Loslassen können und losgelassen l werden arbeiten ohne Ende?
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- Reinhardt Färber
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1 Nick Kratzer Loslassen können und losgelassen l arbeiten ohne Ende? Loslassen über die Kunst des Aufhörens Evangelische Akademie Tutzing 26. Juni 2015 Dr. Nick Kratzer: Tutzing Juni 2015
2 Thesen Loslassen! Imperativ der neuen Arbeitswelt Systematische Überlastung Warum Loslassen wichtig, aber nicht einfach ist Loslassen! Widersprüchliche Anforderung in Zeiten systematischer Überlastung
3 Empirische Basis Aktuelle Forschungsprojekte zu verschiedenen Themen 28 Fallstudien aus Industrie, privaten Dienstleistungen, Öffentlicher Dienst Über 500 Interviews mit Mitarbeitern und Führungskräften Leitfadengestützte Intensivinterviews: Dauer zwischen 60 und 120 Minuten Basisfragen: Organisation und Steuerung von Arbeit, Folgen und Umgangsweisen
4 Generelle Befunde Qualitativ und quantitativ steigende Anforderungen Relativ große Gestaltungsspielräume der Beschäftigten Psychische Belastungen: zunehmend verbreitetes Thema Abschalten ganz wichtig, aber gar nicht so einfach!
5 Loslassen! Imperativ der neuen Arbeitswelt Ratgeber Familie / Schalt ab! Freunde Vorgesetzte Selbst
6 Abschalten und Loslassen raten die Ratgeber 10 Tipps zum Abschalten (arbeits-abc.de) Von der Arbeit abschalten: So kommen Sie gut rüber (brigitte.de) Einfach mal loslassen Wie erhole ich mich richtig? (welt.de)
7 Loslassen! auch eine Forderung vom Chef es gibt Mitarbeiter, die muss man gezielt nach Hause schicken oder sagen, hör mal, du hast hier zu viel Stunden, du musst mal Gleit- oder Überstunden nehmen oder eben nach zehn Stunden einfach nach Hause gehen, das geht nicht! (Teamleiter) Leute, mit dem Termin und dem Geld, einen Einser kriegt ihr da nicht. Ihr kriegt Vier minus. Hoher qualitativer Anspruch in so einer rauen Wirklichkeit, die einfach vollkommen unideal ist, und da entstehen brutale Spannungen. Und klar, ich strenge mich an. Ich hole das Maximum raus, aber nicht mehr. (Abteilungsleiter)
8 Abschalten Jetzt! fordern Freunde und Familie Und gut, manche Freunde von mir sagen Ja, dann mach Stopp und sage nächste Woche und so. Ja, sage ich aber es sind Kinder und es sind Eltern, sind Menschen, also sie verstehen mich nicht, meine Freunde manchmal. Oder mein Mann sagt, ja einfach abschalten jetzt und so, ist aber nicht leicht (Erzieherin) i
9 Abschalten muss man (selber) machen! Ich denke, das braucht man auch, so eine Sportart, bei der man wirklich dann abschalten kann. Und wenn ich das mal nicht schaffe eine Woche, ich merke das dann auch. Ich bin dann nicht mehr so ausgeglichen. Ich bin dann angespannt. (Ingenieur)
10 Aber warum musste man früher die Beschäftigten zur Arbeit zwingen - und heute zum Abschalten?
11 Antwort weil die Unternehmen sich (selbst) systematisch überlasten und die systematische Überlastung an die Beschäftigten weiterreichen
12 Vermarktlichung der Unternehmen: Die Marktlogik (Wettbewerbs- und Wachstumslogik) wird zum internen Steuerungsprinzip Steuerung der Unternehmen über abstrakte und dynamische Ziel- und Ergebnisvorgaben Abstrakte Wettbewerbslogik: Ausrichtung an der (externen oder internen) Konkurrenz, z.b. durch Benchmarks Dynamische Wachstumslogik: Dynamisierung der Leistungserwartung g jedes Jahr X % mehr (Umsätze, Kunden, Erträge etc.) Ursachen der systematischen Überlastung
13 Jedes Jahr mehr, besser, schneller, billiger Ich höre jedes Jahr von den Führungskräften den Satz: Wir legen noch eine Schippe drauf. Und das Merkwürdige ist: Wir schaffen das jeweils und die Konsequenz ist davon dann, dass sich die Spirale wieder weiterdreht, wir am Ende des Jahres wieder hören, dass wir noch eine Schippe drauflegen sollen, obwohl wir eigentlich ständig schon am Limit arbeiten. (Finanzdienstleistung)
14 Systematische Überlastung der Organisation Orientierung am theoretisch Notwendigen, nicht (mehr) am praktisch Machbaren : Die Unternehmen überlasten sich systematisch selbst durch unerreichbare Ziele. Die systematische y Überlastung ist kein Fehler im System, sondern hat selbst System: Definiert wird der Fortschritt, den die Organisation erst noch machen muss (und an dem sie gemessen wird) (Druck und Motivation). Die Erreichbarkeit unerreichbarer Ziele lässt sich nur begrenzt steuern: Eine Lösung besteht darin, dieses Problem weiterzugeben. Aus dem Problem der Organisation wird ein Problem der Beschäftigten.
15 In drei Schritten vom Unternehmens- zum Beschäftigtenproblem 1. Verschränkung von Unternehmens- und Arbeitskraftperspektive Arbeitsplatzverlust bei Misserfolg, Erfolgsbeteiligung, Koppelung von Entgelt und Leistung, Zielvereinbarungen, Motivierung 2. Verschränkung von Fremd- und dselbststeuerung t Beschäftigte als Co-Akteure von Leistungssteuerung und Rationalisierung: Selbststeuerung und Subjektivierung 3. Verschränkung von Leistung und Leben Institutionelle Freisetzung und erweiterte Inbetriebnahme der Potentiale und Ressourcen von Arbeitskraft ( Entgrenzung ) g
16 Ich habe mich selber unter Druck gesetzt Und da habe ich das gemacht, was früher die Vorgesetzten gemacht haben: Ich habe mich dazu gebracht, immer effektiver zu arbeiten. Ich habe mich selber unter Druck gesetzt. Das ist natürlich die optimale Form, ist doch klar. Kein Vorgesetzter kann mich so unter Druck setzen wie ich mich selber, das ist doch klar. Weiß ich doch auch. Aber Sie kommen ja nicht raus aus diesem Prozess. Das ist eben so. Sie sind gezwungen, effektiver zu arbeiten, oder Sie schaffen es nicht, Sie schaffen das Volumen an Arbeit früher nicht als andere. Und keiner will doch der erste sein, der sagt: Ich schaffe es nicht. (Sachbearbeiter)
17 Abschalten bei systematischer Überlastung : Notwendig aber schwierig Das habe ich vielleicht auch lernen müssen durch die Vor- Arbeitgeber, weil wenn Sie nicht abschalten, dann Sie irgendwann blöde dabei. (Führungskraft) Im Moment nicht. Schwierig. Also am Wochenende schaffe ich es manchmal Aber gerade so unter der Woche ist es einfach ganz unmöglich. (Consultant)
18 werd en Loslassen! Widersprüchliche Anforderung in Zeiten systematischer y Überlastung Unternehmen und Beschäftigte im Dilemma: Überlastung als Gefährdung - und Lösung Individualisierung der Folgenbewältigung: Bring dich voll ein aber bleib ja gesund und leistungsfähig! g Und wenn s nicht klappt: Doppelt schuld! Abschalten als Widerspruch Abschalten-Können wird selbst zur Leistungsanforderung Abschalten: Den eigenen Misserfolg provozieren? Was tun? - Strukturelle Leistbarkeit erhöhen (aber keine einfachen Lösungen)
19 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Dr. Nick Kratzer Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.v. München Aktuelle Veröffentlichungen: Jakob-Klar-Str. 9, München +49 (0) Nick Kratzer et. al. (Hrsg.) (2011): Arbeit und Gesundheit im Konflikt, Berlin: edition sigma. Nick Kratzer et. al. (Hrsg.) (2014): Work-Life-Balance eine Frage der Leistungspolitik, Wiesbaden: Springer VS
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