Universität Würzburg Wintersemester 2007/2008. Konversatorium zum Grundkurs Öffentliches Recht I. Lösungsskizze der 1. Klausur vom 6.12.
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- Frida Althaus
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1 Universität Würzburg Wintersemester 2007/2008 Konversatorium zum Grundkurs Öffentliches Recht I Lösungsskizze der 1. Klausur vom Die abstrakte Normenkontrolle hat Aussicht auf Erfolg, falls sie zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit der abstrakten Normenkontrolle I. Zuständigkeit des BVerfG Die Zuständigkeit für ein Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ergibt sich aus den Art. 93 I Nr. 2 GG, 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG. II. Antragsberechtigung Die Landesregierung des Landes B ist in den Art. 93 I Nr. 2 GG, 76 I BVerfGG ausdrücklich als Antragsberechtigter genannt. III. Prüfungsgegenstand Gemäß Art. 93 I Nr. 2 GG, 76 I Nr. 1 BVerfGG ist Bundes- oder Landesrecht tauglicher Prüfungsgegenstand im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens. Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes erfüllt als (verfassungsänderndes) Bundesrecht zunächst diese Voraussetzung. Problematisch könnte jedoch sein, dass die Gesetzesänderung erst zum Jahreswechsel in Kraft tritt. Allerdings genügt zur Überprüfbarkeit im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens bereits der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens (durch Ausfertigung und Verkündung, s.u. B.II.), ohne dass das Gesetz bereits in Kraft getreten ist, da ab diesem Zeitpunkt keine Änderungen mehr stattfinden können. Ein tauglicher Prüfungsgegenstand liegt mithin bereits jetzt vor. IV. Antragsgrund Die Landesregierung hält die GG-Änderung für verfassungswidrig und nichtig; auf die Wortlautunterschiede zwischen Art. 93 I Nr. 2 GG ( bei Meinungsverschieden-
2 2 heiten oder Zweifeln ) und 76 I Nr. 1 BVerfGG ( für nichtig hält ) kommt es also im Ergebnis nicht an, obgleich im Kollisionsfall die Höherrangigkeit des GG für das Ausreichen von bloßen Zweifeln spricht. V. Form und Frist Der Antrag ist schriftlich und mit entsprechender Begründung einzureichen, 23 I BVerfGG; aufgrund des Charakters als objektives Rechtsprüfungsverfahren ist der Normenkontrollantrag nicht fristgebunden. VI. Zwischenergebnis: Der Normenkontrollantrag ist zulässig. B. Begründetheit der abstrakten Normenkontrolle I. Prüfungsmaßstab Da vorliegend ein verfassungsänderndes Gesetz überprüft wird, kommt als Prüfungsmaßstab allein Art. 79 GG ( Ewigkeitsgarantie ) in Betracht. II. Formelle Verfassungsmäßigkeit des GG-Änderungsgesetzes 1. Gesetzgebungszuständigkeit Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für Grundgesetzänderungen ergibt sich aus Art. 79 I, II GG. 2. Gesetzgebungsverfahren Zwar wurde die gemäß Art. 79 II GG erforderliche 2/3-Mehrheit im Bundestag erzielt, der mit derselben Mehrheit an sich zustimmungspflichtige Bundesrat hat seine Zustimmung indes versagt. Fortsetzung der Prüfung, da Bearbeitervermerk umfassendes Gutachten bzw. Hilfsgutachten fordert
3 3 3. Form Art. 79 I 1 GG (Textänderung, Gebot der Verfassungsklarheit und Verbot von Nebenverfassungen) wurde beachtet; Ausfertigung und Verkündung sind entsprechend Art. 82 I 1 GG erfolgt. Anm.: Vertretbarerweise kann die Ausfertigung/Verkündung von den Bearbeitern, da sie den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bildet, auch dort (B.II.2.) geprüft werden. Dass der Bundespräsident das GG-Änderungsgesetz nicht hätte ausfertigen dürfen, weil es mangels Zustimmung des Bundesrates formell verfassungswidrig und somit nicht nach den Vorschriften dieses GG zustande gekommen ist (=formelles Prüfungsrecht), spielt in diesem Fall für die Lösung keine Rolle und war daher auch nicht anzusprechen. 4. Zwischenergebnis Der Verfahrensfehler der fehlenden Zustimmung des Bundesrates macht das GG-Änderungsgesetz bereits formell verfassungswidrig. III. Materielle Verfassungsmäßigkeit des GG-Änderungsgesetzes Prüfungsmaßstab ist in materieller Hinsicht allein Art. 79 III GG. 1. Grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung Es könnte zunächst sein, dass durch die Einführung eines Bundessenats in die in Art. 79 III 2. Var. GG geschützte grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung eingegriffen wurde. Bisher wirkten die Länder durch den Bundesrat auf Bundesebene mit, jetzt ist dieser nur noch für die sog. Einspruchsgesetze zuständig; nach Art. 77 IV GG kann sein Einspruch in diesen Fällen vom Bundestag zurückgewiesen werden. Im wichtigen Bereich der Zustimmungsgesetze soll nunmehr der Bundessenat den Bundesrat ersetzen; ersterer ist aber nicht mit Ländervertretern besetzt, sondern mit Verbandsvertretern, die wohl eher Eigenbzw. Verbandsinteressen als Länderinteressen verfolgen.
4 4 Zwar ist über Art. 79 III GG nur der Kernbereich der Mitwirkung der Länder geschützt, in diesen wurde jedoch empfindlich eingegriffen, da von einer grundsätzlichen Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung gerade in den wichtigen Bereichen der zustimmungspflichtigen Gesetze nicht mehr gesprochen werden. Nach alledem ergibt sich vorliegend ein Verstoß gegen das Prinzip der grundsätzlichen Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung des Art. 79 III GG. Anm.: A.A. mit entsprechender Begründung vertretbar, sofern der Kernbereich einer Mitwirkung der Länder durch den Bundesrat im Falle der hier vorgenommenen Beschränkung auf die Einspruchsgesetze als gewahrt angesehen wird. 2. Demokratieprinzip / Volkssouveränität (Art. 79 III i.v.m. 20 I, II 1 GG) Des Weiteren könnte ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip, Art. 79 III i.v.m. 20 I, II 1 GG, vorliegen [Art. 21 I 3 GG ist nicht einschlägig]. Die Mitglieder des Bundessenates werden nicht von den Wählern der jeweiligen Bundesländer bestimmt, sondern von den Interessenverbänden, die gerade nicht zwingend die ganze Bevölkerung repräsentieren und auch nicht demokratisch organisiert sein müssen. Von einer demokratischen Legitimation der Mitglieder des Bundessenates kann also nicht gesprochen werden; sie wäre aber erforderlich, da nach Art. 20 II 1 GG alle Staatsgewalt und an der soll der Bundessenat ja teilhaben vom Volke ausgeht. I.ü. ist der Bundessenat dem Staatsvolk gegenüber weder direkt über Wahlen noch indirekt verantwortlich. Es liegt mithin auch ein Verstoß gegen Grundsätze des Art. 20 I, II 1 GG i.v.m. Art. 79 III GG vor.
5 IV. Zwischenergebnis 5 Der Normenkontrollantrag ist in formeller (Verfahrensfehler der fehlenden Bundesratszustimmung) und materieller Hinsicht (Verstöße gegen die Ländermitwirkung bei der Gesetzgebung und das Demokratieprinzip) begründet. C. Endergebnis Der zulässige Antrag der Landesregierung von B ist damit zulässig und begründet und hat deswegen Aussicht auf Erfolg. Das BVerfG wird das GG-Änderungsgesetz für nichtig erklären, 78 S. 1 BVerfGG. Diese Entscheidung hat nach 31 II 1 BVerfGG Gesetzeskraft.
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