Predigt am Sonntag Trinitatis, 19. Juni 2011, in Bad Wiessee Kirchenrat Dr. Rainer Oechslen

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1 Predigt am Sonntag Trinitatis, 19. Juni 2011, in Bad Wiessee Kirchenrat Dr. Rainer Oechslen Obwohl es solche gibt, die Götter genannt werden, es sei im Himmel oder auf Erden, wie es ja viele Götter und viele Herren gibt, so haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir zu ihm; und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn. 1. Korinther 8, 5-6 Liebe Gemeinde! So haben wir doch nur einen Gott sagt Paulus. Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat... Das ist das Bekenntnis der christlichen Gemeinde. Vorhin haben wir es ausgesprochen. Das Glaubensbekenntnis der Muslime lautet: Ich bekenne, dass es keine Gottheit gibt außer dem einen Gott und ich bekenne, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist. Dann sind Christen und Muslime also geeint im Glauben an den einen Gott. Was auch immer sie unterscheiden mag das Bekenntnis zur Einheit Gottes haben Christen und Muslime gemeinsam. So sieht es auch der Koran. In Sure 29 leitet Gott die Muslime an, wie sie mit den Buchbesitzern mit Juden und Christen also reden sollen. Da heißt es: Und streitet mit den Buchbesitzern nur auf die schönste Art, Doch nicht mit denen, die von ihnen freveln. Und sprecht: Wir glauben an das, was auf uns herabgesandt, Und was auf euch herabgesandt. Und unser Gott und euer Gott sind eins. Und ihm sind wir ergeben. (Sure 29,46)

2 2 Wenn das so ist wie steht es dann mit dem Fest, das wir heute begehen? Wie steht es mit unserem Bekenntnis zu Gottes Dreieinigkeit? Wie steht es mit dem Protest des Korans gegen dieses Bekenntnis? Im Koran steht ja auch: Ihr Leute der Schrift! Geht nicht zu weit in eurer Religion, und sagt nichts als die Wahrheit über Gott! Denn siehe, der Messias Jesus, Marias Sohn, ist der Gesandte Gottes Und sein Wort, das er in Maria legte, und Geist von ihm. So glaubt an Gott und seine Abgesandten Und sagt nicht: Drei Hört auf damit, es wäre für euch besser. (Sure 4, 171) Für den Koran und für die Muslime ist das christliche Bekenntnis zum dreieinigen Gott ein Ärgernis. Es klingt für sie so, als wollten wir nun doch trotz unserem Bekenntnis zum einen und einzigen Gott etwas Zweites oder einen Zweiten neben Gott stellen. Das christliche Bekenntnis klingt für fromme Muslime so, als wollten wir damit das erste Gebot brechen. Es ist doch auch uns Christen gesagt: Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus Ägypten, aus dem Knechtshaus, geführt hat; du sollst nicht andere Götter haben neben mir. Machen wir Christen im Überschwang des Glaubens Jesus, den Menschen, den Sohn Marias zum Gott? Der Koran jedenfalls enthält trotz der inneren Verbindung zwischen Christen und Muslimen eine Kritik am christlichen Glauben. Er hält uns vor: Ihr Christen geht zu weit. Was machen wir Christen mit dieser Kritik? Ziehen wir uns beleidigt zurück? Schimpfen wir vielleicht auf die Muslime wie es heute wieder Mode wird? Es ist ein Fehler von Christen und Muslimen, auf Kritik an ihrem Glauben beleidigt zu reagieren. Ein Glaube, der Kritik nicht aushält, ist unsicher. Für mich ist Kritik an unserem Glauben ein Anlass zur Besinnung: Was glauben wir wirklich? Können wir singen: Ich weiß woran ich glaube, ich weiß, was fest besteht... (EG 357,1)? Dreierlei möchte ich deshalb mit euch bedenken: die Einzigkeit Gottes im christlichen Glauben, die Erkenntnis Gottes nach dem christlichen Glauben,

3 das Lob Gottes aus dem christlichen Glauben. 3 Die Einzigkeit Gottes Der Apostel Paulus gibt uns einen entscheidenden Hinweis: Es gibt solche, die Götter genannt werden, es sei im Himmel oder auf Erden. Es gibt, wie wir seit einigen Jahren wissen, einen Fußballgott der ist vermutlich ziemlich harmlos. Und es gibt einen Gott, der ist überhaupt nicht harmlos. Der heißt Mammon und ist nach Martin Luther der allerverbreitetste Abgott auf Erden. Das steht im Großen Katechismus. Den sollen Lutheraner zwar nicht auswendig, aber doch inwendig wissen. Daneben gibt es noch viele andere Götter und Herren. Aber diese Götter interessieren uns nicht. Wir verehren sie nicht und beten sie nicht an. Denn wir haben nur einen Gott, den wir über alle Dinge fürchten, den wir lieben und dem wir vertrauen. Ja, auch fürchten. Denn wer Gott nicht fürchtet, der fürchtet statt seiner vielleicht den Mammon oder den Krebs oder was weiß ich noch. So fängt unser Glaube an, dass wir zu Gott du sagen: Du einer; du einziger, der mir helfen kann, du meine Zuflucht, mein Anfang und mein Ende. Auch Muslime beten so zu Gott. Aber ihr Glaube hat einen anderen Anfang. Der Glaube der Muslime fängt an mit dem Satz: Es gibt nur einen Gott. Es kann nur einen Gott geben, weil nur ein einziger die Welt geschaffen hat. Aber lassen wir jetzt den Vergleich mit den Muslimen. Bleiben wir bei unserer Sache, bei unserem Glauben. Gott ist der eine, von dem wir alles erwarten, der eine, aus dessen Hand wir nehmen, was wir sind und haben, der mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält. Vielleicht hast du einen Menschen, zu dem zu sagen kannst Du bist der einzige, du bist die einzige für mich. Du bist für mich der eine, die eine unter tausend anderen heißt das. Ich wünsche es dir sehr, dass du einen solchen Menschen hast. Wenn du diesen Menschen hast, auch wenn du ihn nicht mehr hast oder noch nicht dann sage zu Gott: Du einer, du einziger, du Grund meines Lebens, du Hoffnung in meinem Sterben. Die Erkenntnis Gottes Für Muslime ist der Glaube eine göttliche Naturbegabung (Sure 30,30), eine Gabe, die allen Menschen in die Wiege gelegt wird. Man kann diesen Glauben durch die Erziehung verderben oder man kann ihn pflegen und entwickeln. Aber am Anfang jedes Lebens ist dieser Glaube schon da. Wir Christen sind von vornherein viel ärmer. Im Neuen Testament steht, dass wir einmal ohne Christus waren. Wir hatten keine Hoffnung und waren ohne Gott in der Welt (Eph 2,12). Wir kommen her von einer Welt voller Götter, die gerade we-

4 4 gen der vielen Götter dunkel und hoff- nungslos ist. Deshalb nennen wir Jesus unseren Retter, weil er uns die Tür aufgeschlossen hat zu Gott, mehr noch: weil er uns Waisenkindern einen Vater im Himmel gegeben hat, den einen und ewigen Gott. Der christliche Glaube ist erschienen in einer Welt tiefster Verunsicherung. Die Frage hieß nicht: Gibt es einen Gott? Was nützte es uns, wenn es Gott gäbe, aber wir wären Fremde für ihn, hätten keinen Platz bei ihm, wären ausgeschlossen aus seiner Hausgemeinschaft? Nicht der Atheismus ist unser Problem. Schlimmer wäre ein Gott, dem wir egal sind. Der Löser unseres Problems, der Erlöser aus unserer Verunsicherung das ist Jesus Christus. Schon als er uns lehrte zu beten Vater unser im Himmel hat er uns befreit von unserer Angst. Er hat uns einen Platz, eine Heimat, eine Zuflucht bei Gott gegeben. In ihm ist Gott zu uns gekommen. Deshalb sagen wir von Jesus: Er ist Licht vom Licht und Gott von Gott. Und noch etwas ist geschehen, um uns zu befreien aus unserer Unsicherheit. Gottes Geist ist in unsere Herzen gekommen. Er tröstet uns, wenn wir traurig sind. Er betet in uns, auch wenn wir nicht wissen, wie wir beten sollen. Er bestätigt jedem und jeder von uns: Auch du bist Gottes Kind. Der Jubel der christlichen Gemeinde über die Gegenwart des Geistes nimmt kein Ende: Sein Geist wohnt mir im Herzen, regiert mir meinen Sinn, vertreibet Sorg und Schmerzen, nimmt allen Kummer hin (EG 351,7) Eine Zeit lang hat die Gemeinde noch gezögert. Aber dann hat sie bekannt: Auch der heilige Geist ist Licht vom Licht und Gott von Gott. Das Lob Gottes Das Bekenntnis der Gemeinde Jesus und der Geist kommen von Gott. In ihnen ist Gott selbst zu uns gekommen ist ein Lobgesang, ein einziger, dauernder Lobgesang auf den Gott, der uns angenommen hat als seine Kinder, seine Söhne und Töchter. Dreizehn Jahre lang war ich Pfarrer an einer Dreieinigkeitskirche. Über der Kirchentür dort in Schweinfurt steht in metallenen Buchstaben: Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Unzählige Male bin ich unter diesen Buchstaben ein und ausgegangen. Auch heute geht dort eine Gemeinde ein und aus. Mir ist es, als sei jeder Weg unter diesen Buchstaben hindurch ein neuer Ton in einem einzigen Loblied: Ja, du hast es gut gemacht mit uns, Vater im Himmel, dein Sohn Jesus Christus hat uns aufgenommen in dein Haus, dein Geist bezeugt uns, dass wir deine Kinder sind. Lobgesänge sind Poesie. Sie wollen nichts beweisen. Sie wollen danken und preisen und bekennen. Dass der eine Gott einer bleibt und doch dreifaltig, das ist für die mathematische Logik unerklärlich. Lobgesänge sind auch keine Kampflieder. Sonst wä-

5 5 ren sie Kriegsgeschrei. Sie richten sich nicht gegen Juden und Muslime. Wer meint, Menschen anderen Glaubens mit seinem Loblied auf Gott herabsetzen zu müssen, der weiß nicht, was das Lob Gottes bedeutet. Wir Christen loben Gott so, wie er uns begegnet ist. Gelobet sei der Herr, mein Gott, der ewig lebet, den alles lobet, was in allen Lüften schwebet; gelobet sei der Herr, des Name heilig heißt, Gott Vater, Gott der Sohn und Gott der werte Geist, dem wir das Heilig jetzt mit Freuden lassen klingen und mit der Engel Schar das Heilig, Heilig singen, den herzlich lobt und preist die ganze Christenheit: Gelobet sei mein Gott in alle Ewigkeit! (EG 139, 4-5) Amen