LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
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- Oswalda Maier
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1 12 Sa 185/08 4 Ca 3253/07 Arbeitsgericht Essen Verkündet am 28. Mai 2008 Esser Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Rechtsstreit der Frau L. H. H., S. str. 67, F., - Klägerin und Berufungsbeklagte - Prozessbevollmächtigte: Assessor J. u. a., Deutsche Orchestervereinigung e. V., M. str. 10, C., g e g e n die Theater und Philharmonie F. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer P. I., P. platz 10, F., - Beklagte und Berufungsklägerin - Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. L., K. str. 9, L., hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Meißner und den ehrenamtlichen Richter Knuth für R e c h t erkannt: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom wird kostenfällig zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen
2 - 2 - T A T B E S T A N D : Die Parteien streiten um die Höhe des Ortszuschlages. Die Klägerin ist seit Mai 2003 als Tutti-Bratscherin bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit und arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern (TVK) Anwendung. Die Beklagte gewährte der ledigen Klägerin nach 21 Buchst. b, 24 TVK i.v.mit der Vergütungsordnung zum 27. Tarifvertrag zur Durchführung des 55 TVK den Ortszuschlag der Tarifklasse I c, Stufe 1, seit Mai 2004 in Höhe von monatlich Euro 502,36 brutto. Am heiratete die Klägerin. Nachdem die Beklagte sich weigerte, den Ortzuschlag der Stufe 2 in Höhe von Euro 609, 26 zu zahlen, hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Essen Klage erhoben und zuletzt beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 320,70 brutto zu zahlen, und zwar a) 106,90 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem sowie b) weitere 106,90 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem sowie c) weitere 106,90 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem ; 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie, die Klägerin, ab November 2007 Ortszuschlag gemäß Tarifklasse Ic) BAT, Stufe 2, zu zahlen und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen dem Ortszuschlag der Stufe 1 und dem Ortszuschlag der Stufe 2 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu verzinsen
3 - 3 - Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom der Klage stattgegeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in rechtlicher Hinsicht an. Sie vertritt die Auffassung, dass 24 TVK mit der zum erfolgten Ersetzung des BAT durch den TVöD sie nicht mehr zur Gewährung eines Ortszuschlages und keinesfalls zur Anhebung auf eine erst nach diesem Zeitpunkt erfüllte höhere Stufe verpflichte. Die Beklagte beantragt die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage. Die Kläger/in verteidigt das Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen. E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E : I. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben. Die Kammer macht sich gemäß 69 Abs. 2 ArbGG die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils zu eigen. Sie hat ihnen zur Klarstellung und in Hinsicht auf die Angriffe der Berufung lediglich das Folgende hinzuzufügen. 1. Nach zutreffender höchstrichterlicher Spruchpraxis (BAG, Urteile vom , 6 AZR 378/01, und vom , 6 AZR 579/04, AP Nr. 18, 21 zu 1 TVG Tarifverträge: Musiker, , Urteil vom , 6 AZR - 4 -
4 - 4-37/06, AP Nr. 15 zu 1 TVG Tarifverträge: Bühnen, Urteil vom , 10 AZR 19/07, ZTR 2008, 212) erfolgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mitberücksichtigt werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und deshalb nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Sofern hiernach zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu erzielen sind, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages und die praktische Tarifübung ebenso berücksichtigt werden wie die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse. 2. Die Tarifvertragsparteien haben in 21 Buchst. b, 24 Satz 1 TVK für den Anspruch auf Zahlung des Ortzuschlags verwiesen auf die für die unter den Bundes-Angestelltentarifvertrag fallenden Angestellten jeweils maßgebenden Bestimmungen ( 21 Buchst. b, 24 Satz 1 TVK). Nachdem der BAT- Bund, der ersichtlich in Bezug genommen ist ( 55 TVK), zum nachwirkungslos durch den TVöD ersetzt worden ist ( 2 Abs. 1 TVÜ-Bund vom nebst Protokollerklärung zu Absatz 1 i. V. m. Anlage 1 TVÜ-Bund Teil A, Nr. 1; ebenso 2 Abs. 1 TVÜ-VKA vom , 2 Abs. 1 TVÜ- Länder [mit Wirkung vom ]), ist die tarifliche Verweisungsklausel des 24 Satz 1 TVK auslegungsbedürftig geworden. 3. Zu der Konstellation, dass in einem Tarifvertrag dynamisch auf die Regelung in einem anderen Tarifvertrag verwiesen ist und der andere Tarifvertrag abläuft, hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt BAG, Urteil vom , 3 AZR 426/06, Juris) grundsätzlich erkannt, dass die Nachwirkung gem. 4 Abs. 5 TVG dazu führe, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag genauso wie der Bezug nehmende lediglich so weiter gelte, wie dieser - 5 -
5 - 5 - bei seinem Ablauf gegolten habe. Davon sei jedenfalls dann auszugehen, wenn der in Bezug genommene Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Ablaufs keine zukünftigen Änderungen vorgesehen habe und erst später, im Nachwirkungszeitraum, abgeschlossene Tarifverträge zu einer Änderung führen (vgl. auch BAG, Urteil vom , 4 AZR 561/06, EzA-SD 2008, Nr. 4, 17, Urteil vom AZR 140/03 ZTR 2004, 407, Urteil vom , 4 AZR 666/98, ZTR 2000, 216). Diese Erwägungen treffen zwar nicht unmittelbar auf den Fall zu, in dem die Nachwirkung gemäß 4 Abs. 5 TVG ausbleibt. So ist die BAT-Regelung, auch zur Grundvergütung und zu Ortzuschlägen, durch den TVöD ersetzt worden, wobei eine Nachwirkung, die von den Tarifvertragsparteien auch konkludent aufgehoben werden kann (vgl. BAG, Urteil vom , 4 AZR 87/96, ZTR 1998, 264), explizit ausgeschlossen worden ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass vorliegend die Tarifauslegung nach dem in den 21 ff. TVK erkennbar gewordenen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien zu dem Befund führt, dass im Fall des Ablaufs des BAT dessen in Bezug genommene Tarifnormen bis zur sinngemäßen Anpassung durch Tarifvertrag statisch weitergelten sollen. Bei der tariflichen Verweisung in einem Tarifvertrag (hier: in 24 Satz 1 TVK) auf eine andere Tarifregelung (hier: 29 BAT ) ist der verweisende Tarifvertrag selbst unvollständig und wird erst durch die in Bezug genommenen Regelungen vervollständigt. Dabei ist die dynamische Verweisungsklausel in erster Linie darauf angelegt, die Abhängigkeit von dem Bezugstarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung herzustellen. Insoweit kann sie, wenn der Bezugstarifvertrag abläuft, die ihr zugedachte dynamische Wirkung nicht mehr entfalten. Indessen bleibt die Verweisung, nunmehr in statischer Form, auf den Tarifvertrag in seiner bei Ablauf gültigen Fassung sinnvoll und notwendig. Andernfalls entstünde nämlich bei dem Ausfall der in Bezug genommenen Tarifnormen (hier: zum Ortzuschlag nach 29 BAT mit der Stufenregelung des Abschnittes B) eine Lücke. Diese Lückenhaftigkeit liegt außerhalb der Regelungsintention der Tarifvertragsparteien. Vielmehr entspricht die statische Weitergeltung ihrem erkennbaren Regelungswillen. Indem die statische Weitergeltung des in Bezug genommenen 29 Abschnitt B BAT sich wie die Rechtsfolge der Nachwirkung gem. 4 Abs. 5 TVG darauf - 6 -
6 - 6 - beschränkt, bis zum Abschluss einer anderen Abmachung den bisherigen materiell rechtlichen Zustand für das Arbeitsverhältnis beizubehalten, wird zudem der Besonderheit Rechnung getragen, dass der TVK ein spezieller Tarifvertrag für eine bestimmte Berufsgruppe (Musiker in Kulturorchestern) mit eigenständigen Regelungen der Rechte und Pflichten der jeweiligen an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitsvertragsparteien ist und nach dem Normsetzungswillen der Tarifvertragsparteien wegen seiner Spezialität den Regeln des BAT vorgeht (BAG, Urteil vom , 5 AZR 390/81, Juris). Die Eigenständigkeit der tariflichen Normsetzung kommt in 55 TVK zum Ausdruck, wonach die Grundvergütung entsprechend der Tarifentwicklung im BAT-Bereich sinngemäß durch Tarifvertrag anzupassen ist. Sie wird darüber hinaus in 24 Satz 1 TVK ersichtlich. Diese Norm führt zwar zur automatischen Anwendung des 29 Abschnitt B BAT. Jedoch verdeutlicht die Gestaltung der in Satz 2 angezogenen Vergütungsordnung mit der wenn auch deklaratorischen Wiedergabe der Stufenbeträge die Grundvorstellung der Tarifvertragsparteien über die maßgebliche Zusammensetzung und Höhe des Gehaltes einschl. der jeweiligen Ortszuschläge. Diesem tariflichen Gestaltungswillen ist bei der Auslegung des 24 Satz 1 TVK Rechnung zu tragen. Ihm entspricht allein die nunmehr statische Weitergeltung des 29 Abschnitt B BAT bis zu seiner Ersetzung durch eine andere Abmachung der Tarifvertragsparteien des TVK. 4. Die Tarifvertragsparteien haben bislang keine andere Abmachung zur Vergütung nach 21 TVK oder nur zum Ortszuschlag nach 24 TVK getroffen, auch nicht etwa inzidenter durch eine dem TVöD nachgebildete Umgestaltung der bisherigen, auf Grundvergütung und Ortzuschlag basierenden Vergütungsstruktur. Ihre bisherigen Erklärungen anlässlich von Tarifvertragsverhandlungen gehen über die unverbindliche Äußerung von Exspektanzen nicht hinaus und sind daher unbeachtlich. II. Die Kosten der Berufung hat nach 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen
7 - 7 - Die Kammer hat der Rechtssache im Hinblick auf den räumlichen Geltungsbereich des TVK und dessen Auslegungsbedürftigkeit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher für die Beklagte die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen, 72 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 ArbGG. R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten eingelegt werden. R E V I S I O N Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim eingelegt werden. Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, Erfurt, Fax: (0361) Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich zu begründen. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dr. Plüm Meißner Knuth
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