20. Partielle Differentialgleichungen Überblick
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- Frida Fleischer
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1 Partielle Differentialgleichungen Überblick Partielle Differentialgleichungen (PDE = partial differential equation) sind Differentialgleichungen mit mehreren unabhängigen Variablen (und einer abhängigen Variablen) mit entsprechenden partiellen Ableitungen. Viele physikalische Prozesse hängen sowohl vom Ort als auch von der Zeit ab. Die Veränderung bezüglich beider ist nicht immer wichtig: die Bewegung eines Massenpunktes wird nur durch Ableitungen nach der Zeit (Geschwindigkeit und Beschleunigung) beschrieben. So eine Art von Gleichung nennt man gewöhnliche Differentialgleichung. Oft reicht das jedoch nicht aus: Die Wellen, die durch einen Wassertropfen, der auf eine Wasseroberfläche fällt, entstehen, hängen sowohl von der Zeitableitung (Geschwindigkeit der Welle) also auch von der Raumableitung (Profil der Welle) ab. Da Ableitungen nach mehreren Variablen auftauchen, ist also eine partielle Differentialgleichung zur Beschreibung des Vorgangs notwendig. Die Wellengleichung ist ein Beispiel für eine lineare partielle Differentialgleichung: Hierbei ist der Laplace-Operator. Die Lösungen der Wellengleichung sind wie der Name andeutet Wellen. Die Proportionalitätskonstante c hat die Einheit einer Länge pro Zeit und gibt die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle an. In der Elektrodynamik wird die (inhomogene) Wellengleichung ausführlich diskutiert. Ein anderes prominentes Beispiel einer PDE ist die Schrödinger-Gleichung i t m V Diese Gleichung wird in verschiedenen Vorlesungen der Physik, insbesondere in der Quantentheorie, eingehend behandelt. Weitere Beispiele sind die Laplace-Gleichung 0 sowie die Wärmeleitungsgleichung u a t u x
2 - - Terminologie Zunächst können wir auf die schon früher eingeführten Bezeichnungen linear, nichtlinear, homogen usw. verweisen. Im folgende nur einige Beispiele. Den Grad der höchsten Ableitung, der in der Gleichung vorkommt, nennt man die Ordnung. Beispielsweise treten in einer Gleichung erster Ordnung nur partielle erste Ableitungen auf. Weiter kann nach Linearität eingeteilt werden. Falls die unbekannte Funktion, sowie alle auftretenden Ableitungen linear vorkommen, spricht man von einer linearen partiellen Differentialgleichung. Eine wichtige neue Bezeichnung tritt bei linearen PDEs.Ordnung auf. Wir schreiben die generische Form mit zwei unabhängigen Variablen x und y sowie der abhängigen Variablen u(x,y) als u u u u u x xy y x y A B C a b cu f A, B, C, a, b, c, f bekannte Funktionen von x, y Diskriminante In Abhängigkeit von der Diskriminante AC B unterscheiden wir: 0 : Hyperbolischer Typ 0 : Parabolischer Typ 0 : Elliptischer Typ Ändert sein Vorzeichen, so spricht man vom gemischten Typ. Charakteristiken Das sind die Integralkurven der Differentialgleichung Ady B dxdy C dx 0, d.h. dy B dx A Wir vertiefen diese sehr nützliche Terminologie hier nicht weiter, sondern gehen in den Ergänzungen darauf ein. Charakteristiken sind wichtig für den Nachweis der Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen sowie die Propagation von Information.
3 - 3 - Wellengleichung der Elektrodynamik Für eine elektromagnetische Welle lässt sich die Wellengleichung einfach aus den Maxwell'schen Gleichungen herleiten. Ausgangspunkt sind das Faraday'sche Induktionsgesetz wobei in letzterem die Stromdichte vernachlässigt wurde, da wir Wellen im Vakuum betrachten wollen. Bilden der Rotation von der ersten Gl. und Einsetzen in die zweite liefert Da wir einen ladungsfreien Raum betrachten, ist = 0 und damit auch E 0. Dann fällt der erste Term auf der rechten Seite weg und wir erhalten 1 E E E c t mit c Die Gleichung für das Magnetfeld lässt sich entsprechend herleiten. Aufgabe 19.1: Leiten Sie aus den Maxwell-Gleichungen im Vakuum die Wellengleichung für B B her.
4 - 4 - Eindimensionale Wellenlösungen Wellen werden in der Physik oft anschaulich über das Beispiel einer Seilwelle eingeführt. Dabei wird eine das Seil entlang wandernde Auslenkung aus der Ruhelage betrachtet, d.h. wir betrachten eine Transversalwelle, die sich in einer Raumrichtung ausbreitet. Die Wellengleichung für eine derartige eindimensionale Welle lässt sich schreiben als Eine Lösung durch einfache Integration wie bei der linearen homogenen Differentialgleichung erster Ordnung ist hier nicht möglich, da auf der einen Seite eine zeitliche, auf der anderen die räumliche Ableitung steht. Um die Differentialgleichung durch Integration lösen zu können, müssen wir sie in eine geeignete Form umwandeln. Dazu werden die Variablen x und t ersetzt durch u =x-ct und v = x+ ct, d.h. muss umgewandelt werden in. Wegen u/ x = v/ x = 1 ergibt sich und damit die linke Seite der Wellengleichung Für die rechte Seite gilt unter Berücksichtigung von u/ t = - v/ t =-c entsprechend Einsetzen in die Wellengleichung ergibt und damit eine Differentialgleichung, die wir direkt integrieren können. Nach einmaliger Integration (hier über die Variable u) ergibt sich wobei die Konstante h(v) nur bezüglich u konstant ist, nicht jedoch bezüglich der zweiten Variablen v. Nochmalige Integration liefert
5 - 5 - Diese Herleitung enthält keinerlei Annahme über die Form der Störung. Also lässt sich jede Lösung der Wellengleichung in dieser Form schreiben. Umgekehrt ist jede Funktion, die von x und t nur in der Kombination x - ct oder x + ct abhängt, eine Lösung der Wellengleichung. Diese Lösungen haben ein einfaches Zeitverhalten: Eine Welle ( x, t) g( x ct) bewegt sich für c > 0 ohne Formveränderung in positiver x- Richtung. Die Spezifikation der Funktionen g und f erfolgt über die Anfangs- oder Randbedingungen. Harmonische Wellen Eine spezielle Lösung der Wellengleichung sind harmonische Wellen, d.h. Wellen, deren periodische Wiederkehr sich durch die Winkelfunktionen Sinus oder Kosinus beschreiben lässt. Harmonische Wellen lassen sich allgemein darstellen als (für unmittelbare Anwendungen benutzen wir den Realteil) Darin beschreibt die Wellenlänge den Abstand zweier benachbarter k Wellenberge und ist ein Maß für die räumliche Periode. Die Frequenz bestimmt die zeitliche Periode T ; die Wellenzahl k ist als Reziprokes der c Wellenlänge ein Maß für die Zahl der Wellen pro Längenelement. Harmonische Wellen lösen die Wellengleichung, da sie Funktionen von x - ct sind. Sie können dies direkt verifizieren. Die physikalisch sinnvolle Lösung ist wieder der Realteil
6 - 6 - Stehende Wellen Eine harmonische Welle können wir uns als eine Folge von Wellenbergen und -tälern vorstellen, die ein Seil entlang läuft. Dabei werden alle Elemente des Seils nacheinander aus der Ruhelage ausgelenkt und schwingen um diese. Eine stehende Welle entsteht durch Überlagerung zweier entgegengesetzt laufender Wellen, z.b. bei einer schwingenden Saite. Dabei gibt es ausgezeichnet Punkte, die Schwingungsknoten, in denen die Saite zu allen Zeiten in der Ruhelage verbleibt. In den dazwischen liegenden Schwingungsbäuchen dagegen schwingt jeder Punkt der Saite mit seiner speziellen Amplitude hin und her. Formal erhalten wir stehende Welle durch Überlagerung zweier Wellen, eine in positive, die andere in negative x-richtung laufend: Diese Art Welle unterscheidet sich von der bisher diskutierten: sie schreitet nicht unter Wahrung ihrer Form fort, sondern es bilden sich ausgezeichnete Punkte bei an denen die Amplitude zu allen Zeiten gleich Null ist (Schwingungsknoten), während an allen anderen Punkten die Amplitude zwischen den Maximalwerten ±A cos kx hin und her schwingt.
7 - 7 - Separationsansatz Wir haben gerade eine Lösung der Wellengleichung mit einer speziellen Struktur gefunden: Die Lösung faktorisiert in das Produkt einer Funktion, die nur von der Zeit t abhängt, und einer zweiten Funktion, die nur vom Ort x abhängt. Diesen Ansatz werden wir nun aufgreifen, um zu zeigen, dass es viele Lösungen ähnlicher Form gibt und dass man diese Lösungen verwenden kann, um allgemeine Lösungen zu vorgegebenen Randbedingungen zu konstruieren. Wir machen für die gesuchte Lösung den Ansatz Hier werden dx und dt (im Gegensatz zu x bzw. tbei der ursprünglichen PDE) zur Markierung der Ableitung verwendet werden, da beide Funktionen X und T jeweils nur von einer Variablen abhängen. Nach der Umschrift hängt die rechte Seite im Prinzip nur von t, die linke nur von x ab, die beiden Variablen sind also separiert. Die Separation erfordert tatsächlich, dass beide Seiten unabhängig sowohl von x wie von t sind. Also können wir sie auch gleich einer Konstanten setzen, die wir hier - p nennen. Auf diese Weise können wir die Wellengleichung in zwei gewöhnliche Differentialgleichungen separieren: Ihre Lösungen lassen sich direkt angeben als
8 - 8 - Die Integrationskonstanten A bis D (bzw. ab),,, erlauben im Prinzip die Berücksichtigung der Randbedingungen. Allerdings ist die Situation nicht so einfach wie bei einer gewöhnlichen Differentialgleichung, da die Konstante p in der Regel noch nicht bestimmt ist. Für die Konstante ergeben sich durch die Randbedingungen jedoch häufig Einschränkungen der möglichen Werte. Oftmals sind nur diskrete Werte p n mit n = 0,1,,... erlaubt, mit den jeweiligen Lösungen X n (x)t n (t) [siehe Ergänzungen]. Aufgrund der Linearität der Differentialgleichung ist auch jede Linearkombination eine Lösung. Dabei werden die noch freien Parameter c n durch die Anfangsbedingungen festgelegt. Beispiel: Longitudinalwelle in einem Stab Wir betrachten einen Stab der Länge L, der am Ende x = 0 eingespannt ist und am Ende x = L frei schwingen kann. Wir betrachten eine Longitudinalwelle in diesem Stab, d.h. ein Volumenelement mit der Längenausdehnung dx am Ort x wird um ein Stück d verschoben. Bei kleinen Auslenkungen lässt sich diese Bewegung durch eine Wellengleichung der Form 1 x c t beschreiben mit c als Geschwindigkeit im Stab (Materialkonstante). Die Änderung der Auslenkung ( xt, ) am Ort x zur Zeit t liefert die Spannung E. x Da der Stab bei x = 0 eingespannt ist, erhalten wir als Randbedingung Am freien Ende x = L kann der Stab dagegen jeder Spannung ausweichen, und wir erhalten als zweite Randbedingung
9 - 9 - für alle t. Daraus folgt A = 0. Die Bedingung für ein freies Ende bei x = L liefert mit A = 0: Da diese Bedingung für alle Zeiten t erfüllt sein muss, erhalten wir für die zulässigen Werte von p Wenn dies eine allgemeine Lösung ist, muss sie die Wellengleichung für beliebige Anfangsbedingungen erfüllen, lediglich mit verschiedenen, den Anfangsbedingungen angepassten Parametern a n und n.
10 Um dies zu zeigen, betrachten wir als Anfangsbedingungen zur Zeit t Zur Bestimmung der freien Konstanten benutzen wir das Hilfsintegral / 0 sin[(n 1) y]sin[(m 1) y] dy 4 mn x Multiplikation mit sin[(m 1) ] und Integration über x liefert L Damit können wir durch Quotientenbildung sofort finden Damit folgen für jede Anfangsbedingung die zugehörigen a n und n. Die Zeitentwicklung des Systems ist somit eindeutig bestimmt.
11 Aufgabe 19.: Lösen Sie mit einem Separationsansatz die Differentialgleichung u u a für eine schwingende Saite, die an beiden Ende fest eingespannt ist: x t u u( x 0, t) u( x l, t) 0, mit u( x, t 0) f ( x), t0 g( x); f, g sind gegeben. t Aufgabe 19.3: Zeigen Sie, wie mit einem Separationsansatz ( x, y, z; t) ( x, y, z) T ( t) die Schrödinger-Gleichung n n i ˆ t m V H zur stationären Schrödinger-Gleichung Hˆ n Enn führt. Welcher Gleichung gehorcht Tn () t? Wie sieht die allgemeine Lösung aus? Aufgabe 19.4: Zeigen Sie, dass die Wärmeleitungsgleichung u u a, die in dem Gebiet 0 x, t 0 den Anfangs- und Randbedingungen t x u( x, t 0) f ( x), u( x 0, t) 0 gehorcht, die Lösung besitzt.
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