Warum wird ein Kind Opfer oder Täter? Suche nach auslösenden Bedingungen
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- Waltraud Holst
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1 Warum wird ein Kind Opfer oder Täter? Suche nach auslösenden Bedingungen generell: jeder und jede eher Bedingungen als Ursachen Kumulation von Risiken, keine kausalen Zusammenhänge auf der Suche nach Ursachen, muss einerseits festgestellt werden, dass eigentlich jedes Kind unter bestimmten Bedingungen und Einflüssen zum Täter oder zum Opfer werden kann andererseits kann man generell nicht von Ursachen sprechen, sondern viel mehr von Bedingungen, die das Auftreten von Bullying mildern oder erhöhen es gibt keine kausalen Zusammenhänge, bei deren Zusammentreffen ein Kind grundsätzlich zum Täter bzw. Opfer wird lediglich eine Kumulation verschiedener Faktoren kann das Risiko erhöhen oder senken Zusammenspiel von... individuellen Risikofaktoren schulische Risikofaktoren familiäre Risikofaktoren Risikofaktoren innerhalb der Peergroup Seite 1 von 9
2 Relevanz der Sozialisationsfelder Prägend für den Umgang mit Gewalt und Aggression sind demnach die verschiedenen Sozialisationsfelder der Heranwachsenden Rolle der Erziehung (Sroufe) der Schweizer Entwicklungspsychologe Alan Sroufe hält Erziehung für den wichtigsten Faktor bei Verhaltensproblemen keine Schichtabhängigkeit aggressiven Verhaltens aggressives Verhalten ist ihm zufolge erziehungs-, nicht aber schichtabhängig obwohl sich hinter massiven Erziehungsfehlern überdurchschnittlich häufig schwierige familiäre Lebensverhältnisse verbergen Lösel/Bliesener gehen infolge ihrer Studie davon aus, dass die familiären Verhältnisse bei Täter und Opfer relativ ähnlich sind Hazler hingegen ist der Ansicht, dass Täter dreimal mehr familiäre Probleme haben als ihre Opfer Seite 2 von 9
3 Die Ursachenforschung unterscheidet zwischen risikoerhöhenden und risikomildernden Bedingungen. (A) Risikoerhöhende Bedingungen fehlende Längsschnittstudien: welche Faktoren Bedingung, welche Folge? Problem hinsichtlich der risikoerhöhenden Bedingungen ist es zu definieren, welche Faktoren vor dem Auftreten des Bullying bereits vorhanden waren, welche Faktoren mit dem Bullying einhergehen und welche Faktoren als Folge des Bullying eingetreten sind dies kann die Forschung aufgrund fehlender Längsschnittstudien bisher nicht leisten grundsätzlich können einzelne Faktoren eine wesentliche Rolle spielen, schwerwiegendes und längerfristiges aggressives Verhalten ergibt sich aber erst dann, wenn etliche Risikofaktoren kumulieren A.1 Familienbezogene Bedingungen Erziehungsdefizite und erhebliche familiäre Probleme gehören gegenwärtig zu den wissenschaftlich nachhaltig gesicherten Risikofaktoren für aggressives Verhalten Seite 3 von 9
4 Lernen am Modell (Lösel/Bliesener 2003) Besteht zwischen den Eltern anhaltende Disharmonie, erfolgt die Erziehung teilweise aggressiv, übermäßig streng oder inkonsistent, wachsen die Kinder in einem wenig warmherzigen Umfeld heran oder erfahren sie frühzeitig Misshandlung oder Missbrauch, erhöht sich das Risiko, dass diese Kinder in der Schule oder bereits im Kindergarten ebenfalls gewalttätig auftreten, denn dissoziales Verhalten wird in der Regel am Modell, d. h. am Vorbild der Eltern gelernt (Lösel/Bliesener 2003). intergenerationales Problem (Scheithauer et al. 2003) Scheithauer und Kollegen (2003) bezeichnen Bullying in diesem Zusammenhang als intergenerationales Problem, was bedeutet, dass Kinder, die in der Schule andere viktimisieren, in ihrem häuslichem Umfeld selbst Viktimisierung unterschiedlichster Art erfahren haben. Erschwerend hinzu kommt, die Ablehnung seitens Eltern, weshalb die betroffenen Kinder oft nicht in der Lage sind, adäquate Bindungen zu anderen Personen aufzubauen Geschlechterproblematik Jungen aus problematischen Familienverhältnissen tendieren eher dazu, selbst Täter zu werden, während Mädchen mit ähnlichem familiären Hintergrund sowohl als Täter als auch als Opfer in Erscheinung treten. Grundsätzlich suchen diese, seitens ihrer Familien so massiv vorbelasteten Kinder häufig den Anschluss und die Aufnahme in die Gruppe, dies ist besonders bei Mädchen ausgeprägt Seite 4 von 9
5 Bedingungen wie ein restriktives und/oder überbehütendes Elternhaus, in dem Kinder nur wenig Durchsetzungsvermögen entwickeln konnten und (möglicherweise) ebenfalls Viktimisierung erfahren haben, prädestinieren sie für Viktimisierung A.2 Schulbezogene Bedingungen Schul- und Klassenklima haben einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung von Problemverhalten: Innerhalb der Klasse scheint weniger der Konkurrenzkampf für aggressives Verhalten bedeutsam zu sein als ein geringer Zusammenhalt und vor allem ein konflikthaftes Klassenklima das Ausmaß der Viktimisierung ist stärker vom Interaktionsklima in der Klasse abhängig, die Aggressionen eines Täter eher von außerschulischen Faktoren Schüler-Lehrerbeziehungen Sozialisationsrolle der Schule: For some children the lack of family stability could mean that within the school community, among their teachers and friends, they experience their most stable and longest known relationships (Besag 1989:100) Seite 5 von 9
6 Schultyp hat einen Einfluss auf das Ausmaß von Bullying, die Stärke des Einflusses ist bisher jedoch unklar Schul- und Klassenklima einflussreich A.3 Personen bezogene Bedingungen siehe dazu: Notizen aus der VA über Täter und Opfer A.4 Peergroup-Einflüsse Peergroup-Einflüsse gelten in der Forschung zu Jugendkriminalität als besonders bedeutsam Gruppenzugehörigkeit spielt auch innerhalb der Schulklasse eine wesentliche Rolle insbesondere Kinder aus gewaltbelasteten Elternhäusern zeigen verstärkt sie Tendenz sich gewaltbereiten Cliquen anzuschließen was Gewaltbereitschaft häufig massiv verstärkt Seite 6 von 9
7 viktimisierte Kinder gehören in der Regel keiner Clique an (B) Risikomildernde Bedingungen die risikomildernden Bedingungen sind weniger gut erforscht als die risikoerhöhenden hier erweist sich eine Kumulation als günstig B.1 Familienbezogene Bedingungen Kinder, die in einem gewaltfreien und liebevollen Zuhause aufwachsen, konstruktive Konfliktlösungen erlernen, geraten weniger in die Gefahr Täter oder Opfer zu werden ein hohes Maß an kommunikativen Fähigkeiten und ein gesundes Selbstvertrauen, tragen dazu bei, dass diese Kinder ihre Interessen konstruktiv vertreten können und positive Beziehungen zu Gleichaltrigen aufbauen können Seite 7 von 9
8 B.2 Schulbezogene Bedingungen Schulerfolg positives Schul- und Klassenklima positives und konstruktives Verhältnis zwischen Lehrer und Schülern Bindung an schulische Werte und Normen B.3 Personenbezogene Bedingungen siehe Notizen der VA zu Tätern und Opfern... außerdem kann: überdurchschnittliche Intelligenz, gutes Planungsverhalten, sichere Bindungen an eine Bezugsperson, aktives Bewältigungsverhalten und positives Selbstwertgefühl B.4 Peergroup-Einflüsse Zugehörigkeit zu einer nicht-delinquenten Gruppe oder gewisse soziale Isolation Seite 8 von 9
9 Häufig sind es tatsächlich konträre Bedingungen zu den risikoerhöhenden, die sich als risikomildernd erweisen. (C) Faktoren, die keinen Einfluss haben C.1 Schulstandort Großstadt, Kleinstadt, Dorf direktes sozioökonomisches Umfeld der Schule Brennpunktviertel, Villenviertel C.2 Schul- und Klassengröße Seite 9 von 9
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