Perspektive der Unfallversicherung. Reichsversicherungsordnung. Hans-Gerd von Lennep
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- Ewald Baumgartner
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1 Perspektive der Unfallversicherung bei der Präsentation des Sonderpostwertzeichens 100 Jahre Reichsversicherungsordnung Hans-Gerd von Lennep Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung Präsentation des Sonderpostwertzeichens 100 Jahre Reichsversicherungsordnung am 18. Mai 2011 Es gilt das gesprochene Wort! abrufbar auch unter
2 Seite 1 Sehr geehrter Herr Storm, sehr geehrte Vertreter des Ehrenamtes, verehrte Damen und Herren, letzte Redner haben es nicht einfach. Das Thema in unserem Fall die Reichsversicherungsordnung ist schon von vielen Seiten beleuchtet und die Zuhörer liebäugeln bereits mit einer kleinen Stärkung. Ich werde mich also anstrengen müssen, um Ihre Aufmerksamkeit für die Perspektive der Unfallversicherung zu gewinnen. "Was dem einen sein Uhl, ist dem anderen sein Nachtigall." Auf diese knappe Volksweisheit brachte ein Verbandsvertreter auf dem Berufsgenossenschaftstag im Mai 1911 die Diskussion um die Reichsversicherungsordnung. Das neue Gesetzeswerk war innerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung durchaus umstritten. Dokumente aus dieser Zeit bezeugen eine eifrige, manchmal auch harte Diskussion. Insbesondere fürchtete man in der Unfallversicherung, die Regie über die Rentenfeststellungen zu verlieren und haderte mit der Rolle und den Kompetenzen der geplanten Versicherungsämter. 100 Jahre später beschleicht einen bei der Lektüre dieses Zeitzeugen das Gefühl, dass sich im politischen Geschäft so viel gar nicht verändert hat. So beschreibt eben jener Verbandssyndikus, wie sehr sich die Interessen einzelner Gruppen in der Diskussion um die Reichsversicherungsordnung widersprachen: Die Sozialpolitiker erhofften sich von der Reichsversicherungsordnung eine Vereinheitlichung der Versicherungslandschaft, die Arbeiterschaft wollte mehr soziale
3 Seite 2 Fürsorge und die Unternehmer fürchteten sich vor Mehrbelastungen und um ihre Wettbewerbsfähigkeit. All diese Argumente kommen uns heute durchaus bekannt vor. Der Mann kommt deshalb zu einem lakonischen Fazit: "Keine Gesetzgebung der Welt wäre imstande gewesen, eine Reichsversicherungsordnung zu schaffen, die allen Beteiligten volle Befriedigung gewährt hätte." Denn, was dem einen sein Uhl, ist dem anderen sein Nachtigall. Auch wenn die Reichsversicherungsordnung 1911 offenbar nicht gerade euphorisch aufgenommen wurde, sie hat sich in der Folge zu einem Meilenstein innerhalb des Sozialversicherungsrechts entwickelt, auf ihr fußt unsere heutige Gesetzgebung. Die grundlegenden Strukturen der gesetzlichen Unfallversicherung wurden 1911 nicht verändert, die Kompetenzen der Selbstverwaltung blieben entgegen manchen Befürchtungen erhalten. Aber einige Neuerungen gab es natürlich. Viele Gewerke wurden zusätzlich in die Versicherungspflicht einbezogen: die Apotheken und die Badeanstalten, die Binnenschiffer und die Fahrbetriebe um nur einige Beispiele zu nennen. Interessant ist aus heutiger Sicht auch, dass erst die Reichsversicherungsordnung die Berufsgenossenschaften verpflichtete, mehr für die Unfallverhütung zu tun. Sie sollten entsprechende Vorschriften zu erlassen und Aufsichtbeamte einstellen. Vorher waren Sie dazu nur ermächtigt bzw. berechtigt gewesen. Erstaunlich fortschrittliche Gedanken waren in der
4 Seite 3 Reichsversicherungsordnung zu finden. So legte sie in einem Paragraphen ( 848, Absatz 4) fest, dass Unfallverhütungsvorschriften übersetzt werden sollten, sobald mehr als 25 Arbeiter eines Betriebes eine andere Muttersprache als Deutsch sprachen. Ich will nicht auf weitere Details der Reichsversicherungsordnung eingehen. Vieles ist für uns vor allem von historischer Bedeutung. Trotzdem lohnt es sich, im Jahr 2011 an dieses maßgebliche Gesetzeswerk des frühen 20. Jahrhunderts zu erinnern. Die Gestaltung des Postwertzeichens, das wir heute überreicht bekommen haben, legt eine Spur zu der Bedeutung, die wir mit der Reichsversicherungsordnung verbinden. Die Marke zeigt einige Schlüsselbegriffe unserer sozialen Sicherung: Solidargemeinschaft, Versorgung, Schutz, Arbeit lesen wir. Die Reichsversicherungsordnung erinnert uns ebenso wie es die Unfallversicherung im vergangenen Jahr anlässlich ihres 125-jährigen Jubiläums getan hat an die Genese der Sozialversicherung in Deutschland. Sie belegt die Kodifizierung eines Rechtsbereiches und das Bemühen, einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen zu schaffen. Die Reichsversicherungsordnung ist damit auch der Gesetz gewordene Beleg für den politischen Willen, Menschen eine soziale Absicherung zu geben. Vor der Bismarckschen Einführung der Sozialversicherung waren Krankheit, Arbeitsunfall und Alter oft gleichbedeutend mit Not und Armut. Das hatte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits verändert. Auch davon legt die Reichsversicherungsordnung Zeugnis ab: Es geht bereits darum, die Errungenschaften der Sozialversicherung zu festigen und ihr Funktionieren einer Prüfung
5 Seite 4 zu unterziehen. Die Reichsversicherungsordnung ist auch ein Dokument des Fortschritts. Wenn wir zurück blicken, dann ist damit ein Auftrag verbunden. Denn es ist an uns, die einzelnen Zweige der deutschen Sozialversicherung an die sich stetig wandelnden gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen. Ich will hier beispielhaft nur das Stichwort des "demografischen Wandels" nennen. Sicher eine der größten Herausforderungen, die unser System in den nächsten Jahrzehnten zu bestehen hat. Die Erinnerung an die Reichsversicherungsordnung zeigt uns, dass wir eine verlässliche Basis haben. Ein Fundament, auf dem wir sicher stehen können bei unserer Arbeit für die Zukunft. Nur ausruhen dürfen wir uns darauf nicht. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit
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Perspektive der Rentenversicherung bei der Präsentation des Sonderpostwertzeichens 100 Jahre Reichsversicherungsordnung Alexander Gunkel Alternierender Vorsitzender des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung
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