Beitrag: Heimliches Kriegstraining US-Drohnen in Bayern

Transkript

1 Manuskript Beitrag: Heimliches Kriegstraining US-Drohnen in Bayern Sendung vom 15. Juli 2014 von Claudia Jürgens und Ulrich Stoll Anmoderation: Deutschland ist beim Datenklau zu Diensten, aber auch beim Drohnenkrieg. Ob Geheimdienst oder Militär: Den Amerikanern werden hierzulande kaum Grenzen gesetzt. Claudia Jürgens und Ulrich Stoll warfen einen Blick in die deutsche Provinz und entdeckten: Das US-Militär kann sich dort als Besatzungsmacht gebärden und die Politik kuscht. Nur einige wackere Bürger stemmen sich gegen die Kolonialisierung ihrer Vorgärten. Text: Eigentlich wohnen Angela und Werner Dier ganz idyllisch direkt am Wald, mit weitem Ausblick in die Landschaft der Oberpfalz. Doch der Truppenübungsplatz Grafenwöhr liegt nah. Panzer und Hubschrauber lärmen im Wald. Und dann noch dieses merkwürdige Brummen. O-Ton Angela Dier, Unternehmerin, Auerbach: Meistens geht es morgens so um zehn Uhr an. Das ist wahrscheinlich so die Anfangszeit. Und dann geht es über Stunden, immer so ein Rasenmähergeräusch, permanent. Also, es nervt kolossal. Und nachts sind die Dinger natürlich auch beleuchtet. Man kann sie auch ganz gut sehen oder wenn eine Übung ist, auf der Schießbahn hier drüben, dann sind anscheinend Drohnen auch dabei, die das dann beobachten oder ausleuchten, je nachdem. Die Eheleute Dier wissen erst seit wenigen Monaten, dass in Grafenwöhr auch Drohnen stationiert sind. Dabei üben die US- Soldaten schon seit Jahren hier mit den Flugrobotern für ihre weltweiten Einsätze. In diesem Hangar sind die Drohnen untergestellt. Heidi Kaschner ist empört, dass den Anwohnern die Drohnenflüge so lange verheimlicht wurden. Die Hobby- Schafzüchterin wohnt südlich vom Truppenübungsplatz und hat

2 jetzt eine Bürgerinitiative gegründet. O-Ton Heidi Kaschner, Bürgerinitiative Keine Drohnen in der Oberpfalz : Wir haben letztes Jahr, also im Sommer 2013 und definitiv im November 2013, durch eine kleine Anfrage vom Bundestag erfahren, dass bereits seit 2003 in unserem Gebiet Drohnen stationiert sind. Nach zehn Jahren. So lange verschwiegen Bundesregierung und US-Army, dass die größte Version der Hunter-Drohne hier stationiert ist. Spannweite zehn Meter, mögliche Bewaffnung: zwei Hellfire-Raketen. O-Ton Lt. Col. Andy Green, Drohnen-Ausbildungschef, US- Stützpunkt Grafenwöhr: Die Tatsache, dass die Hunter-Drohnen hier seit fast elf Jahren sind, und dass man nichts von ihnen weiß, heißt doch, dass das Flugtraining nicht sonderlich störend ist für die Leute hier. Jetzt, wo nichts mehr verheimlicht werden kann, geht die US- Army in die PR-Offensive. O-Ton Lt. Col. Andy Green, Drohnen-Ausbildungschef, US- Stützpunkt Grafenwöhr: Mit den Hunter-Drohnen können wir Ziele optisch erfassen und jede Aktion am Boden beobachten. In Afghanistan benutzen wir den Hunter, um feindliche Operationen oder Ortschaften zu überwachen. Oder wir fliegen Grenzgebiete ab, um illegale Grenzübertritte zu beobachten. Was er nicht sagt: Die Hunter-Drohnen sind in Kriegsgebieten auch als Kampfdrohne im Einsatz, haben schon Einsätze hinter sich. Jeder dritte Drohnenpilot aus Grafenwöhr war schon im Kriegseinsatz das feiern sie im Stützpunkt. Die Anwohner außerhalb der US-Basis wissen kaum etwas über das Einsatztraining durch den amerikanischen Militärgeheimdienst. Einige in der Kleinstadt Vilseck, direkt neben dem Truppenübungsplatz, wollen es gar nicht so genau wissen. Schließlich bringe die Army Aufträge von 50 Millionen Euro jährlich und hunderte von Jobs für Deutsche, schwärmt der Bürgermeister. O-Ton Hans-Martin Schertl, Freie Wähler, Bürgermeister Vilseck: Für mich ist der Einsatz von Drohnen letztendlich kein Problem. Denn es gibt mit Sicherheit für die Army die Notwendigkeit, neue Waffensysteme, neue Trainingssysteme auszuprobieren. Und ich sehe es nicht als Notwendigkeit an,

3 über jeden Einsatz entsprechend informiert zu werden. Heidi Kaschner und ihre Mitstreiter von der Bürgerinitiative dagegen ärgert, dass die Amerikaner in der Region machen können, was sie wollen. Denn seit kurzem sind sogar noch mehr Drohnenflüge geplant: Die Bundesregierung hatte Flugkorridore im zivilen Luftraum zwischen zwei US-Stützpunkten genehmigt. Drohnen-Training direkt über bewohntem Gebiet. O-Ton Heidi Kaschner, Bürgerinitiative Keine Drohnen in der Oberpfalz : Wenn also nicht nur auf den Übungsplätzen die Hunter- Drohne getestet wird, trainiert wird, das bedeutet klipp und klar, dass die komplette nördliche Oberpfalz zum Übungsplatz umfunktioniert wird, dass über zivilem, bewohntem Gebiet militärisches Gerät fliegt, das nicht beherrschbar ist. Und die Information seitens der Behörden, die lässt sehr zu wünschen übrig. Doch die Bundesregierung beschwichtig: Die Luft-Korridore dienten lediglich der Überführung von Drohnen von einer Militärbasis zur anderen: Der Rückgriff auf die Verbindungskorridore dient ausschließlich dem Transit zwischen zwei Übungsräumen. Andrej Hunko glaubt das nicht. Denn ohne sein Nachhaken im Bundestag hätte die Bundesregierung die Drohnenstationierung gar nicht öffentlich gemacht. O-Ton Andrej Hunko, DIE LINKE, MdB: Also, ich halte es für unglaubwürdig, dass es dabei nur um Überführung geht. Die Drohen können lange in der Luft bleiben, sie können trainieren, Ziele anpeilen, und das macht dann eigentlich eher Sinn als jetzt eine einfache Überführung über diesen Korridor. Sogar die Amerikaner bestätigen, dass sie über den Köpfen der Oberpfälzer lang andauernde Trainingsflüge absolvieren wollen: Der Luftkorridor ermöglicht den Piloten ein Training in einem realistischen Trainingsumfeld. Der Luftfahrtexperte Professor Giemulla ist überzeugt: Die Amerikaner wollen keinen Korridor zur Überführung, sondern für ständiges Drohnentraining - unbemerkt von der zivilen Flugsicherung. O-Ton Prof. Elmar Giemulla, Luftverkehrsrechtsexperte TU Berlin: Die Geheimhaltung kann eine Rolle spielen, denn wenn ich mich mit der zivilen Flugsicherung immer in Verbindung

4 setzten muss, um meinen Luftraum nutzen zu können, dann bin ich an der Öffentlichkeit. Und wenn ich einen Luftraum dauerhaft gesperrt habe, dann kann ich da machen, was ich will. Die Mitglieder der Bürgerinitiative glauben, dass die Aufklärungsdrohnen über ihren Häusern auch den Umgang mit Überwachungskameras üben. O-Ton Uwe Schrön, Bürgerinitiative Keine Drohnen in der Oberpfalz : Was wir auch nicht wissen, mit welchen Geräten diese Drohnen ausgestattet sind, die gegebenenfalls weitere Eingriffe in die Grundrechte bringen - wie zum Beispiel Datenschutz. Drohnen sind grundsätzlich mit Kameras, meist mit sehr, sehr guten Kameras ausgerüstet. Und wir haben keine Möglichkeit hier nachzuprüfen, inwieweit diese Technik gegen unsere Menschen eingesetzt wird. Die Army beruhigt: Bei Flügen über den Wohngebieten werde die Spionagetechnik nicht genutzt. Das können die Anwohner glauben oder nicht. Die Bundesregierung übt darüber jedenfalls keine Kontrolle aus. Denn wenn US-Drohnen über Deutschland fliegen, haben deutsche Datenschützer nichts zu melden: Ausländische Behörden und Streitkräfte in Deutschland unterliegen nicht ihrer Kontrolle. Anwohner haben auch Zweifel, dass die Luftkorridore überhaupt eingehalten werden. Im Februar 2014 kreiste eine Drohne über Wohngebieten. O-Ton Karl Heinz Reuschl, Anwohner: Ich habe den ganzen Vormittag über schon bemerkt, dass relativ laut der Drohnen-Lärm zu hören ist. Und als ich dann hier unterwegs war, zu Fuß, sah man die Drohne wieder aufsteigen, hier überm Wald. Dann hat sie so eine Kurve übers Dorf geflogen, hier hinten umgedreht, und wieder übers Dorf nach hinten, und wieder hinten gelandet. Und das ging halt so im Zehn-Minuten-Rhythmus den ganzen Tag über. Ein Versehen, sagen die Amerikaner. Jetzt soll der Hunter sogar ersetzt werden durch noch größere Drohnen. Nach Aussage einer Zeitschrift der US-Army kommen ab dem Jahr 2017 Drohnen vom Typ MQ-1 C in die Oberpfalz Typbezeichnung: Sky Warrior - Himmelskrieger. Eine Kampfdrohne mit 17 Meter Spannweite. Sie kann 20

5 Stunden in der Luft bleiben und vier Hellfire-Raketen tragen. Die NATO arbeitet bereits an der Luftraum-Zulassung. O-Ton Prof.Elmar Giemulla, Luftverkehrsrechtsexperte TU Berlin: Diese Zulassung soll gewährleisten, dass ein Luftfahrtzeug, was sich über den unmittelbaren militärischen Flugbereich hinausbewegt - also mit anderen Worten - mit der zivilen Bevölkerung in Kontakt gerät, in der Weise, dass es über die zivile Bevölkerung hinwegfliegt, dass das auch sicher stattfinden kann. Das heißt, diese Zielsetzung kann nur den Hintergrund haben kann, dass man dauerhaft und für die Zukunft eben plant, tatsächlich größeres Gerät auch über Deutschland fliegen zu lassen. Die Bundesregierung sagt, sie wisse nichts von solchen Stationierungsplänen. Die Anwohner wie Heidi Kaschner werden wohl als Letzte darüber informiert werden. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.