BGB 2332 Verjährung eines Pflichtteilsanspruches bzw. Pflichtteilsvermächtnisses
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- Anton Bauer
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1 DNotI Deutsches Notarinstitut Fax - Abfrage Gutachten des Deutschen Notarinstitut Dokumentnummer: 1221# letzte Aktualisierung: 14. Juni 2004 BGB 2332 Verjährung eines Pflichtteilsanspruches bzw. Pflichtteilsvermächtnisses Nach dem von Ihnen mitgeteilten Sachverhalt hat ein Ehepaar drei Kinder. Im Jahre 1968 errichtete dieses Ehepaar einen Ehe- und Erbvertrag. Mit dem Ehevertrag wurde der Güterstand der Gütergemeinschaft eingeführt. Sodann wurde ein Erbvertrag mit folgendem Inhalt geschlossen: 1. Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu Alleinerben ein. 2. Unsere Kinder erhalten vermächtnisweise den gesetzlichen Pflichtteil zugewiesen. Das sind für alle Kinder zusammen 3/8 des Reinnachlasses des erstversterbenden Ehegatten oder 3/16 des reinen Gesamtgutes. Im Jahre 1982 übertrug das Ehepaar ein Grundstück an eine Tochter errichtete die Ehefrau ein privatschriftliches Einzeltestament, in dem sie bestimmte, daß ihr Ehemann zum Alleinerben eingesetzt werden soll. Weitere Bestimmungen stehen in diesem Testament nicht mehr verstarb die Ehefrau. Ihr Ehemann wurde alleiniger Erbe. Dieser errichtete 1995 ein Testament und setzte die Tochter, die seinerzeit zu Lebzeiten das eine Grundstück erhalten hat, zur Erbin ein. Für seine beiden anderen Kinder setzte er Geldvermächtnisse aus. Der Vater verstarb Nach Auffassung der beiden pflichtteilsberechtigten Kinder erreichen die Geldvermächtnisse den Wert des Pflichtteils nicht. Außerdem wollen sie noch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch im Hinblick auf die 1982 erfolgte Überlassung eines Hausgrundstückes an die Schwester, die später Erbin geworden ist, einfordern. In bezug auf vorstehenden Sachverhalt fragten Sie an, ob es bei der dreißigjährigen Verjährungsfrist des Pflichtteils bleiben würde, obwohl die Ehefrau in einem neuen Testament diese Bestimmung nicht wiederholt habe. Weiterhin fragten Sie an, ob dann, wenn der Pflichtteil nach wie vor erst in 30 Jahren verjährt, dies auch für den Ergänzungspflichtteil gem BGB gelte. Zu den von Ihnen aufgeworfenen Rechtsfragen können wir wie folgt Stellung nehmen: Da im vorliegenden Fall sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann verstorben sind, handelt es sich um zwei verschiedene Erbfälle, die auch unter pflichtteilsrechtlichen Gesichtspunkten getrennt beurteilt werden müssen: Deutsches Notarinstitut Kaiserstraße Würzburg Telefon / Telefax /
2 Seite 2 I. Nachlaß der Ehefrau: 1. Im vorliegenden Erbvertrag der Ehegatten wurde den Kindern (allen, auch der späteren Erbin des Vaters) vermächtnisweise der gesetzliche Pflichtteil zugewiesen. Hierbei handelt es sich u. E. um ein Vermächtnis des erstversterbenden Ehegatten, mit dem der überlebende Ehegatte als Alleinerbe des erstversterbenden Ehegatten beschwert war. Ein solches Vermächtnis wird bei gegenseitiger Erbeinsetzung der Ehegatten (und damit Enterbung der gemeinschaftlichen Kinder auf den ersten Erbfall) häufig angeordnet, da für diesen Vermächtnisanspruch dann die dreißigjährige Verjährungsfrist des 195 BGB gilt (vgl. Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB, 12. Aufl. 1983, 2332 Rn. 30) und nicht die kurze dreijährige Verjährungsfrist des 2332 BGB. Damit soll in erster Linie verhindert werden, daß alsbald nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten die gemeinschaftlichen Kinder ihren Pflichtteilsanspruch gegen den überlebenden Ehegatten geltend machen, um eine Verjährung des Anspruches zu verhindern. a) Wird ein solches Pflichtteilsvermächtnis von den gemeinschaftlichen Kindern angenommen, verjährt es folglich erst in 30 Jahren ab dem Anfall des Vermächtnisses ( 2176 BGB). Ist vermächtnisweise der gesetzliche Pflichtteil zugewiesen, dann bestehen keine Pflichtteilsrestansprüche nach 2307 Abs. 1 S. 2, 2305 BGB, da das zugewiesene Vermächtnis dann wertmäßig dem Pflichtteil entspricht. Selbst wenn aber ein Vermächtnis, mit dem der Pflichtteilsanspruch abgegolten werden soll, im Wert hinsichtlich des Wertes des Pflichtteils zurückbliebe, dann bestünde nach Auffassung der Kommentarliteratur bei Annahme des Vermächtnisses kein weitergehender Pflichtteilsrestanspruch nach den 2307 Abs. 1 S. 2, 2305 BGB (so OLG Braunschweig OLGE 21, 343; MünchKomm-Frank, BGB, 3. Aufl. 1997, 2307 Rn. 2, 10; RGRK- Johannsen, BGB, 12. Aufl. 1975, 2307 Rn. 5). Dies wird damit begründet, daß es dem Pflichtteilsberechtigten insoweit freisteht, das Vermächtnis auszuschlagen und den vollen Pflichtteilsanspruch gem Abs. 1 S. 1 BGB geltend zu machen. b) Der Anspruch aus dem Pflichtteilsvermächtnis würde trotz der Annahme durch die Pflichtteilsberechtigten aber nur dann erst in 30 Jahren verjähren, wenn das Pflichtteilsvermächtnis nicht durch die spätere letztwillige Verfügung der Ehefrau rückgängig gemacht worden ist. In der einseitigen letztwilligen Verfügung der Ehefrau aus dem Jahre 1985 hat sie lediglich ihren Ehemann zum Alleinerben eingesetzt und weitere Bestimmungen nicht getroffen. aa) Nach 2299 Abs. 2, 2258 Abs. 1 BGB wird durch die Errichtung eines Testamentes ein früheres Testament (bzw. Erbvertrag) insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Mehrere Verfügungen von Todes wegen widersprechen sich dann inhaltlich, wenn sie sachlich miteinander unvereinbar sind, wenn sie sich folglich gegenseitig ausschließen (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 57. Aufl. 1998, 2258 Rn. 2; Staudinger/Baumann, BGB, 13. Aufl. 1996, 2258 Rn. 10). Die Erbeinsetzung des Ehemannes (die die erste Erbeinsetzung aus dem Erbvertrag nur wiederholt) ist u. E. nicht mit der Vermächtnisanordnung sachlich unvereinbar, da ein Alleinerbe jederzeit mit einem Vermächtnis beschwert sein kann. So geht beispielsweise auch Burkart (in: MünchKomm, a. a. O., 2258 Rn. 4) für den vergleichbaren Fall der Testamentsvollstreckung davon aus, daß die Nichterwähnung einer Testamentsvollstreckung in einem späteren Testament im allgemeinen keine Aufhebung der in einem früheren Testament getroffenen Anordnung bedeute.
3 Seite 3 Auch dann, wenn aber letztwillige Verfügungen inhaltlich vereinbar sind, kann ein Widerspruch dann bestehen, wenn nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erblasserwillen die spätere Verfügung eine ausschließliche und alleinige Geltung haben sollte, also die kumulative Geltung von Verfügungen den im späteren Testament zum Ausdruck gebrachten Absichten des Erblassers zuwiderliefe (BGH NJW 1981, 2746; Palandt/Edenhofer, a. a. O., 2258 Rn. 2). Ob im vorliegenden Fall ein dahingehender Wille der Erblasserin vorlag, ist Tatfrage, die nach dem mitgeteilten Sachverhalt nicht abschließend beurteilt werden kann. bb) Die Frage des Widerspruchs der letztwilligen Verfügungen kann sich allerdings nur dann stellen, wenn es sich bei der Vermächtnisanordnung nur um eine einseitige letztwillige Verfügung handelte und nicht um eine vertragsmäßige Verfügung, für die die 2299 Abs. 2, 2258 BGB nicht gelten. Bei einer vertragsmäßigen Verfügung wäre folglich kein einseitiger Widerruf möglich, sondern eine neue, abweichende letztwillige Verfügung wäre unwirksam gem Abs. 1 S. 2 BGB, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde. Ob es sich bei der Vermächtnisanordnung um eine vertragsmäßige Verfügung handelte, läßt sich nach dem von Ihnen mitgeteilten Inhalt des Erbvertrages nicht abschließend beurteilen. Erfolgte die Zuwendung an einen dem Vertragspartner nahestehenden, insbesondere verwandten Dritten, wird sie aber im allgemeinen als bindend gewollt anzusehen sein, wenn der Erblasser oder der andere Vertragspartner ein Interesse an der Bindung gehabt haben (vgl. Palandt/Edenhofer, a. a. O., 2278 Rn. 3 m. w. N.). Hier könnte sich dieses Interesse des überlebenden Ehegatten an der Bindung schon daraus herleiten, daß die Pflichtteilsvermächtnisse i. d. R. deswegen ausgesetzt werden, um den überlebenden Ehegatten vor einer alsbaldigen Inanspruchnahme als Pflichtteilsschuldner zu schützen (vgl. oben), so daß u. E. wohl eher von der Vertragsmäßigkeit dieser letztwilligen Verfügung auszugehen sein dürfte. cc) Zusammenfassend betrachtet ist folglich davon auszugehen, daß bei Vorliegen einer vertragsmäßigen Verfügung hinsichtlich der Vermächtniszuwendung diese von der Ehefrau nicht einseitig widerrufen werden konnte und daher die Ansprüche aus den Pflichtteilsvermächtnissen erst nach Ablauf von 30 Jahren nach Anfall der Vermächtnisse verjähren. Handelte es sich hierbei aber um einseitige Verfügungen des jeweiligen Ehegatten im Erbvertrag, dann ist es Auslegungsfrage, ob die Ehefrau mit ihrer einseitigen letztwilligen Verfügung die Pflichtteilsvermächtnisse zugunsten der Abkömmlinge widerrufen wollte oder nicht. 2. Neben den Ansprüchen aus den Pflichtteilsvermächtnissen, soweit diese nicht widerrufen wurden, bzw. noch nicht verjährt sind, könnten auch Ansprüche der beiden Geschwister gegen die zur Alleinerbin eingesetzten Tochter auf Pflichtteilsergänzung gem BGB bestehen. Der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung gem BGB ist ein außerordentlicher Pflichtteilsanspruch neben dem ordentlichen nach den 2303 ff., steht also auch dem zu, der nicht enterbt wurde, bzw. im konkreten Fall keinen Pflichtteilsanspruch hat, soweit er nur abstrakt pflichtteilsberechtigt im Sinne von 2303 Abs. 1 BGB ist. Der Ergänzungspflichtteil steht nach Auffassung der Kommentarliteratur ferner auch einem Vermächtnisnehmer mit einem Pflichtteilsrestanspruch zu, sowie einem Vermächtnisnehmer ohne Pflichtteilsrestanspruch, sofern nur der Wert des Vermächtnisses geringer ist als der Wert
4 Seite 4 von ordentlichem Pflichtteil und Ergänzungspflichtteil zusammen (MünchKomm-Frank, a. a. O., 2325 Rn. 5; Soergel/Dieckmann, BGB, 12. Aufl. 1992, 2325 Rn. 1). Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch könnte sich selbstverständlich hinsichtlich des Nachlasses der Ehefrau nur wertmäßig auf die von ihr verschenkte wirtschaftliche Hälfte des Grundstückseigentums beziehen (da die Ehefrau nur insoweit ihren Nachlaß reduziert hat). Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wäre auch nicht nach 2325 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, da seit dem Zeitpunkt der Leistung des Schenkungsgegenstandes (bei Grundstücken der Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung im Grundbuch) noch keine 10 Jahre vergangen sind (hier: Übertragung 1982, Erbfall 1991). Wie der ordentliche Pflichtteil, so verjährt aber auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch gem BGB grundsätzlich in drei Jahren nach seiner Entstehung. Für den Beginn der Dreijahresfrist ist hier allerdings u. a. die Kenntnis von der das Erblasservermögen verkürzenden Schenkung erforderlich (vgl. Palandt/Edenhofer, a. a. O., 2332 Rn. 4). Im vorliegenden Fall könnte die dreijährige Verjährungsfrist also durchaus abgelaufen sein, nachdem der Erbfall bereits im Jahre 1991 eintrat. Auch wenn im vorliegenden Fall wirksame Pflichtteilsvermächtnisse zugunsten der Abkömmlinge vorlagen, deren Ansprüche erst in dreißig Jahren verjähren, gilt diese dreißigjährige Verjährungsfrist u. E. nicht auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Denn ordentlicher und außerordentlicher Pflichtteilsanspruch sind grundsätzlich voneinander zu unterscheiden und folgen ihren eigenen Regeln. Die Zuwendung des Pflichtteils kann u. E. auch nicht als Zuwendung des Pflichtteilsergänzungsanspruches im Wege des Vermächtnisses angesehen werden. Dafür spricht im vorliegenden Falle auch der Wortlaut der letztwilligen Verfügung der Ehegatten, wonach sich die Höhe des Pflichtteilsvermächtnisses nach dem gesetzlichen Pflichtteil richten sollte, d. h. zusammen 3/8 des Reinnachlasses des erstversterbenden Ehegatten betragen sollte, so daß offensichtlich das nicht mehr nachlaßzugehörige Vermögen keine Berücksichtigung finden sollte. II. Nachlaß des Ehemannes: 1. Nachdem der Ehemann in seiner letztwilligen Verfügung aus dem Jahre 1995 seine Tochter, die zu Lebzeiten der Ehegatten das eine Grundstück erhalten hatte, zur Alleinerbin eingesetzt hat und für die beiden anderen Kindern lediglich Geldvermächtnisse aussetzte, können Letztere ihren vollen Pflichtteil nur dann verlangen, wenn sie die ausgesetzten Vermächtnisse ausschlagen würden, 2307 Abs. 1 S. 1 BGB. Nehmen sie die Geldvermächtnisse an, dann haben sie ggf. nur einen Anspruch auf den Restpflichtteil gem Abs. 1 S. 2, 2305 BGB, der in jedem Falle nach drei Jahren gem BGB verjähren würde. 2. Theoretisch kommt auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nach 2325 BGB am Nachlaß des Vaters in Betracht aufgrund der im Jahre 1982 an die Tochter unentgeltlich übertragenen Hälfte des Grundstückeigentums (wirtschaftlich betrachtet). Da der Erbfall aber im Jahre 1997 eintrat und die Überlassung bereits im Jahre 1982 erfolgt ist, kann Pflichtteilsergänzung insoweit gem Abs. 3 BGB nicht mehr verlangt werden, da seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes über 10 Jahre verstrichen sind.
5 Seite 5 Wir hoffen, Ihnen mit vorstehenden Ausführungen bei der Beurteilung der Rechtslage behilflich gewesen zu sein, und dürfen Sie darauf hinweisen, daß die Gutachten des DNotI nicht zur Weitergabe an Dritte bestimmt sind und eine Veröffentlichung oder Vervielfältigung nicht zulässig ist.
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