geht es einerseits um die Vernetzung innerhalb des Autos. Andererseits geht es um die Vernetzung des Autos mit anderen Autos oder der Verkehrsinfrastruktur wie Ampeln oder Verkehrsschildern. Mit dem Produktportfolio von ZF TRW haben wir die Technologie im Haus, damit ein Fahrzeug sehen, denken und handeln kann. Sehen über Sensorik wie Kameras oder Radar. Denken über die Zusammenführung in elektronischen Steuerungen. Und Handeln über Bremsen, Stoßdämpfer und alle anderen vernetzten Komponenten unserer Antriebs- und Fahrwerktechnik. Dieses ist für unsere Kunden direkt erfahrbar. Ob daraus allerdings grundsätzlich neue Geschäftsmodelle resultieren werden, ist eine Frage, die wir heute noch nicht abschließend beantworten können. Auch wenn sich zunehmend branchenübergreifende Vernetzungen abzeichnen, gehe ich dennoch nicht davon aus, dass sich unsere etablierten Kundenbeziehungen grundsätzlich verändern werden. Frage: Verändern sich durch die Digitalisierung die etablierten Marktstrukturen in der Automobil- und Zulieferindustrie? Dr. J. Sturm: Die Digitalisierung setzt wichtige Impulse und bringt die bekannten neuen Player aus dem Internetzeitalter auf den Markt, die jetzt in dem etablierten Geschäft mitmischen. Diese Entwicklung beobachten wir aufmerk- 236 Detecon International GmbH
4 Das beste Gesamtkonzept gewinnt sam. Und sie zwingt uns, uns im Detail mit dieser neuen Welt auseinander zu setzen. Ich bin mir aber sicher: Letzten Endes wird sich derjenige im Wettbewerb durchsetzen, der das beste Gesamtkonzept für die Bedürfnisse des Marktes anbietet. Frage: Die großen Telekommunikationsunternehmen sind nicht nur mit der Umsetzung der digitalen Transformation im eigenen Haus beschäftigt, sondern fungieren auch als Plattform oder Enabler der digitalen Transformation anderer Industrien. In welcher Rolle nehmen Sie die Telcos wahr? Dr. J. Sturm: Selbstverständlich fungieren Telekommunikationsunternehmen als Innovatoren, die mit ihren ureigenen Kompetenzen die passenden Technologien von morgen und übermorgen entwickeln. Sie müssen dafür aber auch Forschung und Entwicklungskapazitäten bereitstellen und nicht unbeträchtlich innerhalb ihres Kerngeschäfts investieren. Nur so können sie die Basis-Technologien zur Verfügung stellen, ohne die die Digitalisierung nicht möglich wäre. Denken Sie etwa an die Weiterentwicklung der 5G-Technologien oder an die noch immer bestehende Herausforderung, eine möglichst lückenlose, leistungsfähige Netz infrastruktur bereitzustellen und dies flächendeckend und nicht nur in Ballungsgebieten. In unserem originären Geschäft haben sie allerdings eher die Rolle eines Enablers. Mit anderen Worten: Sie bieten die funktionierende Infrastruktur, auf die wir unsere Systeme aufsetzen können. Auf Basis dieser kann sich die Wertschöpfungskette für die Telekommunikationsunternehmen durchaus auch in höherwertige Dienste wandeln. Frage: Welche Erwartungen an Telcos haben Sie in Ihrer Rolle als CIO? Dr. J. Sturm: Ich denke, die Netz-Connectivity ist für unsere Belange das zentrale Element. Hier benötigen wir verlässliche Strukturen, um unseren Kunden vernetzte Systeme anbieten zu können. Auch das Thema Datensicherheit ist uns immens wichtig. Unsere intelligenten Produkte kommunizieren über Telematik- Lösungen nach extern. Hier sollte gewährleistet sein, dass diese sensiblen Daten nicht in falsche Hände geraten. Für alle weiteren Themen, die substanziell und nachweisbar einen Mehrwert schaffen, bin ich ebenfalls offen. Frage: Welche Erfolgsfaktoren gestalten eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen ZF und Telekommunikationsunternehmen? Detecon International GmbH 237
5 Interview Dr. J. Sturm: Wichtig ist die langfristige Perspektive in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit interdisziplinärer Teams. Nur so können wir gewährleisten, dass wir für unsere Kunden maßgeschneiderte, nachhaltige Produkte anbieten. Da wir in allen Wirtschaftsregionen der Welt tätig sind, ist zudem auch das Zusammenspiel von globalen und lokalen Randbedingungen und Perspektiven eminent wichtig. Dr.-Ing. Jürgen Sturm, Jahrgang 1963, studierte Maschinenbau mit den Schwerpunkten Fertigungstechnik und Informatik. Nach der Promotion hatte er eine Reihe von leitenden Aufgaben für Business Process Reengineering sowie als Bereichsleiter für Global Supply Chain Management in der Daimler Benz AG sowie als CIO der Grundig AG inne. Von war er als CIO bei BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH tätig. Seit 2015 verantwortet Dr. Sturm als CIO die Informatik der ZF Friedrichshafen AG. 238 Detecon International GmbH
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