Vorlesung: Allgemeine Staatslehre 2 Der frühmoderne Staat III. Das Machen einer neuen Welt
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- Alexa Linden
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1 Staat als Kunstwerk/Staatslehre als Kunstlehre Kalligraphie/Buchdruck Beispiel: Petrusdarstellung 1407/Wyclif Bibel 1
2 neuartige Gestaltung der Textoberfläche gleichmäßige Anordnung der Buchstaben, Groß- und Kleinschreibung, Worttrennung, Interpunktion, Spalten und Absätze visuell animiert Gedrucktes Buch schnelle Wiedererkennbarkeit der typographischen Sequenzen möglich 2
3 typographischer Raum die Zeilen vollkommen regelmäßig, alle rechtsseitig justiert, alles gleichmäßig anzuschauen, dabei ohne Hilfe von Zeilenlinien oder liniierten Rändern, wie wir das oft in Manuskripten finden. Es ist eine stabile Welt aus kalten nicht-menschlichen Fakten. W.J. Ong, Orality and Literacy (1982), 2003, 126 ( typographic space ). Ong, Orality and Literacy, 120 (Zitat nach der deutschen Übersetzung). Ong bemerkt weiter: That s the way it is Walter Crondike s television signature comes from the world of print that underlies the secondary orality of television. 3
4 Steigerung der Produktionsmengen Vorlesung: Allgemeine Staatslehre Heute ca Titel jährlich (Deutschland) Gutenberg Bibel 200 Stück in 3 Jahren (Schreiber 3 Jahre eine Bibel) Beispiel Luther: Septemberbibel Exemplare Ende 1520: Exemplare 4
5 Buchdruck hilft die Beziehung zwischen dem Leser und seiner Suche nach religiöser Wahrheit zu säkularisieren, das heißt, die religiöse Wahrheit kirchlicher Autorität und Herrschaft zu entziehen Der Verlust der kosmologischen Einheit von Mensch und göttlicher Ordnung seit Renaissance und Reformation, insbesondere die Erschütterungen, die die konfessionellen Bürgerkriege des 16. und 17. Jahrhunderts in ganz Europa auslösten, bedeutetet das unwiderrufliche Ende der Gesamtordnung der aristotelisch-christlichen Tradition, d.h. das Ende der Vorstellung einer gottgewollten Ordnung 5
6 kosmologische Einheit von Mensch und göttlicher Ordnung Beobachtung der Welt = war festgelegt auf die Schönheit der Schöpfung Selbstverständnis des Menschen als Mensch war durch die göttliche Schöpfung als transzendentaler Quelle des Wissens vermittelt 6
7 Alles Wissen setzt eine gesamthafte Sicht auf die Dinge voraus Folge für die Naturerkenntnis: ihre Erkenntnis wird begrenzt, weil der Blick auf sie durch die Autorität Gottes organisiert und diese daher nur bruchstückhaft zugänglich wird Folge für die Ordnung der Gesellschaft und das Naturrecht: die Erhaltung der Pflichten des Menschen verweist stets auf die weltliche und religiöse Ordnung und ist dadurch limitiert; z.b. kann nur gottgewolltes Handeln legitim sein 7
8 seit dem Ablassstreit von 1517 Reformation Hugenottenkriegen ( ) Vorlesung: Allgemeine Staatslehre Massaker an den französischen Calvinisten (Hugenotten) in der Bartholomäusnacht (1572) ca Tote 30-jähriger Krieg (1648) 8
9 Themen wie politische Ordnung, Autorität, Gehorsam oder Repräsentation nehmen einen ästhetischen Charakter an Werden zu Fragen der literarischen Imagination, der Sprache, der Rhetorik und der performativen Kraft der Fiktionen und Metaphern werden, die diese Literatur hervorbringt Anfänge einer solchen Bewegung zeigen sich schon in der italienischen Renaissance, in den Stadtrepubliken und bei Humanisten wie Lorenzo Valla ( ), in einem wachsenden Interesse an Fragen der Grammatik und Rhetorik Gebrauch poetischer Fiktionen im Zuge der politischen Instrumentalisierung der christlichen Religion bei Niccolò Machiavelli ( ) 9
10 Victoria Kahn, The Future of Illusion (2014), Begriff der Poiesis Darunter versteht Kahn das Prinzip, dass Menschen nur das wissen können, was sie selbst gemacht haben, das Historische, Soziale und Säkulare. 10
11 Ernst-Wolfgang Böckenförde hat diese Bewegung die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation genannt und den Begriff der Säkularisation genauer bestimmt als die Ablösung der politischen Ordnung als solcher von ihrer geistlich-religiösen Bestimmung und Durchformung, ihrer Verweltlichung im Sinne eines Heraustretens aus einer vorgegebenen religiös-politischen Einheitswelt zu eigener, weltlich konzipierter ( politischer ) Zielsetzung und Legitimation, schließlich die Trennung der politischen Ordnung von der christlichen Religion als ihrer Grundlage und ihrem Ferment. E.-W. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, 1976, 42 ff.,
12 1 Staatsbegriff und Staatslehre IV. Machiavelli, Bodin, Hobbes Niccolò Machiavelli ( ) - Der Fürst, Il Principe (1513/1532) 12
13 1 Staatsbegriff und Staatslehre IV. Machiavelli, Bodin, Hobbes J. G. A. Pocock (1924) 13
14 IV. Machiavelli, Bodin, Hobbes Die menschliche Natur wird aus der ewigen Einheit von Mensch und Kosmos herausgelöst, um für eine pragmatische Geschichtsauffassung Platz zu machen, für die Vorstellung, dass das Handeln der Menschen von göttlicher Lenkung befreit ist und der Gang der menschlichen Dinge sich jenseits eines göttlichen Heilsplan abspielt. Machiavelli ist der erste politische Theoretiker der frühen Neuzeit, der eine durchweg säkulare Vision des politischen Republikanismus entwirft. 14
15 Machiavelli neuer Fürst, principe nuovo Vorlesung: Allgemeine Staatslehre IV. Machiavelli, Bodin, Hobbes Man muß Verständnis dafür haben, daß ein Herrscher, und vor allem ein solcher in einer neu gegründeten Herrschaft, nicht alles beachten kann, wodurch die Menschen in einen guten Ruf kommen, sondern oft gezwungen ist, gegen Treue, Barmherzigkeit, Menschlichkeit und Religion zu verstoßen, eben um die Herrschaft zu behaupten. N. Machiavelli, Der Fürst (1532), 1978, Kap. XVIII,
16 Poetik der politischen Autonomie Vorlesung: Allgemeine Staatslehre IV. Machiavelli, Bodin, Hobbes Deren Vorbild ist die Unabhängigkeit der Kunst. Ein Herrscher braucht also alle die vorgenannten guten Eigenschaften nicht in Wirklichkeit zu besitzen; doch er muss sich den Anschein geben, als ob er sie besäße. Ja, ich wage zu behaupten, dass sie schädlich sind, wenn man sie besitzt und stets von ihnen Gebrauch macht, und dass sie nützlich sind, wenn man sich nur den Anschein gibt, sie zu besitzen. So muss ein Herrscher milde, treu, menschlich, aufrichtig und fromm scheinen und er soll es gleichzeitig auch sein; aber er muss auf die Seelenstärke besitzen, im Fall der Not alles ins Gegenteil wenden zu können. Machiavelli, Der Fürst,
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