Dr. Andreas Priebe Leiharbeit als Betriebsratsaufgabe. Auf einen Blick. Januar 2009 Copyright Hans-Böckler-Stiftung
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1 Januar 2009 Copyright Hans-Böckler-Stiftung Dr. Andreas Priebe Leiharbeit als Betriebsratsaufgabe Ein Arbeitspapier der Hans-Böckler-Stiftung Auf einen Blick Das Ausmaß des Leiharbeitnehmereinsatzes hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen: Waren im Jahr 2000 bundesweit erst Leiharbeitnehmer tätig, stieg deren Zahl bis Ende 2007 auf an. In vielen Unternehmen gehört der Einsatz von Leiharbeitnehmern inzwischen zur alltäglichen betrieblichen Praxis. Die Unternehmen, insbesondere diejenigen aus zyklischen Branchen, nutzen Leiharbeitnehmer immer mehr als Flexibilisierungsreserve für Produktionsschwankungen. Diese Entwicklung stellt auch die Arbeit der Betriebsräte in den Entleiherbetrieben vor neue Herausforderungen: Welche Rechte haben die Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb? Welche Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte stehen dem Betriebsrat des Entleiherbetriebes hinsichtlich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern zu? Dieses Kurzinfo gibt einen knappen Überblick über die Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten. Nicht behandelt werden beschäftigungspolitische Aspekte. Eine differenzierte Darstellung der Widerspruchsmöglichkeiten der Betriebsräte nach 99 BetrVG erfolgt in einem gesonderten Kurzinfo der Hans-Böckler-Stiftung.
2 1. Gesetzliche Bestimmungen Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) enthalten mehrere Bestimmungen zu den Rechten der Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb sowie zu den Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten der dort gewählten Betriebsräte. Im Wesentlichen lassen sich vier Themenkomplexe unterscheiden: 14 Abs. 3 AÜG stellt klar, dass vor dem Einsatz eines Leiharbeiternehmers der Betriebsrat des Entleiherbetriebes gem. 99 BetrVG zu beteiligen ist. Gemäß 7 BetrVG sind die Leiharbeitnehmer dann berechtigt, an den Betriebsratswahlen im Entleiherbetrieb teilzunehmen, wenn sie länger als drei Monate eingesetzt werden sollen. Leiharbeitnehmer haben nach 14 Abs. 2 AÜG das Recht, im Entleiherbetrieb die Sprechstunden des Betriebsrates aufzusuchen und an den Betriebs- und Jugendversammlungen teilzunehmen. Die 81, 82 Abs. 1 und die 84 bis 86 des BetrVG gelten auch für die dort tätigen Leiharbeitnehmer. Daneben haben die Betriebsräte in den Entleiherbetrieben verschiedene betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten, die Interessen der Leiharbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber des Entleiherbetriebes geltend zu machen. 2. Praxisfragen Untersuchungen haben ergeben, dass viele Arbeitgeber ihre Betriebsräte nicht oder nur unzureichend gemäß 14 Abs. 3 AÜG und 99 BetrVG über den Einsatz von Leiharbeitnehmern unterrichten. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat umfassend, ähnlich wie bei Neueinstellungen, über den Einsatz von Leiharbeitnehmern zu informieren. Insbesondere hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Vertrag zwischen Entleiher und Verleiher vorzulegen und über voraussichtliche Einsatzdauer, Einsatzort und Eingruppierung zu unterrichten. Der Betriebsrat hat eine Woche Zeit, den Einsatz zu beraten. Er kann seine Zustimmung aus den Gründen verweigern, die in 99 Abs. 2 BetrVG genannt sind. Verweigert er seine Zustimmung, so darf der Arbeitgeber den Leiharbeitnehmer grundsätzlich nicht beschäftigen und kann nur noch die Zustimmung des Betriebsrates gemäß 99 und 100 BetrVG arbeitsgerichtlich ersetzen lassen. Insbesondere kommt eine Verweigerung der Zustimmung aus den Gründen des 99 Abs. 2 Satz 3 BetrVG in betracht: Hiernach ist eine Nichtzustimmung möglich, wenn durch den Einsatz eines Leiharbeitnehmers die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge des Einsatzes im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn ein Vollzeitarbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer besetzt werden soll, für den sich auch ein geeigneter teilzeitbeschäftigter Stammarbeitnehmer beworben hat. Die Ablehnung von 2
3 Leiharbeit ist auch denkbar, wenn dadurch die Übernahme befristet beschäftigter Stammarbeitnehmer in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis verhindert wird. Sind Leiharbeitnehmer einmal eingestellt, sind sie wenn sie länger als drei Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden sollen gem. 7 S. 2 BetrVG berechtigt, an den Betriebsratswahlen im Entleiherbetrieb teilzunehmen: Sie haben das aktive Wahlrecht, d.h. sind wahlberechtigt, können aber nicht selber als Betriebsrat kandidieren. Es ist dabei nicht erheblich, ob sie zum Zeitpunkt der Wahl bereits drei Monate im Betrieb sind es kommt auf die geplante Dauer des Einsatzes an. Allerdings ist die Anzahl der wahlberechtigten Leiharbeitnehmer nicht ausschlaggebend für die Größe der Betriebsratsgremien diese richtet sich ausschließlich nach der Größe der Stammbelegschaft. Neben dem Wahlrecht haben Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb gem. 14 Abs. 2 AÜG verschiedene individuelle Rechte. So sind sie unter anderem berechtigt, die Sprechstunden des Betriebsrates aufzusuchen und an den Betriebsversammlungen teilzunehmen. Daneben bestehen weitere Rechte: 81 (Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers), 82 Abs. 1 (Anhörungs- und Erörterungsrecht des Arbeitnehmers) und den 84 bis 86 (Beschwerderecht; Behandlung von Beschwerden durch den Betriebsrat; Ergänzende Vereinbarungen) BetrVG. Der Betriebsrat hat darauf zu achten, dass die Leiharbeitnehmer diese Rechte auch wahrnehmen können. 14 AÜG regelt die Rechte des Betriebsrates im Entleiherbetrieb nicht abschließend: Leiharbeitnehmer sind arbeitsorganisatorisch weitgehend dem Entleiherbetrieb zugeordnet daher unterliegen sie auch den dortigen Arbeitsbedingungen und dem Direktionsrecht des dortigen Arbeitgebers. Damit fällt es in den Aufgabenbereich des Betriebsrates im Entleiherbetrieb dafür zu sorgen, dass die Leiharbeitnehmer nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden und eine Ungleichbehandlung gegenüber der Stammbelegschaft so weit wie möglich unterbleibt. Daher ist der Betriebsrat berechtigt und verpflichtet, seine allgemeinen Aufgaben gem. 80 BetrVG auch zu Gunsten der Leiharbeitnehmer auszuüben. Neben den allgemeinen Aufgaben hat der Betriebsrat insbesondere seine sozialen Mitbestimmungsrechte gemäß 87 BetrVG auch zum Vorteil der Leiharbeitnehmer auszuüben, soweit dieses irgend möglich ist. Die Mitbestimmungsrechte können grundsätzlich nur durch gesetzliche und für den Entleiherbetrieb geltende tarifliche Regelungen begrenzt werden. Ausnahmsweise entfallen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Entleiherbetrieb, wenn ein für den Leiharbeitnehmer geltender Tarifvertrag eine abschließende Regelung zu den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten enthält. 3
4 Insbesondere gilt: Das Mitbestimmungsrecht in Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erstreckt sich im Grundsatz auch auf Leiharbeitnehmer. Durch die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit unterliegt mittelbar auch die Länge der Arbeitszeit der Leiharbeitnehmer dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei vorübergehender Verlängerung und Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit gilt auch beim Einsatz von Leiharbeitnehmern. Aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und Stammarbeitnehmern folgt, dass Leiharbeitnehmer grundsätzlich auch bei der Nutzung von Sozialeinrichtungen wie Kantinen gleichbehandelt werden müssen. 3. Betriebsvereinbarungen Soweit die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Entleiherbetrieb auch für die Leiharbeitnehmer zur Anwendung kommen, gelten einschlägige bestehende Betriebsvereinbarungen auch für diese. Etwas anderes gilt nur, wenn die Leiharbeitnehmer aus dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen sind oder sich aus dem Sinn der Betriebsvereinbarung ergibt, dass sie für Leiharbeitnehmer nicht gelten soll. Über die zwingenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Entleiherbetrieb hinaus können Arbeitgeber und Betriebsrat auf Grundlage des 88 BetrVG freiwillige Betriebsvereinbarungen auch zu Gunsten der im Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer schließen. Die folgenden Themen werden dabei in der Praxis besonders oft geregelt: Die Begrenzung des Leiharbeitnehmeranteils im Betrieb Modalitäten der Übernahme von Leiharbeitnehmern in die Stammbelegschaft Die Teilnahme von Leiharbeitnehmern an Qualifizierungsmaßnahmen Die Begrenzung der Einsatzzeiten der Leiharbeitnehmern im Betrieb Die Angleichung der Entlohnung der Leiharbeitnehmern an die der Stammbelegschaft Die Anwendung bestehender Betriebsvereinbarungen auch auf die im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer Die Hans-Böckler-Stiftung hat viele Betriebsvereinbarungen zum Umgang mit Leiharbeitnehmern und zu anderen Themenschwerpunkten in den Unternehmen 4
5 zusammengetragen und systematisch ausgewertet. Unter sind zahlreiche Textbausteine als Hilfsmittel für die Formulierung von Betriebsvereinbarungen zu finden; diese stehen jedem Nutzer nach seiner Registrierung kostenlos zur Verfügung. 5
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