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2 Abnahme der Bauleistung 4/8 Seite 1 4/8 Abnahme der Bauleistung Hat der Auftragnehmer eine Bauleistung vertragsgemäß erbracht, ist sie vom Auftraggeber abzunehmen. Die Abnahme ist u. a. deswegen wichtig für den Auftragnehmer, weil sie Voraussetzung für die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs ist und weil die Frist für die Verjährung von Mangelansprüchen zu laufen beginnt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Wirkungen der Abnahme, auf die in den folgenden Kapiteln im Einzelnen eingegangen wird. Die zentrale Vorschrift für die Abnahme ist 640 BGB. Diese Regelung gilt gleichermaßen für BGB- Verträge wie für VOB-Verträge. Zentrale Vorschrift im BGB 640 BGB (1) Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden, obwohl er dazu verpflichtet ist. (2) Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk gemäß Absatz 1 Satz 1 ab, obwohl er den Mangel kennt, so stehen ihm die in 634 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Rechte nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind sowohl das Werk des Bauunternehmers wie auch das Werk des Architekten und das Werk sonstiger Sonderfachleute (z. B. Statiker), abnahmefähig. 1 1 BGH, Urt. v VII ZR 98/61; BGH, Urt. v VII ZR 88/65.

3 4/8 Seite 2 Abnahme der Bauleistung Damit ist 640 BGB in der Regel einschlägig, wenn es um die im Zusammenhang mit der Errichtung eines Bauvorhabens von den verschiedenen Baubeteiligten zu erbringenden Leistungen geht.

4 Das Wesen der Abnahme zweigliedriger Abnahmebegriff 4/8.1 Seite 1 4/8.1 Das Wesen der Abnahme zweigliedriger Abnahmebegriff Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung herausgearbeitet, dass es sich bei der Abnahme um die mit der körperlichen Hinnahme des Werks verbundene Billigung des Werkes als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung handelt. 1 Die Abnahme besteht also aus zwei Elementen: Zum einen gehört zur Abnahme Definition Abnahme die Übernahme des Werks und zum anderen die Billigung des Werks als im Wesentlichen vertragsgerecht. Da beim Werkvertrag die vertraglich geschuldete Leistung bei Vertragsschluss noch nicht wie zum Beispiel beim Kaufvertrag vorhanden ist, hat der Auftraggeber die Möglichkeit, diese daraufhin zu überprüfen, ob sie vertragsgerecht erbracht wurde. Wenn das der Fall ist, ist der Auftraggeber zur Abnahme verpflichtet. Wurde die Leistung nicht vertragsgerecht erbracht, ist der Auftraggeber nicht zur Abnahme verpflichtet. Die Abnahme kennzeichnet also eine wichtige Zäsur im Werkvertrag. Erklärt der Auftraggeber die Abnahme, treten die Erfüllungswirkungen ein. 1 BGH, Urt. v VII ZR 177/67; Urt. v VII ZR 110/71; Urt. v VII ZR 185/81; OLG Stuttgart, Urt. v U 67/10.

5 4/8.1 Seite 2 Das Wesen der Abnahme zweigliedriger Abnahmebegriff Die Erfüllungswirkungen treten unabhängig davon ein, ob der Auftraggeber zur Abnahme verpflichtet war oder nicht. 1 Die Rechtsgelehrten streiten darüber, ob die Abnahme eine rechtsgeschäftliche Erklärung oder eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung ist. Der BGH hat dies zwar offengelassen, 2 er hat aber darauf hingewiesen, dass die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften entsprechend anwendbar sind. 3 Wirksamkeit der Abnahme Für die Wirksamkeit der Abnahme ist es erforderlich, dass die Abnahmeerklärung des Auftraggebers dem Auftragnehmer zugeht. Erklärt der Auftraggeber in Gegenwart des Auftragnehmers die Abnahme, wird sie in dem Moment wirksam, in dem der Auftragnehmer sie hört. Es sei denn, die Parteien haben eine förmliche Abnahme vereinbart. 130 BGB (1)Eine Willenserklärung, die einem anderem gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. (2) ( ) (3) ( ) Hinweise für die Praxis Aus Beweisgründen sollte der Auftragnehmer immer darauf achten, dass die Abnahme in nachweisbarer Form (z. B. in Form eines vom Auftraggeber unterschriebenen Abnahmeprotokolls) erfolgt. Aber auch die mündlich in Gegenwart eines Zeugen erklärte Abnahme ist nachweisbar. 1 BGH, Urt. v VII ZR 212/07, Rn. 54 f. 2 BGH, Urt. v X ZR 3/94. 3 BGH, Urt. v VII ZR 235/84; BGH, Urt. v X ZR 60/92.

6 Das Wesen der Abnahme zweigliedriger Abnahmebegriff 4/8.1 Seite 3 Nicht erforderlich ist es, die Abnahme persönlich zu erklären. Der Auftraggeber kann einen anderen als Vertreter bevollmächtigen, die Abnahme zu erklären. Die Regelungen über die Vertretung sind in den 164 ff. BGB geregelt. Die zentrale Vorschrift ist 164 Abs. 1 BGB. 164 BGB (1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll. (2) ( ) (3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt. In der Regel ist der von einem Bauherrn mit der Bauüberwachung beauftragte Architekt nicht bevollmächtigt, die rechtsgeschäftliche Abnahme der Bauleistung für den Bauherrn als Auftraggeber des Bauunternehmers zu erklären. Keine originäre Vollmacht des Architekten Erklärt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen die Abnahme, hängt die Wirksamkeit der Abnahmeerklärung von der Genehmigung des anderen ab (vgl. 177 BGB). Nur ausnahmsweise kann ein Dritter ohne entsprechende Vollmacht wirksam die Abnahme für den Auftraggeber erklären. Denn die Grundsätze der sog. Anscheins- und Duldungsvollmacht sind auf die Abnahmeerklärung anzuwenden. 1 1 BGH, Urt. v VII ZR 235/84.

7 4/8.1 Seite 4 Das Wesen der Abnahme zweigliedriger Abnahmebegriff Duldungsvollmacht Lässt es der Vertretene wissentlich geschehen, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, und darf der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist, liegt eine Duldungsvollmacht vor. Bei einer Zurechnung kraft Duldungsvollmacht geht es um ein wissentliches Dulden. Aus diesem Grund genügt bereits ein einmaliges Gewährenlassen. Beispiel aus der Rechtsprechung Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn es der Vertretene (hier: der Bauherr) wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer (hier: der bauleitende Architekt) für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner (hier: der Auftragnehmer) dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist. Bei einer Zurechnung kraft Duldungsvollmacht geht es um ein wissentliches Dulden. Deshalb genügt bereits ein einmaliges Gewährenlassen. 1 Anscheinsvollmacht Der Unterschied zur Duldungsvollmacht liegt darin, dass bei der Anscheinsvollmacht der Vertreter das Handeln des in seinem Namen Auftretenden zwar nicht kennt und duldet, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen müssen und verhindern können. 2 Ein solcher Rechtsschein einer Bevollmächtigung kann in der Regel nicht wie bei der Duldungsvollmacht durch ein einmaliges Handeln erzeugt werden, erforderlich ist vielmehr ein Verhalten von gewisser Dauer und Häufigkeit. 1 OLG Karlsruhe, Urt. v U 43/09. 2 OLG Dresden, Urt. v U 61/05.

8 Das Wesen der Abnahme zweigliedriger Abnahmebegriff 4/8.1 Seite 5 Wie die Duldungsvollmacht setzt die Anscheinsvollmacht voraus, dass der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben davon ausgehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist. Dies wiederum setzt in der Regel voraus, dass der Geschäftsgegner die Tatsachen kennt, die den Rechtsschein der Bevollmächtigung erzeugen. 1 Überlässt der Auftraggeber dem Architekten allein die Vertragsverhandlungen mit dem Auftragnehmer 2 oder lässt er dem Architekten in anderer Weise völlig freie Hand bei der Durchführung des Bauvorhabens, ohne sich selbst um den Bau zu kümmern, 3 muss er sich dessen rechtsgeschäftliche Erklärungen zurechnen lassen. Beispiele aus der Rechtsprechung Vereinbaren Auftraggeber und Auftragnehmer nach Abschluss des Bauvertrags einen Termin zur Erstellung eines Verhandlungsprotokolls und entsendet der Auftragnehmer dazu einen mit der Sache befassten sachkundigen Mitarbeiter, muss er sich dessen rechtsgeschäftliche Erklärungen zurechnen lassen. 4 Keine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Architekt lediglich die Angebote eingeholt hat 5 oder wenn seine Vollmacht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausdrücklich beschränkt wird. 6 Auch der Umstand, dass der Architekt bevollmächtigt ist, den Hauptauftrag zu vergeben, begründet für sich allein noch keinen Anschein einer uneingeschränkten Vollmacht für die Beauftragung von Zusatzaufträgen. 7 1 OLG Karlsruhe, Urt. v U 43/09. 2 BGH, Urt. v VIII ZR 380/04. 3 BGH, Urt. v VII ZR 63/82. 4 KG, Urt. v U 75/04; OLG Hamburg, Urt. v U 105/95; OLG Jena, Urt. v U 684/06. 5 BGH, Urt. v VII ZR 186/09. 6 OLG Köln, Urt. v U 191/91. 7 OLG Stuttgart, Urt. v U 320/93; OLG Düsseldorf, Urt. v U 47/00.

9 4/8.1 Seite 6 Das Wesen der Abnahme zweigliedriger Abnahmebegriff Der Auftragnehmer kann sich dann nicht auf eine Anscheinsvollmacht des Architekten berufen, wenn sein eigenes Verhalten zeigt, dass er nicht von einer Bevollmächtigung des Architekten ausgegangen ist. 1 Beauftragung von Zusatzleistungen durch Architekt? Es ist umstritten, ob der vom Auftraggeber rechtsgeschäftlich bevollmächtigte Architekt auch solche Zusatzleistungen beauftragen darf, die erforderlich werden, weil er diese Leistungen bei der Aufstellung des Leistungsverzeichnisses übersehen hat: Das OLG Oldenburg hat eine Anscheinsvollmacht für den Fall, dass die zusätzlichen Leistungen notwendig waren und Sowiesokosten ohnehin vom Auftraggeber hätten bezahlt werden müssen, bejaht. 2 Verursacht dagegen die nachträgliche Beauftragung zusätzliche Kosten oder soll sie der Verdeckung eigener Planungs- oder Bauleitungsfehler des Architekten dienen, wird man nicht von einer Anscheinsvollmacht ausgehen können. Keine Anfechtung der Abnahme wegen Irrtums Wie ausgeführt sind nach der Rechsprechung des BGH die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften für die Abnahmeerklärung entsprechend anwendbar. 3 Daraus folgt aber nicht, dass der Auftraggeber die gegenüber dem Auftragnehmer erklärte Abnahme wegen Irrtums darüber, dass Mängel nicht vorgelegen haben, anfechten könnte. Denn eine Anfechtung wegen Irrtums ist mit dem Gewährleistungssystem nicht vereinbar. 4 Eine Anfechtung wegen arglistigen Verschweigens von Mängeln scheidet wegen der Spezialregelung des 634a Abs. 3 Satz 1 BGB aus. 5 1 OLG Brandenburg, Urt. v U 144/ OLG Oldenburg, Urt. v U 15/10. 3 BGH, Urt. v VII ZR 235/84; BGH, Urt. v X ZR 60/92. 4 BGH, Urt. v VII ZR 40/63. 5 OLG München, Urt. v U 2533/11.

10 Das Wesen der Abnahme zweigliedriger Abnahmebegriff 4/8.1 Seite 7 Keine Geltung kommunalrechtlicher Formvorschriften Bei der Abnahme einer Bauleistung handelt es sich nicht um eine Erklärung, die nach den Formvorschriften der Gemeindeordnungen der Bundesländer nur vom Bürgermeister oder seinem Vertreter verbindlich abgegeben werden kann. 1 1 BGH, Urt. v VII ZR 235/84.

11 4/8.1 Seite 8 Das Wesen der Abnahme zweigliedriger Abnahmebegriff

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