Risiken und Chancen kindlicher Entwicklung heute. von Univ.-Prof. Dr. Christoph Leyendecker
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- Willi Biermann
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1 Risiken und Chancen kindlicher Entwicklung heute von Univ.-Prof. Dr. Christoph Leyendecker
2 1. Denkwürdige Anlässe Rapider Rückgang im Verkauf von Esstischen In den meisten Familien gibt es kein gemeinsames Frühstück mehr In 27 % der Haushalte gibt es so gut wie keine gemeinsamen Mahlzeiten mehr
3 1. Denkwürdige Anlässe Homing and Cocooning Der Boom geht an Kindern vorbei Frühe Kindheit ist ein öffentliches Thema wie nie zuvor!
4 1. Denkwürdige Anlässe Breites Angebot von mittlerweile ca Frühförderstellen und ca. 130 Sozialpädiatrischen Zentren Frühförderungsverordnung: Studie belegt mangelnde bundesweite Umsetzung Komplexleistung mit komplizierter Bewilligungspraxis ein Skandal Zunahme des Entzugs elterlicher Sorge um 10% Kürzung der Kinder- und Jugendhilfe um fast ein Drittel
5 2. Riskante Umbrüche Einerseits ein Verlust an Geborgenheit und eine mangelnde Erziehungskompetenz Anderseits ein Gewinn an Autonomie und eine Pluralisierung der Lebenschancen
6 2. Riskante Umbrüche Fall tödlicher, psychosozialer Deprivation: der Fall Kevin neue Formen psychosozialer Bereicherung
7 2. Riskante Umbrüche Neue Kinder der Freiheit Enttraditionalisierung bei gleichzeitiger Pluralisierung der Lebensformen Fragmentierung der Lebenszusammenhänge oder Verinselung der Kindheit Verschwinden hilfreicher Rituale : Der Esstisch ist das wichtigste Möbelstück
8 2. Riskante Umbrüche Andere Kinder und veränderte Aufgaben Kinder- und Jugendgesundheitsurvey (Robert-Koch-Institut, 2007 ) Jedes 5. Kind (22%) psychisch auffällig Jedes 10. Kind (9,7%) Anzeichen psychischer Störung In Hochrisikofamilien 50%!
9 2. Riskante Umbrüche Andere Kinder und veränderte Aufgaben Häufigkeitsrangfolge der Diagnosen 1977 und 2007 Cerebral bedingte Tonus- und Koordinationsstörungen (Cerebralparesen) Körper- und Mehrfachbehinderte Morbus-Down-Syndrom Minimale Cerebrale Dysfunktion Kinder mit Verhaltensbesonderheiten und Lern- und Leistungsstörungen Entwicklungsgefährdete Kinder aus sozial benachteiligten Familien Geistig behinderte und autistische Kinder Körper- und mehrfachbehinderte Kinder Säuglinge und Frühgeborene mit Entwicklungsrisiken Kinder mit Regulations- und Bindungsstörungen
10 2. Riskante Umbrüche Andere Kinder und veränderte Aufgaben Situation in Bayern (Lelgemann und Fries, 2009) > Rückgang cerebraler Bewegungsstörungen < Zunahme emotional-sozialer Verhaltensauffälligkeiten
11 2. Riskante Umbrüche Andere Kinder und veränderte Aufgaben Paradoxe Situation in NRW: Zunahme der Schülerzahl an Förderschulen um 33%! Gleichzeitig erhebliche Zunahme im Gemeinsamen Unterricht
12 2. Riskante Umbrüche Andere Kinder und veränderte Aufgaben
13 3. Der Ausschlag des Pendels: zwischen Risiko und Chance Ökonomische wie psychosoziale Verarmung Alleinerziehung Migrationshintergrund Sehr junge Eltern Psychische Störungen der Eltern
14 3. Der Ausschlag des Pendels: zwischen Risiko und Chance Beziehung und Erziehung Selbst Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht The relationship comes first; it precedes
15 Zwischenmenschliche Interaktion Nachahmung und Einfühlung des Kindes (über sog. Spiegelneuronen) Feinfühligkeit und intuitives Repertoire der Bezugsperson
16 3. Der Ausschlag des Pendels: zwischen Risiko und Chance Hemmende Risiken Bezugsperson - Kind - Interaktion Förderliche Chancen Geringe Sensibilität für kindliche Signale Wenig anregendes Erziehungsverhalten Wenig kontingentes Erziehungsverhalten Divergierende Aufmerksamkeitsausrichtung Geringe Affektabstimmung Ungünstige, wechselhafte soziale Beziehungen Inkonstanz/Unverlässlichkeit der Erziehungsbedingungen Erfahrung von Fremdbestimmung Unselbstständigkeit / Abhängigkeit Missachtung und Vernachlässigung Sensibilität für kindliche Signale Anregendes Erziehungsverhalten Kontingentes Erziehungsverhalten Gemeinsame Aufmerksamkeitsausrichtung Angepasste Affektabstimmung Emotional ausgeglichene und anregende soziale Beziehungen Konstanz / Verlässlichkeit der Erziehungsbedingungen Erfahrungen von Selbstwirksamkeit Autonomie / Selbstgestaltung Wertschätzung und Förderung
17 4. Perspektiven der Komplexleistung Frühförderung 4.1 Die Ambivalenz von Risiko oder: ist die Krise der Normalfall? Behinderung als Chance?
18 4. Perspektiven der Komplexleistung Frühförderung 4.2 Die Pathologisierung der Varianz oder: Wer braucht Frühförderung i.e.s.? Unspezifische Methoden wie z.b. SIT, Psychokinese oder Brain-Gym. für alle möglichen Störungen Kinder- und Jugendärzte gegen inflationäre Ausweitung von Therapien
19 4. Perspektiven der Komplexleistung Frühförderung 4.2 Die Pathologisierung der Varianz oder: Wer braucht Frühförderung i.e.s.? ca. 7 8 % der Kinder von Geburt bis 6 Jahre = Kinder
20 4. Perspektiven der Komplexleistung Frühförderung 4.3 Die Antinomie (Widersprüchlichkeit) der Förderung und ihre Auflösung im gemeinsamen Handeln : Pädagogik ist ein unmöglicher Beruf (S. Freud) Trialog: ein gemeinsames Handeln von Dreien: Eltern, Kind, Therapeut
21 4. Perspektiven der Komplexleistung Frühförderung 4.4 Ein aktualisiertes Verständnis eines alten Begriffs: θεραπεία (Therapie) Therapie bedeutet in erster Linie: Respektvolle Hilfe oder achtsame Begleitung
22 4. Perspektiven der Komplexleistung Frühförderung 4.5 Einige Konsequenzen Prävention und Protektion Aufsuchende Hilfen vor Problemmanagement Vernetzung der Frühen Hilfen Komplexleistung Frühförderung von Anfang an Mittendrin : Integration der Frühförderung behinderter Kinder in die Betreuung aller Kinder
23 4. Perspektiven der Komplexleistung Frühförderung Gesundheit von Kindern, die keine KITA besuchen: sog. Hauskinder Sie kommen häufiger aus Familien mit niedrigerem Sozialstatus Ihre Zahl nimmt zu (2001: 442; 2004: 498; 2005: 533) Sie zeigen mehr Befunde mit Relevanz für die Frühförderung Sie haben einen höheren ärztlichen Handlungsbedarf Quelle: Landesgesundheitsamt Brandenburg/Ellsäßer
24 Autonomie des Kindes
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