Mit der LandLiebe im Wald Auf Pilz-Pirsch mit Paul

Transkript

1 Birnenbovist. Der Pilz ist zwar essbar, aber nur solange sein Fleisch rein weiss ist. Tritt man ver sehentlich auf ihn, schwebt die Sporen masse als Staub fontäne davon. Mit der LandLiebe im Wald Auf Pilz-Pirsch mit Paul Sie bereichern Speiseplan und Märchenbücher, werden in Gourmetküchen und Hexensagen verwendet. Pilze sind uns lieb und unheimlich zugleich. Unterwegs im Zofinger Wald mit Korb, Putzmesser und Pilzliebhaber Paul Künzi. Text Marcel Huwyler Fotos André Albrecht 68 69

2 Was flammt da aus der Erde? Klebriger Hörnling. Die Art ist wegen ihrer Zähigkeit und Unverdaulichkeit nicht zum Essen geeignet. Fliegenpilz. Der Pilz aller Pilze, das Symbol schlechthin, der «Glückspilz». Er ist giftig und wird auch als Rauschgift verwendet

3 Pilze das Brot des Waldes Aniszähling. Wegen seines milden Geruchs und Geschmacks nach Anis so benannt. Er ist zwar essbar, aber minderwertig, da zäh. Lachsreizker. Sein Geruch ist seifenartig, der Geschmack leicht bitter. Er ist zwar essbar, gilt aber als schlechter Speisepilz. Rotfussröhrling. Solange er fest und jung ist, gilt er als schmackhaft. Wenn er fault (etwa in einem Plastiksack), wird er giftig

4 Waldboden oder Korallenriff? Zitterzahn. Wässriger, gallertartiger Pilz. Essbar als Salat, wenn er vorher abgebrüht wird. Eierschwamm. Auch Pfifferling genannt. Ein gesuchter und sehr geschätzter Speisepilz. Blasse Koralle. Sieht fantastisch aus, ist aber giftig. Man nennt sie darum auch Bauchweh-Koralle

5 «Pilzlen ist für Seele, Sinne und Magen» Paul Künzi am frühen Morgen beim Pilzesuchen. Eben hat er einen seltenen Anhängsel- Röhrling gefunden, den er nun putzt. Fichtensteinpilz oder Gemeiner Steinpilz. Er ist einer der begehrtesten und am meisten gesammelten Speisepilze. Foto Karl-Heinz Hug, Styling Pilze Daniel Bracher Glückspilz! Es braucht schon etwas, bis einer wie Paul Künzi sich derart über einen «seltenen, sehr seltenen» Pilz freut. Leise natürlich, schliesslich benimmt man sich im Wald. Heimlich natürlich, schliesslich will man anderen Pilzsammlern sein Fundplätzchen nicht verraten. Darum sei es wohl auch besser, empfiehlt Paul, wenn man nur von «einem Wald in der Nähe von Zofingen» schreibt. Er zupft sich den Schnauz und sein braunes Hemd mit Fliegenpilz-Motiven zurecht. Dann sinkt er auf die Knie und huldigt seinem über aus seltenen Fund einem Anhängsel-Röhrling. Der polsterförmige, bronze braune Pilzhut fühlt sich filzig-ledrig an, die Hut-Unterseite leuchtet schwefelgelb. Sieht ziemlich ungesund aus, «schmeckt aber hervorragend», lehrt Paul, «ein formidabler Speisepilz». Sachte dreht er ihn aus dem Waldboden, schabt mit dem Messer Erde vom keuligen Stielende und pinselt und pustet das Goldstück sauber. Der hier wird sein Pilzragout zum Znacht veredeln. Pilze sind wie Apfelbäume Pilze bilden ihre eigene Art, wobei sie erstaunlicherweise enger mit Tieren verwandt sind als mit Pflanzen. Denn Pilze ernähren sich, so wie Tiere, von organischen Nährstoffen, und es fehlt ihnen, was Pflanzen charakterisiert, das Chlorophyll. Weltweit sind Pilzarten bekannt, in der Schweiz zählt man 5500 Wald- und Wiesenpilze. Lediglich etwa 200 davon werden als essbar eingestuft, rund 200 sind mehr oder minder giftig. Was wir vom Pilz sehen, den Fruchtkörper, ist nur sein kleinster Teil. Der Haupt organismus des Pilzes wuchert im Untergrund, ein riesiges, oft viele Quadratmeter grosses, chaotisches, loses Geflecht und Gewirr von Fäden, Myzel genannt. Zu vergleichen ist das mit einem vergrabenen Apfelbaum, der hier und dort eine Frucht an der Luft wachsen lässt. Im US-Bundesstaat Oregon wurde das unterirdische Pilzgeflecht eines Hallimasch-Pilzes entdeckt, über 2400 Jahre alt und sagenhafte 8,8 Quadratkilometer gross. Speise- und Drogenpilze Ein so grosses Gebiet braucht Paul Künzi für seine Pilz-Pirsch nicht. Ihm reichen ein paar Waldstücke rund um Zofingen, in denen er schon als Kind Pilze sammelte. Als Sohn einer Wirtsfamilie begleitete er bereits als fünfjähriger Bub Stammgäste mit reicher Pilzler- Erfahrung in den Wald. Schaute ihnen zu beim Suchen, Sammeln und Sortieren, lernte essbare von giftigen Pilzen zu unterscheiden und versorgte bald seine Familie, die Restaurantgäste und die Nachbarschaft mit seiner Beute aus dem Wald. Seither nennt man ihn im Städtli Zofingen einfach nur den Pilz-Paul. Wer etwas übers Pilzlen wissen will, fragt Paul. Und weil der 51-Jährige auch noch Koch von Beruf ist, gibts die Kochrezepte gleich mit dazu. Am besten schmeckt halt das klassische Pilzpfännchen, meint Paul Künzi, ein Ragout mit bis zu dreissig Pilzarten, fleischige, mehlige, ein paar wenige würzige das hat noch jedem gemundet. Noch nie, schwört Paul, noch nie ist bei ihm aus Versehen ein übler oder gar giftiger Pilz in der Pfanne gelandet. Einmal, sagt er, ja, da habe er mit Kollegen eines dieser Psychopilzchen ausprobiert. Eine Stunde lang haben sie gelacht und gekichert wie die Irren, «dann war der Spuk vorbei». Seither lässt er die Finger von Magic Mushrooms. Experte mit vier Buchstaben Das Pilzlen, sagt Paul, sei mehr als nur Suchen und Sammeln. Die Stille im Wald, die Stille in einem drin, das rhythmische Trotten über den Waldboden, die Begegnung mit Tieren «das ist jedes Mal ein wunderbares Erlebnis». Für Seele, Sinne und Magen. Wenn er das sagt Schliesslich ist Paul die Pilz- Koryphäe in Zofingen. Letzthin schaffte er es gar ins Kreuzworträtsel einer Regionalzeitung. «Vorname eines Pilzexperten aus der Region», war da gesucht. Mit vier Buchstaben. Pauls Tipps für Pilz-Einsteiger: 1. Unbedingt bei einem Experten oder einem Pilzverein «in die Lehre gehen». 2. Sammelgut immer einem Pilzkontrolleur vorlegen. 3. Pilze nie nur mit Büchern und Internet klassifizieren. Zum Bestimmen brauchts Auge, Nase und Zunge. C 76 Netzwerk j V E 77