SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT. Beschluss
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- Arthur Ritter
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1 1 Az.: 1 B 73/00 SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss In der Verwaltungsrechtssache des Herrn - Kläger - - Antragsteller - prozessbevollmächtigt: Rechtsanwalt gegen die Stadt Leipzig vertreten durch den Oberbürgermeister Martin-Luther-Ring 4-6, Leipzig - Beklagte - - Antragsgegnerin - wegen Erteilung einer Baugenehmigung hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
2 2 hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Sattler, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dahlke-Piel und den Richter am Verwaltungsgericht Meng am 28. Juli 2000 beschlossen: Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober K 856/97 - zugelassen. Gründe Die Berufung ist zuzulassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung i.s.v. 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats (seit dem Beschl.v , SächsVBl. 1999, 168 LS-) auch dann der Fall, wenn sich die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts als unzutreffend erweist und die Frage, ob das Ergebnis der Entscheidung gleichwohl richtig ist, erst auf Grund eine aufwändigen und teilweise erstmaligen Durcharbeitung und Durchdringung des Streitstoffes und/oder gar einer Beweisaufnahme entschieden werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Es spricht nämlich alles dafür, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die in der näheren Umgebung vorhandene Konditorei diese Umgebung nicht prägt. Diese Frage war für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Frage des Einfügens sowohl für die Art der Nutzung als auch für die überbaute Grundstücksfläche entscheidend. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt.v , BVerwGE 84, 322 = NVwZ 1990, 755), der der beschließende Senat folgt, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit baulicher Vorhaben im unbeplanten Innenbereich gem. 34 Abs. 1 und 2 BauGB nach dem sich aus der vorhandenen Bebauung ergebenden Maßstab. Das bedeutet, dass - gleichsam auf der ersten Stufe der Betrachtung - alles an Bebauung in den Blick zu nehmen ist, was in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist. Eine Beschränkung auf das, was von der vorhandenen Bebauung städtebaulich wünschenswert oder auch nur vertret-
3 3 bar ist, darf insoweit nicht vorgenommen werden. Auch eine städtebaulich unerwünschte Bebauung darf bei der Bildung des Maßstabs nicht einfach von vornherein vernachlässigt werden (vgl. BVerwG, Urt.v , BVerwGE 55, 369 [380 f.]; Urt. v , Buchholz BBauG Nr. 45, S. 111 [115]). Nicht jede vorhandene Bebauung in der näheren Umgebung bestimmt jedoch ihren Charakter. Vielmehr muss die Betrachtung - zweitens - auf das Wesentliche zurückgeführt werden, indem alles außer Acht gelassen wird, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint (BVerwG, Urt.v aao S. 114). Diese Auslegung ist bereits zu 34 Abs. 1 BBauG 1960, nach dem es auf die "vorhandene Bebauung" ankam, entwickelt worden (vgl. BVerwGE 32, 31 [33]). Sie ist erst recht gerechtfertigt, seitdem es nach der BBauG-Novelle 1976 nicht mehr unmittelbar auf die Bebauung, sondern auf die durch sie vermittelte "Eigenart" der näheren Umgebung ankommt. Auszusondern sind danach zum einen solche baulichen Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild (Ausdehnung, Höhe, Zahl usw.) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, die der Betrachter also nicht oder nur am Rande wahrnimmt. Ihre Aussonderung hat mit dem Begriff des Fremkörpers nichts zu tun, sondern ist Ergebnis einer Beschränkung auf das Wesentliche. Zum anderen können auch solche Anlagen aus der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung auszusondern sein, die zwar quantitativ die Erheblichkeitsschwelle überschreiten, aber nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen. Das wird namentlich dann anzunehmen sein, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht. In Betracht kommen insbesondere solche baulichen Anlagen, die nach ihrer - auch äußerlich erkennbaren - Zweckbestimmung in der näheren Umgebung einzigartig sind. Sie erlangen die Stellung eines "Unikats" um so eher, je einheitlicher die nähere Umgebung im Übrigen baulich genutzt ist. Trotz ihrer deutlich in Erscheinung tretenden Größe und ihres nicht zu übersehenden Gewichts in der näheren Umgebung bestimmen sie nicht deren Eigenart, weil sie wegen ihrer mehr oder weniger ausgeprägt vom übrigen Charakter der Umgebung abweichenden Struktur gleichsam isoliert dastehen. Grundlage für ein solches Ausklammern ist zwar auch das tatsächlich Festgestellte; als Ergebnis beruht es aber auf einer überwiegend wertenden Betrachtung. Grundsätzlich sprechen große Qualitätsunterschiede zwischen einer einzelnen Anlage und ihrer im wesentlichen homogenen Umgebung dafür, dass die Anlage als ein für die Eigenart der Umgebung unbeachtlicher Fremdkörper zu werten ist.
4 4 Unter Anlegung dieser Maßstäbe spricht alles dagegen, eine Konditorei inmitten von Wohnhäusern als Fremdkörper zu betrachten. Denn die Nutzung als Konditorei fällt ihrer Qualität nach überhaupt nicht und schon gar nicht völlig - aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung. Vielmehr handelt es sich um eine Nutzungsart, die in einem allgemeinen Wohngebiet stets und selbst in einem reinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig ist (vgl. 4 Abs. 2 Nr. 2, 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO). Eine Nutzung mit einer Konditorei hält sich nach der Wertung der Baunutzungsverordnung ebenso wie nach der Verkehrsauffassung ohne weiteres im Rahmen dessen, was inmitten von Wohnhäusern zu erwarten ist. Das Vorhandensein solcher und ähnlicher Betriebe ist es in aller Regel gerade, was ein allgemeines von einem reinen Wohngebiet unterscheidet. Es geht daher nicht an, diese Nutzungen als Fremdkörper anzusehen, um sodann das Vorliegen eines reinen Wohngebietes festzustellen. Auf die Frage, ob der Baukörper der Konditorei nach dem Maß der baulichen Nutzung und der Stellung des Baukörpers auf dem Grundstück als Fremdkörper erscheint, kommt es für die Beantwortung der Frage, ob dies im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung der Fall ist, nicht an. Wie der Gebietscharakter im Ergebnis zu qualifizieren ist und ob das Vorhaben sich in die nähere Umgebung einfügt, lässt sich nach alledem ohne eine umfassende und teilweise erstmalige Durcharbeitung und Durchdringung des Streitstoffes und/oder die Durchführung einer erneuten Beweisaufnahme nicht entscheiden. Hinweis zum Berufungsverfahren: Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig. gez.:
5 5 Dr. Sattler Dahlke-Piel Meng
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