Rechtsfragen bei Konfliktschwangerschaft
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- Bettina Morgenstern
- vor 7 Jahren
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1 Rechtsfragen bei Konfliktschwangerschaft Eine Auswahl von Rechtsfragen... Strafrechtliche Rahmenbedingungen des Schwangerschaftsabbruchs Rechtliche Grundlagen der Beratung Beratung von Minderjährigen Sterilisation statt SSA? Fallbeispiele 1
2 Strafrechtliches Regelungskonzept Grundkonzept: Strafbarkeit mit Straflosigkeitsvorbehalt (Art Art. 120 StGB) Grundlage: Strafrecht als primär repressives Instrument zur Manifestierung gesellschaftlicher Wertentscheide... Rechtsgüterabwägung Schutz des ungeborenen Lebens und Schutz der Selbstbestimmung der schwangeren Frau 2
3 Strafbarkeit: Problematisierung I Gebär- und Austragungspflicht? Ausgangspunkt:Schwangerschaftsabbruch als besonderes Unterlassungsdelikt Nichtaustragen des Embryos bedeutet im strafrechtl. Sinne Unterlassung der Schwangeren Unterlassungsdelikte brauchen Begründung einer besonderen Handlungspflicht, insb. durch Vertrag oder Gesetz Begründung der Austragungs- und Gebärpflicht generell für Schwangere problematisch in pluralistischer Gesellschaft 3
4 Strafbarkeit: Problematisierung II Verhältnismässigkeit? Schutz des nasciturus und Selbstbestimmung der Frau als Antinomie? Güterabwägung und Verhältnismässigkeitsprinzip Strafbarkeit = massiver Eingriff in Selbstbestimmungsrecht (persönl. Freiheit) Eignung und Notwendigkeit der Strafbarkeit? 4
5 Strafbarer Schwangerschaftsabbruch Strafbarkeit des/der beteiligten Dritten Bei Beteiligung an Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der schwangeren Frau ohne besonderen Straflosigkeitsgrund Freiheitsstrafe bis fünf Jahre oder Geldstrafe Bei Beteiligung ohne Einwilligung der schwangeren Frau Freiheitsstrafe ein Jahr bis zu zehn Jahren Strafbarkeit der Schwangeren Beteiligung an Abbruch nach Ablauf der 12. Schwangerschaftswoche (seit Beginn der letzten Periode) ohne speziellen Straflosigkeitsgrund: Freiheitsstrafe bis drei Jahre oder Geldstrafe 5
6 Rechtfertigungsgrund I: Fristenregelung Konzept: Fristenregelung und Verfahren light : = Beratung/Unterstützung statt Strafe = Formelle Voraussetzungen, aber keine Beratungspflicht Voraussetzungen Schriftliches Gesuch der Frau Begründung der Schwangeren: Notlage Durchführung durch Ärztin/Arzt mit Berufszulassung Vorgängiges eingehendes persönliches Gespräch durch die Ärztin/den Arzt Frist: 12 Wochen seit Beginn der letzten Periode 6
7 Rechtfertigungsgrund Fristenregelung II Rechtfertigende Straflosigkeit: Frage nach der (strafrechtlichen) Handlungspflicht zur Fortsetzung der Schwangerschaft generell? Warum Beschränkung auf 12 Wochen? Argument der grösseren Eingriffsrisiken bei späterem Abbruch? Güterabwägung: abstrahierter Notstand Verantwortungszuschreibung Normativer Kompromiss 7
8 Rechtfertigungsgrund Indikationenlösung Indikationenregelung Bei Gefahr einer schwerwiegenden, körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage Nach ärztlichem Urteil; ärztl. Beratungsgespräch wohl angezeigt Je weiter fortgeschritten die Schwangerschaft, desto grösser muss die abgewendete Gefahr sein. Güterabwägung: notstandsähnlich Alter des nasciturus? Konkretheit, Grösse und Nähe der Gefahr für die Mutter: physische und psychische Indikation Abgrenzung zu Tötungsdelikten wohl Moment der Einwirkung... 8
9 Mit Busse sanktionierte Verfahrensregeln Einverlangen eines schriftlichen Gesuchs Eingehendes persönliches Gespräch und Beratung, inkl. Information über gesundheitliche Risiken des Eingriffs: nicht delegierbar! Aushändigung des Leitfadens gegen Unterschrift, beinhaltend Kostenlose Beratungsstellen Verzeichnis von Hilfseinrichtungen Auskunft über Möglichkeit der Adoptionsfreigabe Meldung anonymisierter Daten an zuständige Gesundheitsbehörde 9
10 Insb. Beratung I Ziel: informed decision; Bild der selbstverantwortlichen Schwangeren Aerztin/Arzt: persönliches eingehendes Gespräch/Beratung Freiwillige Beratung bei externer Stelle für über 16jährige Beratungspflicht bei externer Stelle für unter 16jährige 10
11 Insb. Beratung II Eingehende Beratung durch Ärztin/Arzt Medizinische Aspekte Psychische Aspekte Rechtliche Aspekte Soziale Aspekte Bei Urteilsfähigkeit: Verantwortung für Entscheid bei Schwangeren (Fristenreg.) bzw. bei Ärztin/Arzt (Indikation, vgl. BGE vom ) Bei fehlender Urteilsfähigkeit, Zustimmung zu Abbruch durch gesetzliche/n Vertreter notwendig 11
12 Insb. Beratung III: Beratungsstellen Bundesgesetzlicher Anspruch auf unentgeltliche Beratung und Hilfe seit 1981 Beratungsinhalt Private und öffentliche Hilfen Medizinische Aspekte Schwangerschaftsverhütung Kantonale Stellen oder private Organisationen in kantonalem Auftrag 12
13 Insb. Beratung IV: Beratungsthemen Sozialrecht Arbeitsrecht Mutterschaftsversicherung und Ihre Leistungen Vaterschaft, elterliche Sorge und Unterhaltsansprüche Sozialhilfe Adoption 13
14 Insb. Beratung V: Informationen Familienplanungsstellen Beratungsstellen (allgemeine, für Frauen, für Familien, kirchliche, für AusländerInnen) Spitalsozialdienste Sozialdienste KESB Schweizerische Fachstelle für Adoption Broschüren zu Arbeitsrecht und Mutterschaft Mutterschaft. Schutz der Arbeitnehmerinnen. Hg: Staatssekretariat für Wirtschaft Mutterschaftsentschädigung. 14
15 Insb. Beratung VI: Beratungsstellen Strenges Beratungsgeheimnis (Amts- und Berufsgeheimnis nach Art. 320/321 StGB); Auch gegenüber Eltern, gesetzliche VertreterIn Beratungsstellen: auch gegenüber behandelnder Ärztin/behandelndem Arzt Ärztinnen/Ärzte: auch gegenüber Beratungsstelle Für Beratungsstellen keine Zeugnis- und Auskunftspflicht Für Ärztinnen und Ärzte nur nach Entbindung Berufsgeheimnis 15
16 Insb: Abbruch bei Minderjährigen URTEILSFAEHIGKEIT, nicht Volljährigkeit, als Zentralbegriff! Bei Urteilsfähigkeit: EIGENER Entscheid der betroffenen Frau Bei fehlender Urteilsfähigkeit, Zustimmung des/der gesetzlichen Vertreter notwendig Was heisst Urteilsfähigkeit:? Einsichts- und Steuerungsfähigkeit Voraussetzung: u.u. eingehendes Gespräch Beratungsvorbehalt bei Frauen unter 16 Jahren: Ärztin/Arzt muss sich persönliche vergewissern 16
17 Insb: Wunsch nach Sterilisation? Sonderregeln des Sterilisationsgesetzes Voraussetzungen Urteilsfähig UND über 18jährig Umfassend aufgeklärt und dokumentiert Sonderfall bei über 18jährigen unter umfassender Beistandschaft Sonderfall bei dauernd Urteilsunfähigen Personen 17
18 Fallbeispiel minderjährige Patientin 17jährige Frau wird von ihrer Psychiaterin angemeldet, nachdem ihr der Abbruch im Kantonsspital eines anderen Kantons abgelehnt wurde. Die Begründung sei, dass die Eltern der Frau ihre Unterschrift für den Abbruch verweigern würden. Die leitende Ärztin sage, dass sie Abbrüche bei Minderjährigen grundsätzlich nur machen würden, wenn die Unterschrift der Eltern vorliege. Der Vater der jungen Frau drohe mit einer Klage und sage, er werde alles daran setzten, dass der Abbruch nicht statt finde. Die Psychiaterin hat die Urteilsfähigkeit der jungen Frau schriftlich bestätigt,. Nun wird von ihr seitens der Eltern erwartet, dass sie schriftlich bestätige, dass es der Frau danach gut gehen und sie sich nie etwas antun werde. 18
19 Fallbeispiel Frau B. Schwangerschaft im 02/15 mit Abort und Schwangerschaft im 06/15 mit Abbruch. Frau B. ambivalent Kinderwunsch, sieht sich aber psychosozial nicht in der Lage Beziehung zum Kindsvater unklar. Ex-Mann drängt auf Abbruch und Sterilisation. Verhütungsstäbchen stösst bei Ex-Mann auf Widerstand. Frau B. lehnt eine Verhütung mit Spirale oder Implanon ab und will es weiter mit der Pille probieren. Schwangerschaft im 11/15 mit Abbruch und Sterilisation in Zürich in der 12. Schwangerschaftswoche mit ihrem Ex-Mann in einer Privatklinik. 08/16 Kinderwunsch von Frau B. bei FamPla-Stelle und beim Kindeswunschzentrum 19
20 Fazit Strafrechtliche Indikationenlösung Kriterien für ärztliches Urteil bei Indikationenregelung: Anamnese der physischen und psychischen Notlage besonders relevant. Keine generelle Beratungspflicht bei externen Stellen für SSA (ausser unter 16jährige) Selbstbestimmungsrecht urteilsfähiger Patient/innen als Grundsatz der Familienplanung Sterilisation nur nach Sterilisationsgesetz Grundsatz der Entscheidoffenheit der Beratung und besondere Bedeutung des Beratungsgeheimnisses 20
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