Positionspapier. Haltung der Muslime gegenüber Fragen und Vorwürfen. 1. Auflage

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1 Positionspapier Haltung der Muslime gegenüber Fragen und Vorwürfen 1. Auflage

2 Inhalt Einleitung... 2 Distanzieren Sie sich von den Anschlägen von Paris?... 3 Wie stehen Sie zu den Anschlägen von Paris?... 4 Schon wieder der Islamist!... 5 Wieviel Islam verträgt Deutschland?... 6 Erst Charlie Hebdo dann Paris und dann?... 7 Der Islam ist gewaltverherrlichend!... 8 Ihr wollt Europa islamisieren!... 9 Der Islam braucht mehr Toleranz!... 10

3 Einleitung Aufgrund der wachsenden Islamophobie in der Gesellschaft, welche nicht zuletzt durch die jüngsten Ereignisse um Paris neu entfacht wurde, begegnet uns die Mehrheitsgesellschaft mit Fragen und Vorwürfen in Bezug auf den Islam, denen wir bedacht und bewusst begegnen müssen. Denn unser Auftreten demgegenüber ist von bestimmender Bedeutung, da diese Haltung letztendlich entscheidet, wie mit uns Muslimen seitens der Gesellschaft zukünftig verfahren wird. Basierend auf diesen Feststellungen haben wir ein Positionspapier ausgearbeitet, welches Antworten auf Fragen bzw. Anschuldigungen beinhaltet. Das Ziel ist es, dass eben genau dieses Positionspapier als Diskussionsgrundlage verwendet werden kann, um dadurch eine klare Stellung zu beziehen und sich mit seinen Antworten einheitlich zum Islam und seinen großartigen Werten zu bekennen! و م ن أ ح س ن ق و ا ل م م ن د ع ا إ ل ى للا و ع م ل ص ال احا و ق ال إ ن ن ي م ن ال م س ل م ين ٣٣ Und wer ist besser in der Rede als einer, der zu Allah ruft und Gutes tut und spricht: "Ich bin einer der Gottergebenen"? (Fussilat, 33) 2

4 Distanzieren Sie sich von den Anschlägen von Paris? Regelmäßig werden Muslime nach einem Anschlag mit dieser Frage konfrontiert. Wer eine Distanzierung zu Terroranschlägen fordert, stellt jeden Muslim unter den Verdacht ein Terrorist zu sein. Teilweise entsteht der Eindruck des Zwangs zum Abstand. Hier gilt es eine klare Stellung einzunehmen. Wir distanzieren uns nicht von etwas wo keinerlei Nähe existiert. Die islamrechtliche Position hierzu ist eindeutig und offenkundig. So heißt es im Quran: م ن أ ج ل ذ ل ك ك ت ب ن ا ع ل ى ب ن ي إ س ر ائ يل أ ن ه م ن ق ت ل ن ف س ا ب غ ي ر ن ف س أ و ف س اد ف ي األ ر ض ف ك أ ن م ا ق ت ل الن اس ج م يع ا و م ن أ ح ي اه ا ف ك أ ن م ا أ ح ي ا الن اس ج م يع ا و ل ق د ج اء ت ه م ر س ل ن ا ب الب ي ن ات ث م إ ن ك ث ير ا م ن ه م ب ع د ذ ل ك ف ي األ ر ض ل م س ر ف ون ٣٢ Deshalb haben Wir den Kindern Israels verordnet, daß, wenn jemand einen Menschen tötet, ohne daß dieser einen Mord begangen hätte, oder ohne daß ein Unheil im Lande geschehen wäre, es so sein soll, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, es so sein soll, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten. (Al-Ma ida, 32) Aus diesem Rechtsbeweis lässt sich die islamische Position zu dem Sachverhalt der Tötung unschuldiger Menschen klar erfassen. Es ist zutiefst beschämend, mit welcher Selbstverständlichkeit einige Mitmenschen Muslime nötigen, sich von den Attentaten zu distanzieren, denn diese Forderung setzt einen Generalverdacht voraus. Vielmehr sollte sich die Mehrheitsbevölkerung Deutschlands von den Beschlüssen der hiesigen Politiker, Syrien und Irak anzugreifen, distanzieren. Denn diese agieren im Namen all jener, die ihnen durch die demokratische Wahl ihre Vollmacht übertragen haben! 3

5 Wie stehen Sie zu den Anschlägen von Paris? Es ist erschütternd, dass im Namen der Opfer wieder einmal bestimmte Erlasse gerechtfertigt werden. Weiterhin ist es erstaunlich, dass nach Anschlägen mit vermuteten islamischem Hintergrund die Legislative bemüht ist, spezifische Gesetzespakete zu beschließen, die weitreichende Einschränkungen der Rechte der Bürger zur Konsequenz haben. Diese Einschränkungen werden gegenwärtig instrumentalisiert, um vermehrt gegen Muslime vorzugehen. Solche Gesetzesvorstöße könnten als solches in einer Demokratie unmöglich auf den Weg gebracht werden. Seien es sogenannte Sicherheitspakete beziehungsweise Anti- Terror-Gesetze oder die Möglichkeit den Ausnahmezustand ausrufen zu können. Die Trauer und Angst, die ein Anschlag unweigerlich zur Folge hat, erzeugen einen gesellschaftlichen Konsens, dass die bestehenden Gesetze keinen ausreichenden Schutz gewährleisten. Die mediale Verarbeitung solcher Ereignisse trägt zu einer Beschleunigung dieses Vorgangs bei. Wir bedauern den Tod unschuldiger Menschen, sowohl derjenigen, die am Tag zuvor im Libanon einem Anschlag zum Opfer gefallen sind, als auch derjenigen in Paris. Hintergrundinformationen: Auf diese Weise führten die Anschläge vom 11. September 2001 zu einer Zäsur in der deutschen Innen- und Sicherheitspolitik. Der damalige deutsche Innenminister Otto Schily sollte den Grundstein für eine Anti-Terror- Gesetzgebung legen, auf dem seine Nachfolger ihre Sicherheitspolitik aufbauten. Bereits 8 Tage später, am 19. September 2001, wurde das erste Anti-Terror-Paket beschlossen. Unter anderem wurde hierbei das sogenannte Religionsprivileg im Vereinsrecht gestrichen. Nur drei Monate später folgte ein zweites Sicherheitspaket, welches Geheimdienste und Sicherheitsbehörden weitreichende neue Befugnisse einräumte. Selbst Volker Beck, von den Grünen, damaliger Koalitionspartner der SPD erklärte damals, dass unter normalen Umständen seine Partei solchen bürgerrechtsfeindlichen Gesetzen nicht zugestimmt hätte. Der Nachfolger des Innenministers, Wolfgang Schäuble, verlängerte im Jahr 2006 die Anti-Terror-Gesetze um weitere 5 Jahre. Dessen Nachfolger De Mazière verlängerte diese im August 2011 um weitere 4 Jahre. Zuletzt beschloss das Bundeskabinett im August 2015 die Anti-Terror-Gesetze um weitere 5 Jahre zu verlängern. Diese gelten nun bis ins Jahr Gesetze, die beim Erstbeschluss vom Koalitionspartner als bürgerrechtsfeindlich deklariert wurden, gelten bis ins Jahr 2021 hinein. Diese Herangehensweise zeigte sich auch nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Diesmal beschlossen die Innenminister der europäischen Union ein Sicherheitspaket, um gemeinsam gegen den Terror vorzugehen. Eine nahezu gleiche Vorgehensweise lässt sich auch seit den Anschlägen von Paris beobachten. Die Forderung seitens der USA oder der EU-Kommission nach einem neuen Sicherheitspaket spiegeln dies wieder. Außerdem wurden seit dem in Folge des Ausnahmezustandes in Frankreich über 2000 Razzien durchgeführt und über 210 Personen festgenommen. Dies geht aus einer Presseerklärung des französischen Premierministers Manuell Valls hervor. 4

6 Schon wieder der Islamist! In den Medien werden islamistisch motivierte Attentate in den Mittelpunkt gerückt. Wer den Medien Gehör schenkt und Glaubwürdigkeit beimisst, der sieht nichts Böses auf der Welt außer den sog. Islamisten. Dabei ist es statistisch gesehen eine Farce; Terror, der von rechtsextremen Gruppierungen verübt wird, ist nicht nur häufiger (weiterverbreiteter), sondern auch gefährlicher. So zeigen Statistiken, dass der sogenannte islamistische Terror nur 0,7 Prozent aller Terroranschläge in den Jahren ausmacht. Von den etwa 4 Millionen Muslimen in Deutschland sollen laut Verfassungsschutz etwa sechs tausend Personen zu den ultrakonservativen Salafisten gehören; laut Bundeskriminalamt sind davon etwa tausend Personen gewaltbereit. Zum Vergleich: Rund Menschen gehören in Deutschland zum rechtsextremen Spektrum, davon seien etwa gewaltbereit! Demnach ist die Medienberichterstattung nicht an die Zahlen und Fakten gebunden, sondern eher von Interessen gelenkt. 5

7 Wieviel Islam verträgt Deutschland? Nach den Anschlägen in Paris kam erneut die Kontroverse auf, ob der Islam in Deutschland in die gegenwärtige Gesellschaft passe. Da kommt jedoch erst die Frage auf, was sich verändert haben soll? Nämlich Nichts! Eine Diskussion basierend auf der Frage: Wie viel Islam verträgt Deutschland, ist von jeglicher Sachlichkeit weit entfernt. Durch solch eine Fragestellung wird der Eindruck vermittelt, als ob man bisher den Muslimen Deutschlands die Praktizierung des Islams ohne Einschränkungen ermöglicht habe und der Islam bereits ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland sei. Vielmehr ist es die Kopftuchdebatte, der erzwungene gemischtgeschlechtliche Schwimmunterricht und die Gebetsverbote an diversen Schulen Deutschlands, welche die tatsächliche Stellung des Islams bei der hiesigen politischen Klasse als auch der Gesellschaft aufzeigt. Ferner wird der Islam als Ganzes mit den Anschlägen und dem Leid von Paris in Verbindung gesetzt. Damit werden alle Muslime über einen Kamm geschert. Dies resultiert in einem immer wiederkehrenden Disput, der dem Islam und den Muslimen keinen festen Platz in Deutschland gewährt. Der Islam wird durch solche Schlagzeilen entfremdet und in den Köpfen der Mehrheitsbevölkerung als Fremdkörper angesehen, dessen Position und Verträglichkeit für sie immer wieder bestätigt werden muss. 6

8 Erst Charlie Hebdo dann Paris und dann? Jede Wirkung hat eine Ursache. Eine Debatte über die Auswirkungen von Ereignissen, ohne die Ursachen zu berücksichtigen, ist niemals zielführend. Sie trägt weder zu einer Problemlösung, noch zu einer Klärung eines Sachverhalts bei. Deswegen stellen wir zunächst fest: Seit September 2015 ist die französische Luftwaffe 1200 Einsätze geflogen. Seit dem haben sich britische und deutsche Militärflugzeuge diesen Einsätzen angeschlossen. Erstaunlich, wie erkenntnisresistent die politischen Entscheidungsträger auf Anschläge reagieren. So haben die Maßnahmen, die George W. Bush nach dem 11. September ergriffen hat nur zu weiteren Eskalationen geführt. Eine sachliche Auseinandersetzung mit den Ursachen ist unabdingbar, um sich ein übergeordnetes Gesamtbild zu verschaffen. Ohne Zweifel tragen die gegenwärtig getroffenen politischen Entscheidungen nicht zur Problemlösung bei! Wie kann man nur erwarten, dass die eigenen Angriffe ohne Reaktion bleiben? 7

9 Der Islam ist gewaltverherrlichend! Der Islam ist eine Lebensordnung, welche die Gesamtheit aller Probleme des Menschen auf seine Weise löst. Zu den aus der Lebensordnung hervorgehenden Regeln gehört auch die Regelung der Beziehungen der Menschen untereinander. Beim Überschreiten dieser Regeln sieht der Islam die Anwendung von Strafen vor. So wird der Dieb, der Mörder oder der Betrüger je nach Schwere der Tat bestraft. Deutschland wendet eine Lebensordnung an, welche die Gesamtheit aller Probleme des Menschen auf seine Weise löst. Zu den aus der Lebensordnung hervorgehenden Regeln gehört auch die Regelung der Beziehungen der Menschen untereinander. Beim Überschreiten dieser Regeln sieht das System die Anwendung von Strafen vor. So wird der Dieb, der Mörder oder der Betrüger je nach Schwere der Tat bestraft. Würde man Deutschland stets durch sein Strafsystem präsentieren, so wäre man dazu genötigt zu sagen, dass Deutschland gewaltverherrlichend ist! 8

10 Ihr wollt Europa islamisieren! Im letzten Jahrhundert fand eine Einwanderung von Muslimen in die Länder Europas statt. Die Triebfeder für diese Auswanderungen lässt sich auf drei Gründe zurückführen: Das Streben nach Unterhalt Das Streben nach Wissen Das Streben nach Schutz und Sicherheit Wie kann man denn aus diesen Beweggründen das Motiv einer Islamisierung ableiten? Es kommt daher einer Verschwörungstheorie gleich, dass den Muslimen in Deutschland ständig eine geplante Islamisierung vorgeworfen wird. Ferner werden die Bemühungen der Muslime für ihre Rechte einzustehen in der Art und Weise ausgelegt, dass die Muslime bemüht sind, die Sharia in den jeweiligen Ländern zu implementieren. Dabei ist es doch das Recht eines jeden einzelnen Menschen seine Überzeugungen kundzutun. Fortwährend steht der islamische Wertekanon im Fokus der öffentlichen Diskussion. Nach den Anschlägen von Paris ist beispielsweise die Diskussion um die Vollverschleierung wieder neu entfacht worden. Der Einsatz zur sachlichen Auseinandersetzung zum Erhalt der eigenen islamischen Identität und Gegenwehr der Assimilationspolitik wird derart uminterpretiert, dass es das Ziel sei, Europa zu islamisieren. Tatsächlich wurde solch eine Behauptung von keinem muslimischen Vertreter oder Verein formuliert! Es ist nichts weiter als eine Illusion, die vorrangig dazu instrumentalisiert wird, um Feindseligkeiten gegen den Islam zu schüren. 9

11 Der Islam braucht mehr Toleranz! Fortwährend wird die Forderung laut, der Islam bräuchte mehr Toleranz. Hierzu soll kurz die damalige Situation der Nichtmuslime unter den Muslimen betrachtet werden. So sprach der Gesandte Allahs (s): Wer einem Schutzbefohlenen Leid zufügt, so bin ich sein Gegner. Und wessen Gegner ich bin, dessen Gegner werde ich am Tage der Auferstehung sein. (Von Al- Khatib über Abdullah ibn Masud überliefert, ebenso im Kanz al Ummal) Die Muslime lehnten von jeher eine Einmischung in die religiösen Privatangelegenheiten der unter ihnen lebenden Nichtmuslimen kategorisch ab. So sagt Allah, der Erhabene, in Sure 2, Vers 256: ال إ ك ر اه ف ي الد ين Es gibt keinen Zwang im Glauben. (Al-Baqarah, 256) Wer Toleranz fordert, muss sich ebenso selbst an diesem Anspruch messen lassen. Es ist als Muslim unerträglich zu sehen, wie islamische Überzeugungen und Normen angegriffen und entwertet werden. Dieses Auftreten kann erst entstehen, wenn die Mehrheitsgesellschaft eine solche regelrechte Diffamierung zulässt. Es steht nicht im Zeichen von Toleranz, Werte anderer Glaubensrichtungen zu attackieren und abzuwerten. Die öffentliche Niedermachung islamischer Normen wie das Kopftuch oder die Vollverschleierung sind mittlerweile selbstverständlich geworden. Permanent werden Wertevorstellungen des Islams angeprangert und als rückständig dargestellt. Dieses Auftreten ist hochgradig intolerant und lässt Selbstreflexion in vollem Umfang vermissen. Ist es tolerant, qualifizierte muslimische Frauen nur wegen ihres Kopftuches aus den Schulen zu entfernen? Ist es tolerant, Flüchtlingen, die mit nichts anderem als dem, was sie am Körper tragen, bei uns angekommen sind, direkt unter die Rute westlicher Werte zu zwingen. Ist es tolerant. Realität Islam Safar 1437/Dezember

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