Lebensqualität und ihre Bedeutung für die Gesundheitsversorgung Dr. Beate Bestmann
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- Valentin Kruse
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1 Lebensqualität und ihre Bedeutung für die Gesundheitsversorgung Dr. Beate Bestmann Hamburg, 06. September 2013
2 Agenda Was ist eigentlich Lebensqualität? Warum messen wir als TK Lebensqualität? Wie misst man Lebensqualität? Wofür nutzt eine Krankenkasse Lebensqualitätsdaten? Weiterführende Links
3 Was ist eigentlich Lebensqualität? 3
4 WHO-Definition von Lebensqualität Lebensqualität ist die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertsystemen in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen. 4
5 WHO-Definition von Gesundheit Gesundheit ist ein Zustand umfassenden physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Behinderung 5
6 Was ist eigentlich gesundheitsbezogene Lebensqualität? Definition: Lebensqualität hat eine somatische, eine psychische eine interpersonelle, eine sozioökonomische und eine spirituelle Dimension. Diese Dimensionen sind im subjektiven Erleben konditional miteinander verbunden. 6
7 Minimalkonsens Psychische Komponente Körperliche Komponente Soziale Komponente multidimensionales Konstrukt 7
8 Psychische Komponente Verhaltensmuster Wahrnehmungsmuster emotionales Erleben kognitive Fähigkeiten Motivation kommunikative Kompetenz 8
9 Körperliche/somatische Komponente funktioneller Status allgemeine körperliche Beschwerden diagnosespezifische Symptome therapiebedingte Symptome geistige Leistungsfähigkeit Sexualität 9
10 Soziale/sozioökonomische Aspekte Arbeit und Leistung Finanzen Umwelt Wohnverhältnisse Freizeitmöglichkeiten 10
11 Was ist Lebensqualität? und oft ändert derselbe Mensch seine Meinung: wird er krank, so ist es Gesundheit, und wenn er gesund ist, so ist es das Geld. -Aristoteles- Nikomachische Ethik 11
12 OFFENE FRAGE AN (200) DEUTSCHE ÄRZTE: A.) WIE DEFINIEREN SIE LEBENSQUALITÄT FÜR SICH GANZ PERSÖNLICH UND B.) : WIE DEFINIERT DIE MEHRHEIT IHRER PATIENTEN IHRER MEINUNG NACH LEBENSQUALITÄT? Gesundheit Ruhe Geld Beruf soz. Platz Wohnung Freizeit Selbstverw Balance Natur Freiheit Religion Selbst Patienten 12
13 Was ist Lebensqualität? Lebensqualität bedeutet für Kranke etwas grundsätzlich anderes als für Gesunde Die Bedeutung (Bewertung) einzelner Aspekte der Lebensqualität ist individuell höchst unterschiedlich 13
14 Agenda Was ist eigentlich Lebensqualität? Warum messen wir als TK Lebensqualität? Wie misst man Lebensqualität? Wofür nutzt eine Krankenkasse Lebensqualitätsdaten? Weiterführende Links
15 Warum messen wir als TK Lebensqualität? 15
16 Definition des Begriffs Nutzen 'Mit dem Begriff Nutzen werden kausal begründete positive Effekte, mit dem Begriff Schaden kausal begründete negative Effekte einer medizinischen Intervention auf patientenrelevante Endpunkte bezeichnet. Kausal begründet meint in diesem Zusammenhang, dass ausreichend Sicherheit besteht, dass beobachtete Effekte allein auf die zu prüfende Intervention zurückgeführt werden können.' IQWiG Methodenpapier Version 4.0,
17 Patientenrelevanz Als patientenrelevant soll in diesem Zusammenhang verstanden werden, wie ein Patient fühlt, seine Funktionen und Aktivitäten wahrnehmen kann oder ob er überlebt. Dabei werden sowohl die beabsichtigten als auch die unbeabsichtigten Effekte der Interventionen berücksichtigt, die eine Bewertung der Beeinflussung insbesondere folgender patientenrelevanter Zielgrößen zur Feststellung krankheits- und behandlungsbedingter Veränderungen erlauben: 1. Mortalität, 2. Morbidität (Beschwerden und Komplikationen), 3. gesundheitsbezogene Lebensqualität. Ergänzend können der interventions- und erkrankungsbezogene Aufwand und die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten mit der Behandlung berücksichtigt werden. -ebenda- 17
18 Definition des Nutzens aus Krankenkassensicht I "Beim Patienten-Nutzen sollen insbesondere die Verbesserung des Gesundheitszustandes, eine Verkürzung der Krankheitsdauer, eine Verlängerung der Lebensdauer, eine Verringerung der Nebenwirkungen sowie eine Verbesserung der Lebensqualität, bei der wirtschaftlichen Bewertung auch die Angemessenheit und Zumutbarkeit einer Kostenübernahme durch die Versichertengemeinschaft, angemessen berücksichtigt werden." 35b Absatz 4 SGB V 18
19 Definition des Nutzens aus Krankenkassensicht II "Der Nutzen einer Methode ist durch qualitativ angemessene Unterlagen zu belegen. Dies sollen, soweit möglich, Unterlagen der Evidenzstufe 1 mit patientenbezogenen Endpunkten (z. B. Mortalität, Morbidität, Lebensqualität) sein." G-BA Verfahrensordnung 20, Absatz 2 19
20 Patientenrelevante Outcomes Überleben Morbidität/ klinische Parameter Caregiver- Reported Patient- Reported Beispiele: Beispiele: Beispiele: Beispiele: Sterberate, 5-Jahres- Überleben Schlaganfälle, Komplikationsraten Belastung der Pflegenden, Proxy-Ratings Zufriedenheit, Lebensqualität 20
21 Agenda Was ist eigentlich Lebensqualität? Warum messen wir als TK Lebensqualität? Wie misst man Lebensqualität? Wofür nutzt eine Krankenkasse Lebensqualitätsdaten? Weiterführende Links
22 Wie misst man Lebensqualität? Interview: (offen- halbstrukturiert- strukturiert- standardisiert) patientenfreundlich, aber zeit-, kosten- und personalintensiv Fragebogen: maximale Distanz von Forscher und Befragtem, hohe Standardisierung macht Ergebnisse leicht vergleichbar 22
23 Wie misst man Lebensqualität? generische Fragebögen: Vorteil: für breite Populationen anwendbar, große Menge Referenzwerte. Nachteil: wenig sensitiv. krankheitsspezifisch: Fokus auf Dimensionen der Lebensqualität, die für die Krankheit und ihre Behandlung (bzw. die Forschungsfrage) von besonderer Relevanz sind. Vorteil: aufgrund ihrer Spezifität sensitiv in Bezug auf Veränderungen (z.b. im Zeitverlauf) sind. Nachteil: schwierige Vergleichbarkeit mit Ergebnissen anderer Forschungsgruppen zu sehen. 23
24 Generische Lebensqualitätsfragebögen Sickness Impact Profile (SIP) Nottingham Health Profile Spitzer Index Short-Form 36 (SF-36) World Health Organisation (WHOQoL-100 bzw. WHOQoL-bref) 24
25 Krebs-spezifische Lebensqualitätsbögen ("condition specific") EORTC QLQ-C30 Functional Assessment of Cancer Therapy (FACT -G) Functional Living Index Cancer Rotterdam Symptom Checklist (RSCL) Cancer Rehabilitation Evaluation System (CARES) 25
26 Wie misst man Lebensqualität? Profilfragebogen: Lebensqualität = multidimensionales Konzept, für die einzelnen Dimensionen der Lebensqualität werden Werte (Scores) ermittelt. Nachteil: Werte auf unterschiedlichen Dimensionen sind schwer vergleichbar! Index: Werte verschiedener Dimensionen werden zu einem Gesamt-Score aggregiert Nachteil: Durch Aggregieren gehen Informationen verloren 26
27 Index-Fragebögen EQ-5D (ehemals EUROQOL) SF-6D Health Utility Index (HUI 2, HUI 3) Quality of Wellbeing (QWB) 27
28 Der EQ-5D 28
29 Rating Scale Wir möchten Sie nun bitten, auf dieser Skala zu kennzeichnen, wie gut oder schlecht Ihrer Ansicht nach Ihr persönlicher Gesundheits-zustand heute ist. Bitte verbinden Sie dazu den untenstehenden Kasten mit dem Punkt auf der Skala, der Ihren heutigen Gesundheitszustand am besten wiedergibt. bestmöglicher Gesundheitszustand schlechtest denkbarer Gesundheitszustand 29
30 Profil-Fragebögen EORTC QLQ-C30 SF-36, SF-12 FACT-G 30
31 Profil versus Index Profil-Fragebogen (EORTC QLQ-C30 Funktionsskalen) Index-Fragebogen (EQ5D) ,8 60 0,6 40 0,4 20 0,2 0 Physical Functioning Emotional Functioning Cognitive Functioning Social Functioning Global Health 0 EQ5D 31
32 Wie misst man Lebensqualität? Fremdeinschätzung (Proxy Rating): Menschen, die mit dem Patient ständig in Kontakt sind (z.b. behandelnder Arzt, Partner etc.) CAVE: Weichen oft stark von der Selbsteinschätzung ab! Selbsteinschätzung: Patient selbst wird befragt (subjektives Empfinden) 32
33 Aufbau eines standardisierten Fragebogens Items Skalen Skala 1 Skala 2 Skala 3 Summenscore(s) Summenscore 1 z.b. Phys. Funktionsfähigkeit 33
34 Instrumente zur Messung der Lebensqualität Es gibt nicht den Fragebogen (kein Goldstandard) Auswahl der Fragebögen ist abhängig von der Fragestellung der Zielpopulation dem zugrunde liegenden Konzept der Messung dem Inhalt und Wording der in Frage kommenden LQ- Bögen 34
35 Gütekriterien (psychometrische Eigenschaften) Validität ("Misst der Fragebogen das, was er messen soll?") Reliabilität ("Wie genau wird gemessen?") Objektivität ("Lassen sich die Ergebnisse reproduzieren?") Sensitivität ("Lassen sich Veränderungen des Gesundheitszustandes abbilden?) Akzeptanz/Durchführbarkeit ("Wird das Instrument von den Befragten akzeptiert? Ist es leicht und einfach anwendbar?") 35
36 Anforderungen an eine aussagekräfte LQ-Messung 1. genuine Fragestellung, entsprechendes Studiendesign 2. reliables LQ - Meßinstrument 3. im Studienprotokoll: detaillierte Beschreibung des Vorgehens bei der LQ - Erhebung 4. Auswertungskonzept entsprechend der Fragestellung 5. angemessene Auswertungsmethoden 36
37 Anforderungen an eine aussagekräfte LQ-Messung Ad 3: im Studienprotokoll: detaillierte Beschreibung des Vorgehens bei der LQ - Erhebung - Erwähnung der LQ - Erhebung beim Informed Consent - Standardisierung des Vorgehens bei der Erhebung: wer gibt den Patienten wann mit welchem Begleittext den Fragebogen - Spezifizierung des Vorgehens bei nicht beantworteten FB s: - noch in der Klinik, - in der Follow-up-Phase (Missing data Problematik) 37
38 Anforderungen an eine aussagekräfte LQ-Messung Ad 4.: Auswertungskonzept entsprechend der Fragestellung - LQ - Erhebungen verführen zwar zu fishing expeditions, sind aber gleichzeitig dafür am ungeeignetsten: die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Signifikanz steigt mit der Anzahl der eingeschlossenen Variablen! - Entsprechend ist im Studienprotokoll festzulegen, mit welchen onkologischen Variablen welche Lebensqualitätsvariablen in Verbindung gebracht werden (z. B. TNM- Stadium mit Fatigue) 38
39 Anforderungen an eine aussagekräfte LQ-Messung Ad 5.: angemessene Auswertungsmethoden - Varianz- und Regressionsanalytische Methoden sind als Standardverfahren anzusehen (paramatrisch wie nonparametrisch) - Multivariate- Analysen sind i.d.r. die Verfahren der Wahl - Enge inhaltliche Zusammenarbeit zwischen Studienleiter und Statistiker erhöht die Wahrscheinlichkeit sinnvoller Ergebnisse 39
40 Agenda Was ist eigentlich Lebensqualität? Warum messen wir als TK Lebensqualität? Wie misst man Lebensqualität? Wofür nutzt eine Krankenkasse Lebensqualitätsdaten? Weiterführende Links
41 Methodische Herausforderungen in der Lebensqualitätsforschung Fehlende Werte (missing data) missing at random vs. systematic loss to follow-up Multiple Vergleich bei multidimensionalen Fragebögen (Summenscores, präzise Fragestellung, statistische Korrektur des Signifikanz-Niveaus) Klinische versus statistische Signifikanz Response-Shift Lebensqualität als unabhängiger Prädiktor für das Überleben 41
42 Fazit Lebensqualitäts-Messung Lebensqualität ist kein weiches Kriterium, sondern ein international etablierter Parameter Lebensqualität ist mit wissenschaftlichen Methoden verläßlich messbar Es gibt nicht den Einen Lebensqualitätsfragebogen, die Auswahl des geeignetesten Instrumentes hängt von einer Reihe von Faktoren ab Es gibt klare Qualitätsanforderungen an die Messung, die erfüllt sein müssen, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen 42
43 FDA- Guidance for Industrie: Patient-Reported Outcome Measures 43
44 EMEA Reflection Paper zur Lebensqualität 44
45 45
46 Agenda Was ist eigentlich Lebensqualität? Warum messen wir als TK Lebensqualität? Wie misst man Lebensqualität? Wofür nutzt eine Krankenkasse Lebensqualitätsdaten? Weiterführende Links
47 Der SF-36 generisches (krankheitsübergreifendes) Messinstrument 36 Items acht Dimensionen der subjektiven Gesundheit: Körperliche Funktionsfähigkeit, Körperliche Rollenfunktion, Körperliche Schmerzen, Allgemeine Gesundheitswahrnehmung, Vitalität, Soziale Funktionsfähigkeit, Emotionale Rollenfunktion und Psychisches Wohlbefinden zwei Summenskalen: Körperliche und Psychische Gesundheit zuordnen lassen. Wertebereich: 0-100, hohe Werte = gute Lebensqualität 47
48 Der SF-36 48
49 Lebensqualitätserfassung in DMP 49
50 Lebensqualitätserfassung in DMP 50
51 Lebensqualitätserfassung in DMP 51
52 Weitere TK-Projekte mit LQ Evaluation Homöopathie (SF-12) Evaluation NWpG (WHOQOL) Pilot zur Lebensqualität im ambulanten Bereich Weiterentwicklung des SF-6D 52
53 Weiterführende Links International Society for Quality of Life Research ( International Society for Pharmacoeconomics and Outcomes Research ( Patient-Centered Outcomes Research Institute (PCORI) IQWiG-Methodenpapier: FDA-Guidance: ryinformation/guidances/ucm pdf 53
54 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 54
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