Was macht Kinder mit ADHS stark?
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- Miriam Regina Schräder
- vor 7 Jahren
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1 Was macht Kinder mit ADHS stark? Entwicklung zwischen Risiko und Resilienz Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann LWL-Universitätsklinik Martin Hamm Holtmann der Ruhr-Universität Klinik für Psychiatrie Bochum und Psychotherapie Kinder- und Jugendpsychiatrie, des Kindes- und Jugendalters Psychotherapie & Psychosomatik ZI Mannheim
2 Risiko- vs. Schutzfaktoren Risikofaktoren: lange im Vordergrund Misshandlung, psychische Störungen der Eltern, chronische Auseinandersetzungen in der Familie, niedriger Sozialstatus Schutzfaktoren
3 Soziale Benachteiligung: Risikofaktor für f r psychische Erkrankungen
4 Risikofaktoren bei ADHS Familiäre ADHS Rauchen in der Schwangerschaft: Risiko 2- bis 3-fach erhöht (30 Studien) Sehr niedriges Geburtsgewicht Im Verlauf: Erziehungsstil
5 Was macht Kinder stark? Entwicklungsrisiken haben unterschiedliche Folgen Nicht alle Kinder, die Risiken ausgesetzt sind, werden auffällig Gesunde Entwicklung trotz traumatischer Erfahrungen Zerbrechen nicht an schwieriger Lebenssituation Welche Schutzfaktoren bewahren das Kind trotz Risiko vor negativen Entwicklungsverläufen? erschweren die Entstehung einer Störung? fördern die Anpassung des Kindes?
6 Begriff Resilienz Physik: Abfederung, Widerstandsfähigkeit, Rückkehr eines verformten Objekts in den Ausgangszustand Fähigkeit, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen umzugehen und sie zu bewältigen Sich von einer schwierigen Lebenssituation nicht unterkriegen zu lassen Stressresistenz, psychische Robustheit, psychische Elastizität
7 Perspektivenwechsel: Vom Defizit- zum Ressourcenmodell Defizitmodell Krankheit Pathogenese Belastung Risikofaktor Vulnerabilität Ressourcenmodell Gesundheit Salutogenese Bewältigung Schutzfaktor Resilienz (nach Laucht 1999)
8 Resilienz-Ph Phänomene Gesunde Entwicklung trotz Hochrisiko-Milieu Immunabwehr ( Multiproblem-Familien ) Aufrechterhaltung von Kompetenz unter umschriebenen Belastungen Regeneration im Schlaf (Bewältigung von Trennung der Eltern) Erholung von schwerem Trauma Wundheilung (Missbrauch, )
9 Resilienz Nicht: absolute Unverwundbarkeit Sondern: flexible Widerstandsfähigkeit Nicht: unveränderlich angeboren Sondern: erworbene Fähigkeit Kontextabhängig: z.b.: gute Intelligenz: mehr internalisierende Störungen, aber weniger Delinquenz misshandelte Kinder: große Probleme in der sozialen Entwicklung, aber z.t. gute schulische Leistungen
10 Resilienz auf mehreren Ebenen Individuum Familie, Eltern-Kind-Beziehung Soziales Umfeld, Gemeinde Gesellschaft, Kultur
11 Der Klassiker: Die KAUAI Study Prof. Emmy Werner University of California
12 Children of Kauai Stichprobe: N=698 alle Kinder, die im Jahr 1955 auf der Insel geboren wurden Längsschnittstudie Begleitung seit der Schwangerschaft Untersuchungstermine: postpartal, 1, 2, 10, 18, 32 und 40 Jahre Zahlreiche Datenquellen Ziele Untersuchung der körperlichen, kognitiven und sozialen Entwicklung Ursprünglich: Erfassung der negativen Auswirkungen biologischer und psychosozialer Risikofaktoren
13 Children of Kauai Hochrisikogruppe (N = 201) mehr als 4 Risikofaktoren (z.b. Frühgeburt, Armut, psychisch kranke Eltern) mit 10 Jahren: Hochrisiko ~75%: schwere Lern- und Verhaltensstörungen mit 18 Jahren: ~60%: Depressionen, Straffälligkeit, unerwünschte Schwangerschaft Resiliente Gruppe (N = 72) entwickelte sich zu leistungsfähigen, zuversichtlichen und fürsorglichen Erwachsenen Resilient
14 Resilienz bei Kindern Positive Positive Selbsteinschätzung Soziale Soziale Kompetenzen Selbstwirksamkeit Personale Resilienz Selbstregulation Stressbewältigungskompetenzen Problemlösefähigkeitefähigkeiten
15 Familiäre Ressourcen guter familiärer Zusammenhalt Eingehen auf Sorgen und Nöte des anderen Zuhören Gemeinsame Unternehmungen Ermutigung zu Vertrauen, Autonomie und Eigeninitiative Wille et al. ECAP (2008)
16 Dosis-Wirkung von Vernachlässigung und Misshandlung Möglichst frühes Unterbrechen ist Prävention!
17 Dauer der frühkindlichen Deprivation
18 Riskante Entwicklungspfade bei ADHS Besonders belastete Subgruppe: ADHS plus Störung der Affektregulation Abnorme Stimmung Reizbarkeit, Aggression Suizidalität reduziertes Schlafbedürfnis Hypersexualität Chronisch 1-2 % aller Kinder ~20 % bei ADHS Holtmann et al. Bipolar Disord (2007); J Neur Transm (2008).
19 Was wird aus Kindern mit ADHS und Störung der Affektregulation? % 30 4,3 25 Odds ratios ,8 4,7 4,9 4,4 Dysregulation n=46 Kontrollen n= Depr. Aggr. Alkohol Suizidgedanken Suizidversuch Holtmann et al. JCPP 2011
20 ADHS und Emotionsregulation: Affektive Resilienz Gibt es Schutz vor aggressiver und affektiver Komorbidität? Bedeutsamkeit der emotionalen Regulation affektive Chronometrie (Davidson 1998)
21 ADHS und Emotionsregulation: Affektive Resilienz Protektiv: rasches Wiederherstellen eines positiven Affekts Affekt führt nicht zu anhaltender Beeinträchtigung vgl. Davidson, 2000
22 ADHS und Resilienz: : die Rolle der Eltern Extrem niedriges Geburtsgewicht: höheres ADHS-Risiko Protektiv: ausgeprägte mütterliche Wärme Tully et al. JCCP 2004 Weniger aggressive und emotionale Komorbidität, wenn Mütter mit positiver Emotion über ihre Kinder sprechen Beeinflusst von genetischer Ausstattung des Kindes Sonuga-Barke et al. JCPP 2009
23 Von der Kunst des Schwimmens Der Strom des Lebens: ein reißender ender Fluss Salutogenese: Wie wird jemand ein guter Schwimmer? Pathogenese: Wie ist jemand da hinein geraten und wie kann man diese Person daraus retten?
24 Salutogenese: Wie entsteht Gesundheit? Ausgangspunkte KZ-Überlebende: trotz erlittener Qualen körperlich und seelisch gesund; neues erfolgreiches Leben begonnen. Anna Freud: Waisenkinder aus KZ, bei denen vor allem die Kindergruppe protektiv war Fragen Wie schaffen Menschen es, sich von Krankheiten zu erholen? Was ist das Besondere an Menschen, die trotz extremster Belastungen nicht krank werden?
25 Kohärenzsinn als Grundhaltung umfassendes, dauerhaftes und dynamisches Vertrauen, dass das Leben und seine Anforderungen verstehbar, handhabbar und sinnerfüllt sind. (Antonovsky 1979) Aaron Antonovsky Theorie ist aufgrund der hohen Komplexität kaum überprüfbar.
26 Prävention & Therapie Verbessertes Verständnis protektiver Prozesse: Ansatzpunkt für die Entwicklung von Prävention und Therapie Hoffnung: die Chance für eine gelungene Entwicklung zu erhöhen. Ziele: Selbstregulation & Selbstwirksamkeit Familiäres Klima
27 Resilienz bei ADHS Risikokonstellation: schwieriges Kind und labile Eltern mit eigener problematischer Vorgeschichte Hilfreich, wenn Eltern & Kinder weniger impulsiv sind über Mechanismen zur Wut- und Ärgerkontrolle verfügen Therapeutische Implikationen: Selbstregulation / Affektregulation fördern! Elterliche Feinfühligkeit und Responsivität erhöhen! (führt auch zu Verringerung des kindlichen Problemsverhaltens)
28 Psychotherapie bei ADHS plus Intensive Verhaltenstherapie Psychoedukation, Stimmungsmonitoring, Mikroanalyse, Auslöser, Frühwarnzeichen, Selbstregulation Elterntraining Grasmann & Stadler, Springer (2008).
29 Behandlung für f r Eltern und Kind Zwei-Generationen-Programme Eltern lernen, auf Signale des Kindes prompt und angemessen zu reagieren familienorientierter Ansatz Integration von kinder- und jugendpsychiatrischer und erwachsenpsychiatrischer und jugendhilfebezogener Kompetenz Beispiel: LWL-Zentrum für Familienmedizin
30 Behandlung von ADHS plus Atomoxetin bessert depressive Stimmung, Reizbarkeit & Euphorie Wehmeier et al (offene Studie) Methylphenidat plus Verhaltentherapie Medikation hilfreich für externalisierende Symptome Verhaltenstherapie notwendig für affektive Symptome Waxmonsky et al. 2008, 2010 (plazebokontroliert)
31 Grenzen der Anwendbarkeit Wissen um Schutzfaktoren nützt wenig, wenn bedürftige Familien nicht erreicht werden. Therapietreue & Nachhaltigkeit nicht gewährleistet sind. Ressourcen im Hilfesystem fehlen. Erfolgt steigt, wenn neben Eltern-Kind-Interaktion auch geachtet wird auf Unterstützung im Familienstreit bei Gesundheitsproblemen bei persönlichen Problemen am Arbeitsplatz
32 Protektive Umwelt Schutzfunktion: Außerfamiliäre Unterstützung der Eltern Integratives nachbarschaftliches Leben Angebote der Jugendhilfe Recht auf gewaltfreie Erziehung
33 Ausblick Wir brauchen Wissen um wirksame Therapien und ausreichende Angebote. Selbstregulation / Affektregulation fördern! Elterliche Feinfühligkeit und Responsivität erhöhen! Fokus auf psychosozial benachteiligte Familien & Eltern mit eigener Belastungen.
34 Resilienz - die Kraft, die Mut macht. LWL-Universitätsklinik Martin Hamm Holtmann der Ruhr-Universität Klinik für Psychiatrie Bochum und Psychotherapie Kinder- und Jugendpsychiatrie, des Kindes- und Jugendalters Psychotherapie & Psychosomatik ZI Mannheim
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