Mandantenrundschreiben April Sehr geehrte Damen und Herren,
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- Cornelius Graf
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1 Mandantenrundschreiben April 2010 Sehr geehrte Damen und Herren, in unserem aktuellen Mandantenrundschreiben möchten wir Sie auf die folgenden für die Praxis wichtigen höchstrichterlichen Urteile und gesetzlichen Neuregelungen hinweisen: Inhalt: 1. EuGH kippt deutsche Kündigungsfristen! S Neue Urlaubsrechtsprechung gilt auch für Zusatzurlaub Schwerbehinderter S Aufklärungspflicht bei sog. Kick-Back -Zahlungen S Neues Erbrecht seit dem S. 5
2 EuGH kippt deutsche Kündigungsfristen Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom entschieden, dass die deutsche Regelung des 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden, gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt und damit unwirksam ist. Dem Verfahren vor dem EuGH lag eine Kündigungsschutzklage vor den deutschen Arbeitsgerichten zugrunde. Eine Arbeitnehmerin war seit ihrem vollendeten 18. Lebensjahr bei einem deutschen Unternehmen beschäftigt. Im Alter von 28 Jahren wurde sie entlassen. Der Arbeitgeber kündigte mit einer Kündigungsfrist von lediglich einem Monat. Der Berechnung der Kündigungsfrist legte er eine Beschäftigungsdauer von lediglich 3 Jahren zugrunde. Die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegenden Beschäftigungszeiten der Arbeitnehmerin ließ er entsprechend 622 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Berechnung der Kündigungsfrist außen vor. Die Arbeitnehmerin klagte gegen ihre Kündigung und begründete die Klage damit, dass ihrer Meinung nach die Kündigungsfrist aufgrund einer Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren 4 Monate hätte betragen müssen. Das in der Berufung zuständige LAG Düsseldorf rief den EuGH sodann zur Frage der Vereinbarkeit von 622 Abs. 2 Satz 2 BGB mit europäischem Recht an. Das Urteil des EuGH vom war insoweit eindeutig: Die deutsche Kündigungsregelung des 622 Abs. 2 Satz 2 BGB widerspreche in diesem Punkt dem EU- Recht. Denn das verbietet eine Diskriminierung wegen des Alters. Eine solche Ungleichbehandlung sei aber nach Auffassung des EuGHs gegeben, wenn Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr bei der Berechnung der Kündigungsfristen nicht berücksichtigt werden. Der EuGH wies die deutschen Gerichte an, die für unwirksam befundene Regelung des 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht mehr anzuwenden, so dass nunmehr der Gesetzgeber aufgefordert ist, die unwirksame Regelung des 622 Abs. 2 Satz 2 BGB durch eine wirksame zu ersetzen. Zwischenzeitlich hat das LAG Düsseldorf in seinem Urteil vom dieses neue EuGH-Urteil in vollem Umfang umgesetzt und die Kündigungsfristen unter Ausschluss der unwirksamen Regelung des 622 Abs. 2 Satz 2 BGB berechnet. Konsequenzen für Arbeitgeber: Arbeitgeber, die bei der Bestimmung der Kündigungsfrist weiterhin die Altersgrenze aus 622 Abs. 2 Satz 2 BGB anwenden, provozieren geradezu, dass von den betroffenen Arbeitnehmern eine Kündigungsschutzklage erhoben wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Kündigungsschutzklage häufig mit erheblichen Prozessrisiken verbunden ist, da die Kündigungsfrist oft nur ein Aspekt von vielen ist, bei denen einem Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung Fehler unterlaufen können.
3 - 3 - Unabhängig davon, ob und wann die Bundesregierung auf das EuGH-Urteil vom reagiert und die gesetzlichen Regelungen zu den Kündigungsfristen ändert, ist dringend zu empfehlen, auch die Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers vor dem 25. Lebensjahr bei der Berechnung der Kündigungsfrist mit zu berücksichtigen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass für mehrere Monate Vergütung nachgezahlt werden muss. 2. Neue Urlaubsrechtsprechung gilt auch für Zusatzurlaub Schwerbehinderter In unserem Mandantenrundschreiben Juli 2009 hatten wir Sie bereits über die neue EuGH- und BAG-Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit informiert. Der EuGH hatte entgegen der bisherigen BAG- Rechtsprechung wie folgt geurteilt: Kann ein Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit Urlaub innerhalb des Kalenderjahres oder bis zum Ende des Übertragungszeitraumes im Folgejahr nicht nehmen, erlischt der Anspruch auf Urlaub nicht. Er besteht vielmehr unbegrenzt fort. Nur zwei Monate nach dieser EuGH-Entscheidung hat das BAG seine bisherige jahrzehntelange Rechtsprechung aufgegeben und sich der Entscheidung des EuGH angeschlossen. Die Urteile warfen jedoch im Nachgang eine Reihe von Fragen auf. Insbesondere war unklar, ob diese neue Urlaubsrechtsprechung nur für den gesetzlichen Mindesturlaub oder auch für den Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen und für den tariflichen Zusatzurlaub gilt. Das BAG hat nunmehr in seinem Urteil vom klargestellt, dass diese neue Urlaubsrechtsprechung nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen gilt. Das BAG hat zudem ausgeführt, dass für einen über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden tariflichen Urlaubsanspruch die Tarifvertragsparteien vereinbaren können, dass eine Abgeltung ausscheidet. Auswirkungen auf die Praxis: Nach der Entscheidung des BAG ist nunmehr für die Praxis geklärt, dass dann, wenn Urlaub während der Krankheit eines Arbeitnehmers nicht genommen werden kann, dieser zeitlich unbegrenzt in die Folgejahre zu übertragen ist. Alleinige Grenze ist die dreijährige Verjährungsfrist, wobei diese Verjährungsfrist nach herrschender Meinung erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen beginnt. Scheidet ein dauerkranker Arbeitnehmer aus, ohne wieder arbeitsfähig geworden zu sein, steht ihm für diesen Resturlaub in vollem Umfang ein Abgeltungsanspruch zu. Welche gravierenden finanziellen Konsequenzen diese Rechtsprechungsänderung für Arbeitgeber haben kann, soll an dem folgenden Beispiel veranschaulicht werden:
4 - 4 - Der bei dem Arbeitgeber U beschäftigte 63-jährige schwerbehinderte Arbeitnehmer A ist seit über 25 Jahren ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Da dem U nach Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums durch die Weiterbeschäftigung des A keine Kosten entstanden sind und er davon ausging, dass A in Kürze in Rente gehen wird, hat er bisher keine Veranlassung gesehen, das Arbeitsverhältnis mit dem A zu beenden. Völlig überraschend kündigt A das Arbeitsverhältnis selbst zum , da er eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen will und fordert von U die Abgeltung des von ihm aufgrund seiner Krankheit nicht genommenen Urlaubes. Bei einem vereinbarten Bruttogehalt von 3.000,00 und einem vereinbarten Jahresurlaub von 30 Urlaubstagen und einem Zusatzurlaub von 5 Urlaubstagen als Schwerbehindertem stehen dem A nach der neuesten Rechtsprechung für den gesamten 25- jährigen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit die folgenden Urlaubsabgeltungsansprüche gegenüber dem U zu: Abgeltungsanspruch pro Jahr: 138,46 x 35 Urlaubstage = 4.846,10 brutto Ergibt für 25 Jahre: 4.846,10 x 25 Jahre = ,50 brutto Praxistipp: Zur Vermeidung derart hoher Urlaubsabgeltungskosten ist dringend zu empfehlen, die Arbeitsverhältnisse mit langzeitarbeitsunfähigen Arbeitnehmern schnellstmöglichst zu beenden, wobei diese Beendigung durch einen arbeitsrechtlichen Experten vorbereitet werden sollte, um unnötige Kosten zu vermeiden. Zu beachten ist zudem, dass die neue Urlaubsrechtsprechung zwingend nur für den gesetzlichen Mindesturlaub (20 Urlaubstage bei einer 5-Tage-Woche) und dem Zusatzurlaub für Schwerbehinderte gilt, nicht jedoch für den zusätzlich gewährten vertraglichen Urlaub. Von der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dann, wenn der Arbeitsvertrag eine gewisse Differenzierung zwischen gesetzlichem und darüber hinausgehendem vertraglichen Urlaubsanspruch erkennen lässt, der zusätzliche, über den Mindesturlaub hinaus gewährte Urlaub, weiterhin spätestens am des Folgejahres verfällt. Alle Arbeitsverträge müssen daher schnellstmöglichst der neuen Rechtslage angepasst werden! 3. Aufklärungspflicht bei sog. Kick-Back -Zahlungen Nach der Rechtsprechung kommt ein Beratungsvertrag mit einer Bank bereits dann wirksam zustande, wenn ein Anlageinteressent an eine Bank herantritt, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden. Dabei erfolgt der Abschluss des Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs, und zwar gleichgültig, von wem die Initiative ausgegangen ist. Im Rahmen eines solchen Anlageberatungsvertrages ist die Bank nach der neuesten Rechtsprechung verpflichtet, den Kunden als ihrem Vertragspartner nicht nur über objektbezogene Umstände, sondern auch anlagegerecht aufzuklären und zwar auch beim
5 - 5 - Vertrieb konzerneigener Anlageprodukte. Nach der Rechtsprechung ist die Bank z.b. verpflichtet, den Anleger über erhaltene Rückvergütungen (Provisionen), sog. Kick-Back -Zahlungen zu informieren. Nur wenn der Kunde weiß, dass der Anlageberater bzw. seine Bank ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertrieb einer bestimmten Beteiligung hat, wird er in die Lage versetzt, dieses Interesse einschätzen und beurteilen zu können. Verstößt die Bank gegen diese Pflichten aus dem Anlagevertrag, und dabei insbesondere gegen die Verpflichtung zur Information über Kick-Back -Zahlungen, steht dem Anleger gegenüber der Bank in vollem Umfang ein Schadenersatzanspruch zu. Er muss sich lediglich eventuelle Steuervorteile anrechnen lassen. Praxistipp: Gerade im Vorfeld der Finanzkrise wurden viele Kunden nicht über sog. Kick-Back - Zahlungen informiert, so dass einer Vielzahl von Kunden Schadenersatzansprüche gegenüber ihrer eigenen Bank zustehen. Zu beachten ist jedoch, dass diese Schadenersatzansprüche innerhalb von drei Jahren verjähren und daher die Ansprüche zumindest verjährungsunterbrechend geltend gemacht werden müssen. 4. Neues Erbrecht seit dem Für alle Erbfälle ab dem gilt ein neues Erbrecht. Die Erbrechtsreform stellt eine der umfangreichsten Reformen des Erbrechts seit Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900 dar. Nachfolgend möchten wir die für die Praxis wichtigsten Änderungen kurz darstellen: Honorierung von Pflegeleistungen: Bisher gab es erbrechtliche Ausgleichsansprüche nur für Abkömmlinge, die unter Verzicht auf eigenes berufliches Einkommen den Erblasser über längere Zeit gepflegt haben. Mit Inkrafttreten des neuen Erbrechts entsteht dieser Anspruch unabhängig davon, ob der Erbe für die Pflegeleistungen auf eigenes berufliches Einkommen verzichtet hat. Hierzu folgendes Beispiel: Die verwitwete Erblasserin wird über lange Zeit von ihrer berufstätigen Tochter gepflegt. Der Sohn kümmert sich nicht um sie. Die Erblasserin stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Der Nachlass beträgt ,00. Die Pflegeleistungen sind mit ,00 zu bewerten. Nach bisherigem Recht erben Sohn und Tochter je zur Hälfte. Nach dem neuen Erbrecht kann die Schwester einen Ausgleich für ihre Pflegeleistungen aus dem Nachlass verlangen. Von dem Nachlass wird zunächst der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt ( , ,00 = ,00 ). Von den ,00 erhalten beide die Hälfte, die Schwester zusätzlich den Ausgleichsbetrag von ,00. Im Ergebnis erhält die Schwester damit ,00, der Bruder lediglich ,00.
6 - 6 - Pflichtteilsergänzungsanspruch: Vor Inkrafttreten des neuen Erbrechts wurden Schenkungen durch den Erblasser innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall in voller Höhe dem Nachlass hinzugerechnet. Waren seit einer Schenkung bereits 10 Jahre verstrichen, blieb die Schenkung vollständig unberücksichtigt. Dies galt auch dann, wenn der Erblasser nur einen Tag vor Ablauf der Frist starb. Diese Alles-oder-Nichts-Lösung wurde nunmehr durch eine so genannte Abschmelzungslösung ersetzt. Diese Abschmelzungslösung sieht vor, dass eine Schenkung für die Berechnung des Ergänzungsanspruches immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zurück liegt. So wird nun eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall voll in die Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr wird sie jedoch nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 und dann kontinuierlich immer um 1/10 pro Jahr weniger berücksichtigt. Damit reduziert sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch je länger die Schenkung vor dem Erbfall zurückliegt. Entziehung des Pflichtteils/Enterbung: Durch das Pflichtteilsrecht werden Abkömmlinge oder Eltern sowie Ehegatten und eingetragene Lebenspartner auch dann am Nachlass beteiligt, wenn der Erblasser sie durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausschließt. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteiles. Die Höhe des Pflichtteils bleibt durch die Erbrechtsreform unverändert. Allerdings wurden die Pflichtteilsentziehungsgründe umfassend überarbeitet. Zum einen wurden die Pflichtteilsentziehungsgründe vereinheitlicht, indem sie für Abkömmlinge, Eltern, Ehegatten und Lebenspartner gleichermaßen Anwendung finden. Zudem wurde der Entziehungsgrund des ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels abgeschafft. Statt dessen berechtigt nun eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils, wenn es deshalb dem Erblasser unzumutbar ist, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Verjährung: Für erbrechtliche Ansprüche gilt nun in fast allen Fällen ebenfalls eine Regelverjährungsfrist von 3 Jahren, statt wie bisher von 30 Jahren. Praxistipp: Aufgrund der umfassenden Neuregelung des Erbrechts müssen alle Testamente auf den Prüfstand und ggf. der neuen Rechtslage angepasst werden.
7 - 7 - Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Hans-Jürgen Marx Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
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