Prof. Anne Lenze STEUERLICHE, SOZIAL- UND UNTERHALTSRECHTLICHE SCHRITTE ZUR VERBESSERUNG DER SITUATION ALLEINERZIEHENDER HAMBURG 28.

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1 Prof. Anne Lenze STEUERLICHE, SOZIAL- UND UNTERHALTSRECHTLICHE SCHRITTE ZUR VERBESSERUNG DER SITUATION ALLEINERZIEHENDER HAMBURG 28. APRIL 2016

2 WER SIND DIE ALLEINERZIEHENDEN? Alleinerziehende sind eine sehr heterogene Gruppe hinsichtlich ihrer materiellen Situation, ihren Erziehungsbedingungen.

3 FAKTEN 2014 lebten in Deutschland 2014 rund rd. 1,64 Mio. Alleinerziehende mit 2,3 Mio. Kindern. Jede 5. Familie ist alleinerziehend. 89 % sind alleinerziehende Frauen. Dies ist die einzige Familienform mit Zuwachsraten. Das Armutsrisiko ist in den letzten Jahren gestiegen trotz höherer Erwerbsbeteiligung.

4 EINKOMMENSQUELLEN DER ALLEINERZIEHENDEN Unterhaltsrecht: Betreuungs- und Kindesunterhalt (UVG) Erwerbstätigkeit Ansprüche nach dem SGB II Kombination von Kinder-,Wohngeld, Kinderzuschlag und UVG Reformoptionen

5 RECHTSPRECHUNG DES BGH ZUM ANSPRUCH AUF BETREUUNGSUNTERHALT - Vorrang der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil ab dem dritten Geburtstag ist aufgegeben. - Es besteht eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit, vorhandene Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. - Der betreuende Elternteil trägt die Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmefalls. - Die Erwerbstätigkeit darf jedoch nicht zu einer überobligationsmäßigen Belastung des betreuenden Elternteils führen (Alleinerziehende mit 3 Kindern bei fehlenden Betreuungsmöglichkeit auf dem Land.)

6 WIRKLICHKEIT DES KINDESUNTERHALTS Etwa die Hälfte aller alleinerziehenden Eltern bekommt keinen Unterhalt für ihre Kinder. Von den Unterhaltszahlungen genügt wiederum nur etwa die Hälfte aus, um den Mindestanspruch gemäß Düsseldorfer Tabelle zu decken. In einem Viertel der Fälle machen die getrenntlebenden Elternteile dies durch häufigen Umgang gut. (Bastian Hartmann Unterhaltsansprüche und deren Wirklichkeit, 2014 SOEPpapers 660)

7 UNTERHALTSVORSCHUSS Wichtige Sozialleistung für Alleinerziehende, da er einkommensunabhängig gewährt wird. Begrenzte Bezugsdauer von 6 Jahren. Maximal bis zum 12. Geburtstag. Seit 2008 Anrechnung des ganzen Kindergeldes.

8 Die Daten lassen vermuten, dass der Unterhaltsvorschuss nur in wenigen Fällen tatsächlich zum Einsatz kommt. Ca. 3/4 der berechtigten Haushalte beziehen keinen UVG: Mögliche Gründe: -- unregelmäßige Zahlungen, damit verbundener Büroratieaufwand mit monatlicher Neuberechnung der Ansprüche -- Nichtbenennung des Vaters wegen Änderung im Familienrecht: gemeinsame Elterliche Sorge auf Antrag auch gegen den Willen der alleinerziehenden Mutter). -(Bastian Hartmann Unterhaltsansprüche und deren Wirklichkeit, 2014 SOEPpapers 660)

9 FORSCHUNGSBEDARF Warum zahlt über die Hälfte der barunterhaltspflichtigen Elternteile keinen Unterhalt, der Rest oft nicht oder nur den Mindestunterhalt. Wenn hier die Ausbreitung des Niedriglohnbereichs der Grund ist, dann sehe ich eine Verpflichtung des Staates das UVG nachzubessern: Zahlung für die Dauer der Unterhaltspflicht. Rückgängigmachen der vollen Anrechnung des Kindergeldes, die sich auch rechtssystematisch nicht begründen lässt. Handelt es sich lediglich um fehlenden Zahlungswillen, so sind die bereits bestehenden staatlichen Hilfen ( 1712 BGB) auszunutzen oder der Regress durch die Kommunen voranzutreiben.

10 ALLEINERZIEHENDE UND ERWERBSTÄTIGKEIT 70% aller alleinerziehenden Frauen gehen einer Erwerbstätigkeit nach. Alleinerziehenden Frauen mit Kindern unter 3 Jahren waren zu 40% erwerbstätig, Mütter aus Paarhaushalten zu 50% Alleinerziehende arbeiten häufiger in Vollzeit (43%) als Mütter aus Paarfamilien (30%).

11 DIE WIRKUNGEN DES ENTLASTUNGSBETRAGES VON EURO/JAHR Für die Alleinerziehende mit einem Verdienst von 60% des Durchschnitts und einem Steuersatz von 14 bis 20% macht der Entlastungsbetrag zwischen 22 bis 32 Euro im Monat aus. Für die Spitzenverdienerin mit einem Steuersatz von 42% macht dies monatlich 67 Euro aus.

12 Fast Alleinerziehende werden durch den Entlastungsbetrag unabhängig von SGB II- Leistungen. Effizienzanalysen zeigen, dass der Entlastungsbetrag im Verhältnis zu seiner Höhe eine der effektivsten Leistungen zur Unterstützung der Erwerbstätigkeit von Alleinerziehenden ist. (Prognos, Im Blickpunkt Alleinerziehende wirksam unterstützen, 2015, S. 24).

13 BELASTUNG IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Alleinerziehende, 2 Kinder, 67% des Durchschnittseinkommens: Deutschland 18 % - Frankreich 15% Dänemark/Schweden/Norwegen 11,7% Niederlande 2,4%. Großbritannien plus 0,2% - Schweiz plus 1,7% Luxemburg plus 9,3% - Irland plus 39,1%

14 ELTERLICHER ZUWENDUNGSMANGEL Von den in der World Vision Studie 2010 befragten 5000 Kinder, die über elterlichen Zuwendungsmangel klagten (13%), waren: 31 % Kinder von erwerbstätigen alleinerziehenden Elternteilen 30 % Kinder mit arbeitslosen Eltern 17 % Kinder von vollberufstätigen Eltern 8 % Kinder mit 1 voll- und 1 teilzeitbeschäftigten Elternteil 9 % Kinder mit 1 Elternteil in Vollzeit.

15 ALLEINERZIEHENDE IM SGB II Von allen Alleinerziehenden-Haushalten sind 39% auf Grundsicherung angewiesen. 30% der Alleinerziehenden im SGB-II-Bezug sind erwerbstätig. Im Dezember 2011 waren 62% der Alleinerziehenden länger als 24 Monate im Bezug. Bei Paaren mit Kindern waren dies 58%. Bei kinderlosen Alleinstehenden waren dies 56%.

16 ALLEINERZIEHENDE IM SGB II Regelbedarf eines Alleinstehenden 404 Euro Mehrbedarfszuschlag je nach Alter und Zahl der Kinder in Höhe von 12% (48,48 ) max. 60% (242,40 ) des Regelbedarfes. Regelbedarfe für Kinder - 237/270/306 Euro Kosten der Unterkunft Berufliche Integration Bildungs- und Teilhabeleistungen

17 ALLEINERZIEHENDE IM SGB II Alleinerziehende werden besonders häufig in 1- - Jobs und in geringfügige Beschäftigungen bis 450 vermittelt bzw. in schulische Trainingsmaßnahmen. Sie nehmen seltener teil an der aussichtsreicheren betrieblichen Förderung. Alleinerziehende im SGB II - Bezug streben zu 66% eine Ausweitung ihrer Arbeitszeit an. Sie sind zu höheren Konzessionen bereit als Mütter in Paarhaushalten

18 DIE GRÖßTEN PROBLEME DER ALLEINERZIEHENDEN IM SGB II Finanzen Eigene Gesundheit Ex-Partnerschaft Alltagsüberforderung Schule Alleinsein Arbeitslosigkeit/Arbeitssuche Gesundheit Kind Umgang mit Behörden und Ämtern (Studie: Alleinerziehend in Wolfsburg, 2013)

19 SOZIALLEISTUNGSFALLE? Mutter mit 2 Kindern - 6 und 8 Jahre 404 (Mutter) 145,44 (Alleinerziehenden-Mehrbedarf) 237 (Kind 6 Jahre) 270 (Kind 8 Jahre) 600 (Unterkunft und Heizung) Gesamtbedarf: 1.656,44

20 KOMBINATION VERSCHIEDENER SOZIALLEISTUNGEN Geringe Relevanz des Kinderzuschlags, da Kindesunterhalt und Unterhaltsvorschuss als Einkommen des Kindes angerechnet werden. Das gleiche gilt für das Wohngeld. Der Mehrbedarfszuschlag des SGB-II kann nicht mitgenommen werden, es kann aber auf ihn verzichtet werden.

21 ANRECHNUNGSREGELUNGEN MIT ABWEGIGEN RESULTATEN Bezieht eine Alleinerziehende Unterhaltsvorschuss für ein Kind, so muss sie mehr Verdienst erwirtschaften als ohne diese Leistung, weil UVG beim Wohngeld und beim Kinderzuschlag als Einkommen angerechnet wird, so dass diese sinken und die Alleinerziehende ihren Arbeitseinsatz erhöhen muss.

22 EXTREMER BEANTRAGUNGSAUFWAND Kinderzuschlag, Kindergeld, anteiliges Wohngeld eventuell noch Kindesunterhalt oder Unterhaltsvorschuss sowie ein Antrag beim Jugendamt auf Zuschuss zu den Kosten der Kinderbetreuung und nicht zu vergessen: die Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket sind bei unterschiedlichen Ämtern mit unterschiedlichen Bewilligungs-zeiträumen und Mitwirkungspflichten verbunden. Geld fließt zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu. Hohe emotionale Belastungen der AE (Gesundheit!) und Bedarf an Hilfe im Umgang mit Ämtern und Behörden!

23 DRINGENDER REFORMBEDARF Steuerlicher Entlastungsfreibetrag in Höhe eines zweiten Grundfreibetrages. Reform des Unterhaltsvorschuss-Gesetzes: - Anrechnung nur noch des hälftigen Kindergeldes. - unbegrenzte Zahlung. In den Jobcentern spezifische Beratung, Betreuung und Vermittlung von Allein-erziehenden unter Berücksichtigung ihrer Lebensumstände.

24 REFORMOPTION KINDERZUSCHLAG Es wird beim Kinderzuschlag auf die Beantragungspflicht des 6a BKGG verzichtet, insbesondere auf UVG. Folge: Anspruch auf UVG wird nicht verbraucht und steht zur Verfügung, wenn die AE wegen eines höheren Verdienstes aus dem Kinderzuschlag herauswachsen. Der Mehrbedarfszuschläge für Alleinerziehende des 21 SGB II sollte mitgenommen und beim Kinderzuschlag ausbezahlt werden.

25 KINDERGRUNDSICHERUNG FÜR NIEDRIGLOHNBEREICH Der Kinderzuschlag, das Kindergeld, eine Pauschale für das anteilig auf Kinder entfallende Wohngeld (bei Alleinerziehenden ein Mehrbedarf wegen Kindererziehung) sowie eine Pauschale für das Bildungs- und Teilhabepaket wird als eine Leistung von einer Behörde ausgezahlt.

26 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!